Ja, ich gestehe: Ich liebe Riff Raff! Rein platonisch natürlich. Glaube ich. Aber manchmal verliere ich mich in seinen eisblauen Augen. Nein, mal ernsthaft: Riff Raff ist seit geraumer Zeit einer meiner absoluten Lieblingsmusiker – und ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Denn ganz nüchtern betrachtet ist Mr. HiGHROLLER kein guter Rapper. Auch kein guter Lyricist. Und schon gar kein guter Sänger. Trotzdem feiere ich durch die Bank weg jedes seiner aktuellen Releases.
Musik kann eben nicht einfach technisch betrachtet werden. Musik muss Spaß machen. Und Riff Raff ist so frei von allem, so ungezwungen, dass es einfach immer Spaß macht. Das beginnt schon bei seinem Erscheinungsbild: Nicht nur die gefühlt wöchentlich wechselnden Frisuren, die von Cornrows in diversen schillernden Farben über türkise Bob-Frisuren, und eindrucksvolle Löwenmähnen bis hin zu Dauerwellen alles zu bieten haben, was das extravagante Herz begehrt. Mit seinen zahlreichen Tätowierungen sieht der exzentrische Texaner aus wie ein beschmierter Schultisch. Die Logos Worldstar, MTV und der NBA zieren Jodys Körper, auf dem Handrücken trägt er ein Doublecup und überm Herzen wurde Bart Simpson durch Nadeln verewigt. Das ist natürlich nur ein Bruchteil von Riff Raffs tintegewordener Freigeistigkeit. Klar, dämliche Frisuren und wahllose, nicht besonders versiert gestochene Tattoos machen noch lange keinen großen Künstler, sondern eher einen Volltrottel aus – aber im Falle von Horst Christian Simco, wie der Rapper mit deutschen Wurzeln eigentlich heißt, illustriert diese Komposition anschaulich, wofür Riff Raff steht: Einen Paradiesvogel, der macht, worauf er Bock hat.
Man könnte weiter ausführen, dass der Peach Panther sich mal eben für 1,3 Millionen Dollar eine ganz in lila gefärbte Villa mit über 550 Quadratmetern zulegt, die er kurzerhand sein „Codeine Castle“ tauft. „They thought they needed glasses when I bought that codeine castle“. Oder dass diesem Unikat von Mensch ein Charakter im Film „Springbreakers“ nachempfunden wurde. Dass in seinem Store neben unzähligen trashigen Kleidungsstücken in betonter „Versace Quality“ auch Skype-Anrufe bei den eigenen Großeltern, personalisierte Tattoo-Designs, von Riff maßgeschneiderte Namen für deine Hundewelpen und sein Erscheinen beim Familien-Dinner angeboten werden. Angebrachter ist es aber, die unglaublich vielseitige Musik der Neon Ikone zu thematisieren, die sich nicht so einfach kategorisieren lässt. Nicht, weil Riff einen so eigenen Style hat, der keiner Schublade gerecht wird – er bedient einfach unglaublich viele Schubladen.
Hier ein prolliger Trap-Banger, da eine Zuckerguss-überzogene Ballade, dort eine käsige Pop-Schmonzette, dann noch eine lockere Punkrock-Einlage. All das findet sich auf seinem Debütalbum „Neon Icon“, das nach einem Dutzend Mixtapes 2014 erschien. Und alles ist ein Hit! Es klingt stets nach Rap, selbst wenn der frisch gebackene Muskelberg sich auf dem neuen „Balloween“ an gefühlvolle Country-Songs wagt. Alles an „Heart of Gold“ könnte auch ein Song von Johnny Cash sein, der zufälligerweise (?) ein gleichnamiges Lied in seinem Repertoire hat. Klar gibt es auch Songs, die weniger schmackhaft sind – aber kein zweiter Rapper hat eine derart hohe Trefferquote für denkwürdige Dauerbrenner und vor allem geniale Hooks.
Warum kann Riff Raff all das, obwohl er es eigentlich nicht kann? Warum ist ein Song voller holpriger Flows und schief gesungener Töne trotzdem ein Hit, der mich nicht mehr loslässt und den ich bedingungslos und ohne ironisches Augenzwinkern abfeiern kann? Warum kann ich „Kokayne“ auch beim tausendsten Mal feiern, obwohl derartige Musik meinen Geschmack eigentlich nicht trifft? Ganz ehrlich: So genau weiß ich es nicht. Es mag esoterisch klingen, aber man hört einem Musiker an, ob er mit Spaß und Elan bei der Sache ist. Ob er hungrig ist und diese Musik unbedingt machen möchte. Bei Riff Raff ist das stets der Fall. Die Euphorie reißt mit. Der Mann möchte einen Song machen und macht ihn dann einfach – scheiß auf Grenzen oder die Meinung anderer! „I’ve bought a Rolex just to see me smile“.
Riff Raff ist ein Visionär, der in seiner eigenen Welt zu leben scheint. Ein unbedarfter Weirdo, der in Songs wie „Time“ Persönliches aufarbeitet, einen mit kryptischen Parts völlig ratlos hinterlässt und auf dem „Peach Panther“ Album ausnahmslos über Geld und Drogen rappt. Ein Künstler, der seine vollkommen eigenen Ästhetik kreiert hat und diese trotz technischer Unzulänglichkeiten stets perfekt transportiert. Man sollte vielleicht nicht alles auf die Goldwaage legen – auf die Essenz herunter gebrochen ist der Kerl nur ein merkwürdiger Redneck mit einer abartigen Obsession für Kitsch und Trash. Aber genau das macht ihn so groß- und einzigartig. Genie und Wahnsinn liegen eben nicht nur nahe beieinander, manchmal sind sie ein und dasselbe.