Ein Kommentar von Sookee zur aktuellen Diskussion über Homophobie
Sookee, Berliner Rapperin, engagiert sich nicht nur mit ihren Texten und Auftritten gegen Homophobie, Sexismus und Antisemitismus im deutschen HipHop.
Ich bin dankbar für jeden Schritt, der dabei hilft Homophobie, Transphobie und Sexismus im Rap und darüber hinaus gesamtgesellschaftlich abzubauen. Aber ich bin nicht willens, bei Selbstverständlichkeiten in Begeisterungsstürme auszubrechen und mit Anerkennung und Respektsbekundungen um mich zu schmeißen. Prima, dass BSH jetzt dank seiner Tochter Interesse daran hat, zur Vernunft zu kommen und es deswegen irgendwie klar geht, „lustige“ Bildchen von sich küssenden Männern zu twittern. Aber Songs wie „Funkel funkel kleiner Stern“ oder gefühlte 90% seines Outputs bis 2014 stehen dem nach wie vor gegenüber. Da reicht es vorne und hinten nicht, das Ganze mit dem Verweis zu versehen, dass es mit einem „Augenzwinkern“ zu verstehen sei. Bei sexualisierter Gewalt gibt’s nicht zu zwinkern, auch nicht in einem „Rap-Ding“. Wenn jemand eine neue Chance – die er unbedingt kriegen soll – einfordert und einen Wandel beweisen möchte, dann erwarte ich ein bisschen mehr Substanz. Obendrein stellen sich die Fragen, weshalb das anstehende Album mit „Musik wegen Weibaz“ betitelt ist und ob mit dem alten Material bei Shows und durch Verkäufe noch Geld verdient wird.
Dass auch Money Boy durch homofreundliche Aussagen zu einer veränderten Stimmung im Rap beigetragen haben soll, erklärt sich mir nicht. An Money Boy gibt es doch sonst auch nichts ernst zu nehmen. Warum soll ich plötzlich irgendwelche Statements dann herausgreifen und sie für bare Münze nehmen?
Marteria hat 2014 auf „OMG“ gerappt: „Fahr mit ’nem eigenem Wagen über den CSD, schmeiß‘ Gummis in die Menge und schrei „Gay, okay!““ Das sieht auf den ersten Blick für Rap-Verhältnisse recht fortschrittlich aus, wiederholt aber auch homophobe Klischees über männliche Homosexualität. Homosexualität ist hier wieder lediglich Sexualität und nicht Identität, findet vorrangig auf bunten Schwulenparaden statt und führt kein normales Leben mit Alltag und allem, was dazugehört. Und warum genau muss man auf Homoparaden nochmal Kondome regnen lassen? Weil Heteros sich nicht infizieren? Marteria sollte lieber mal Gummis in die Crowd schmeißen, wenn er Bushido auf Tour besucht.
Die Aufmerksamkeit, die oben Genannten gerade zuteil wird, sollte eigentlich Neonschwarz aus Hamburg für ihren wunderbaren Song erhalten, der aufrichtig und schlau ist:
Auch Elmos „Frank Ocean“ ist in Sachen Glaubwürdigkeit und politischer Auseinandersetzung auf einem ganz anderen Level und verdient wirklich Respekt.
Blumio hat schon vor einigen Jahren mit „Die Welt ist schwul“ Stellung bezogen und sollte auch dringend in dieser trendigen Debatte mitgedacht werden.
Auf Fatonis aktuellem Release „Die Zeit heilt alle Hypes“ gibt es auch die eine oder andere Stelle, der man eine queerfreundliche Grundhaltung deutlich anmerkt.
Der Heidelberger Animus ist in der Vergangenheit auch öfter positiv dadurch aufgefallen, dass er sich kritisch mit einer eingeschränkten Vorstellung von harter Männlichkeit befasste, verweigerte ein „No Homo“ an Äußerungen zu hängen, die ihm als ‚schwul’ ausgelegt werden könnten oder sich positiv auf Homosexualität bezog.
Die Antilopen Gang wird in softpornographischen Bilder im Video zu „Verliebt“ weitererzählen, was sie mit einem Posting diese Woche an ProHomo-Realness angekündigt hat:
Das Pink-Washing, das aktuell betrieben wird, fällt hoffentlich zugunsten einer echten und aufrichtigen Auseinandersetzung mit Homophobie, ihren Ursachen und Folgen in sich zusammen. Wieso konfrontieren sich Rapper öffentlich nicht auch mal untereinander aus ehrlichem Interesse mit ihren Aussagen? Dann müssen die Medien nicht schon wieder so ein bisschen auf Rap von oben herablächeln und sich freuen, dass sich da was tut in diesem dumm-rückständigen Moloch. Und auch der Tagesspiegel müsste keinen Fehler machen, indem er King Orgasmus irgendwie fortschrittlich aussehen lässt, bevor die Redaktion nicht zumindest sein letztes Album „Krieg“ gehört hat.
Wer also eine Möglichkeit sucht, sich als Rapper oder Rap-Fan gegen Homophobie vollen Herzens und nicht mit dem bloßen Absenden eines Tweets engagieren mag, ist sicherlich bei der Kampagne „Make Some Noise – Sexism and Homophobia Out Of My Music“ willkommen. Hier engagieren sich MCs wie Amewu oder Kobito seit geraumer Zeit dafür, dass Schweigen über Homophobie im HipHop und Reggae zu brechen und einen Gegenpol darzustellen.
Und wo doch das Spiegelvorhalten grad so hoch im Kurs steht: Mal wieder wird weibliche Homosexualität völlig ausgeblendet, weil sie für das heterosexuelle Auge pornographisch aufgeladen und damit kontrollierbar gemacht werden kann. Dies zeigt nur einmal mehr, wie stark so ziemlich alle, die gerade mitreden, Sexismus verinnerlicht haben.
#ProHomo