Sexismus in der HipHop-Szene ist ein Thema, über das schon viele geschrieben haben. In den bürgerlichen Medien wird dieses Problem meist mit Homophobie, Gewaltverherrlichung und pornografischen Texten vermischt. Das mag auch daran liegen, dass diese Medien von außen versuchen, die HipHop-Kultur zu analysieren, mit der sie sich aber meist nur oberflächlich beschäftigt haben.
Ich, als HipHop-Fan, habe kein Problem damit, wenn es in Texten um Sex oder Gewalt geht. Schließlich sind das Themen, die so gut wie jeden Menschen beschäftigen, und ich kann nichts Verwerfliches daran finden, wenn jemand sich lyrisch damit auseinandersetzt. Das Problem heißt Sexismus, und das ist kein Problem, das es nur in der Rapszene gibt.
Dennoch gilt Rap nach wie vor als Männerdomäne und es gibt nur wenige Frauen, die erfolgreich rappen. Ob das daran liegt, dass Frauen es schwerer haben, im Game Fuß zu fassen oder es einfach nur weniger Frauen gibt, die Spaß am Rappen haben und auch über das nötige Talent verfügen, ist eine Frage, die ich in diesem Artikel nicht klären kann. Vermutlich wird an beiden Erklärungsversuchen etwas Wahres dran sein.
Eine weit verbreitete These ist es, dass Frauen in Rapvideos hauptsächlich als leichtbekleidete Dekoration in Erscheinung treten und nur selten selbst als Rapperinnen an’s Mic steppen.
Meine These ist, dass manche Rapperinnen, etwa Iggy Azealea oder Nicki Minaj, sich selbst genau so zur Schau stellen, wie Frauen in den Videos ihrer männlichen Kollegen ohnehin häufig dargestellt werden. SXTN hingegen machen das zwar nicht, lassen dafür aber andere Frauen halbnackt in ihren Videos tanzen, weshalb auch ihnen vorgeworfen wird, Sexismen zu reproduzieren. Irrtümlicherweise wird ihnen das auch dann vorgeworfen, wenn sie versuchen, auf ironische Weise sexistische Einstellungen zu kritisieren, so z.B. in ihrem Song „Hass Frau“.
Im Refrain verwenden sie die Stimme von Alice Schwarzer, die in einer Talkshow King Orgasmus One zur Rede (bzw. an den Pranger) gestellt hatte, als sie Textauszüge von „Du nichts ich Mann“ vorlas. Es wirkt erstmal komisch, wie Schwarzers Aussagen da aus dem Zusammenhang gerissen werden, doch spätestens im zweiten Part wird die wahre Intention von Juju und Nura deutlich. So rappen sie aus der Sicht eines sexistischen Mannes:
„Diese eine Vergewaltigung kann ich verstehen / Wenn die Olle wie ’ne Bitch rausgeht – selber schuld!“
Diese Form des Victim Blaming, also der Beschuldigung des Opfers, die Vergewaltigung durch aufreizende Kleidung „provoziert“ zu haben, ist leider weit verbreitet in Deutschland. Feminist_innen sprechen von „Rape Culture“, also von einer Kultur, die Vergewaltigungen begünstigt.
Die ironische Auseinandersetzung mit Sexismus kennt man von K.I.Z. („Doitschland schafft sich ab“), DCVDNS („Pimp Yannic“) und Edgar Wasser („Bad Boy“). In allen drei Songs werden sexistische Klischees auf die Spitze getrieben und dadurch ad absurdum geführt.
Auch MC Bomber treibt sexistische Klischees humorvoll auf die Spitze, wenn er z.B. sagt: „Die Frau muss unterdrückt werden, damit sie versteht was Freiheit ist“. Der Unterschied ist allerdings, dass über solche Sprüche auch sexistische Männer lachen können.
„Ich liebe Tanten und liebe es sie zu bangen
Denn das ist kein Sexismus sondern real, ihr Verklemmten“
(MC Bomber – Katja)
MC Bomber nimmt hier die Sexismuskritik vorweg. Natürlich kann man sexuell explizite Texte schreiben, ohne frauenverachtend zu sein. Der Unterschied nicht nur zu SXTN, sondern z.B. auch zu Edgar Wasser wird allerdings deutlich, weil man in dessen Track „Bad Boy“ Kritik an Sexismus raushört, die bei MC Bomber außen vor bleibt.
„Sie sagen, Hip-Hop wäre sexistisch und homophob
Aber das war schon immer so, und deshalb ist es Tradition
Und Tradition muss man bewahr’n, und zwar um jeden Preis
Lebt damit, dass ihr die Objekte und nicht die Künstler seid
Es ist nicht dumm, Frauen „Huren“ zu nenn‘
Das macht Kollegah auch, und der ist klug, der ist Jurastudent“
(Edgar Wasser – Bad Boy)
Angesichts dieser Zeilen kann ich nicht nachvollziehen, dass manche Hörer dachten, dass Edgar das tatsächlich ernst meine. Es wird allerdings niemanden geben, der sich mit seiner Musik beschäftigt hat und ihm ernsthaft vorwirft, sexistische Ansichten zu vertreten. Es ist also keine Frage des Geschlechts, sondern der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Sexismus, wie die Texte interpretiert werden.
Dennoch wird vor allem bei SXTN oder Schwesta Ewa deutlich, dass Frauen, die sich im Grunde nicht anders verhalten und über dieselben Themen rappen wie ihre männlichen Kollegen, damit stark polarisieren und sich viele Rap-Fans davon sogar provoziert fühlen, einfach aus dem Grund, dass sie nun mal Frauen sind. Es ist also nicht zu leugnen, dass auch in der HipHop-Szene, ähnlich wie in der Gesamtgesellschaft, das Verhalten von Frauen anders bewertet wird als das Verhalten von Männern.
Ob Rap aber besonders sexistisch ist, wie es in den Medien häufig dargestellt wird, ist umstritten. Verteidiger der HipHop-Kultur wenden ein, dass Rap nur ein Spiegelbild der sexistischen Gesellschaft sei. Das ist sicherlich nicht zu leugnen, denn das Frauenbild vieler Männer, die keinen Rap hören, unterscheidet sich vermutlich nicht so stark von dem Frauenbild, das in sexistischen Texten transportiert wird. Nur offen ausgesprochen wird das nicht immer.
Aber Rapper nehmen kein Blatt vor den Mund und werden daher schnell zur Zielscheibe, wenn über Missstände diskutiert wird, die es auch außerhalb der Rapszene gibt. Rap ist aber nicht die Ursache dieser Probleme und Rap ist auch nicht in der Lage, diese Probleme zu lösen. Das heißt natürlich nicht, dass Rapper sich nicht selbst hinterfragen sollten. Im besten Fall kann Rap der Gesellschaft nicht nur den Spiegel vorhalten, sondern auch Kritik an Missständen üben und somit eine soziale Verantwortung übernehmen. Zum Thema Sexismus könnten sich aus Gründen der Realness natürlich vor allem weibliche MCs äußern, die selber davon betroffen sind. Bisher tun das leider nur Wenige.