Interview: Amir Forsati
Die Nachricht verbreitete sich in den sozialen Netzwerken schnell: Blumentopf lösen sich auf. Ein Abschiedskonzert wird für das kommende Jahr angekündigt, welches innerhalb eines Tages ausverkauft ist. Die Nachricht kam für viele überraschend, da eigentlich vermutet wurde, dass nach dem Roger&Schu-Album „Clap your Fingers“ ein neues Blumentopf-Album erscheinen würde. Falsch gedacht. Roger & Schu befinden sich gerade auf ihrer Album Tour. Kurz vor Tourbeginn traf ich mich mit ihnen und unterhielt mit ihnen über das Blumentopf-Ende, Alkohol auf Konzerten und ihren Einsatz beim WIR-Benefizkonzert.
Die Blumentopf-Auflösung. Jungs, warum?
Roger: Es hat unsere Befürchtung absolut übertroffen als wir mitbekamen wie viele Leute mit gebrochenem Herzen zu Hause saßen. Aber wir haben das wirklich schon länger vorgehabt das zu machen. Wir wussten aber nicht, wie und wann wir damit an die Öffentlichkeit gehen sollen. Es war ein Schritt der klar war und wir haben es eigentlich lange vor uns hergeschoben . Da war das „TNT„-Album noch und es gab auch nie so einen Bandcrash bei dem es einen großen Streit gab oder ähnliches, wo wir beschlossen haben „Hey, jetzt hören wir auf“ . Es war eher ein logischer Schritt bei dem wir uns alle dachten „Ey, lass uns das machen solange es noch cool ist“. Weil wir können so nicht weiter machen. Wir zwei mit unserer Roger & Schu-Formation bereits ganz anders weiter. Der Holunder arbeitet fest woanders. Sepalot schiebt musikalisch schon lange einen ganz anderen Film. Der Cajus macht das Cafe draußen. Das ist halt nicht mehr so wie früher, die fünf Jungs aus dem Reihenhaus. Es ist nicht mehr die Clique die Musik macht. Wir könnten Blumentopf bestimmt auch weiter fortführen. Finanziell würde es auch problemlos laufen. Es wäre z.B. lukrativ jetzt noch ein Blumentopf-Album zu machen, aber wir haben gedacht „Ey, am coolsten wäre der Move zu sagen wir hören auf und machen ein Ende“. Wir lassen den Namen noch einmal cool dastehen und bevor wir es halb durchziehen und/oder sagen, dass zwei von ihnen jetzt Blumentopf-Light heißen und zu zweit weiter machen, beenden wir es richtig.
Da haben wir ja bereits ein Problem dass wir sagen, wir machen zu zweit weiter. Aber es ist jetzt nicht so dass wir sagen, wir wollen nicht mehr bei Blumentopf mitmachen, sondern wir sind halt die beiden, die noch rappen und noch lust drauf haben. Da ist aber viel noch in der Planung. Wir haben jetzt noch eine Zusatzabschluss-Show. Die Abschluss-Show im Zenith war an einem Tag ausverkauft. Das haben wir nicht erwartet. Wir haben vorher noch gedacht „Wow, okay, keine Ahnung, ob wir da zu groß denken.“ Aber wir waren auch schon immer Tiefstapler. Wir machen jetzt die Zusatzshow und da sind natürlich noch einige Personen, die jetzt fragen ob wir als Blumentopf noch dies oder das machen wollen. Jetzt sind wir am abwägen und planen, wie wir das endgültig am besten machen wollen. Bis zum Ende ist es ja noch ein Jahr hin.
Handelt es sich um ein endgültiges Ende oder könnt ihr euch vorstellen irgendwann in fünf oder zehn Jahren nochmal ein Album zusammen zu veröffentlichen?
Schu: Es ist schon auf jeden Fall ein endgültiges Ende. Was in fünf Jahren ist kann natürlich keiner sagen. Jedoch ist in keinem unserer Köpfe jetzt schon der Gedanke verankert, dass wir denken „Ja, nach der Abschluss-Show machen wir die Reunion-Tour usw.“ Nein, das machen wir nicht! Es ist auf jeden Fall ein Ende. Es ist wie der Roger gesagt hat: es war alles cool zwischen uns, aber wir waren auch alle nicht mehr zu 100% an dem Projekt Blumentopf dabei. Aber Blumentopf ist keine Nebenher-Band, die man mit halben Herzen und Einsatz führen kann. Nein, Blumentopf ist so lange unser Lebensinhalt gewesen. Etwas wo wir so viel Arbeit und Energie reingesteckt haben. Daher wäre es schade gewesen, wenn wir Blumentopf mit irgendwelchen unregelmäßigen und halbherzigen Releases hätten vor sich hindümpeln lassen. Dann lieber sagen: hier ist ein Schnitt und jetzt machen wir etwas anderes – jeder für sich, denn dur brauchst auch den Freiraum um zu sagen: was will ich denn überhaupt? Du kannst nicht sagen, was will ich denn mit meinem Leben eigentlich überhaupt machen, wenn du permament am Tag fünf Stunden lang irgenwie irgendwelche Blumentopf Sachen checkst. Du musst irgendwann mal auch schauen, was sonst noch so geht. Da ist so ein klarer Schnitt auf jeden Fall auch im Kopf super wichtig, weil sonst faded es aus und das war definitiv nicht das was wir wollten.
Warum gibt es nur die eine Abschieds-Show und keine Abschieds-Tour?
Schu: Innerhalb der Band haben wir viel darüber diskutiert. Blumentopf war unser Lebensinhalt und ist es heute irgendwie ja auch noch. Es war wirklich auch so, dass wir gar nicht wussten, was für ein Gefühl so eine Abschieds-Tour in einem weckt. Wollen wir das wirklich machen? Wollen wir nicht einfach sagen „Das war‘s!“ ? Da haben wir viel darüber diskutiert. Es gab die Idee der Abschluss-Tour, es gab die Idee der vielen Festivals, es gab die Idee der Abschluss-Show. Dann haben wir uns halt für die Abschluss-Show entschieden um zu sagen „Okay, wir sagen jetzt einmal wirklich allen, die noch Bock haben mit uns ein letztes Mal zu feiern, Bescheid.“ Das haben wir so kalkuliert, dass wir gedacht haben, dass passt, da kommen alle hin. Was wir dann total unterschätzt haben ist die Tasache welchen Stellenwert wir jetzt gerade aktuell besitzen. Wir haben diese riesige Anzahl an Leuten unterschätzt, die unsere Musik so geprägt hat, die damit aufgewachsen sind und seit zehn Jahren auf kein Blumentopf Konzert mehr gegangen sind, aber die bei der Abschiedsmeldung gesagt haben „Die muss ich nochmal sehen, weil da war ich früher immer da!„. All diese Leute sind auf einmal motiviert worden nochmal zu sagen „Hey fuck, bevor die aufhören muss ich sie nochmal sehen.“ Das sind halt richtig, richtig, richtig viele Leute. Dazu kommen dann auch noch die „neuen“ Fans, eine neue Generation an Rap-Hörern die sich denken „Okay, wenn nicht jetzt, wann dann?“
Wird es auch keine Festival Gigs von Blumentopf geben? Als Roger & Schu seid ihr ja sicherlich auf einigen Festivals vertreten. Das könnte man doch mit Blumentopf-Auftritten verbinden.
Roger: Um Tacheles zu reden: Wir haben gesagt, dass es nur eine Abschiedsshow geben wird. Du kannst nur einmal Tschüss sagen. Jetzt haben wir extra schon eine Vor-Abschiedsshow organisiert, die vor dem letzten Konzert stattfindet. Damit wir nicht die Leute betrügen, die gesagt haben ich kaufe für die letzte Blumentopf-Show ein Ticket. Jetzt schauen wir einfach wie es da läuft. Seien wir ehrlich: Zwei mal Zenith ist schon der Wahnsinn. Wir haben jetzt nicht vor eine Tour zu machen. Wir werden aber alles diskutieren, wenn da irgendwas richtiges und interessantes dabei ist, was für die Fans keine Verarschung ist. Wenn dies der Fall sein sollte, werden wir das in Betracht ziehen, aber bis dahin steht die Abschieds-Show fest und danach wird es definitiv keine Blumentopf-Konzerte mehr geben. Auch die Zusatzshow hat uns bereits Kopfzerbrechen bereitet. Am 22.10. haben wir die Abschluss-Show und am 21. ist das Zenith leider nicht frei, weil BMW drin ist.
Schu: Fuck BMW. (Gelächter)
Roger: Am 23.10. hätten wir aber spielen können. Aber wir haben dann gesagt „Hey, der 22.10. ist halt das Abschiedskonzert.“ Genau wie wir es gesagt haben. Wenn wir jetzt aber am 22. und 23. spielen, dann sind ja einige sicherlich angepisst, die für die offiziell letzte Show ein Ticket ergattert haben. Aber die eigentlich letzte Show wäre dann einen Tag später. Deshalb haben wir uns dafür entschieden – finanziell gesehen eigentlich total dumm – die Sachen für das Zusatzkonzert der Vorab-Abschiedsshow zwei Wochen zuvor am 9.10. aufzubauen und dann wieder abzubauen. Ich hoffe man sieht daran, dass wir das ganze fair für die Leute machen wollen. Es soll nicht so sein, dass wir sagen, wir kassieren am Ende nochmal ab sondern es ist halt der Schluss und am Schluss wollen wir auf keinen Fall etwas falsch machen.
Schu: Wir wollen wirklich mit den Leuten, denen es was bedeutet, gemeinsam den Abschied feiern.
Ihr habt beim WIR-Konzert für geflüchtete Menschen gespielt. Gerade hier in München merkt man, dass die Anfangseuphorie immer mehr einer gewissen Skepsis weicht. Wie seht ihr das?
Roger: Es gibt natürlich Probleme. Es ist ja nicht so, dass wir sagen „Jetzt kommen ganz viele Flüchtlinge und alle lächeln und klatschen, wenn sie am Bahnhof ankommen.“ Man sieht alles im Fernsehen: wie irgendwelche Boote kentern und überall irgendwelche Kriege herrschen. Das ist alles immer so abstrakt für den Zuschauer, das ganze so weit weg ist. Dann schaltet man um beim Essen, weil es so unappetitlich ist. Aber irgendwann – und das ist jetzt – ist man selber ein Teil des Ganzen.Man kann nicht mehr umschalten, weil es einem zu ungemütlich ist. Die Leute sind nun hier und man muss sich jetzt damit konstruktiv auseinander setzen. So wie manche hier am Wohlstand beteiligt sind, sind diejenigen genau so an der Armut der anderen beteiligt. Es ist bestimmt jetzt auch nicht so easy alles im Handumdrehen zu lösen. Aber diejenigen, die sich am meisten bedroht fühlen, sind ja diejenigen, die nichts haben . Das ist das doofe! Du hast ja die Unterschicht, wenn man sie so bezeichnen mag, also diejenigen denen es finanziell nicht gut geht und meist auch keine gute Bildung aufweisen können. Der Arbeitslose fühlt sich ja quasi mehr unter Druck gesetzt als der richtig Reiche, weil die Verteilung des Vermögens so scheiße ist. Da streiten sich wirklich die Armen und Schwachen miteinander. Das finde ich wirklich schlimm. Wobei das Grundproblem ja ist, dass es so viele Geldmengen gibt, die aber bei den sozial schwachen Gruppen nicht hinkommen. Da müsste man eher mal schauen, dass man einen kleinen teil dieses lächerlich hohen Vermögens wegnimmt und sie verteilt, denn die Leute, die einem wirklich was weg nehmen sind nicht die Flüchtlinge.
Schu: Ich kann das eigentlich genau so sagen. Die Gruppe, die der Bevölkerung was wegnimmt, die gibt es, aber es sind nicht die Flüchtlinge. Es sind diejenigen bei denen alles darauf angelegt ist, dass sie noch reicher werden. Die Bankenrettung war z.B. eine Sache, wo das Kapital sich nur selber retten wollte, mit unseren Steuergeldern. Das System ist einfach darauf aufgebaut, dass immer weniger Menschen immer mehr haben und wenn jetzt einfach Flüchtlinge kommen und sich alles ändert dann müsste man, wenn man alles wirklich fairer gestalten will und wirklich helfen mag, das System reformieren. Weil es ist wirklich eigentlich schon genug für alle da, es ist nur beschissen verteilt.
Danke euch für das Gespräch.