Aus dem Alltag eines Produzenten: Rooqs Abrechnung mit respektlosen Rappern

Ali As beschwert sich also darüber, dass sein Featurepart nicht auf dem Danju-Album gelandet ist und er unverschämterweise nicht im Vorfeld darüber informiert wurde. „Richtiger Ehrenmann“ war unter anderem sein Kommentar auf TwitterAli As hat vollkommen Recht: Es ist eine Unsitte, es ist respektlos, es ist herablassend, es zeugt von Ignoranz, jemanden für sich arbeiten zu lassen und denjenigen dann nicht auf dem aktuellsten Stand zu halten.

Der Grund, weshalb ich darüber allerdings herzlich lachen musste, ist folgender: Ali As beschwert sich hier über eine für ihn scheinbar einmalige und neue Situation. Ich nehme mir jetzt einmal raus für ALLE Produzenten zu sprechen und kann dazu nur sagen: Stell dir vor, das würde dir einmal im Monat oder häufiger passieren!

Es gab schon relativ viele Artikel über den Stellenwert von Produzenten in Deutschland, aber genau diese Situation und vor allem die Reaktion von Ali As zeigen das deutliche Zwei-Klassen-System, das im Deutschrap vorherrscht. Und dieses Zwei-Klassen-System ist ein sehr, sehr drastisches. Im besten Fall funktioniert eine Kollaboration mit oder die Arbeit für Künstler auf einer gleichgestellten, respektvollen Ebene (und ja, das kommt durchaus vor, nicht alle Rapper sind scheiße). Im schlimmsten Fall jedoch, ist man für den Rapper, dem ein Beat gefällt, ein Dienstleister, der es scheinbar weder verdient hat, mit Respekt behandelt zu werden noch überhaupt als Mensch zu zählen scheint.

Generell fängt es an, nachdem man ein Beatpaket an Rapper XY verschickt hat. Die Reaktionen auf Beatpakete laufen meist nach Schema F ab: Rapper meldet sich und schreibt Dinge wie „Unfassbar“, „Unglaublich krasse Beats“, „Du bist der beste!!“, „Ich will, dass du mindestens 50% meines Albums produzierst“ etc…
Man fühlt sich geschmeichelt (zumindest in den ersten Jahren der Karriere) und freut sich auf eine schöne Zusammenarbeit. Auf Nachfrage, welche Beats Rapper XY denn gerne hätte, werden dann zum Beispiel fünf bis sechs Stück genannt, die er „Auf jeden Fall„, „Unbedingt“ nutzen möchte. Die obligatorische anschließende Frage: „Kannst du mir die saven?

Das hier ist ein Knackpunkt. Ein wichtiger Knackpunkt. Man kann das ganze bejahen weil man gerne mit Rapper XY zusammenarbeiten möchte. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass eine Zusage der Beginn einer ewigen Odyssee sein kann. „Saven“ bedeutet nämlich für viele Rapper, dass der Beat jetzt ihm gehört. „Saven“ ist nämlich nicht ausreichend definiert. „Saven“ bedeutet unter Umständen, dass der Rapper XY im Laufe der folgenden Monate auf keine Form der Kommunikation mehr reagiert und trotzdem pissed as fuck ist, wenn man den Beat an andere Leute weiterreicht (das ist mir persönlich durchaus auch schon mit Beats passiert, die drei Jahre lang „gesaved wurden“).

Was ich damit sagen will: Gibt man die Zusage, Beats zu saven, nimmt man eine schwierige Position ein. Man hat nicht mehr das Recht, die Beats an einen anderen Rapper zu schicken, Rapper XY fühlt sich aber auch nicht in der Pflicht den Produzenten über seine Absichten bezüglich des Beats auf dem Laufenden zu halten. In den meisten Fällen (die mir bekannt sind) läuft es ganz einfach darauf hinaus, dass man als Produzent auf einmal dem Rapper hinterherrennt und versucht, ihm Informationen darüber zu entlocken, was denn jetzt mit den Beats passieren wird. Wenn man dieses Verhalten einiger Rapper addiert sollte relativ schnell deutlich werden das man sehr bald keine Beats mehr hat, die man rumschicken „darf“ oder zumindest nur noch mit einer sehr beschränkten Auswahl an Beats agieren kann.

Manchmal hat man allerdings auch Glück und ein Beat wird tatsächlich genutzt. Meistens erfährt man davon durch fünf verpasste Anrufe, zehn Mails und 15 Sprachnachrichten, die sich innerhalb von 5 Minuten angesammelt haben. Allesamt mit folgendem generischen Inhalt: „Krassen Track aufgenommen….wird meine Single….muss JETZT abgemischt werden“. Bedeutet, dass man als Produzent alles andere stehen und liegen lässt und sich sofort an den Rechner/ins Studio begibt, um die Spuren zu exportieren und zu verschicken, denn es geht ja um ein sicheres Placement. Und Rapper XY hat ja gesagt das es JETZT abgemischt werden muss, da muss man als Dienstleister eben auch parat stehen. Dass es JETZT 2 Uhr nachts ist, tut da überhaupt nichts zur Sache.

Hat man das dann geschafft und ist man soweit gekommen, gibt es fast Anlass sich zu freuen. Fast. Denn jetzt geht es daran sich den Lohn für die ganze Arbeit abzuholen. Schlau wie man ist hat man die Höhe der Entlohnung (und ob es überhaupt eine gibt) schon im Vorfeld der ganzen Aktion geklärt. In einem guten Szenario reagiert der Rapper auf die Frage, an wen man die Rechnung adressieren soll und versucht lediglich trotz bereits gegebenem Einverständnis über die Höhe des Betrags nochmal nachzuverhandeln. In einem leider häufig vorkommenden schlechten Szenario wird man den Rapper nicht mehr erreichen können. Weder via Mail, noch via Chat noch via Anruf. Und zwar monatelang nicht mehr. Warum auch? Rapper XY hat immerhin alles von einem bekommen was er wollte: Den Beat, die Spuren und sogar noch vier, fünf Beats in der Hinterhand, die man als Produzent nicht mehr weiterreichen darf, weil Rapper XY die ja „gesaved“ hat und damit eindeutig im Recht wäre wenn man die Beats trotzdem weiterreichen würde.

DAS ist das Tagesgeschäft der Produzenten in Deutschland. Das sind keine höchst seltenen Ausnahmen sondern das tatsächliche Alltagsgeschäft. Erbärmlich, oder?

Wenn ich über diese Geschichten nachdenke, wende ich ganz gerne eine Stelle des Schlussplädoyers von Matthew McConaughey aus dem Film „Die Jury“ an („…Nun stellen Sie sich vor, sie (das Mädchen) sei weiß!“): Man stelle sich vor, die Rollen seien vertauscht! Wenn das hier das Elektro-Genre wäre und Rapper würden versuchen, jeden ihrer täglich geschriebenen Texte bei Produzenten an den Mann zu bringen – wow.. Unvorstellbar. Rapper würden sich über menschenunwürdige Arbeitsweisen und über respektloses Verhalten der Produzenten beschweren und auf die Barrikaden gehen. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht würden sie auch einfach ihre Fresse halten weil ihnen bewusst wäre, dass sie jederzeit ausgetauscht werden können, dass sie jederzeit Gefahr laufen, eine Brücke zu verbrennen, die sich als wichtig herausstellen könnte um ihre Einnahmen auf das gesetzliche Mindesteinkommen empor zu heben. Und dann ist da ja auch noch diese kleine Hoffnung, dass sie eventuell einen Hit schreiben könnten, der ihr Leben komplett verändern wird. Alles, was es braucht, ist dieses eine Placement. Also doch lieber Fresse halten und Scheiße fressen.