Rap und Politik – das ist weder eine außergewöhnliche Mischung noch eine neue. Sie kann ziemlich gut gehen aber eben nicht immer. Momentan ist sie jedoch präsenter denn je, was nicht ausschließlich der rechtspopulistischen AfD zu „verdanken“ ist.
Rap war und ist ein Sprachrohr der Gesellschaft. Passiert etwas Ungewöhnliches, gibt es Missstände oder unbequeme Ansichten, wird es früher oder später in Form von Rap aufgegriffen. Es wäre ja auch ein bisschen langweilig, wenn im Jahr 2016 über Geld, Drogen und Sneaker gerappt werden würde, aber nicht über Politik. Manche nutzen den Weg der Überspitzung, um ihre Meinung kundzutun, andere nehmen kein Blatt vor den Mund und provozieren, andere sprechen durch die Blume, wieder andere wählen den Weg der Ironie und manche – und da kommen wir zum problematischen Part – machen nichts anderes als undeutliche Aussagen, die nicht greifbar sind und mehr verwirren als aufklären.
Natürlich muss die Wut im Bauch irgendwie raus und das muss ganz und gar nicht neutral passieren – darum geht es nicht. Wenn man jedoch über politische Themen rappt, dann muss man das vielleicht eine Prise durchdachter tun, als auf dem Track über die Ekstase von letzter Nacht. Politische Tracks können nämlich auch nach hinten losgehen. Wenn man mit öffentlicher Wirkung etwas von sich gibt, worüber man selbst nicht wirklich Bescheid weiß, bewegt man sich auf einem sehr schmalen Grat und läuft Gefahr, in die falsche Kerbe zu schlagen. Und das ist meiner Meinung nach kein mutiger und kritischer Spaziergang im Spalt zweier Meinungen, der provoziert und aufweckt – ganz im Gegenteil. Battlerap, Freesytles über die Gemütslage oder Disstracks in allen Ehren, aber wenn man wirklich etwas sinnvoll und aufzeigend kritisieren will – vor allem in Bezug auf die Politik oder die Gesellschaft – dann reicht ein reiner Aus-dem-Bauch-heraus-Moment oft nicht aus. Gerade weil es notwendig ist, seinen Mund aufzumachen und auszusprechen, was einen stört, sollte das, was da raus kommt, auch nachvollziehbar sein. Kontroverse politische Meinungen gekonnt in einem Track verpackt, bewundere ich sehr – ich halte es sogar für immer nötiger – es nervt jedoch, wenn dies nur geschieht, wenn andere es vormachen und das Ganze dann auch noch halbseiden und uninformiert passiert. Das ist alles andere als eine kritische Auseinandersetzung und keinen deepen Track wert.
Viele Rapper sehen es auch überhaupt nicht als ihrer Aufgabe, ihren Rap zur über-kritischer Plattform zu machen – und diese Entscheidung ist manchmal auch stärker als undifferenzierten, gewollten Politikrap zu fabrizieren. Problematisch wird es aber immer dann, wenn genau solche Rapper zum Mikro greifen und politisch werden. „Walther“ von Absztrakkt oder der Track über die Anschläge auf „Charlie Hebdo“ – beste Beispiele für politische Tracks, die man vielleicht lieber auf dem Blatt gelassen hätte. Verwirrung und Respektlosigkeit haben nämlich nichts mit einem aufzeigenden Statement zu tun. Begründen kann man das Ganze vielleicht durch die allgemeine Anfälligkeit der Rapszene, vereinfachte Welterklärungsmodelle zu glauben, à la „Rotschildtheorie“. Stichwort: Verschwörungstheorien im Rap. Mit sinnvoll aufzeigenden Texten muss das nicht zwangsläufig viel zu tun haben.
Man sollte immer den Mut haben, sich einzumischen und Missstände anzusprechen, aber man sollte auch den Mut haben, es auf individuell Art und Weise zu tun oder es eben sein zu lassen, wenn man sich nicht ausreichend informiert fühlt. Alles andere ist offenäugige Passivität und auch nicht besser als wegschauen. Sich auf neue Themen einzulassen ist auf jeden Fall begrüßenswert, sich die Themen selbst anzueignen und sein eigenes überlegtes Ding daraus zu mache, aber noch mehr. Dass das sehr gut funktionieren kann, hat uns die Rapszene schon oft bewiesen.
Für mich absolut gelungen und vorbildhaft ist z.B. „Ölsardinenindustrie“ von Danger Dan: „Im Grunde will ich lieber Mario Kart auf dem Super Nintendo spielen, als den Delfinanteil auf meiner Thunfischpizza wissen / Die großen Fische sind auch nur groß, weil sie die kleinen im Bauch haben / Und die Kinderausbeuter sind Kinderausbeuter, weil sie die Kinder gekauft haben / Und schon bereue ich jede Thunfischpizza meines gesamten Lebens / Und jede Stunde, die ich damit verschwendet habe Mario Kart zu spielen / Schwimme in das Netz der Ölsardinenindustrie“ – Kritik an dem System, die funktioniert. Aktuelle Probleme und Wissen, verpackt in Metaphern, gepaart mit einer Prise Witz, Ironie und Dialektik, die dem Track nur indirekt die Note eines erhobenen Zeigefingers geben. Durch das Eingestehen von eigenen Fehlern, die man der Gesellschaft zuschreibt, wird dem ganzen Authentizität und Glaubwürdigkeit verliehen.
Natürlich fühlt sich jeder anders von der Politik angesprochen und die Meinung ihr gegenüber ist nichts anderes als eine sehr subjektiven Konstruktion. Trotzdem darf man die Verantwortung die man trägt, nicht außer Acht lassen. Denn Empathie, ein gesunder Menschenverstand und Individualität sollten auch beim Kundtun einer sehr subjektiven Angelegenheit, nicht verloren gehen – gerade da nicht. Genau wie das kritische Hinterfragen von Themen. Egal ob man mit seinen politischen Texten provozieren will oder auf einer Welle mit schwimmen will, um etwas zu erreichen: Man sollte sich einfach bewusst machen, dass jedes Wort eine Wirkung mit sich bringt.