Spätestens seitdem Denis Cuspert aka Deso Dogg das Rappen im Berliner Untergrund aufgab und sich dem IS in Syrien anschloss, wurde das Thema „Rap und Islam“ breit medial diskutiert. Häufig wurde dabei suggeriert, es gäbe einen kausalen Zusammenhang zwischen Rapmusik und Islamismus. Wer in der Debatte meistens nicht zu Wort kam, war die Szene selbst. Äußert sich doch mal jemand, wünscht man sich meist, er hätte es lieber gelassen. Greifen Rapmedien die Thematik auf, kommen Salafisten, Graue Wölfe und DITIB-Mitglieder unwidersprochen zu Wort. Unsere Interviewreihe „Rap und Islam“ will sich dem Thema differenzierter nähern: Verschiedene Gesprächspartner mit unterschiedlichen Zugängen zu beiden Themen kommen zu Wort. Dabei sind Dr. Abdel-Hakim Ourghi, Marcus Staiger, Lady Scar, Tim Pickartz, Ralf Fischer und B-Lash.
Heute: B-Lash, HipHop Urgestein aus Berlin mit iranischen Wurzeln.
Du bist Berliner HipHop-Urgestein. Wie hat sich die Rolle des Islams im deutschen Rap verändert?
Naja, ich denke, dass die Themenrelevanz in dem Maße ansteigt, in dem die Medienrelevanz steigt. Das, was im Fernsehen läuft oder in den Printmedien kommt, das beeinflusst eben einen großen Teil der Gesellschaft. Vor zehn Jahren war die Thematik rund um den Islam noch nicht so präsent. Seit dem 11. September hat das Ganze ja drastisch an Fahrt aufgenommen. Mittlerweile sind wir schon fast an einem Punkt, an dem das aufgeheizte Thema den Höhepunkt erreicht haben sollte.
Der Islam ist also zum Thema im Deutschrap geworden, weil sowohl Rapmusik als auch die Problematik um den Islamismus populärer geworden sind?
Ich seh das gar nicht so. Wenn ich mir die Scheiben der letzten drei bis sechs Monate anhöre, populär oder nicht populär, merke ich, dass der Trend in Richtung politisierter Rap noch immer sehr flach ist. Wenn man sich das ganz genau anguckt, wie viele Songs mit dem politisch-islamistischen Thema zu tun haben, dann haben wir gar nicht so viele, wie es nach außen hin wirkt. Abgesehen davon, dass Rapper auch irgendwie das Spiegelbild der Gesellschaft sein sollten, was in der Realität auch nicht so richtig aufgeht, muss man sagen, dass viele Rapper da draußen auch nicht die politische Bildung haben, nicht das geschichtliche Interesse haben und nicht so richtig recherchieren. Die konsumieren dann die Bild oder ähnliches. Dass die sich damit kein großes Bild von der Wirklichkeit schaffen können, wenn sie nur die Mainstreammedien konsumieren, sollte eigentlich klar sein. Und unsere Rapper, die berühmt und bekannt sind, die festsetzen, was in ist und was nicht, die sind halt auch nicht richtig politisch gebildet.
Wieso müssen diese Rapper dann trotzdem ihren Rap einem höheren Zweck verschreiben? Früher stand Rap einmal für sich, war Selbstzweck. Wieso muss man das jetzt unbedingt einem höheren Ziel unterordnen?
Ich glaube nicht, dass man das muss. Ich glaube sogar, dass das ein Hindernis ist. Als Haftbefehl den Palästina-Track gemacht hat auf seinem ersten Album, hat er danach gesagt, dass er das nie wieder macht, weil ihm der mediale Backlash zu kräftig war. Er hat am eigenen Leib zu spüren bekommen, was es bewirkt, wenn man sich in eine gewisse Richtung positioniert. Man hat noch immer den Eindruck, dass Rap die Politisierung eher abblockt als zu fördern.
Während des Gaza-Konfliktes 2014 gab es aber schon extrem viele, teils sehr grenzwertige Kommentare und Tweets von Rappern wie Bushido und Massiv.
Bei den beiden konkreten Beispielen haben wir es natürlich mit Menschen zu tun, die ihre Wurzeln im arabischen, bei Massiv sogar im palästinensischen Raum, haben. Natürlich ist das eine Frage der Herkunft. Leute, die aus dem arabischen Raum kommen, die fühlen sich natürlich betroffen. Da kann man von solchen Statements dann schon ausgehen. Trotzdem: Insgesamt sehe ich den Trend nicht. Und wenn man ihn spürt, dann wird er von Leuten nach außen getragen, die sich mit der Thematik nicht beschäftigt haben. Es ist natürlich förderlicher, wenn man sich mit der Thematik auskennt, als wenn man einfach nur eine Meinung abgibt. Beispiel Harris: Der hat im Track „Augenblick“ eine Meinung eingenommen, die von vielen Linken als rechtsextrem gesehen wurde – und das als Halbschwarzer. Später hat er dann zu seiner eigenen Verteidigung gesagt, dass er eigentlich total unpolitisch ist. Da hat man natürlich ein kleines Problem.
Diejenigen Rapper, die sich äußern, haben von vielem gar nicht so viel Ahnung oder Hintergrundwissen, aber dafür umso mehr Emotionen. Ist das nicht etwas gefährlich, auch für die Kids, die das dann lesen?
Wenn wir da anfangen, wo endet das dann? Auch in bezug auf die Zeiten, zu denen die, meiner Meinung nach nicht vorhandene, Politisierung noch nicht eingesetzt hatte. Dann könnte man ja auch so argumentieren, dass Aggro-Zeiten genauso gefährlich waren für die Kids. Wenn dann in Buxtehude, wo nichts geht, dann plötzlich Kids Gangs gründen und mit ’nem Messer rumlaufen und so weiter. Natürlich ist das auch ein wenig wahr: Aggro hat eine Jugendkultur geprägt, wie es kein Politiker je könnte. Nachdem „Fuck The Police“ von N.W.A rauskam, ist die Gewalt gegen Polizisten um 400% angestiegen. Dass es da einen direkten Zusammenhang zwischen Rap und Gesellschaft gibt, kann ja niemand abstreiten. Jetzt sind wir eben in einer sehr aufgeheizten Phase, in der der ganze Kram um judäa-christliche Welt gegen den Islam viel bewusster und präsenter ist. Je mehr die Medien darüber berichten, desto bewusster wird das Thema.
Hat die Rapszene es verschlafen, sich zum Thema Deso Dogg zu äußern und davon zu distanzieren?
Ich habe zum Beispiel gemeinsam mit Kaveh ein ziemlich umfangreiches Statement abgegeben. Wir haben zu einer Diskussionsrunde zum Thema „IS und Kurdistan“ geladen, das auf unserer Megafon-Seite veröffentlicht und uns letztlich auch selbst auf die Couch gesetzt haben. Damit sind wir quasi das Gegenbeispiel. Sich um eine Meinung zu drücken, war noch nie unsers.
Kaveh hat vor kurzem einen Track über „Antideutsche“ gemacht, der auch nicht gerade durch Differenziertheit besticht.
Dafür interessiere ich mich gar nicht. Er hat da seine Kämpfe, aber das ist nicht so ganz mein politisches Spielfeld. Da haben wir einfach einen unterschiedlichen Lifestyle. Wir sind uns in vielen Sachen nicht einig, aber wir können uns trotzdem gegenseitig respektieren und wie Brüder sein. Das ist mein Landsmann, seine Eltern kennen meine. Ob der jetzt politisch oder religiös die Meinung hat oder eine andere, das dürfte eigentlich kein Grund dafür sein, dass wir uns gegenseitig die Fresse einschlagen. Das, was uns verbindet, ist viel wertvoller: Dass wir beide eine Vision davon haben, miteinander an Verbesserungen arbeiten zu können. Warum muss man sich da in den Details schon einig sein?