rap.de-Chefredakteur Oliver Marquart macht Schluss

… mit lustig und irreführenden Überschriften. Haha. So viel zum Thema Aprilscherz. Hätten wir das für dieses Jahr auch abgehakt. Reicht dann auch mal. Spaß beiseite – kommen wir zu wichtigeren Themen – in eigener Sache:

Wie du vielleicht schon bemerkt hast, haben wir rap.de in den letzten Wochen und Monaten einer gewissen Neuorientierung unterzogen. Du findest bei uns jetzt deutlich mehr Kommentare, die sich mit dem aktuellen Geschehen im Deutschrap kritisch auseinandersetzen. Das ist kein Zufall. Wir haben in unserer Redaktion entschieden, dass es bei dem ganzen Wahnsinn da draußen ein bisschen mehr Einordnung, ein bisschen mehr Kritik, kurzum, ein bisschen mehr Haltung braucht. Alle Redakteure von rap.de lieben Rap. Daher haben wir auch alle ein großes Interesse daran, dass unsere Kultur weiter wächst und gedeiht.

Dazu kann eine ernstzunehmende HipHop-Presse nur beitragen, indem sie auf interessante Entwicklungen und neue Künstler aufmerksam macht – und kritisch begleitet, was an Videos erscheint, an Alben veröffentlicht wird, an Statements von sich gegeben wird. Wofür sie dagegen nicht gebraucht wird: Hofberichterstattung, Promotion, blindes Hochjubeln jedes noch so irrelevanten Beitrags. Das können die Künstler selbst, dafür gibt es Facebook und Twitter. Auch wenn es totale Objektivität und Neutralität nicht gibt – und auch nicht geben muss: Eine kritische Distanz zum Geschehen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für faire Berichterstattung.

Gerade Anfang letzten Jahres haben wir einige Fehler gemacht. Wir haben versucht, uns in eine Richtung zu öffnen, die nicht zu uns passt. Täglich gab es auf rap.de Berichte über sinnlose Streitereien auf Twitter, über Hausbesuche, Konzertstürmungen und andere Dinge, die mit Rap nichts zu tun haben. Aus diesen Fehlern haben wir, hoffentlich, die richtigen Schlüsse und Konsequenzen gezogen.

Deswegen haben wir uns entschieden, unser journalistisches Profil ganz bewusst zu schärfen. Dazu gehören auch – namentlich stets gekennzeichnete und als solche klar erkennbare – Meinungsbeiträge. Darunter fallen selbstverständlich die Reviews, die wir nach wie vor zu jedem größeren Deutschrap-Album schreiben. Aber auch direkte Kommentare, die sich mit Phänomenen rund um Rap herum beschäftigen, seien es aktuelle Phänomene, sei es der Reimkettenfetisch, sei es Politik – ja, ein schwieriges Thema, aber auch Rap ist nun mal politisch, ob es einem passt oder nicht.

Nun darf man Meinungsbeiträge nicht mit Meinungsmache verwechseln. Wir haben nicht vor, dir vorzuschreiben, wie du die Dinge zu sehen hast, was du feiern oder haten sollst. Ein Kommentar soll genau wie eine Review eine subjektive Sichtweise zum Ausdruck bringen, die anderen im besten Fall als Denkanstoß dienen kann. Es wird auf rap.de auch keine einheitliche Meinung vertreten – wie sich etwa in den jüngsten Kommentaren zum Thema Charts zeigte, als ich selbst eine öffentliche Bekanntgabe der Verkaufszahlen forderte, mein Kollege Skinny aber dafür plädierte, stattdessen einfach die Charts abzuschaffen.

HipHop ist eine große Familie – man muss nicht immer derselben Meinung sein. Das wäre faul und erstickte auf die Dauer nur eine sinnvolle Weiterentwicklung. Wir wünschen uns eine lebendige Diskussionskultur, wo jeder seine Meinung sagen kann, mit Respekt vor dem Andersdenkenden, aber mit dem Mut, zu seiner eigenen Haltung zu stehen. Gerne nehmen wir auch Anregungen und Anstöße von außen auf – was aber nicht heißen soll, dass wir jetzt plötzlich auf jeden Haterkommentar auf Twitter antworten.

Die Dauerpräsenz von Facebook und anderen Timelines haben eine gewisse Unübersichtlichkeit zur Folge, zu deren Entwirrung wir in Zukunft noch mehr beitragen wollen. Nicht als oberschlaue Alleswisser. Als sachliche, kritische Journalisten mit einer fundierten Herangehensweise. Wer darauf Bock hat, der wird rap.de (noch mehr) lieben. Wer nicht, wird sicher anderswo glücklich. So oder so: Rap über alles – alles über Rap.

Oliver Marquart, Chefredakteur von rap.de