Interview mit Nisse

Nisse wird am 4. September sein Debütalbum „August“ veröffentlichen. Musikexperten prophezeien ihm schon im Voraus eine blühende Zukunft. Der Hamburger arbeitete unter anderem mit Kontra K zusammen und heimste Respektsbekundungen von Sängerin Lary ein. Nisses Musik ist zwar Pop, doch ihn verbindet eine ganz besondere Leidenschaft zum Rap. Wir haben mit ihm über die damalige HipHop-Szene in Hamburg, was guten Rap ausmacht, seine Jugendzeit als Rapper und über den gemeinsamen Song mit Kontra K gesprochen.

Du wurdest selbst mit Rapmusik sozialisiert. Wie kamst du damals zum HipHop?

Als ich in England gewohnt habe – das war Mitte der 90er herum – da ging’s in Deutschland mit dem Deutschrap los. Die ganzen Sachen wie Advanced Chemistry, die ersten Reimende Antifaschisten-Sachen oder Beginner. Ich hab‘ das damals aber nicht wirklich mitbekommen. Bevor ich nach England bin, habe ich hauptsächlich nur englischsprachige Musik gehört, oder irgendwas, was im Radio lief, weil ich da auch noch keinen besonderen Musikgeschmack hatte. Mein Vater war in Deutschland und hat mir dann die ersten Deutschrap-Sachen rübergeschickt, weil er dachte, das könnte mich interessieren. Ich war dann total gefangen davon. Es war wie eine Erleuchtung für mich.

Du hast doch früher auch selber gerappt, oder? Wieso jetzt nicht mehr?

Ich habe früher gerappt, ja. Es war eigentlich ein bisschen wie eine Beziehung. Ich stand in Beziehung zu der Musik, zu mir selbst mit der Musik, zu den Freunden, mit denen ich das damals gemacht habe, zu der Szene in Hamburg. Man hatte zu allem so eine gewisse Beziehung, oder Zusammengehörigkeit. In Hamburg war’s schwer, wenn man nicht gerade befreundet war mit den 2-3 Großen oder mit den Labels, die damals den Ton angegeben haben. Man sieht das ja auch heute noch, dass nach der Eimsbush oder Yo Mama-Zeit bis auf 187 Strassenbande und Rattos Locos niemand aus Hamburg es wirklich geschafft hat. Es sei denn, er war im Freundeskreis von Jan Delay oder Samy Deluxe. Die haben’s selbst geschafft, die haben sich das selbst erarbeitet, wovor ich riesigen Respekt habe.

Das war alles eine sehr eingeschworene Clique und da kam nichts rein. Keiner hatte die Chance, da irgendwie reinzukommen, weil die sehr auf sich selbst konzentriert waren – was auch ok ist, aber ich hab mir da ein bisschen mehr Support gewünscht. So wie ein Savas einfach sagt: „Ey den Eko aus ner anderen Stadt, den kenne ich nicht, den nehme ich jetzt aber trotzdem einfach mal unter meine Fittiche“. Sowas gab es einfach nicht. Entsprechend sind wir in Hamburg nicht viel weiter gekommen zur damaligen Zeit. Die Szene war schwierig. Hamburg hat sich selber nicht weit entwickelt. Leute wie Jan Delay haben dann auch eine andere Art von Musik gemacht. Auch Samy hat dann mehr angefangen zu singen. Alles ging so ein bisschen mehr auseinander und man selber dachte, jetzt wäre unsere Zeit gekommen, aber die kam einfach nicht.

Stattdessen kam Aggro Berlin und mehr Straßenrap – was auch völlig ok ist, weil ich finde, dass das einfach dazugehört – aber mir hat das so ein bisschen das Zeichen gegeben: „Das war ne schöne Zeit, aber es ist irgendwie vorbei.“ Die meisten meiner Freunde haben dann auch angefangen, eine Lehre zu machen oder zu studieren, oder mussten eben irgendwas machen, damit sie im Leben weiterkommen. Die Musik war es in dem Fall für sie einfach nicht. Ich bin dann einfach dabei geblieben. Ich habe dann in der Rap-Phase die Technik erlangt, habe gesehen, was ich mit der Sprache machen kann. Meine Liebe und Leidenschaft zur Musik hat sich da extrem geprägt und gebildet. Gesungen habe ich aber eh schon immer. Selbst bei meinen Rapsongs habe ich im Refrain immer gesungen, weil ich viel Michael Jackson und Queen und so gehört habe.

Aber du warst nie im Zwiespalt – soll ich eher rappen oder eher nur singen?

Nee. Zur damaligem Zeit war es ganz klar, dass ich einfach rappen wollte und hier und da mal singen.

Für Rap ist doch gerade eine ganz andere Zeit angebrochen – Rap blüht. Somit eigentlich eine völlig andere Zeit, als du gerade von damals in Hamburg beschrieben hast.

Mein Gefühl hat nichts mit dem Trend oder der Zeit zu tun. Ich mache das, wonach ich mich fühle und wenn morgen keiner mehr deutsche Musik machen will, mach ich’s trotzdem. Das ist mir egal.

Inwiefern inspiriert dich Rap dabei in deiner Musik?

Es ist zum einen die Sprache, weil Rap natürlich um einiges freier ist. Da kannst du verschiedene Techniken einsetzen, verschiedene Geschwindigkeiten wählen. Du kannst verschiedene Sachen erzählen. Du kannst das eigentlich auch in der Pop- oder Rockmusik, aber es wird weniger gemacht – leider.  Die Themen bieten sich auch mehr dazu an, dass du Sachen kritisieren kannst. Eigentlich die Freiheit, ich mochte das total. Es gab mir ein Ventil, weil es immer Energie hatte. Die Popmusik war ja schon immer eher seicht. Im Großen hat sich das jetzt auch gebessert durch Leute wie Timbaland oder Pharrell. Rap hatte immer eine bestimmte Art von Energie, die keine Musik vorher für mich hatte. Da haben sich Sachen bei mir freigesetzt, das war unglaublich.

Macht genau das für dich den Unterschied zu den anderen Musikgenres aus?

Ja. Die haben zwar auf eine andere Art und Weise Energie, wie ne Rockgitarre von Slash oder so, da kommen auch gewisse HipHop-Elemente wiederum nicht ran. Aber so die Gesamtheit der Sachen, die Drums, die Art, wie die Samples produziert wurden oder wie hart oder auch weich die Sprache bei Rap sein kann, die Wortwahl – die auch damals als ich jugendlich war – die Sachen so gesagt hat, wie ich sie sagen würde und nicht, wie ein 30-jähriger Sänger sie sagen würde. Das sind so ein paar der Dinge, die die Energie von HipHop ausgemacht haben. Beim Rock gibt’s natürlich andere Sachen. Da ist es halt die Lautstärke – die Art wie laut gesungen wird, wie die Gitarren klingen. In dem Fall war Rap für mich die viel interessantere Variante. Da haben mich die ganzen einzelnen Punkte der Energie einfach viel mehr mitgenommen und mir selber das Gefühl gegeben, dass ich verstanden werde.

Gibt es Künstler die dich inspirieren in deiner Musik?

Konkret inspiriert mich eigentlich kein Rapper, aber sie unterstützen das, was ich selber mache. Wenn ich so die 187-Sachen höre, da machen einfach ein paar Typen genau das, was sie machen wollen, ganz egal, ob es funktioniert oder nicht. So ist es bei mir auch. Wenn ich jetzt das Gefühl hätte, ein Song muss sechs Minuten lang sein, dann hätte ich das auch gemacht. Ich geh da nur nach Gefühl. Oder ich will, auch bei einem Song, wo es eigentlich gar nicht passen würde, HipHop-Drums drunter legen. Ich lasse mich da nicht beirren. Mein größter Einfluss sind die Sachen von Michael Jackson, weil der immer genau das gemacht hat, was er machen wollte, das, was er gefühlt hat.

Nur wer probiert und sich frei genug fühlt sich auszuprobieren und mutig zu sein, kann wirklich glücklich werden. Im Gegensatz zu jemanden, der sagt: „Der Song muss aber 3:30min lang sein“ oder „Ich darf da nicht so und so singen, weil es irgendwie Leute nerven könnte“. Bei „Herz auf Beat habe ich die Band Mia gesamplet. Selbst bei dem Song haben am Anfang die Leute gesagt: das nervt, das passt da nicht rein, das macht den Song kaputt. Mir war das egal. Mich bestärkt, wenn ich bei Leuten sehe, wie jetzt zum Beispiel ein Kendrick Lamar – der auch einfach mal fünf-, sechs-, siebenminütige Tracks macht und 20 mal die Technik wechselt – dass er das macht, was er will und am Ende ist es das krasseste Album des Jahres. Das ist einfach genial.

Genau wie Kanye West, der macht genau das, worauf er Bock hat. Alle hassen ihn erstmal dafür und zwei Jahre später klingen alle so. Die 187-Jungs sind für mich das prägendste Beispiel in Deutschland, vielleicht mit Kollegah zusammen. Einfach durchziehen, immer machen und irgendwann wird es sich auszahlen. Selbst wenn nicht, dann hast du dich selbst nicht verraten, dann warst du dir selbst immer treu und hast das gemacht, was du liebst. Das ist das, was mich darin bestärkt. Dass ich weiß, ich bin auf dem richtigen Pfad, weil die Leute sind entweder erfolgreich, oder ich guck‘ in ihre Gesichter und sie sind glücklich. Das ist auch ein Erfolg.

Hast du eine Lieblingsplatte?

Die krasseste Platte ist wahrscheinlich Bad von Michael Jackson und Blauer Samt von Torch. Das hat mich schon sehr beeinflusst.

Was macht für dich guten Rap aus?

Er muss ehrlich sein, das ist immer das allerwichtigste. Dann muss die Technik auch nicht so krass sein. Er muss auch inhaltlich irgendwas mit sich bringen. Er muss mich ansprechen und muss mich auch fordern. Ich kann mit Musik nichts anfangen, die irgendwie so Fast Food mäßig ist. Wenn ich Fast Food will – also irgendwas, was nur zum Konsumieren da ist – dann höre ich andere Musik. Ich brauch‘ irgendwas, was ich am Ende mitnehmen kann, worüber ich nachdenken kann, oder wo es mich einfach freut, dass ich nicht allein bin, dass ich mir über gewisse Sachen Gedanken mache. Die Stimme muss auch einfach gut klingen. Wenn sie das nicht tut, dann kannst du noch so gut rappen. Es gefällt mir nicht.

Woher nimmst du die Inspiration für deine Texte?

Ich nehm’ die eigentlich nur aus dem Leben. Die Sachen, die ich erlebe. Die Gefühle, die ich beschreibe, sind immer echt. Das kommt auch wieder vom Rap, weil Rap die direkteste, ehrlichste Art ist.

Dein Album heißt „August“. Was verbindest du noch mit August, außer deinem Geburtstag?

Für mich ist das der schönste Monat. Mein Großvater hieß auch August. Michael Jackson ist im August geboren. Es gibt viele Sachen, die ich mit dem August verbinde und es ist ja quasi die Geburt meiner Platte, meiner eigenen Leidenschaft. Rap war eine Art Hobby, eher eine Sache, in die ich mich verlieren konnte, um mich auszudrücken und das, was ich jetzt mache, ist auch einfach mein Leben.

Wie kam es zu dem Feature „Atme den Regen“ mit Kontra K?

Er hat ein paar meiner Sachen gehört und fand die so gut, dass er wissen wollte, wer das ist. Dann wurden wir einander vorgestellt und verstanden uns auf Anhieb. Der is’ n super Typ. Wir sind jetzt nicht befreundet oder so, aber jedes Mal, wenn ich ihn seh’, begrüßt er mich so herzlich, als ob wir uns seit Ewigkeiten kennen. Sowas hab‘ ich überhaupt nicht erwartet. Das ist der korrekteste Typ, den ich im Rap wahrscheinlich überhaupt kennengelernt hab. Das ist schon immens, was der ausstrahlt. Er wollte einfach nochmal ne andere Facette für den Song haben. Ich hab ihm dann im Studio einen Vorschlag gemacht, wie ich singen würde und er fand das gut und wir haben’s dann gemacht.

Und sonst ist bisher nichts in Planung? Eine erneute Zusammenarbeit mit Rappern in etwa?

Nee, nee. Also es gibt n paar Sachen …

Du grinst …

(lacht) Ja, es gibt ein paar Sachen, die im Raum standen. Auch Anfragen dazu, ob ich auf meiner Platte ein Rapfeature haben will. Die erste Platte wollte ich jetzt aber Mal nur für mich. Rein aus Promo mache ich sowas nicht. Wir werden aber sehen.