Beyonce – I Am… Sasha Fierce

Beyonce Knowles ist eine sehr schöne Frau. Außerdem ist sie mit Jay Z, dem New Yorker Rap-Multimillionär verheiratet und an sich müsste sie ein wahnsinnig glücklicher und größtenteils problemfreier Mensch sein. Doch nein! Sie hat ein dunkles Geheimnis. Sie ist… Sasha Fierce! Kennt Ihr nicht? Dabei verwandelt sich die Guteste doch vor jedem Auftritt in ebendiese Bühnenpersönlichkeit, weil sie eigentlich ein braves und schüchternes Mädchen ist, das nichts mehr will, als geliebt zu werden. Beyonce Knowles – der Peter Parker des Black Music Kosmos.

Das hier vorliegende Album soll also beide Persönlichkeiten der Sängerin beleuchten und damit da auch ja keine Verwechslungen oder Irritationen entstehen, ist die musikalisch wie psychische Trennung absolut strikt. Die ersten acht Songs handeln davon, wie Miss Knowles selbst gestrickt ist ("I Am“), danach übernimmt "Sasha Fierce“ das Ruder und ja, das ist alles ein bisschen schizophren. Egal, "If I Were A Boy“, bekannt durch Funk und Fernsehen, gehört zu ersterer Kategorie und ist zugleich auch definitiv als ein Highlight der Platte zu sehen. Während sich anfangs der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine weitere "Was wäre wenn“-Klischeestory über einen funky Geschlechtertausch, wird man spätestens im Refrain eines Besseren belehrt. Strophe um Strophe steigert sich die Intensität der stimmlichen Darbietung und am Schluss bleibt die Erkenntnis einer enttäuschten Frau: "You don’t listen to her, you don’t care how it hurts / until you lose the one you wanted, cause you’re taking her for granted / and everything you had got destroyed. But you’re just a boy.

Direkt darauf folgt "Halo“ und hier muss ich sagen: Hut ab. Diese Frau hat eine Wahnsinnsstimme, die von einem atmosphärisch hallenden Piano-Klangteppich mit schleppendem Beat umschmeichelt wird. Als wäre Beyonce ein… Eichhörnchen, das nahezu schwerelos über die verschiedensten Oktaven hüpft. Ebenso schön, allerdings klanglich recht ähnlich anmutend, ist "Broken Hearted Girl“. Mit schmerzvoll getragener Stimme wird eine Hassliebe beschrieben, aus der es zumindest für die weibliche Hauptperson keinen Ausweg gibt. Das ist textlich wie klanglich ein Lied voll innerer Zerrissenheit und genau das kommt beim Hörer an. Da verzeiht man auch mal schwülstige Ausreißer nach unten wie die Zeile "I ain’t got to be afraid, my broken heart is free / to spread my wings and fly away, away with you.

Im Refrain “Ave Maria” wird es dann geradezu opernmäßig, allerdings wird zwei Lieder weiter klar: Viel Neues wird zumindest auf dem "I Am“-Teil der CD nicht mehr zu hören sein.  Der Begriff "Lückenfüller“ drängt sich einem bei Tracks wie "Smash Into You“ geradezu auf und fast freut man sich auf die im Vorfeld angekündigte crazy Persönlichkeitsabspaltung Sasha Fierce. Schon "Single Ladies“ klingt exakt so wie die schlechteren "Mädels, los, wir sind stark, wir sind jung und wir haben Brüste“-Lieder aus vergangenen Destiny’s Child Tagen und während sich "Radio“ durch stellenweise durchbrechende Electro-Sounds noch ansatzweise interessant klingt, ist bei "Diva“ alles aus. Was soll das sein? Fergie meets Soulja Boy? "A diva is the female version of a hustler“? Falsch, eine Diva ist die Art Frau, die komplett ausrastet, wenn die französischen Bergquellwasserfläschchen nicht wie vorgeschrieben auf dem weiß lackierten Beistelltischen (man beachte das verniedlichende und zugleich tussig klingende "-chen“) angeordnet sind. Die bemühte Hip Hoppigkeit des Tracks nervt und eigentlich wünscht man sich neben der "rappenden“ Beyonce, Jay Z, der singt. Das wäre dann ein bisschen witzig und selbstironisch.

Einerseits könnte man dem "Sasha Fierce“-Teil zugute halten, dass er weniger eintönig klingt, als die "I Am“-Balladen. Andererseits drängt sich einem das Gefühl, die Sängerin wüsste selbst nicht so genau, wer ihre andere und aufregendere Persönlichkeit eigentlich sein soll, weshalb sie musikalisch einfach mal in sämtlichen Gefilden wildert, die im amerikanischen R’n’B-Bereich gerade gefragt sind. Ein bisschen Rihanna, ein bisschen Fergie, ein bisschen Gwen Stefani, ein bisschen Bedeutungslosigkeit. Im Allgemeinen sollte man sich fragen, inwiefern ein derartiges Konzeptalbum sinnvoll ist. Steril voneinander getrennte Songs verschaffen einem beim kompletten Anhören zuerst einen Schmuse-Overkill, bevor man dann zu minütlich wechselnder Musik einmal quer durch den Club gepeitscht wird. Trotzdem: Die Frau hat eine wundervolle Stimme, produktionstechnisch kann man den Verantwortlichen auch kaum Vorwürfe machen – ergo handelt es sich bei "I AmSasha Fierce“ um ein absolut vertretbares Stück Musik mit mitunter wundervoller Herzschmerzmucke.