Künstler wie Booba, Sefyu und Rim K sind Rapper, die man hierzulande kennt und die einige deutsche Rapper nachhaltig in ihrem Style und Sound geprägt haben. Während in Deutschland alle in Richtung Amerika blicken und Namen wie 2Pac, BIG und NWA als Referenz in Sachen Vorbilder und Einflüssen nutzen, gibt es noch ein weiteres Land, das uns in vielen Dingen einen Schritt voraus ist: Frankreich.
In einer Zeit, in der bei uns Rapgruppen wie MOR und Aggro Berlin von der breiten Masse als nicht zumutbar und geistig sowie politisch als verwerflich eingestuft und eher Crews wie die Fantastischen Vier und Die absoluten Beginner gepusht wurden, liefen in den Banlieues zeitgleich Rapgruppen wie NTM und Lunatic auf dem Ghettoblaster vor dem Hochhaus rauf und runter.
Rap in Frankreich hatte schon seit seinem Beginn immer einen härteren, raueren und authentischeren Touch. Die Texte behandelten den Struggle in der Vorstadt und die politische Unterdrückung der Nord- und Westafrikaner.
Nach und nach hat sich der Sound in Paris und Marseille verändert. Booba fing gegen Ende der 2000er Jahre an, Autotune in seinen Songs einzusetzen und der Klang der Tracks wurde in fast der gesamten Szene etwas melodischer. Heute dominieren Künstler wie JuL, PNL und SCH die Rapszene in Frankreich. Allesamt Künstler und Gruppen, die in ihre Musik viele Richtungen einfließen lassen. Trap, Dancehall, straighter Rap, Autotune und unterschiedliche Instrumente fließen zusammen. „Le rap français“ hat sich selbst ein Upgrade verpasst. Alles wurde melodiöser und die kulturelle Vielfalt wurde in Kreativität umgewandelt. Statt mit einem Auge nach Harlem, Compton oder Atlanta zu blicken, haben die Rapper in und um den Banlieues stets die Inspiration aus ihren eigenen Reihen gewonnen. Algerier, Tunesier, Marokkaner, Senegalesen, Kameruner und Malier leben allesamt zusammen auf engstem Raum in den Vororten von Paris und bauen die musikalischen Merkmale der einzelnen Länder geschickt in ihre Musik ein.
Deutsche Rapper hingegen, suchen ihre Inspiration weiterhin in Blaupausen, die meist Übersee, aber eben auch bei unseren unmittelbaren Nachbarn entstehen:
Bushido hat beispielsweise auf dem Track „H.E.N.G.Z.T“ den Beat von Boobas „Mauvais garçon“ benutzt. Der Song „Löwenherz“ von Massiv ist auf Boobas „N°10“ gerappt und auch Capo hat sich mit seinem Song „Das hier geht“ an einem Beat von Booba „Boîte vocale“ ausprobiert. Eko hat auf seinen „700 Bars“ für eine temporäre Zeit den Beat von „Izi monnaie“ ebenfalls von Booba eingespielt. Es sind aber nicht nur die Beats von B2O. Nachdem lange im Netz diskutiert wurde, ist auch beim Song „Ohne mein Team“ von Raf Camora und Bonez MC, eine klare Ähnlichkeit im Sample zu MHDs „Afro Trap Part. 5“ zu erkennen. Das sind keine Einzelfälle und diese Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Auch in Sachen Style sind gewisse Parallelen deutlich. Wenn man sich zum Beispiel die Hook von „Mon chéri“, dem neuen Track von Nimo und Capo, anhört und im Anschluss auf die Hook von JuL auf „Mon bijou“ achtet, ist der Refrain in Sachen Stil und Umsetzung sehr ähnlich. In beiden Songs läuft im Hintergrund ein Akkordeon, was im Rap per se eher unüblich ist. Dessen Akkordfolge sowie die Tonlage und Grundstimmung sind in beiden Songs beinahe identisch.
Dass sich einzelne Künstler aus Deutschland von französischen Produktionen, Flows und stilistischen Mitteln inspirieren lassen und sich eine Scheibe abschneiden wollen, ist nicht verwerflich und die illustrierten Beispiele sind keine Bitingvorwürfe. Sie sollen lediglich aufzeigen, dass der Rap in Deutschland kreative Unzulänglichkeiten aufweist und noch nicht ganz auf eigenen Beinen steht, auch wenn er auf dem allerbesten Weg ist, dort anzukommen.
Selbstverständlich schauen auch Acts wie Booba, Lacrim und Kaaris nach Amerika und holen sich neuen Input, aber sie übernehmen nicht ganze Styles, sondern einzelne Elemente und bauen es dann in ihr eigenes Gerüst mit ein. Natürlich funktioniert Trap erfolgreich in Frankreich und ist aus Amerika kopiert, aber Trap wird nicht als Richtung, sondern als ein einzelnes Element von ganz vielen angesehen und fließt in einem natürlichen Prozess in die musikalische Entwicklung der Künstler. Kreative Eigenleistung ist das Zauberwort.
Afro Trap ist das perfekte Beispiel dafür, dass in Frankreich eigenständige Styles kreiert und von uns zwar gut nachgeahmt, aber unterm Strich dennoch nur kopiert werden.
Deutscher Rap hat im letzten Jahrzehnt einen gewaltigen Sprung hingelegt und ist mittlerweile mehr als nur salonfähig geworden. Crews wie Genetikk und die 187 Strassenbande spielen heute auf weltbekannten Festivals wie Rock im Park und verkaufstechnisch ist Rap mit anderen Genres mindestens gleichgezogen. Dass Rap in Frankreich 2017 noch die Nase vorn hat, ist der Tatsache geschuldet, dass Video- und Trackproduktionen noch auf einem höheren Level stattfinden. Auch Deutsche Künstler wie Fler, Bushido und Mortel haben für einzelne Videos auf die Skills von Chris Macari gezählt. Der französische Regisseur hat schon Videos für Snoop Dogg gedreht und war von 2009 bis 2014 für fast alle Videos von Booba zuständig. In Frankreich werden neue Styles entdeckt und/oder in ihren eigenen Kontext eingebaut und davon ist Deutschland leider ein kleines Stück entfernt. Noch.