Sex ist eines der häufigsten Themen im deutschen HipHop. Mit Drogenkonsum bzw. -verkauf und Gewaltverbrechen teilt sich Sex den ersten Platz der most-used-topics.
Auch ich rede über Sex. Allerdings nie wie Rapper in ihren Songs. Ein Kommentar.
Über Sex reden bedeutet immer: seine Scham überwinden, etwas preisgeben über die eigene Lust und ein immer noch nicht ganz überwundenes Tabu brechen. Wenn man über Sex redet, redet man nie nur über sich selbst, sondern immer auch über einen Partner. Sex ist nichts, was ausnahmslos immer schön ist und Spaß macht. Jeder kennt auch den schlechten Sex, der einfach nicht so klappt. Der Typ kommt zu früh, sie kommt gar nicht. Er verhält sich wie ein Stier, sie liegt nur da, wie ein toter Fisch. In solchen Momenten verspüren doch fast alle Menschen dasselbe: Unsicherheit.
Spricht man es an? Wenn ja wie? Einfach so: „Äh du, irgendwie war das nicht so gut oder?“
Die meisten machen sich selbst Vorwürfe, es nicht gebracht zu haben – zu versagen. Wenn es dann doch mal klappt, darüber zu sprechen, wird alles viel einfacher. Sex macht Spaß. Die Kommunikation zwischen beiden klärt, wer was, wie will und nicht will.
Über Sex, genauer gesagt über den eigenen Sex, zu reden bedeutet sich frei zu machen von gesellschaftlich vermittelten Bildern – die auch von Rap produziert werden.
Denn, dass Deutschrap Sex thematisiert, bedeutet leider trotzdem oft das Gegenteil von guter Kommunikation im Schlafzimmer oder einer sinnvollen Reflexion des eigenen Geschlechtsverkehrs. Das ist auch gar nicht die Absicht. Sex wird zum Stil- und Machtmittel, das vor allem im Battlerap genutzt wird, um andere zu demütigen oder klarzustellen, für wie unwiderstehlich man sich selbst hält.
Gute vs. böse Mädchen
Wenn Al-Gear rappt:
„Ich lass dich hier draußen nicht warten
Sei etwas nett zu mir, dann kann ich dich nachhause fahrn
…
Und sie fragt mich echt, ob ich sie heimfahren will
Ich sag „Ja,klar“ und schon ist sie meine Beifahrerin
…
Das hier ist Berlin, die Stadt wo mich keiner kennt
Alles wird cool – das wird ein geiler One-Night-Stand
Nein, ich bin nicht Fler – Ich fick nur in‘ Arsch
Die Nutte guckt nicht hin und ich werf ihr die Pille ins Glas“
Why SL Know Plug aka Money Boy in Hustensaftjüngling und Why SL Know Plug – Vor der Villa ist 1 Zaun:
„…ich bin ein Künstler, wie van Gogh,
die Bitch sagt nein und ich sag doch.“
oder Kollegah auf Kollegah und Farid Bang– Drive By:
„Ghetto-Star, ich knall Miss Germany auf dem Bett-Sofa
Spuck in ihre Groupie-Fresse, ey komm’n wir nachts mit 50 Bangern
Sieht der Parkplatz von dem Club aus wie ’ne Tuning-Messe“
dann zeigt das, wie Sex als Macht über und Gewalt an Frauen interpretiert wird.
Die meisten Rapper unterscheiden dabei zwischen schlechten Frauen, also sexuell aktiven „Schlampen“ und anständigen, das heißt sexuell keuschen oder zumindest monogamen Frauen sowie asexuellen Müttern. Letztere sind heilig. Für sie wird alles stehen und liegen gelassen. Gelebt und gestorben. Wenn es dagegen um „Schlampen“ geht, ist alles erlaubt. Respekt für die andere Person? Fehlanzeige.
Sex ist Macht
„Na klar gibt es Sex – denn ich parshippe jetzt
Knall‘ sie einfach in der Parklücke weg
Wichs‘ ihr in die Fresse und frag‘ sie, wie’s schmeckt?“
(Gzuz auf „Mörder“ – Bonez MC, Raf Camora & Gzuz)
Auch wenn es Frauen gibt, die Facials mögen, von Einvernehmen spricht Gzuz nicht. Die Wichse im Gesicht klingt eher wie Rache und Bestrafung für die zuvor entrissene Kontrolle.
Und dieses Bild ist beileibe kein Einzelfall. Farid Bang rappt in seinem, äh, romantischen Track „Keine Träne“ fast nebenbei, wie er seine zuvor jungfräuliche Freundin geschlagen hat.
„Es tut mir Leid, dass ich nicht immer ehrlich war
Und du von meinen Schlägen immer nur die Sterne sahst
Es war dein erstes Mal, ich hoffe du bereust es nicht
Ich werde krank, wenn ich dran denk, dass dich dein Neuer fickt
Ich wein dir keine Träne nach, doch manchmal ist das Leben hart“ (Farid Bang)
Was ist das für ein Bild von Mann und Frau, wenn man sich selbst als „Banger“ bezeichnet, die Freundin aber göttliche Unbeflecktheit vorweisen sollte? Vorsichtig ausgedrückt: ein sehr einseitiges. Weniger vorsichtig ausgedrückt: Ein Rollenverständnis, nach dem Männer Privilegien haben, die Frauen nicht zustehen.
Dabei haben Frauen, wie auch Männer, unterschiedlichste Wege ihre Sexualität auszudrücken. Einige finden es spannend, mit vielen Menschen Sex zu haben, andere nicht. Das kann jeder selbst entscheiden. Seit vielen Jahrhunderten versuchen Männer jedoch, Frauen dieses Recht, dass sie sich selbst zugestehen, abzusprechen.
Mehr Respekt
Und mehr noch: Frauen, die nicht klar dem Bild der keuschen, sexuell zurückhaltenden Frau entsprechen, werden gerne als Freiwild ohne eigene Rechte begriffen. Hanybal hat in einem großartigen Interview diese Probleme aufgegriffen. Er sagt: „Aber nur weil eine Frau sexy angezogen ist und feiert oder was auch immer macht, da gibt es keine Berechtigung, die anzufassen oder sonst was.“
Wahre Worte. Traurig nur, dass man so etwas extra betonen muss, und das der gute Hany damit fast schon eine Außenseiterposition im Deutschrap vertritt. Denn die obigen Beispiele zeigen, das meist ein ganz anderes Bild von Sex vermittelt wird.
Ich will guten Rap hören. Ich will nicht, dass mir dabei schlecht wird, ich will nicht zuhören wie Al-Gear beispielsweise Frauen ausnutzt und vergewaltigt – das ist nämlich das, was er in seinem Track zu „Miststück“ verbal tut. Deshalb mein Apell an alle Rapper, die über Sex rappen: Redet doch mal mit den Leuten darüber, mit denen ihr selbst Sex habt und fragt mal, wer gerne wie die Frauen in euren Songs behandelt wird. Oder tut uns allen einen Gefallen und rappt einfach über etwas anderes.