Ich weiß noch genau, wie ich mit zarten 17 Jahren und einer Flasche Wodka intus bei der „Peppnosedays“-Tour von Trailerpark mit vielleicht 150 anderen Besuchern im Berliner Magnet Club, heute Musik & Frieden, im Moshpit völlig zerpflückt wurde, während andere Gäste – der Altersdurchschnitt lag weit über meinen übersichtlichen Baumstammringen – sich die legendären Fäkal-Cocktails zu Gemüte führte. Ich weiß auch noch, wie ich im Jahr darauf am Boden zerstört war, weil ich trotz des lange vorab gekauften Tickets krankheitsbedingt nicht zur Releaseparty des „Crack Street Boys II“ Samplers kommen konnte. Dabei wurde die Show doch so groß mit fetten Nutten, die sich auf der Bühne Baseballschläger reinschieben, angepriesen. Also keine fetten Nutten mit Sportgeräten in Körperöffnungen für mich.
Zeitsprung: 2016. Basti lädt mich zum Ab-18-Konzert der Boyband ein. Die Show wurde von der riesigen Columbiahalle aus weiter ins Velodrom hochverlegt – Trailerpark spielten am vergangenen Samstag vor sage und schreibe 9.000 Leuten. Mit zwei Freunden im Schlepptau hörte ich bereits vor der Arena, die etwas an ein überdimensioniertes Ufo erinnert, Karate Andi als Supportact durch die Wände wummern. Nach einem traumatisierend gründlichen Security-Check, den mein bester Kumpel nur mit einem herausgepressten „Junge, der hat mir mies in die Eier gehauen“ zu kommentieren wusste, versuchten wir uns in dem vollständig ausverkauften Moloch zu orientieren. Es verschlug uns auf die Loge und den Atem: Wie in einem Fußballstadion zogen sich Sitzreihen in die Höhe – unten vor der Bühne gab es unzählige Stehplätze. Selbst während der Umbaupause wurde dort gepogt.
Dann betrat das ungleiche Quartett die Bühne – in mehr oder minder geschmackvoll schillernden, bunten Anzügen, wie man sie vom Cover des letzten Albums kennt. Timi Hendrix entschied sich aber für den Zebra-Look, während Basti einen weißen Anzug im Blutspritzer-Look zur Schau trug. Jedenfalls hoffe ich, dass es ein Design war… Außerdem hoffte ich auf abgefuckte Scheiße – das „Ab 18“-Siegel versprach einiges.
Die Show begann mit einer Dame, die Schmuggelware transportierte. Hawaiiketten, um genau zu sein. Wo muss wohl nicht genauer ausgeführt werden. Nachdem etwa ein halbes Dutzend dieser Kette das Tageslicht erreicht hatte, wurden die Schmuckstücke ans Publikum verteilt. Ein herzerwärmender Anblick. Dann begann das musikalische Programm, das durch eine zielsichere Songauswahl und makellosen Vortrag der Protagonisten glänzte. Aktuelle Songs – allesamt Livebanger – reihten sich an ältere Hits, etwa „Was der Bauer nicht kennt“ von Alligatoahs vierter „Schlaftabletten Rotwein“-Platte.
Im Zuge dieses Themensongs wurde auch das Bühnenprogramm fortgesetzt: Zwei Akteurinnen im Dirndl, denen am unteren Körperende Kuhhlocken herausbaumelten, gaben sich die Ehre und tanzen aufreizend mit Mistgabeln umher. Bei genauerem Hinsehen erspähte man am Ende der Stiele massive schwarze Dildos. Eine dritte „Tänzerin“ folgte, während die beiden Bäuerinnen es sich bequem machten. Den Rest überlasse ich mal deiner Fantasie.
Anschließend ließen sie es sich nicht nehmen, in Milchkannen zu urinieren und diesen schmackhaften Cocktail ans Publikum zu verteilen. Mit Genuss stürzte einer dieser Irren einen Becher Pisse hinunter, dann ging es weiter: Tausende Arme, zig Leute pogten zugleich. Das Menschenmeer bannte meinen Blick fast mehr als die Bühne – ein derart großes Konzert hatte ich nie zuvor gesehen. Auch die unentwegt fliegenden Becher zu beobachten machte Laune. Die Stadion-Atmosphäre wurde durch umherziehende Bierverkäufer (die mit der Zapfanlage auf dem Rücken) und entsprechend hohe Preise abgerundet.
Song um Song wurde fehlerfrei performt, dann das nächste Highlight: Das ehemalige Pimpulsiv-Mitglied Skinny Shef gab sich die Ehre. „Trailerpark“, der erste gemeinsame Song von Pimpulsiv und DNP, wurde performt und löste bei mir nostalgische Erinnerungen an meine Zeiten als jugendlicher Trailerpark-Fan aus. Weiter im Text – „U-Bahn-Schläger“, aber ohne K.I.Z. Auch der Versuch, die Jungs anzurufen, wurde nicht umgesetzt. Grund? „Das Telefon ist im Arsch“. Mir schwante nichts Gutes. Zu recht. Ein Herr wurde hereingekarrt. Untenrum unbekleidet. Um zu erkennen, dass dieses simple Wortspiel irgendwelche rektalen Spielchen einleitete, muss man kein Hellseher sein. Die Kimme des Statisten zierte ein auffälliges Tribal-Tattoo. Die Darstellerin, die vorher bereits die Mistgabeln bedient hatte, stieß dazu und rieb einen armlangen Plastikhandschuh mit Gleitcreme ein, dann machte sie sich an die Beschaffung des Telefons. Kein kleines Handy, ein geradezu antiker Riesenhörer wurde aus dieser finsteren Höhle befreit. Wohl bekomm’s.
Bisher gab es zwar keine fetten Nutten, dafür aber einige Minuten später drei homosexuelle Männer in Fetisch-Outfits. Einer davon angeleint auf allen Vieren in stylischer SM-Maske. Der machte sich dann voller Elan daran, Kollegen Nummer drei oral zu befriedigen – trefflicherweise zu den Klängen von „Dicks sucken“. Allerdings lief das Spektakel nicht bis zum buchstäblichen Höhepunkt, nach einigen Minuten zog das Trio wieder ab und ich hatte ein bisschen Mitleid mit dem nur angeblasenen Kerl, dem jetzt sicherlich tierisch die Eier weh taten. Naja, bestimmt wurde er gut bezahlt. Langsam neigte der Spaß sich dem Ende, bis man mit den Worten „Ciao Berlin“ die Bühne verließ.
Selbstverständlich eine Finte – man gehorchte brav dem „300“-artigen Stimmendonner, der eine Zugabe, Zusaufen und Bukkake forderte. Während der Zugabe wurde BRKN am Piano auf die Bühne geholt, dann gesellten sich noch SDP dazu und gemeinsam wurde „Ich will noch nicht nach Haus!“ performt. Die vielleicht absurdeste Situation war der finale Abschluss, bei dem man sich gemeinsam mit allen Körperöffnungs-Statisten im Glitter-Regen zu Elton Johns „Can U Feel The Love Tonight“ verbeugte.
So fand ein Abend voller indizierter Texte, Perversionen und Beulereien im Moshpit doch noch einen gefühlsbetonten Ausgang. Ein Tränchen kullerte und wir verließen mit einem Elton-John Ohrwurm und Erinnerungen an „Der König der Löwen“ die noch immer imposante Lokalität. Die Musik stand vielleicht etwas im Hintergrund und ich war ganz froh, dass Basti seinen Plan „eine Transe, die ihre eigene Scheiße frisst“ zu präsentieren, nicht umsetzen durfte. Aber ich hatte viel Spaß. War ein guter Abend.