Am 17. Februar fand in Hamburg das Benefiz-Event „Rap for Refugees“ statt. Auch wenn seit jenem Abend schon einige Zeit ins Land gezogen ist, liefere ich hiermit einen kleinen Ergebnisbericht nach. Weil es mich bewegt hat.
Wenn es einen Kerngedanken gibt, der all die Texte und Überlegungen, die ich bis zum heutigen Tag öffentlich zum Besten gegeben habe, eint, dann ist es der Glaube an ein großes politisches und progressives Potential von Rap. Nicht selten habe ich die Szene in die Mangel genommen und ihr vorgeworfen, ihre Reichweite nicht ausreichend als kritisches Sprachrohr auszunutzen oder in ihrer Partizipation unter ihren Möglichkeiten zu bleiben. Heute will ich von einem augenfälligen Gegenbeispiel berichten: Dem „Rap for Refugees“-Festival, das vor einigen Wochen in der Hamburger Markthalle stattfand.
Veranstalter war mit „Rap for Refugees“ ein gleichnamiger Verein, dessen selbsternannte Aufgabe es ist, kostenlose und integrative Angebote und Workshops für geflüchtete Kinder und Jugendliche in die Wege zu leiten und in diesem Rahmen an die kulturellen und historischen Werte des Hip-Hop anzudocken.
Ganz andere Hausnummer
Es mag klugscheißerisch und abgedroschen klingen, aber ich habe in meinem Leben eine Menge ähnlicher Soli-Events miterlebt, bei denen man, mal mehr mal weniger erfolgreich, versucht hat, meist junge Menschen mithilfe angesagter Rapacts anzulocken und über diese Schiene für politische Themen zu begeistern. Ohne anderen Ausführungen dieses Konzeptes zu nahe treten zu wollen, war der Abend des 17. Februar in Hamburg dennoch aus vielerlei Gründen eine ganz andere Hausnummer …
Zum einen deshalb, und das erklärt sich von selbst, weil das gesamte Setting schlichtweg um einige Stufen pompöser war als im Regelfall. Die Relevanz einer politischen Abendveranstaltung, die eine Halle mit vierstelligem Fassungsvermögen ausverkauft hat, ist im Nachgang schon allein dadurch schwer anzuzweifeln (… und das hat „Rap for Refugees“ an diesem Abend tatsächlich geschafft).
Refugees welcome
Zum anderen aber, und das war für mich und mein positives Gefühl wesentlich maßgeblicher, weil jugendliche Refugees in sämtliche Prozesse und Teilbereiche der Veranstaltungsverlaufs aktiv eingebunden waren: Im Vorlauf der Rap-Konzerte wurden, nur beispielhaft, Graffiti-, Streetdance-, Beatbox- und Siebdruck-Workshops angeboten, an denen sich achtzig junge Geflüchtete kostenlos beteiligen konnten. Man sprach nicht im akademisierten oder ausschließenden Rahmen über die Betroffenen von Flucht, Leid, Perspektivlosigkeit und Krieg, sondern vielmehr mit ihnen. Man blieb nicht auf Distanz, sondern ermöglichte Zugänge.
Besonders im Verlauf des fortgeschrittenen Abends fiel mir auf, dass das Aufeinanderprallen von Menschen mit verschiedensten sozialen Hintergründen, Lebensrealitäten und Altersklassen deutlich spürbarer, der Austausch dadurch wesentlich kontroverser, gleichzeitig aber auch merklich konstruktiver war als in den meisten anderen Charity-Kontexten. Ob im Backstage, dem Raucherbereich oder auf der Toilette: Überall fand ein reger Austausch statt, der ohne Rap und den Rahmen in vielen Fällen wohl niemals zustande gekommen wäre.
Überzeugendes Line-Up
Der vielleicht wichtigste Auslöser für den hohen Zuspruch des breiten Spektrums an politischen Aktivistinnen und Aktivisten, Rapfans und Betroffenen war selbstverständlich das facettenreiche Lineup im Abendprogramm: Neben großen Namen mit mustergültigem Conscious-Stempel à la BSMG, Disarstar oder Amewu waren auch Artists am Start, die klassischerweise nicht vordergründig in die Schublade „Polit-Rap“ eingeordnet werden, beispielsweise Dissythekid.
An dieser Stelle ist vielleicht auch der hohe Anteil weiblicher MCs im Lineup positiv zu erwähnen, da er bekanntermaßen leider nicht selbstverständlich ist. Insgesamt entstand eine spannende, abwechslungsreiche und beinahe symbolträchtige Mischung aus Künstlerinnen und Künstlern, die sich, und das eint sie trotz teils sehr unterschiedlicher musikalischer oder inhaltlicher Ausrichtung, allesamt nicht zu schade waren, ohne Gage für den guten Zweck in den Ring zu steigen.
Benefizveranstaltungen funktionieren häufig nach einem simplen Konzept: Dem Tauschgeschäft Geld gegen hedonistisch-selbstgerechtes Besäufnis samt Gewissensbefriedigung als Gegenleistung. In diesem Fall war es jedoch weit mehr. Insofern kann „Rap for Refugees“ als Vorreiter gelten: Es war ein vielschichtiges, öffentlichkeitswirksames und von vielen mitgetragenes Statement gegen das zunehmende Misstrauen und den anwachsenden Rassismus und Fremdenhass in Deutschland und der Welt und ein starkes Zeichen von Deutschrap im politischen Kontext. Achja: Wer nicht dabei war, muss nicht traurig sein: Schon im August geht‘s in Berlin mit der nächsten Soli-Gala der Initiative weiter.