Skinnys Abrechnung #35: Kriminelle Klans sind keine Popkultur!


Keine echten Verbrecher, sondern die Hauptdarsteller von „4 Blocks“

Ja, eigentlich hat das *Scratches* nichts mit Rap zu tun! Aber leider ist es doch enger verbandelt als mir lieb ist. Denn wenn man von ihnen spricht, tut man das fast ausschließlich im Rap-Kontext: Die Rede ist von kriminellen Großfamilien oder wie auch immer man das nennen will. Organisiertes Verbrechen halt, völlig egal, welche Verwandtschaftsgrade vorliegen. Ihr wisst schon, was ich meinte. Und wen.

Um mich nicht allzu sehr in die Scheiße zu reiten, werde ich ausnahmsweise mal keine Namen nennen. Denn das sind wirklich gefährliche Leute – und darum geht’s. Wir reden hier von skrupellosen Verbrechern, die unschuldigen Menschen ohne mit der Wimper zu zucken Schaden zufügen – und zu schillernden Figuren stilisiert werden, als wären sie Charaktere aus einem Actionfilm. Die BILD veröffentlicht momentan sogar einen regelmäßigen Podcast, in dem zwei Springer-Kartoffeln über die Akteure des organisierten Verbrechens quatschen, als ginge es um die Verstrickungen der verschiedenen Superhelden im neuen Avengers-Streifen.

Boulevard-Schmierfinken mit Expertise

„Ja, dem gehört dieses Café und… nein, nein – das ist sein anderer Bruder, der saß wegen dem Überfall aufs Casino“ – ungefähr so klingt das, wenn die beiden Boulevard-Schmierfinken versuchen, einander mit ihrer Expertise zu übertreffen und dabei völlig den Bezug zur Realität zu verlieren scheinen.

Über die beiden Podcaster herzuziehen ist natürlich einfach, aber ich muss mir auch an die eigene Nase greifen, denn ich und fast jeder aus meinem Umfeld neigt zu ähnlichem Verhalten. Man kommt kaum um das Thema herum und im Gespräch darüber verliert man schnell aus den Augen, dass es hier um üble Leute geht, die ganz real, vielleicht genau in diesem Moment, moralisch extrem verwerfliche Dinge tun. Trotzdem spinnen wir Theorien, warum Klan-Mitglied XY sich wohl gerade entsprechend verhält und was wohl seine nächsten Schritte in der Fehde mit dem rivalisierenden Klan, der Rapper AB beschützt, sein könnten. Vielleicht bricht Klan-Mitglied in genau diesem Moment einem 60-Jährigen Gemüsehändler die Kniescheiben. Ja, wie im Film.

Ist das etwa Journalismus?

Warum wissen wir überhaupt von der Existenz dieser Leute? Sollten die nicht im Verborgenen agieren? Okay, einige scheinen sich gerne im Rampenlicht zu sonnen, aber vor allem liegt es wohl daran, dass dieses Thema Auflage bringt. Wie viele Spiegel TV Reportagen erschienen in den letzten Monaten? Wie oft haben wir schon Szenen gesehen, in denen ein aufdringlicher Reporter überraschend einem Mann mit einschlägigem Nachnamen auflauert und ihn urplötzlich mit Kamera im Gesicht und frechen Fragen auf den Lippen überrumpelt, nur um die ungehaltene Reaktion des mutmaßlichen Verbrechers als Gewaltausbruch zu stilisieren? Niemand beantwortet brav die gestellten Fragen, wenn er beim Friseurbesuch von Journalisten angesprungen wird – egal, ob Gauner oder nicht. Um gescheite Antworten geht es aber nicht, nur um reißerische „Nimm die Kamera weg“-Szenen.

Ja, kriminelle Großfamilien machen Auflage. Deutschlands very own Cosa Nostra. Endlich haben wir unser eigenes organisiertes Verbrechen, über das wir Serien wie das (zugegebenermaßen ziemlich gute) „4 Blocks“ oder das (extrem beschissene) „Dogs of Berlin“ drehen können. Unsere eigenen kleinen Al Capones und Pablo Escobars – schillernde Figuren eben. Auf den Heldenkult, der um Capone und Escobar gefeiert wird, könnte man an dieser Stelle auch eingehen, aber soweit muss man gar nicht ausholen und auf so ein hohes Podest will ich mich auch gar nicht stellen.

Das echte Leben ist kein Gangsterfilm

Ich liebe schließlich selbst Gangsterfilme und Straßenrap, natürlich ist das faszinierend und spannend. Aber bei alldem Rummel sollten wir nicht vergessen, dass Nerdtalk darüber, welcher Rapper gerade den Schutz welcher Familie genießt, sich am Ende immer um Leute dreht, die aus reiner Geld- und Machtgier andere Menschen verletzen; um ganz gewöhnliche Verbrecher eben. Um skrupellose, böse Verbrecher – das echte Leben ist nämlich kein Gangsterfilm.