Einmal Major und zurück: Nachdem Ahzumjot sein „Nix mehr egal“-Album über Universal veröffentlichte, macht der gebürtige Hamburger wieder sein eigenes Ding. Zwei EPs veröffentlichte er in diesem Jahr bereits als kostenlosen Download. Dass er immer noch ein Ausnahmekünstler ist, stellte er mit der letzten der beiden EPs, „16QT2 – Tag Drei“, unter Beweis. Wir sprachen mit ihm über die Lyrics der neuen Songs, Neidgefühlen gegenüber anderen Künstlern und kurzfristige Lebensplanungen. Mit dabei: Credibil, der eigentlich nur auf seinen Kumpel Ahzumjot warten wollte.
„Und ich laufe wie damals über die Mönckeberg/
Damals ein Möchtegern, verkaufte Tapes von ’nem Anderen für einen Zehner/“ (Mein Bruh)
Ahzumjot: Das ist tatsächlich Realrap (lacht). Ich habe mit 16 für einen Hiphop-Laden Flyer auf der Mönckeberg Straße verteilt, welche die Haupteinkaufsstraße in Hamburg ist. Zusammen mit einem Kumpel, der mittlerweile YouTuber ist (lacht). Irgendwann kam dann ein Rapper aus Hamburg auf mich zu, der seine CDs auf der Straße verkauft hat. Er hat uns angesprochen und meinte: „Ihr seid coole Jungs, habt ihr Bock Geld zu verdienen?“. Daraufhin haben wir angefangen für ihn seine CDs zu verkaufen, obwohl ich damals schon selber gerappt habe. Das ist eh so ein Hamburger-Ding. Da gab es Fayzen, der verdammt viele CDs auf der Straße verkauft hat, dann Will Black, für den wir dann verkauft haben und viele andere. Viele von denen verkaufen die genau gleichen CDs wie damals heute immer noch an den genau gleichen Spots.
Credibil: Die hatten eine große Auflage (lacht).
Aber deine eigenen hast du nicht verkauft?
Ahzumjot: Ne, meine Sachen nicht. Damals hatte ich auch nur so ein paar EPs und ich war auch einfach übertrieben whack. Ich weiß noch bis heute, dass meine Mutter mich gefragt hat für wen ich da überhaupt arbeite. Dazu muss man wissen, dass der Typ damals schon 28 war, was meine Mum nicht so cool fand (lacht). Dann kam er sogar zu uns nach Hause und hat meine Mutter getroffen, weil sie meinen „Arbeitgeber“ kennen lernen wollte (Gelächter).
Credibil: Wie lange hast du das denn für den gemacht?
Ahzumjot: Auf jeden Fall drei bis vier Monate.
Und wie viele CDs hast du dabei verkauft?
Ahzumjot: Ey, ich bin gut viele CDs losgeworden. An einem guten Tag sind wir auf jeden Fall mit 400 Euro zu dem gegangen, wovon jede CD einen Zehner gekostet hat. Ich habe pro Verkauf so ein bis zwei Euro bekommen, also teilweise 80 Euro am Tag.
Credibil: Rappt der Typ heute noch?
Ahzumjot: Ja, und der verkauft immer noch seine CDs auf der Mönckebergstraße. Der zieht das komplett durch; ich respektiere diesen Hustle so krass. Aber er hat mir dann ein Feature abgesagt, der Kek (Gelächter). Ich habe damals an meinem ersten Tape gearbeitet und ihn nach einem Part gefragt. Dann meinte er nur: „Ich weiß nicht ob das so gut für dich ist. Ich rappe ja schon etwas länger, vielleicht lässt mein Part deinen dann schlecht dastehen“. Aber sonst war der super cool (lacht).
„Bleib so wie du bist, lass die andern sich verändern, hass‘ den Song/
Vielleicht hass‘ ich den nur weil ich neidisch bin und kein Gold an meiner Wand für nen Song/“ (Schwör’s mir)
Die Zeile birgt natürlich eine offensichtliche Referenz an MoTrips „So wie du bist“.
Ahzumjot: Ich bin ganz ehrlich: ich bin echt kein Fan von dem Song, ganz davon abgesehen, dass MoTrip ein sehr guter Rapper ist. Aber natürlich geht es in dieser Zeile nicht nur um diesen Track oder die Line des Songs, die ich zitiere. Das soll ja kein Disstrack sein. Was ich damit wirklich meine ist folgendes: Als es 2011 mit meinem Album „Monty“ losging, hieß es aus allen Ecken, dass ich der nächste große Hype wäre oder Deutschrap retten würde.
Stichwort: Die neue Reimgeneration.
Ahzumjot: Genau! Damals war die Tour mit Rockstah geplant und dann kam plötzlich Cro dazu. Daraus wurde dann im Prinzip eine Cro-Tour mit zwei Support Acts, was eigentlich nicht so angedacht war. Als er damals dazukam, war er noch total unbekannt. Eigentlich wollten wir das als Newcomer-Tour machen, aber dann kam eben „Easy“ raus und der Typ wurde zum gottverdammten Star. Da habe ich zusehen können, wie ein Rapper plötzlich an mir vorbeizieht und einfach riesig wird. Kurz davor saß ich noch bei ihm im Keller, wo er mir das Video zu „Easy“ gezeigt- und mich nach meiner Meinung gefragt hat.
War das schwer zu akzeptieren?
Ahzumjot: Ja, natürlich. Damals war ich 21 und konnte mit dem ganzen Scheiß nicht wirklich umgehen. Mittlerweile tangiert mich das eher wenig, wenn Leute krass bekannt- oder größer sind als ich. Vor allem wenn sie Kumpels von mir sind, dann freue ich mich einfach nur für die. Aber damals habe ich mich schon gefragt: „Fuck, warum ich nicht? Der rappt doch streng genommen über nichts“. Ich mach mir Unmengen an Gedanken über die Tiefe in den Lyrics, aber dafür interessiert sich nur ein Prozentsatz von denen die sich für seine Sachen interessiert haben. Dann gab es noch andere Leute, die in den nächsten Jahren vorbeigezogen sind, weil ich auch einfach nichts rausgebracht habe. Die Zeile spiegelt diese Phase wieder, weil mich das teilweise echt gefrustet hat. Mittlerweile ist das egal, man gönnt es jedem. Wobei… Nicht jedem (lacht). Wenn der Junge hier (zeigt auf Credibil) irgendwann richtig erfolgreich ist, dann freut mich das einfach. Und er ist auf einem sehr guten Weg.
Credibil: Dann werde ich niemanden mehr grüßen (Gelächter).
Hast du in dieser Phase mit dem Gedanken gespielt deine Musik zu ändern um mit den anderen mitziehen zu können?
Ahzumjot: Nein, absolut nicht. Das „Nix mehr egal“-Album klang natürlich sehr anders. Da hätte man mir vorwerfen können, dass ich das nur für den Erfolg machen wollte, aber ich wollte damals genau diese Musik machen. Ich wollte Chöre, ich wollte Pop-Songs, ich wollte Stadion-Musik. Da gab es niemanden, der meinte: „Jetzt musst du mehr singen!“. Wenn man sich meine Musik heute anhört, merkt man, dass ich fast noch mehr singe als auf „Nix mehr egal“.
Credibil: Aber er ist ja auch nicht unerfolgreich! Da draußen gibt es 100.000 Jugendliche, die ihre Mütter verkaufen würden um auf das Level zukommen, auf dem wir gerade sind. Wir sind zurzeit, Gott sei Dank, auf dem richtigen Weg. Also ist alles super.
Ahzumjot: Ich sehe das genauso. Nachdem Casper „XOXO“ rausgebracht hat und auf die Eins ging, war es auf einmal Standard so hoch zu charten. Da war es ja fast schon peinlich, als man auf die Fünf eingestiegen ist. Hätte man mir vor fünf Jahren gesagt: „Alan, du wirst irgendwann auf Platz 32 charten“, hätte ich geantwortet: „Ach komm, halt die Schnauze“.
Und im Endeffekt ist es doch sicher auch schöner die Bestätigung für das zu kriegen, was man immer schon gemacht hat.
Ahzumjot: Auf jeden Fall! Aber ich mag diesen Underdog-Status auch irgendwo, da bin ich ganz ehrlich. Wie oft ich allein in letzter Zeit gelesen habe: „Boah, mit dem konnte ich gar nichts anfangen, aber sein Part bei der Splash! Mag Cypher und das ‚16QT2‘-Tape sind echt baba“.
„War nie bereit für Veränderung, doch die Dämonen von Morgen bestimmen die Regeln“ (Fenster)
Ahzumjot: Ich hatte letztens eine gute und lange Unterhaltung mit einem Kumpel. Wir haben darüber gesprochen, wie krass sich die Zeiten geändert haben. Wir planen im Vergleich zu unseren Großeltern viel kurzfristiger. Die haben mit 20 oftmals schon ihren kompletten Lebensplan gehabt. Da war klar: Die wollten heiraten, zwei oder drei Kinder kriegen und größtenteils ihr ganzes Leben lang in ihrem Beruf bleiben. Dann wurde für die Rente- und den Bau des eigenen Hauses gespart. Wenn man sich deren Lebenslauf im Nachhinein anschaut, ist es bei den meisten auch genauso gekommen. Wir planen mittlerweile kaum noch langfristig. Unsere Generation besteht ja zu einem nicht allzu kleinen Teil aus Leuten, die überhaupt noch nicht wissen, was sie eigentlich machen sollen. Ich bin nicht anders. Allein weil ich mich dazu entschieden habe Künstler zu sein, ist mein Weg komplett wackelig. Auf meiner Arbeit sind Leute, die teilweise Mitte 30 sind und dort auch nur ein paar Mal die Woche arbeiten und immer noch nicht wissen, was sie wirklich wollen. Und genau darüber spricht diese Zeile im Endeffekt: Wir haben alle irgendwo einen Plan, aber wiederum auch nicht so richtig. Wir sind nicht wirklich bereit für die möglichen Veränderungen, weil wir nicht wissen, welche Auswirkungen sie auf unsere Zukunft haben, da zu 99 Prozent nicht das gewünschte Ergebnis eintritt. Das ist mit den „Dämonen von Morgen“ gemeint: Dass man im Endeffekt nicht wirklich einen Einfluss darauf hat was passiert, sondern dass es in gewisser Weise schon vorherbestimmt wird und man versuchen muss, die größtmögliche Schadensbegrenzung zu betreiben. Das ist das, was ich meine: Wir planen zwar, aber sind im Endeffekt doch nicht bereit für das, was dann eintrifft.
Dann könnte man die Zeile ja auch so deuten, dass die Zukunft nur ein Umstand ist, auf den man reagieren muss.
Ahzumjot: Absolut. Eigentlich machen wir nichts, außer handeln und reagieren. Es läuft nicht nach dem Motto: Planen, handeln, das gewünschte Ergebnis trifft ein. Man baut kein Legohaus nach Anleitung, sondern fängt mit einem Stein an und guckt dann, welcher passt. Und wenn man keinen passenden hat, muss man das Haus wieder umbauen.