Abroo – Schatten und Licht

So. 2008 abarbeiten die Zweite.

Auch dieses Album stammt noch aus dem vorigen Jahr und ich schreibe diese Review, weil wir alle nicht allzu viel gehört haben von der Veröffentlichung, so als wäre sie irgendwie komplett untergegangen und das wäre unrecht. Denn mit Sicherheit gehört Abroo’s "Schatten Und Licht“ definitiv zu den guten Alben, die im letzten Jahr veröffentlicht wurden ,und gerade alle, die immer nach mehr Inhalten schreien, sollten sich mit dem Mann aus Lemgo auseinander setzen.

Vorweg schon mal: Abroo ist mit diesem Album ein wahnsinnig ehrliches Stück Musik gelungen. Keine Frage. Ich denke, diese Feststellung wird ihn freuen, denn wenn man die ganze Herangehensweise betrachtet, die Titel und Themen, dann ist es genau das, was er damit erreichen wollte.

Auf der anderen Seite ist es aber so, dass mich persönlich diese wahnsinnige Authentizität, diese hundertprozentige Ehrlichkeit nicht wirklich erreicht. Mir fehlt da die künstlerische Abstraktion. Mir fehlt da die Spannung und die Leichtigkeit. Mir fehlt die Übertreibung und die dramaturgischen Höhepunkte und letztendlich bleiben all die beschriebenen Geschichten, für mich, doch recht farb- und leblos.

Nehmen wir zum Beispiel den Song "Himmel und Hölle". Ein Stück zu dem Abroo im Begleittext schreibt, dass er "in einem Moment der Selbsterkenntnis einfach mal komplett die Hosen heruntergelassen" habe. Abroo schaut hier zurück auf sein Leben und auf all das Schelchte und Gute, was ihm wiederfahren ist und unter anderem heißt es da "ich hab meiner Tante Geld aus der Tasche gestohlen/ das hat sie richtig getroffen/ Ich hab vor Jahren mal nem Typ mit ner Schreckschuss ins Gesicht geschossen“. Das sind mit Sicherheit keine Glanzleistungen und auch besoffen mit 100 durch die 30er Zone zu brettern ist nicht cool, aber mir als Zuhörer wird nicht ganz klar, warum sich Abroo hier das Büßerhemd anzieht und sich mit der 9-Schwänzigen selbst geißelt. Keine Frage, jeder hat so seine eigenen Dämonen und jeder leidet an seinen ganz eigenen Schuldgefühlen, ABER ich kenne Menschen, die  jeden Tag anderen Leuten mit der Schreckschuss ins Gesicht schießen, ich kenne eine Menge Leute, die besoffen zu schnell Auto fahren und ich kenne fast noch mehr Leute, die Drogen nehmen und ohne Gummi vögeln. Ich kenne auch Menschen, die ihren Verwandten Geld aus der Tasche klauen und sie alle lachen und tanzen dabei und fühlen sich wohl in ihrer Haut und haben nicht die geringsten Schuldgefühle.
Wie gesagt: Die Grenze, die jeder einzelne von uns hat, ab der die inneren Dämonen zu arbeiten beginnen, ist sehr verschieden. Manche Leute können ohne Skrupel andere Menschen töten. Andere grämen sich darüber, dass sie der Oma nicht über die Straße geholfen haben – aber dann erklärs mir! Dann mach’s nachvollziehbar für mich! Dann hol mich rein, in deine Welt! Denn, wenn ich nicht abgeholt werde, dann denke ich mir: "Na ja. Ist ja alles nicht so schlimm. Warum ärgert der sich so"?

Das zweite Beispiel ist "Das Sind Wir Alle“ ein Feature-Song mit Joe Rilla. Dort heißt es: "Das ist gegen seinen Vater vor Gericht stehen/ und ihm die ganze Zeit wütend ins Gesicht sehen.[…] Das ist wie wenn du diesen einen Morgen aufwachst/ und nach 40 Jahren ist alles weg, was du bis dahin geglaubt hast […] Das ist wie Übersunden machen/ um seinen Kindern einen Wunsch zu erfüllen und auch noch nach den Überstunden lachen [usw.usf.]"

Und in der Hook heißt es dann: "Erzähl uns kein Scheiß, denn jeder kennt Schmerz/ und wenn du das hier nicht fühlst, dann bist du’s nicht wert.

Ehrlich gesagt: ich hab’s nicht kapiert. Ich habe mir diesen Song jetzt mehrmals angehört, aber ich kann immer noch nicht fühlen und nachvollziehen, was damit gemeint sein soll. Schlechte Momente? Gute Momente? Momente, in denen man im Erdboden versinken will? Momente, in denen man aufgeben will? Ich weiß es nicht. Ich versteh’s nicht.
Für mich sind das Worte und ich komm nicht dahinter. Der Vorwurf in der Hook, wenn ich das nicht fühlen kann, dann hätte ich kein Herz, ärgert mich. Aber weil ich mich nicht ärgern will, gebe ich den Ball zurück an die Künstler und sage: "Nein. Ihr habt es nicht geschafft, mir das Ding so nahe zu bringen, dass ich es fühlen kann. Das ist leider nicht meine Schuld."

Um Schuld geht es auch bei "Ich bin es leid“ und zwar geht es hier um die Frage, wer Schuld daran ist, dass Abroo kein Geld und nichts im Kühlschrank hat. Klarer Fall. Es sind die Hörer, die sein Zeug zwar runterladen, aber nicht mehr kaufen. Oder es sind die vielen anderen, die es gar nicht erst hören. Diese Sicht der Dinge ist vielleicht gar nicht mal so falsch. Auf einem Album aber hört sich das schnell mal verzweifelt und verbittert an und das ist etwas, was ich persönlich nicht gerne höre: Verbitterung! – Schmerz? Ok! Wut? Ok! Trauer? Ok! Aber Verbitterung?! Da möchte man ihm einfach nur zu rufen: "Dann mach doch was anderes und hör auf!" Und vielleicht überschätze ich mich da in meinem Massengeschmack, aber ich habe das Gefühl, dass es einigen anderen auch so geht.

So. Ansonsten ist Abroo eine Spit- und Reimkunstmaschine mit einer angenehmen Stimme, die Produktionen, ausschließlich von Joe Rilla, sind sehr gut und natürlich gibt es auch diverse Songs auf dem Album, in denen beschrieben wird, was alles passiert, wenn gefeiert wird oder wenn K.I.Z.-mäßig Nilpferde ohne rasierten Schambereich als Traumfrau beschrieben werden.
Das ist alles ganz ordentlich und wie gesagt: Abroo gehört auf jeden Fall zu denen, mit denen man sich auseinandersetzen sollte, einfach auch deshalb, um ihn im Game zu halten und ihn zu ermutigen, noch ein Album zu machen.

Da ist noch Luft nach oben. Das geht noch besser. Word to the muther!