Deutsche Rechtschreibung 2016: 1 steht für beliebige unbestimmte Artikel, ob man m oder n schreibt ist irrelevant und der Satzbau hält sich „jest“ auch nicht mehr an das vom Duden Vorgegebene, von Grammatik her.
Wenn man über die Initiatoren dieser Sprachentwicklung nachdenkt, kommt einem schnell Rapper und Sprachjongleur Why SL Know Plug aka Beezy in den Sinn. Schon in seinen frühen musikalischen Veröffentlichungen setzte er einen Slang ein, der, beeinflusst von amerikanischen Vorbildern, einige Grundsteine aus der Mauer der deutschen Sprache riss, um Stück für Stück ein neues Sprach-Building zu createn. Auch seinen Twitter-Account nutzte er in der Folge intensiv, um ein eigenes Idiom zu kreieren. Je bekannter der Boy wurde, umso mehr haben Rapfans und Internet Mitläufer das neue Vokabular angenommen, nachgeahmt und weiterentwickelt. Typische Beispiele sind Ali As, Nachdenkliche Sprüche mit Bilder oder Paul Rippé.
Wenn man YSL fragt, ob er sich für den Schöpfer dieses Twitter-Slangs hält, widerspricht er nicht. „Irgendwie schon, oder?“ Die Formel dahinter erklärt er ganz einfach: „Immer neuen Shit kreieren und der gute Shit geht automatisch ins Vokabular über.“ Slang und Rap, zwei wie Pech und Schwefel? Beezy bemerkt dazu, dass „Slang schon immer zu Rap und der Urban Culture dazu gehört.“ Er beruft sich unter anderem auf den Rapper Birdman, der mal gesagt hat: „In New Orleans everything is a Slang“.
Alles ist Slang. Und die Grenzen zwischen Rap und Twitter erweisen sich immer mehr als fließend. Twitter ist ein warmer feuchter Ort, an dem sich die Pilzsporen der verballhornten Sprache wunderbar vermehren können und durch das wenige Licht, was an diesen halbanonymen Ort scheint, entfalten sich alle möglichen Formen und Unterformen von Slang. Raptexte werden zu Twitter-Postings, Tweets gehen viral und werden verbalisiert, um im Umkehrschluss wieder in Raptexte einzufließen. Ein durchaus fruchtbarer Kreislauf.
Twitter– und Rapslang speisen und nähren sich dabei gegenseitig. Zwei Rapper die, anders als YSL, zuerst Twitter-Follower generiert haben und erst anschließend im Rap Bekanntheitsgrad erlangt haben, sind Fruchtmax und Hugo Nameless. Mit dem Track „WKSNSHG“ für „Wie kann man sich nur so hart gönnen?“ haben sie erst einen Slogan auf Twitter etabliert und ihn dann zu einem Rapsong gemacht.
Die Beziehung, die in beide Richtungen funktioniert, ergibt durchaus Sinn: Twitter bietet das optimale Medium für Rapper, um sich auszudrücken. Durch die Begrenzung auf 140 Zeichen erfordert es eine gewisse Präzision. Das gilt auch für Raplines. Mithilfe knapper Formulierungen und Wortspiele drückt ein Rapper, sofern er sein Handwerk beherrscht, sehr viel mit wenigen Worten aus. Egal, ob es um einen Gedanken, eine Geschichte oder einen Witz 1 Joke geht: Hauptsache on point. Zudem besteht eine weitere Parallele: Zu den 140 Twitter-Zeichen bildet die im Rap übliche Skalierung von 4 Schlägen pro Bar und 16 Bars pro Verse eine Allegorie. 140 und 16 sind übrigens beide durch 4 teilbar – kann das Zufall sein?
Spaß beiseite. Eine weitere Gemeinsamkeit ist auffällig: Twitter ist die Socialmedia Plattform, die durch ihre weitgehende Anonymität und Regellosigkeit ermöglicht, ohne große Zurückhaltung oder Rücksicht auf soziale Regeln und Standards zu agieren. Und genau das zeichnet seit jeher auch Rap aus: Dass man ohne Filter alles rauslassen kann, was einem durch den Kopf geht.
Und längst wird der Twitter-Slang auch im Mainstream geahnt. Kürzlich etwa beim bekannten Fastfood Restaurant zum güldenen M, am Kudamm, zierte der Werbeslogan „Gönnung!“ die Leuchttafel der Angebotsübersicht. Auch einigermaßen seriöse Zeitschriften folgen dem Movement: Ein Artikel des Sterns zum gesperrten Video von Kurt Prödel, wurde von der Redaktion mit folgenden Worten kommentiert: „Kurt Prödel Video hat UEFA EURO 2016 mit 1 Video verärgert. Die witzige Bildspur mit den Elfmetern wurde gesperrt. Alle Fans weimen.“ Für die virale Bekanntheit von Nachdenkliche Sprüche mit Bilder wiederum ist auch Medienguru Jan Böhmermann mitverantwortlich, der NSMB durch das Teilen eines ihrer Posts, einer noch viel breiteren Öffentlichkeit vorstellte.
Das Ding ist natürlich: Damit ist die Sache wohl schon durch. Was kann nach dem Mainstream denn noch kommen? Der Twitter-Slang scheint vorerst durchgespielt zu sein – dieser Artikel darüber von rap.de her prooft das letztlich. Aber es ist ja nicht so, dass das gute, alte Internet nicht schon irgendeinen neuen Trend bereithielte. So mystisch, Mois!