Rotes Scheinwerferlicht und Nebel nehmen die Kantine am Berghain ein. Der Raum ist gut gefüllt; es riecht nach Weed und Schweiß. Der oberkörperfreie Slowthai steht grinsend auf der Bühne und schaut in das sich eher verhaltend bewegende Publikum. Neben ihm steht sein Backup, ebenfalls ohne Shirt, dafür mit Skimaske. Im Hintergrund filmt ein Typ mit Rastas und Fischerhut alles, was passiert. Dann geht es los.
„Come closer! We are all here to go crazy together“, ruft Slowthai in sein Mikrofon. Alle gehen einen Schritt nach vorne und obwohl jeder immer noch neben derselben Person steht wie vorher, geht es plötzlich ab. „Slow Down (Santa)“ läuft an und der erste Moshpit bildet sich. Schon liegt einer auf dem Boden. Er wird von beiden Seiten an den Armen gepackt und steht wieder. Nichts passiert.
Nun ist Slowthai nicht mehr auf der Bühne zu sehen. Bei „GTFOMF“ kommt er wie aus dem Nichts auf den Händen der Menschenmenge wieder zum Vorschein. Das ist zu viel – alle rasten aus. „Blind to the truth cause they told me lies / And I’m paranoid all of the time / Get the fuck out of my face / Get the fuck out of my face.“
Das Publikum konzentriert sich während des Konzerts eher aufs Eskalieren als auf das Konservieren. Sprich: kaum Smartphones in der Luft. Aber in diesem Moment will natürlich jeder ein Foto von dem Hinterkopf des stagedivenden Rappers.
Der 23-Jährige kommt aus Northampton in England und wird als kommender Star der Grime-Szene gefeiert. Grime heißt übersetzt „Schmutz“ – das britische Subgenre steht für düstere, aggressivere Klänge und Texte. Slowthai stammt aus einfachen Verhältnissen und will vor allem Leute ansprechen, deren Wünsche und Sorgen bis dato niemand ernst genommen hat.
Inzwischen füllen die Moshpits fast den ganzen Raum aus. Um die überkochende Stimmung zu halten, teilt der Rapper das Publikum in zwei Hälften, sodass in der Mitte ein breiter Gang entsteht. Ein etwa 45-jähriger Mann aus der letzten Reihe war bisher ein eher passiver Zuhörer der Show. Slowthai nimmt ihn bei der Hand und führt ihn samt des Fahrradhelms, den er an seiner Umhängetasche befestigt hat, in die erste Reihe. Der Junge macht seine Show eben für jedermann. In seine Moshpits traut sich nur nicht jedermann.