Der Kinofilm „Wie Männer über Frauen reden“ mit Oliver Korittke, Frederick Lau, Kida Ramadan u.a. ist seit Mitte Mai in den Lichtspielhäusern zu sehen. Wir trafen einen der Regisseure, Drehbuchautoren und Produzenten Henrik Regel zum Gespräch – warum? Nun, zum Beispiel, weil Regel seinerzeit bei einer Crew namens Beatfabrik aktiv war. Später drehte er mit anderen die Doku „Rap City Berlin“ und noch etwas später den Graffiti-Film „Unlike U“. Ein Gespräch über authentische Sprache in Filmen, Rap auf der Leinwand und die Filmförderung.
„Wie Männer über Frauen reden“ ist dein erstes Projekt ohne erkennbaren HipHop-Bezug. Gibt es trotzdem einen?
So wie ich HipHop kenne – aus wenig viel machen – so sind wir auch an den Film rangegangen. Es ist ein totales Eigengewächs, wir haben uns von niemandem reinreden lassen. Das war so, wie ich es von den anderen Projekten her auch kannte, ob es jetzt „Rap City Berlin“ war oder auch das Labelbusiness.
Was war die Ausgangsidee hinter dem Film? Wie kommt man denn von einem Graffiti-Film wie „Unlike U“ zu einer Story wie „WMÜFR“?
Eine große Rolle hat das Milieu, das Umfeld gespielt, in dem der Film spielt. Er spielt ja in Kreuzberg, im Nachtleben-Club-Bar-Umfeld. Das ist sicher auch ein Umfeld, wo Björn und ich uns selber bewegen. Wir haben ja auch seit dem Release von „Unlike U“ etwa zwanzig HipHop-Parties im Festsaal Kreuzberg gemacht. Das ist einfach ein Umfeld, in dem wir uns auskennen und wohlfühlen. Ich bin ein Fan davon, Filme über etwas zu machen, wo man sich auskennt. Ich würde keinen Ballettfilm machen oder sowas. Außerdem hat mich der Umgang mit der Sprache gereizt. Ich finde, in deutschen Filmen wird Sprache immer sehr langweilig eingesetzt. Die Dialoge klingen immer total aufgesagt, nicht, wie man es aus dem Leben kennt. Total künstlich. Schon in der ursprünglichen Drehbuchfassung, und darauf haben wir später in der Umsetzung mit den Schauspielern geachtet, war uns eine authentische Sprache wichtig. Das kenne ich auch vom HipHop: Authentizität ist immer wichtig. Das war mir auch am Film wichtig, dass es authentische Charaktere sind, die eine authentische Sprache sprechen. Eine Welt, in die man für 85 Minuten eintauchen kann.
Kann euer Film vielleicht eine ähnliche Entwicklung anstoßen wie im Pop, wo ja Deutschrap die Texte spürbar beeinflusst hat? Und das nicht nur, weil viele Songs sowieso von Rappern geghostwritet werden…
Wir dachten, wir probieren es einfach mal. Wenn ich deutsche Filme geguckt habe – so geil fand ich die, bis auf paar Ausnahmen, jetzt nicht – dachte ich mir, das kriegt man doch bestimmt besser hin. Das war der Ansatz. Es gibt neben der Sprache noch andere Faktoren, die mich an deutschen Filmen grundsätzlich stören, das Licht, die Kameraführung. Man erkennt die meisten deutschen Produktionen immer auf den ersten Blick. Es war unser Anspruch, das bei unserem Film anders zu machen: Dass es nicht so deutsch aussieht und sich nicht so deutsch anhört.
Es ist ja ein sehr dialoglastiger Film.
Absolut. Die Story steht ein bisschen im Hintergrund. Bei uns geht es mehr darum, was sind das für Leute? Wir wollten die Characters für sich stehen lassen und das Alltägliche zeigen. Die Story ist ein bisschen Mittel zum Zweck. Bei einer Komödie entwickelt sich der Humor ja immer aus gewissen Begebenheiten. Und bei uns eben zum Großteil aus dem Verhältnis zwischen Männlein und Weiblein.
Der Film ist komplett dein Baby – du hast Regie geführt, am Drehbuch mitgeschrieben und produziert. Apropos: Was macht eigentlich ein Produzent?
Produziert habe ich zusammen mit Björn, mit dem ich auch „Unlike U“ gemacht habe. Die Aufgabe der Produzenten muss man sich so vorstellen: Bevor es überhaupt einen Regisseur oder Schauspieler gibt, setzt die Arbeit des Produzenten ein, nämlich zu sagen, okay, aus dem Drehbuch mach ich einen Film.
Sprich, alles hinter den Kulissen?
Natürlich ist die Finanzierung erstmal das A und O. Darum kümmert sich der Produzent. Er stellt das Team zusammen, die Schauspieler, den Kameramann, alle, die eben an einem Film beteiligt sind, sind ja ziemlich viele.
(Kurzes Gespräch über eine gebombte U-Bahn, die vorbeifährt)
Also beginnt die Arbeit eines Produzenten deutlich früher, als die eines Regisseurs. Und sie dauert auch deutlich länger, weil sie noch nicht vorbei ist, wenn der Film ins Kino kommt. Danach muss sich der Produzent noch um Sachen wie die DVD/VoD/TV-Auswertung kümmern.
Habt ihr für den Film Filmförderung bekommen?
Nee, gar nicht beantragt. Wir wollten mit diesem System gar nichts zu tun haben. Das hat sicherlich auch seine Vorzüge, vor allem für die, die immer wieder am Tropf hängen und es melken können. Was aber leider immer die gleichen sind. Wir haben uns aber dagegen entschieden, weil bei einem Film, der „Wie Männer über Frauen reden“ heißt und von der Authentizität der Dialoge lebt, wäre eine Filmförderung eine Korrektur gewesen, die wir nicht haben wollten.
Hätten die reingequatscht?
Mit Sicherheit: Entschärft es da, macht es dort ein bisschen gefälliger, das wäre mit Sicherheit passiert.
Wie habt ihr die Schauspieler ausgesucht? Frederick Lau, sehr authentischer Typ, genauso Kida Ramadan.
Die Grundidee bei den Charakteren ist, vier Prototypen mit ausdrucksstarken Schauspielern zu besetzen, denen man abnimmt, dass sie eine Clique sind. Man kann ja nicht einfach einen Haufen zusammenwürfeln, und dann passen die nicht zusammen, das merkt der Zuschauer. Alle sind gebürtige Berliner und mehr oder weniger in Kreuzberg zuhause, also hängen da viel rum. Bei der Figur von Oliver Korittke, der einen DJ spielt, der den Frauenhasser gibt, in Wahrheit aber nur enttäuscht von ihnen ist, war uns wichtig, dass er bei aller Härte, die die Figur hat, trotzdem sympathisch rüberkommt.
Du kennst sowohl das deutsche Rap-Business als auch das deutsche Film-Business – was sind denn die Parallelen und die Unterschiede?
Die Parallele ist, dass das, was vor zehn, fünfzehn Jahren im deutschen Rap passiert ist, dass Künstler nicht mehr unbedingt ein Majorlabel an ihrer Seite brauchen, um erfolgreich zu werden oder zu bleiben, dass eben der ganze Indepedent-Faktor mehr im Kommen ist, das wird sich glaube ich im Film auch immer mehr durchsetzen. Authentische, coole Geschichten in einem kleineren Rahmen.
Liegt sicher auch an den ungleich höheren Produktionskosten.
Genau. Um ein Rap-Album zu produzieren brauchst du ja nur einen Computer und ein Mikrofon. Fertig. Bei einem Film brauchst du einfach mehr, ein größeres Team, deutlich mehr Technik – wobei auch hier die nötige Technik immer bezahlbarer wird. Ich glaube, inhaltlich setzt sich in beiden Genres Authentizität durch.
Der Wettbewerb ist aber schon weit härter, weil du mit Filmfirmen konkurrierst, die über Milliarden-Budgets verfügen, oder?
Und es ist gnadenloser als die Musikbranche. Wenn du ein Album mit einem Künstler produzierst, dann arbeitet man daran ein halbes Jahr oder auch ein ganzes. Und wenn es nicht so toll läuft, gibt es immer noch eine Tour oder Merchandise. Beim Film hast du nur dieses Startwochenende. Wenn da keine Leute ins Kino gehen, dann ist er tot. Und es hat meistens deutlich länger gedauert, ihn zu produzieren als ein Album. Die Halbwertszeit ist viel kürzer und man muss es viel schneller von null auf hundert treiben. Es ist schon weit risikoreicher als das Musikgeschäft.
Aber du willst trotzdem weiter Filme machen?
Ich habe auf jeden Fall Lust, es gibt auch schon verschiedene Ideen, ich muss einfach mal gucken, in welche Richtung es gehen wird und in welcher Konstellation vor allem. Ob es nochmal so etwas komplett eigenfinanziertes wird oder ob man sich einen stärkeren Partner mit ranholt.
Hat die klassische Filmwirtschaft denn ein offeneres Ohr für HipHop-Themen? Durch solche Filme wie „Zeiten ändern dich?“ oder „Blutzbrüdaz“ etwa?
Ich glaube, das hat weniger mit HipHop zu tun, mehr mit Erfolg einzelner Künstler. Denn die Filmbranche ist an sich eine eher feige Branche. Die setzen vor allem auf Dinge, die sich bewährt haben. Und einen Bushido– oder einen Sido-Film zu machen ist halt für einen Filmkonzern ein kleineres Wagnis als ein ganz neues Thema aufzumachen. Auch der Cro-Film mit Til Schweiger – das sind funktionierende Marken, auf die man draufsattelt.
Habt ihr HipHop in eurem Film bewusst keine große Rolle spielen lassen, um erstmal einen Fuß in die Tür zu kriegen, niemanden abzuschrecken?
Wir wollten es einfach universeller halten. Wenn es jetzt zum Beispiel in einem HipHop-Club gespielt hätte, wäre es ein HipHop-Film geworden. Wir wollten es aber allgemeiner und damit auch zeitloser halten. Denn wenn jetzt mal an die Kostüme denkt, müssten die Schauspieler dann auch eben HipHop-Klamotten anhaben, die zu dem Zeitpunkt, wo der Film rauskommt, aktuell sind.
Da kann natürlich in kurzer Zeit viel passieren.
Genau, deswegen haben wir versucht, das ein bisschen zeitloser zu halten.
Ist es denn auf längere Sicht ein Ziel, mit kommenden Filmen HipHop noch weiter in die Gesellschaft hineinzutragen?
Durchaus, wobei da natürlich heute auch die Frage ist, welcher HipHop denn jetzt genau? Ich habe mir witzigerweise neulich Filmmaterial von 1993 angeguckt, was ich zuhause habe. Da hat Savas, damals noch als Juks unterwegs, ein Statement zur HipHop-Szene abgegeben. Und das ist halt witzig, denn das Statement ist 23 Jahre her, aber du kannst es genauso gut auf die heutige Rapszene beziehen. (Gelächter) Es geht viel um Schönheit, Image, Äußerlichkeiten und so, klar, das gehört auch dazu, aber ich weiß nicht, ob das unbedingt der HipHop- und Rap-Gedanke ist.
Aber trotz aller Kritik: Wäre es dennoch denkbar, dass du mal einen HipHop-Film für ein breites Publikum produzierst?
Ein Film, den ich in dieser Hinsicht immer gefeiert habe, ist „La Haine“. Aber man muss auch sehen, dass die sozialen Umstände in Frankreich ganz andere sind, viel krasser. In Deutschland gibt es eben gar nicht diese eine HipHop-Szene, die man da abbilden könnte. Es gibt so viele. Und die Szene ist weniger politisch als in Frankreich. Da bietet Deutschland halt viel weniger. Und der HipHop-Film, der über die Kultur aufklärt, würde mich nicht so reizen. Ich habe eine Idee für einen Film oder eine Serie, die sich mit HipHop beschäftigt, aber ob ich Bock habe, mich noch mal voll in diese HipHop-Szene reinzuschmeißen, muss ich mir nochmal überlegen. „Rap City Berlin“ war da schon auch teilweise sehr anstrengend.
Das kann ich mir als rap.de-Chefredakteur gut vorstellen.
Wem erzähl ich da was. (lacht)
Sind doch eben sehr sensible Künstler. Sonst ein Fazit von dir?
Während der Arbeit an diesem Film haben so viele Leute uns immer wieder gesagt, dass es nicht möglich ist, so einen Kinofilm alleine auf die Beine zu stellen. Wir sind da mit einer ziemlichen Naivität rangegangen, haben uns das auf einem Bierdeckel in der Kneipe mal ausgerechnet. Und letztendlich, wenn man mal drinsteckt, kann man nicht mehr aufhören, dann gibt es kein Zurück mehr. Aber ich würde es im Endeffekt noch mal genauso wieder machen. Man lernt sehr viel, man schafft etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, das gibt mir viel mehr als eine bekannte Marke filmisch zu recyclen.