Erst vor kurzem veröffentlichte Takt32 seine EP „Chimera“. Dass der Berliner nicht nur über die musikalischen Seiten des Raps, sondern auch genug über das Drumherum erzählen kann, beweist er in unserem Interview. Themen wie große Labeldeals, Chartplatzierungen und internationale Features spricht Takt32 unter anderem an.
Warum hast du dich dafür entschieden eine EP und nicht wieder ein Album zu veröffentlichen?
Das ist mehr so eine Vorbereitungsmaßnahme für das Album. Manchmal gibt es so bestimmte Themen oder bestimmte Komplexe, die man abarbeiten möchte, die aber nicht auf Albumlänge funktionieren würden oder einfach auf Albumlänge langweilig werden würden. Deshalb bietet sich so eine EP mit fünf bis sechs Tracks immer ganz gut an. Außerdem wollte ich die Leute jetzt nicht so lange warten lassen, ich habe ein Jahr lang nichts gemacht und ich habe eine Menge geschrieben. Da hat sich so viel angesammelt, was nicht auf’s Album passen würde, aber auf eine andere Platte.
Wie bist du auf deinen EP-Titel „Chimera“ gestoßen?
Also bei dem Titel handelt es sich um ein griechisches, mystisches Wesen. Ist ja eigentlich ein mehrteiliges Wesen und in der Literatur wird das häufig dafür verwendet, dass etwas ein bisschen illusionär ist, Sachen bestehen aus bestimmten Teilen, die eigentlich nicht so zusammen passen und das wirkt etwas trügerisch. Bei der Platte ging es thematisch darum, zu sagen, dass es sehr viele Sachen gibt, die scheinheilig sind oder voll viele Leute behaupten, sie würden das und das machen. Mich auch eingeschlossen, also ich bin ja selber nicht fehlerfrei. Dieses Wesen war für mich eigentlich perfekt dafür, symbolisch zu sagen: Das ist, was ihr erzählt und das ist, was tatsächlich stattfindet. Man muss halt bisschen aufpassen, dass man nicht selber zu dem Monster wird, das man bekämpft. Deshalb hat es perfekt gepasst.
Im Track „Chimera“ hast du die Line „Fick deine Review und Plattenvertrag, deinen Platz in den Charts“ – sind dir Feedback, große Labeldeals und Charts egal?
Also bei Feedback ist halt immer die Frage von wem. Wenn es Feedback von Leuten ist, die mir wichtig sind, dann definitiv. Feedback von meiner Familie oder meinem Jungs würde ich immer ernst nehmen. Auch das von den Fans. Aber irgendeine subjektive Meinung irgendeiner Rap-Literalismus-Abteilung, wo dann fünf, sechs Leute ihre Meinung dazu abgeben, wen repräsentieren die denn. Repräsentieren die einfach jemanden, der gerne kritischer Journalist ist oder meint er sei Journalist. Oder repräsentieren die die große Masse? Ich denke, das ist eher deren subjektive Wahrnehmung und deshalb sind mir Reviews relativ scheißegal. Mich interessiert es mehr, wenn ein Fan zu mir kommt und sagt: „Ey guck mal Dikka, krass den Track habe ich mies gefeiert, den fand ich nicht so cool“. Das nehme ich mir viel mehr zu Herzen, als wenn irgendein Reich Ranicki-Wannabe da seine Review schreibt.
Da geht es auch wieder um diese Scheinsache, diese Illusion. Ich meine alle quatschen immer „Boah guck mal, der hat jetzt einen Vertrag bekommen, der hat jetzt einen Deal“. Das ist das Leichteste heutzutage, einen Deal zu bekommen. Guck mal wir haben auch einen Majordeal-Vertrag, wir haben unseren Vertrieb bei Universal. Nichts, was man an die große Glocke hängen muss, ist auch nichts krasses, weil das so ziemlich jeder bekommt. Also du kannst zu recordJet gehen, zu Sony oder sonst irgendwas, so lange du ein Produkt hast, was die vertreiben können, dann machen die das auch. Also es ist nicht so schwierig. Viele brüsten sich damit und lassen sich dann aber auch 360 Grad Deals andrehen. Da gibt es ganz viele Rapper, die gleich Verlag, Vertrieb und Booking, alles in einem, geben, wo dann der A&R ganz ehrlich bestimmt, was als Single rauskommt und was nicht und da voll viel reinpfuscht. Darauf gebe ich einfach einen miesen Fick, das interessiert mich überhaupt nicht.
Wenn wir mal ehrlich sind, charten ist genau dasselbe. Mit 2500 oder 3000 Platten chartest du heutzutage locker Top 30. Wenn es die richtige Woche ist, sogar Top 10. Die Chartplatzierung hat nichts über Verkäufe auszusagen und Verkäufe schon lange nichts mehr über die Qualität der Musik.
„Alles wird gut“ beziehst du dich ja unter anderem auf die aktuelle politische Situation in Deutschland, meinst du Musik da kann was bezwecken?
Na letztendlich bleiben es immer nur Worte. Musik ist natürlich einfacher konsumierbar. Das heißt, wenn ich dir meine Argumente einfach so in einer Diskussion um den Kopf klatsche, bist du wahrscheinlich weniger empfänglich dafür, als wenn du dir ein gutes Stück Musik dazu anhörst. Prägt sich halt leichter ein. Bei mir ist es zum Beispiel so, wenn ich irgendwelche Kendrick oder J.Cole Platten höre, dann setze ich mich damit mehr auseinander, als wenn ich die Nachrichten durchzappe. Das war so ein bisschen die Idee dahinter. Ob sich damit tatsächlich was bewegt? Hoffe ich natürlich. Deshalb haben wir auch mit diesen govolunteer-Leuten zusammen gearbeitet, die so Flüchtlingshilfe machen, wo ich auch aktiv bin und denen auch mal unter die Arme greife. Wir reden halt nicht nur darüber, sondern haben auch einen Handlungsansatz, den man verfolgen könnte. Ob das dann tatsächlich aufgeht, liegt wahrscheinlich bei jedem selbst.
Könntest du dir vorstellen erneut bei Rap am Mittwoch oder anderen Battlerap-Formaten mitzumachen?
Klar. In der Vorstellung ist das immer so: Ob ich mir das vorstellen kann? Sicherlich. Wann es passiert? Keine Ahnung. Wenn ich bei den Veranstaltungen dabei bin, dann juckt es schon in den Fingern, dann hat man schon Bock. Aber ist momentan noch ein bisschen auf Eis gelegt.
Was fällt dir leichter? Written Battles oder Albumtracks?
Ich glaube so ein Written Battle, weil man sich auf eine Person vorbereiten kann und da ich sowieso so ein kleiner Hobby-Analytiker bin, macht mir das relativ viel Spaß. Ich glaube das ist auch das, was am einfachsten geht.
Sowohl auf „Gang“, als auch auf „Chimera“ hast du kaum Featuregäste und wenn dann aus deinem eigenen Kreis. Hat das einen Grund?
Also ich arbeite prinzipiell mit Leuten zusammen, die ich auch persönlich kenne, weil das passen muss und die Chemie stimmen muss. Außerdem bin ich kein großer Fan davon, mich an irgendwelchen großen Namen hochzuziehen. Sicherlich, wenn sich die Möglichkeit ergeben würde, wenn es jetzt Savas oder Ähnliches wäre, dann würde man sich schon arrangieren. Ist jetzt nicht so gemeint, wie „Nein, mache ich aus Prinzip nicht, weil ich den nicht kenne“. Es gab schon eine Menge Anfragen und Ideen. Aber ich habe immer erst gesagt „Ey, lass uns doch treffen, was trinken gehen, bisschen quatschen“ und wenn wir dann cool miteinander sind, dann machen wir das auch. Und das ist der eigentliche Grund.
Hast du irgendwelche Wunsch-Features?
Ich würde gerne etwas machen, womit man jetzt nicht so rechnet. Vielleicht auch nicht etwas Rap-typisches, irgendetwas Singer-Songwriter-mäßiges, was noch nicht so ausgelutscht und kitschig ist. So etwas wäre ganz cool. Mal gucken, ich bin gerade am Überlegen.
Vielleicht auch Amis oder Franzosen?
Voll. Ich quatsche mit ein paar Franzosen, die ich noch von früher kenne und frage, was bei denen so geht. Auch ein paar Leute aus Paris, Genaues kann ich jetzt nicht sagen, weil es noch nicht fest steht. Aber Franzosen auf alle Fälle. Amis eher nicht so, weil ich das immer schwierig finde. Ami-Features auf Deutschrap klingt immer ganz merkwürdig. Das versetzt mich dann in irgendwelchen Raptile-Zeiten zurück.
Wie stehst du, als jemand, der in Frankreich gelebt hat und auch den Einfluss in seiner Musik hat, zu dem zunehmenden französischen Einfluss im deutschen Rap?
Na gut, das ist ein Nachbarland und deutsch-französische Freundschaften und Beziehungen gibt es ja schon immer. Also klar, dass das mal irgendwann rüber schwappt. In Deutschland dauert alles immer fünf bis sechs Jahre länger, bis es Klick macht. Das ist der typische Rückstand in etwa – fünf, sechs Jahre bei Ami-Rap und drei, vier Jahre auf französischen Rap. Finde ich an sich gut, ist nur wieder die gewohnte Kritik von mir: Wenn es dann Teil der Identität wird, finde ich es sehr plastisch. Wenn da jetzt jemand einige Jahre gelebt hat, dann kann ich den Einfluss auch nachvollziehen, auch wenn man dann bestimmte Begriffe benutzt. Aber ansonsten, wenn es musikalisch orientiert ist, ja. Wenn es in den sprachlichen Gebrauch geht, dann finde ich das eher peinlich. Ich war auch vier Jahre in den USA und bin jetzt kein „St. Louis Gang Banger“. Ist einfach nicht so.