AzudemSK dürfte dem ein oder anderen spätestens seit seiner „Classic EP“ von 2014 ein Begriff sein. Der Münsteraner besticht durch reflektierte und ernste Texte, vorgetragen auf BoomBap-lastigen Instrumentals. Derzeit supportet er in Teilzeit die MutherManufak’Tour der Funkverteidiger und bereitet parallel dazu sein neues Release vor: Am 1. Juni kommt sein Album „Bis das Leben applaudiert“ , die entsprechende Releaseparty steigt schon am 15. Mai in Münster. Grund genug, sich mit ihm über seinen musikalischen Werdegang, seine Beziehung zu Leipzig und den Funkverteidigern sowie Untergrundrap in einem mehr und mehr kommerzialisierten Umfeld zu unterhalten…
Die klassische Einstiegsfrage: Wie bist du überhaupt zu Rap gekommen?
Über den Walkman meines großen Bruders. Das lief da schon immer und irgendwann habe ich das dann auch gehört, so mit zwölf, dreizehn. Und dann habe ich mich auch lange Zeit für nichts anderes mehr interessiert. Ganz klassisch also.
Mittlerweile kennst du dich sowohl in der Leipziger als auch in der Münsteraner Rapszene aus. Kannst du da Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede ausmachen?
Ich weiß gar nicht, ob man eine Stadt und das, was in der Stadt passiert, immer über einen Kamm scheren kann. Aber in Münster ging es noch nie so sehr um das Image. Das Storytelling war immer wichtiger als der Battlecharakter, zumindest dort, wo ich aufgewachsen bin. Das war zum Zuhören natürlich immer schöner. Dieses ganze Battleding habe ich dann auch irgendwann verfolgt, aber aufgewachsen bin ich eher mit dem Storytelling, was vielleicht auch ein bisschen am westdeutschen Rap liegt. Wie das in Leipzig ablief, habe ich erst später mitgekriegt: über Morlockk oder auch Omik K, was man eben so kennt. Auch die Funkverteidiger habe ich erst relativ spät kennengelernt – als die anfingen mit Rap, haben die mir auch noch nichts gesagt.
Gemeinsamkeiten? Hmm. Mein älteres Zeug war mit Sicherheit etwas leipzigaffiner – ich weiß beispielsweise, dass meine Jungs das damals auch schon Morlockk und Omik gezeigt haben und die das ziemlich gefeiert haben. Aber das waren eben auch alte Sachen, von denen ich mittlerweile weg bin. Was ich jetzt mache, ist eher etwas smoother als das, was aus Leipzig so kommt. Insgesamt finde ich es aber schwer, das so in Städte einzugrenzen und zu kategorisieren. Klare Gemeinsamkeiten wären die Ehrlichkeit und die Roughness, aber dass man Gemeinsamkeiten findet, ist ja – hoffentlich – bei fast jeder Stadt der Fall.
Kam der Kontakt zur Leipziger Szene auch über Morlockk zu Stande?
So halb halb. Meine Freunde aus Leipzig haben dem das unter die Nase gerieben haben, sodass ich wusste, dass er meine erste CD, „Titel, Thesen, Temperamente“, zumindest kannte. Diese erste CD haben wir immer noch an Schulhöfen verteilt, die ging mehr so an Berufsschulen im Pott rum. Der Bezug zur Leipziger Szene, zu Pierre und den Funkverteidigern, kam erst vor gut einem Jahr zu Stande, als ich die gebucht habe. Wir haben uns sehr gut verstanden und dann sind die einfach ’nen Tag länger geblieben. Ich hab immer gerne Maulheld gehört, seit der „Magdeburg“ -LP dann auch Pierre. Aber davor haben wir alle unser eigenes Süppchen gekocht. Wir waren alle etwas abgefuckt von HipHop und sehr szenekritisch. Dementsprechend habe ich mir deren Kram genauso wenig reingezogen, wie die sich meine Musik gegeben haben. Wenn man so im Nachhinein den Sound betrachtet, denkt man natürlich, das war alles nur eine Frage der Zeit, nur kam mir das zu dem Zeitpunkt ganz anders vor. Letztlich ging das alles recht schnell. Seitdem man sich kennt, schätzt man sich. Und musikalische Überschneidungen gibt es ja auch.
Dementsprechend geht ihr ja auch gemeinsam auf Tour. Aber was anderes: Ich hab mal gelesen, dass du nicht gerne freestylest – warum nicht?
Ich glaube, das hat was mit meinem Anspruch zu tun – und mit meinem Kopf, der mir so ein bisschen im Weg steht. Natürlich haben wir das früher auch regelmäßig im Zimmer gemacht. Nur muss man dafür nunmal seinen Kopf ausschalten, was mir sehr schwer fällt. Aber ich habe da großen Respekt vor. Ich mag das sehr gerne, würde jedoch nicht sagen, dass ich das besonders gut kann. Deswegen stelle ich mich auch nirgendwo hin und präsentiere das.
Vor allem auf „Titel, Thesen, Temperamente“ hattest du sehr ernste, wütende Texte. Wie kam das?
Auf dem Album sind viele Tracks dabei, die ich mit 17, 18 geschrieben habe. Da war viel Stress dabei, der in meinen Texten dann zum Ausdruck kam. Das ist vermutlich auch einer der Gründe, warum viele Leute das Album bis zum Erbrechen gehört haben, weil es sie dort abgeholt hat, wo sie waren. Aber in erster Linie ist da viel Jugendlichkeit drin. Ich war einfach froh, ein Ventil gefunden zu haben. Selbst „Eine Liebe“ ist unfassbar aggressiv eingerappt, da frage ich mich heute auch, wie das passieren konnte. Auf irgendeiner Internetplattform hat mir mal jemand gesagt, dass ich viel ruhiger geworden bin. Das fand ich sehr zutreffend.
Auf „Bis das Leben applaudiert“ findet sich mit dem Track „Mad Flavor Pt. II“ auch die Fortsetzung des Tracks von „Titel, Thesen, Temperamente“. Reflektieren die Texte die Entwicklung, die du in den letzten Jahren durchgemacht hast?
In gewisser Weise ja. Wahrscheinlich vor allem deswegen, weil Krey den so brutal gut gemischt hat. Ich find‘ beide Tracks sehr gut. Part I sticht auf „T,T,T“ wegen der Produktion und auch der Inhalte hervor. Es geht um Telgte und ich hab das Städtchen irgendwie immer gefühlt. Nenn‘ mich Romantiker, aber ich mag es einfach gerne da. Früher war auch viel Lokalpatriotismus dabei, wenn wir uns die Postleitzahl auf unsere Mützen geschrieben haben. Schon alleine wegen des patriotischen Faktors würde ich das heute nicht mehr so machen. Insgesamt geht es um den Abschluss eines Gefühls, das ich bei Telgte habe. Krey hat das wunderbar umgesetzt. Aber die ganze Aufarbeitung der Kindheit ist damit dann auch hoffentlich mal gegessen. Eigentlich wollte ich den Track gar nicht zum Teil des Albums machen. Aber für Pierre ist es beispielsweise der stärkste Track des Albums, was ich sehr lustig finde.
Du hattest es schon angesprochen: Die Lyrics auf „Bis das Leben applaudiert“ haben einen eher positiven Grundtenor. Steuert der Name der Platte auch in die Richtung?
Der Name war zuerst mehr eine Schnapsidee. Aber mit der Zeit entwickelte sich das zu einer zentralen Formel für meinen Anspruch an Musik, sodass ich das für einen guten Albumtitel hielt. Da war auch noch gar nicht klar, ob ich einen Titeltrack machen würde. Ich wollte das Projekt nur unter dem Namen fortführen. Als ich die Musik gemacht habe, wollte ich, dass das Leben mir zuzwinkert und die Musik funky findet.
Da bist du mittlerweile auf einem guten Weg. Es scheint, als würde das Leben dir so langsam wirklich zuzwinkern.
Ja, das hoffe ich. Wobei das Leben natürlich in erster Linie neben der Bühne läuft. Ich würde die Crowd niemals als repräsentativ für das Leben ansehen – egal, wie groß die Crowd sein mag. Selbst wenn sie immer größer wird und man am Wochenende da steht und denkt, es läuft alles. Es ist am Ende nur ein Bruchteil dessen, was im Leben passiert.
Der Anspruch vieler Rapper bewegt sich irgendwo zwischen Erfolg und Realness. Wie sieht das bei Dir aus? Kurz gefragt: Wieso rappst Du überhaupt?
Ich denke, das ist immer noch das Ventil. Nur, dass ich jetzt merke, dass ich da auch was draus machen kann. Es funktioniert und es macht mir Spaß. Man schreibt definitiv anders, wenn man mal auf der Bühne gestanden hat und weiß, dass einem Leute zuhören. Am Anfang war es harte Arbeit, Druck. Ich wollte da nicht unbedingt stehen und Erwartungen gerecht werden müssen. Aber mittlerweile stelle ich die Erwartungen selber auf. Wenn man so möchte, fängt es jetzt grade erst an, richtig Spaß zu machen.
Ziehst du Rap als Karriereoption überhaupt in Betracht?
Jetzt grade auf jeden Fall schon. Natürlich will ich da nicht blind alles auf eine Karte setzen, aber im Prinzip ist es ja jetzt schon Karriere, ob ich will oder nicht – ich sitze jetzt grade hier, schreibe Rechnungen und bezahl‘ meine Miete. Mal gucken, wie lange das klappt.
Du wurdest ja lange Zeit als Untergrundrapper bezeichnet. Was hieß das konkret für dich?
Naja, Visa Vie ruft nicht an. Und die Plattenauflagen sind gering. Großartig anders ist das sonst ja nicht. Wenn du ’ne Platte machen willst, machst du die halt. Und am Ende verteilst du die. Die Definition wäre wahrscheinlich, kein Label schreit nach dir und du hast keine großen öffentlichen Auftritte. Ich weiß nicht, wie viele Auftritte ein Rapper haben darf, bevor er nicht mehr untergrund ist. Ich persönlich sehe mich da auch eher noch im Untergrund, weil es eben nicht dem Mainstream entspricht.
Womit wir direkt beim nächsten Thema wären. HipHop ist mittlerweile zur größten Subkultur Deutschlands avanciert und wird in diversen Feuilletons rezipiert. Was meinst Du, wo die Entwicklung noch hingeht?
Die geht dahin, dass wir alle noch länger auf unser Vinyl warten dürfen, weil jeder Vollidiot was pressen lässt und dass ganz viele Leute es toll finden, dass niemand ihre Mutter bumst. Da hab ich immer noch die Line aus „New Yorker“ von Slowy im Kopf. Ich brauch die Leute nicht unbedingt, die das vor fünf Jahren nicht gehört haben und das jetzt feiern, weil Carhartt Mützen wieder in sind und alle Leute sich ’nen Air Max 1 kaufen. Ich hab kein Problem mit denen, aber ich weiß, dass, wenn die sich ernsthaft und inhaltlich mit mir auseinandersetzen würden, sie mich wahrscheinlich auch nicht cool finden würden, weil sie was gegen Graffiti haben oder nicht kiffen wollen oder sowas. Die hören das dann, weil sie mich in der Schublade Boom Bap verorten, aber am Ende des Tages weiß ich, dass wir sehr wenige Überschneidungen haben. Ich halte von diesen neumodischen Trends nicht so viel. Es ist immer problematisch, die Szene zu kategorisieren. Ich richte meine Musik ja nicht danach, was grade in ist. Klar bin ich froh, dass ich meine Platten verkaufe, weil derzeit Haptisches wieder angesagt ist. Aber deshalb ändere ich ja nicht mein Auftreten.
Du hast es schon angesprochen: Musikalisch setzt du viel auf BoomBap-Beats. Lässt sich da eine Vorliebe für den alten New Yorker Sound erkennen?
Das ist mir etwas zu pauschal formuliert. In erster Linie müssen die Beats gut klingen. Die Geschwindigkeit wähle ich, weil ich dazu gut erzählen kann – nicht, weil die Geschwindigkeit in den 90ern auch so war. Auch wenn ich den Sound früher gefeiert habe, kommt jeder meiner Beats neu daher. Ich empfinde die Beats nicht so, als wären sie 1996 schonmal da gewesen. Die sind stets fresh und keinesfalls nur Klischee; es gibt Acapellas, es gibt Sachen ohne Drums, es gibt computergesteuerte Geschichten. Das ist schließlich nicht alles von Adlib, von der Vierspur auf’s Tape gezogen und zurück, damit sich das möglichst rough anhört. Klar, ich feier die 90er, aber ich will definitiv nicht so klingen. Ich klinge lieber wie 2016.