„Du hast Gustavshausen-Verbot, du Hurensohn! Wir fahren mit einem vollgetankten Skoda zu dir und machen einen Messerkampf, du Doppelhurensohn! Ich sprenge dein Konzert in die Luft und klingle bei dir zuhause Sturm, du Blödhammel!“ So klingt Deutschrap seit einigen Jahren sehr oft. Leider. Man könnte denken: „Oh Mann, wie viel Streit es im Rapgame gibt. Die müssen sich aber alle ganz schön hassen.“ Irrtum. Tun sie nicht. Oder nur in den seltensten Fällen. Dass die Protagonisten der jeweiligen Beef-Eskapaden einander nicht unbedingt wohlgesonnen sind, will ich überhaupt nicht abstreiten. Aber wenn man ernsthaft ein Problem miteinander hat, dann stichelt man doch nicht über Monate, sogar Jahre hinweg, immer mal wieder herum. Und die öffentlichkeitswirksamsten Aktionen hebt man sich auch nicht ganz zufällig für den Zeitpunkt auf, an dem man ein Album in der Pipeline hat. Und erst recht dokumentiert man den ganzen Scheißdreck nicht auf Kamera, um daraus einen Videoblog für die eigene Promophase zu basteln.
Es gibt verschiedene Arten von Beef. Es gibt richtigen Beef. Beefigen Beef. „What’s Beef“-Beef, wie ihn Biggie ihn 1997 beschrieb. „What’s beef? Beef is when you need two gats to go to sleep / Beef is when your moms ain’t safe up in the streets„. Ihr versteht schon. Die Art von Beef, die in tödlichen Schießereien endet. Alles in allem eine ziemlich uncoole Sache. Besser ist da schon jener Beef, den man nicht in Form von Drive-Bys, sondern in Disstracks austrägt. Der ist nämlich korrekt. Wenn Rapper ihre Konflikte öffentlich austragen wollen, dann bitte so. Das hat Mehrwert, das hat Substanz, das ist Competition. Vor allem: Das hat etwas mit Rap zu tun.
Natürlich kann das auch zu Promozwecken genutzt werden, aber das ist legitim. Der Beef zwischen Kay One und Bushido wäre, hätte es keine TV-Auftritte und anderweitige Schlammschlachten gegeben, ein gutes Beispiel für einen gepflegten Beef. Beide Tracks erschienen zwar „rein zufällig“ vor oder während einer Promophase, aber sie waren definitiv ernst gemeint und gut begründet. Keine Show, nur um sich ins Gespräch zu bringen und ein bisschen Welle zu machen. Beef darf kein Promotool sein, zumindest nicht primär. Kool Savas vs. Eko Fresh, die legendärste aller Deutschrap-Auseinandersetzungen. Das war ein schönes, blutiges Stück Fleisch. Daran kann man als Zuschauer seine Freude haben, ohne das Gefühl zu haben, eine schlechte RTL II-Soap zu sehen. Der Konflikt wurde nicht instrumentalisiert, um sich ins Gespräch zu bringen. Es wurde auf Rap-Ebene ausgetragen – und das reichte offenbar für eine (vorläufige) Karriere-Zerstörung, wie der Deutschraphörer es so gerne nennt.
Und dann gibt es noch Promobeef. Dem verkrüppelten, hässlichen, kleinen Bruder, der jahrelang auf dem Dachboden angekettet wurde. Ein Dachbodenhustler sozusagen. Dessen DNA sich aus Videostatements, Hausbesuchen, Tweef und immer wiederkehrenden Herausforderungen zum Einzelkampf, der aus irgendwelchen Gründen nie zustande kommt, zusammensetzt. Wie ich ihn hasse! Er ist eine Reagenzglas-Geburt, erschaffen nur zu einem Zweck: Promo. Um im Gespräch zu bleiben. Um Fans auf seine Seite zu ziehen und zu binden. Denn Hass schweißt zusammen. Wenn sich ein #TeamFler und ein #TeamFarid bilden, fühlen sich die Hörer aufgehoben in einer Gemeinschaft – verbunden durch ein gemeinsames Feindbild. Und Fler und Farid, die dieses Jahr bisher das offensichtlichste Beispiel ablieferten, können sich per Fingerschnippen ins Gespräch bringen. Manche Medien berichten da dann mit der Akribie eines Live-Tickers darüber und gießen so noch mehr Öl ins Feuer. Da werden seit Jahren Hausbesuche gemacht, Tweets verfasst und Herausforderungen ausgesprochen. Was soll das? Wenn es einem von euch nur annähernd so ernst wäre wie er tut, dann wäre zumindest mal ein handfester Disstrack erschienen. Ja, „AM3“ war quasi ein ganzes Album auf dem (nicht nur) gegen Fler geschossen wurde, aber ein direkter Vergleich (am Mic!) wie bei Bushido und Kay One, etwas messbares, bei dem jeder für sich entscheiden kann, wer die Situation als Sieger und wer als Verlierer verlässt – gab es nie. Wird es, schenkt man den Aussagen der Kampfhähne Glauben, auch nicht.
Warum? Weil das eine Symbiose ist. Eine Win/Win-Situation. Ich behaupte nicht, dass das ganze so weit kalkuliert wäre, dass es auf gegenseitiger Absprache basiert. Aber ich behaupte, dass beide Beteiligten genau wissen, dass sie davon profitieren und dass ein finaler Ausgang, bei dem zwangsläufig einer als Verlierer dastehen wird, erstens ein zu großes Risiko birgt und zweitens die leichteste Promo der Welt leichtfertig verschenkt. Klar, man ist einander nicht grün. Aber wenn aus dem Nichts heraus plötzlich wieder geschossen wird, dann geschieht das doch offensichtlich, um ein bisschen Welle zu machen. Ein „Hey, hier bin ich, bald kommt wieder was!„.
Sowas Lächerliches! Und das nervt mich. Wenn es ein Problem gibt, dann klärt man das untereinander. Dann veröffentlicht man keine Telefongespräche oder Chatverläufe – wenn man das Problem lösen will, dann löst man es. Wenn nicht, dann nicht. Dann entscheidet man auf Rap-Ebene, wer als Gewinner hervorgeht. Denn all diese Geschichten sind doch eigentlich nur Streit unter Kunstfiguren. Es sind die Rapper, die sich in den Haaren liegen, nicht die Privatpersonen dahinter. Irgendwann verschmilzt das natürlich, aber in erster Linie sind es Produkte oder Produzenten von Produkten, die miteinander konkurrieren. Und wenn der Streit mal so groß ist, dass er die Rap-Ebene übersteigt und einer anderen Herangehensweise bedarf – dann macht man das nicht öffentlich. Das macht keinen Sinn. Wenn es so privat ist, dass Rap als Medium nicht mehr ausreicht, dann doch erst recht nicht Twitter und Videoblogs. Dann haut man sich halt auf die Fresse, das ist jedem selbst überlassen, solange keine Unbeteiligten mit reingezogen werden. Aber bitte ohne sich damit öffentlich zu profilieren, denn damit nimmt man dem Beef und sich selbst jegliche Credibilität.