Harris

Harris ist ein Phänomen. Da wo andere Hip Hopper seines Alters über sinkende Absatzzahlen und fehlenden Respekt heulen, ist der Berliner einfach nur gut drauf. Da wo andere den Niedergang von Deutschrap und von Hip Hop allgemein beklagen, da kehrt er den "Patrioten" raus und macht das, was sich sonst anscheinend keiner getraut: Er spielt Deutschrap im Club. Mit Erfolg. Seine Bookings sind voll, seine Radioshow auf Jam FM läuft.
Das tut gut im Krisenjahr 2010, wo Rapper zwar in den Top 10 landen können, die Zahl an großen Neuveröffentlichungen aber erschreckend überschaubar bleibt.
Dagegen muss dringend was getan werden. Wir brauchen "einen Mann im Haus" und wer sonst könnte diesen Herrn wohl besser verkörpern als Dirty Harry himself. Mit dem gleichnamigen Album, das am 24.09. erscheint, wird Großreinegemacht in der deutschen Raplandschaft und um das noch mal so richtig zu unterstreichen, ließ sich Harris in sido’s Tätowierstudio "Ich und Meine Katze" von Katze persönlich das "H" im Haus in die Haut stechen. Tight Aita!

rap.de: Der Titel deines neuen Albums “Der Mann im Haus“, ist ein bisschen doppeldeutig. Also, inwiefern ist es Hausmann und inwiefern ist es ’Der Herr im Haus’?

Harris: Also, der Herr im Haus bin ich, glaub ich, auf klassische Rolle gesehen. Ich bin der Mann im Haus! Ich hab zwar nen Sohn, wenn ich gehe, ist er der Mann im Haus. Hausmann bin ich aber auch. Ich mach auch typische Hausarbeiten, wie Putzen, Fensterputzen, Bettenmachen, Kinder – was auch immer – anziehen, Sachenkaufen, Abwaschen. Alles, was im Haushalt dazu gehört. Kochen manchmal auch, ich kann aber nicht besonders gut kochen.
 
rap.de: Und inwiefern trifft dieses Konzept ’Mann im Haus’ auch auf die Hip Hop Szene zu?
Harris: Ich bin halt schon sehr lange dabei. Im Gegensatz zu den anderen Rappern habe ich sehr viel Erfahrung. Ich bin seit zehn Jahre verheiratet und habe Kinder. Viele Rapper sind vielleicht auch verheiratet, haben aber keine Kinder oder haben Kinder, aber sind nicht mehr mit der Frau zusammen. Also aus diesem Grund zählt es schon, wenn ich was sage. Zum Beispiel, wenn wir auf Tour sind. Alpa hat es mal ganz gut ausgedrückt. Er meinte, da kommt Babba Harry.


rap.de: Hast Du Schmerzen gerade?

Harris: Ist nen bisschen unangenehm so.

Katze (Tätowiererin): Ach quatsch!

Harris: Ja, ja, ich lass’ mich auch nur von Frauen tätowieren, die sind viel zärtlicher.

(Katze lacht)

rap.de: Du hast gerade gesagt, dass Du seit zehn Jahren verheiratet bist und ihr hattet bestimmt auch schon Krisen. Wie geht man durch solche Krisen durch?

Harris: Gemeinsam! (Gelächter) Schleim.

rap.de: Gib mal ein paar Tipps. Gerade wir haben ja so junge, verwirrte Leser, die durch andere Rapper immer auf Abwege geraten. Jetzt kannst Du mal was richtig Vernünftiges sagen!

Harris: Also ein Ding ist auf jeden Fall, wenn man denkt, dass man seine Zukünftige gefunden hat und man wirklich denkt, dass es DIE ist, dann weiß man das auch und dann ist man auch bereit Kompromisse einzugehen. Dann versucht man nicht immer seinen Dickschädel durchzusetzen, sondern versucht sich auch mal in die Situation der Frau zu versetzten, um zu sehen oder zu versuchen zu verstehen, wie sie das denn sieht.

rap.de: Was heißt das!

Harris: Zum Beispiel, kann man nicht mehr so mit Freundinnen cool sein, wie man das halt vorher war. Du bist ja verheiratet und hast ne’ Frau also musst du dir einfach vorstellen, wie das wäre, wenn deine Frau auf einmal mit mehreren Typen, die du nicht kennst, um die Häuser zieht. Du musst das einfach umdrehen. Wenn du das immer wieder umdrehst und du dich dann fragst: “Warum macht die Alte jetzt so’n Terror?“, dann versuch es einfach umzudrehen und dann weißt du, warum sie Terror macht. Weil ich würde nicht nur Terror machen, ich würde gleich (Harris macht Maschinengewehrgeräusche nach). Dann weißt du auch: "Ok, ich mach’ das einfach nicht mehr.“

rap.de: Viele Leute sagen aber, das sei was komplett anderes, wenn der Mann das macht.

Harris: Ja, dann viel Spaß beim Single sein! Oder beim ’neue Frauen suchen’.

rap.de: Glaubst Du, dass Du großes Glück hattest mit deiner Frau?

Harris: Ja. Verdammt viel, großes Glück, weil meine Frau halt auch in diesem Business war oder ist? Die weiß, dass man eigentlich keine Zeit hat, um Groupies zu suchen auf tour zum Beispiel. Wenn du nicht wirklich suchst und auf der Bühne stehst und sagst: “Ey, wenn ihr ficken wollt, dann kommt da und dahin. Der und der Typ wird euch reinholen“, kriegst du keine Pussy. Meine Frau hat sehr viel Verständnis. Die hat mich schon so kennen gelernt und das war halt auch mein Glück, dass meine Frau nicht großartig versucht hat, mich zu ändern.
 
Natürlich habe ich weniger Party gemacht, nachdem dann schon das erste Kind geboren wurde. Das fängt schon an damit, wenn deine Frau schwanger ist. Ich glaube das ist auch mit der schwierigste Part für nen Typen, wenn sie schwanger wird und sieht – sie hat das Kind ja schon – und für uns Typen ist es schwer sich vorzustellen, dass das Kind ja eigentlich schon da ist. Ich glaub, das ist auch der Punkt, an dem viele Sachen zu Bruch gehen können, wenn die Frau den falschen Ton anschlägt. Das kommt für zu viele Schwanzträger einfach zu schnell.
 
rap.de: Aber woher hast du diese, ich sag jetzt mal ’Soziale Kompetenz’, dass du das gespürt hast?
 
Harris: Naja, wie gesagt, ich bin dankbar für meine Frau! Ich hab’s auch nicht sofort geschnallt.
 
rap.de: Hat die Dich so’n bisschen erzogen? (lacht)
Harris: Ja, kein Witz. Die Frau hat mich gerettet. Wenn die Frau nicht wär, würde es den Charakter ’Harris’ im Deutschen Rap nie geben. Dann wäre ich tot, Knast, Junkie, irgendwas. Ich wär’ ein weiterer Nigga aus Kreuzberg, fertig. Immer wenn ich das früher gesagt hab, dann sagt sie: “Ach Quatsch Mann, Du wärst Deinen Weg auch schon so gegangen“. Ist falsch! Meine Motivation war damals sie. Als ich sie bekommen habe, war die Motivation: ’Zusammen bleiben und Kind haben’. Dann kam ein Kind, dann kam das nächste Kind, und ich habe gar keinen Bock das zu verlieren wegen irgend einer dummen Bitch.

rap.de: Also ich kann mir vorstellen, dass dieses Konzept von Partnerschaft, von Treue und auch von Gleichberechtigung in Deinem Freundeskreis hin und wieder auf Verwunderung stößt.

Harris: Ich glaub’, das ist üblicher als man denkt. Ich glaube, wir Hip Hopper haben genau so viele Vorurteile uns selbst gegenüber, wie die Leute, die nichts mit Hip Hop zu haben. Viele Rapper haben Frauen als Manager. Also fällt mir immer wieder auf. Ich glaub’ diese Wunschdenken, von Rappern von 1.000 Bitches, Video und Bling Bling und jede Braut nimmt sofort in Mund, wenn ich das sage, oder nur daran denke. Das ist so ein ausgeprägtes Männerding. Wir können es ja auch. Rapper sind nun mal beliebter als Rocker. (Katze schnaubt)

Was denn, Alter? Wer ist der krasseste Superstar auf der Welt gerade? Es gibt nichts Krasseres als Eminem. Nichts ist krasser, kein anderer! Oasis regt sich über Jigga auf, warum der Headliner ist. Hallo, Alter? Wer ist denn bitte größer? – Keiner. Rap ist die Macht und dieses Frauending, dass die untergehen, ist dann glaub ich, weil die Rapper insgeheim wissen, dass es nicht so ist.

Das ist das, was ich meine mit Kompromissen, die es geben muss, damit es halt einfach funktioniert. Du kannst halt nicht nur ich ich, ich, ich, ich. Du musst halt auch an deine Frau denken. Wenn drei Tage lang auflegen war und dann kommt man nach hause, deine Frau ist mit den Kindern im Schwimmbad und die Bude sieht einfach total chaotisch aus und du denkst so: Ok. Frau hatte jetzt den ganzen Tag die Kindern am Hals. Die ist auch bestimmt kaputt. Ich konnte wenigstens auspennen und klar ich hab nen Kater, aber egal. Komm, mach die Bude noch schnell, bevor du dich jetzt auf die Couch legst. Ist noch mal ne extra halbe Stunde, aber ich mach’s gerne, weil ich meiner Frau denn einen Gefallen tun will und sie sich ja dann freut. Das zu wissen, dass meine Frau sagt, Mann ich hab den krassesten Mann, das ist es, yo. Was brauch ich anderes Alta. Das ist besser als jede Gage. Das ist besser als egal was.

rap.de: Um noch mal kurz auf diesen Charakter Harris einzugehen. Inwiefern hast du dich selber zu einer Marke stilisiert?

Harris: ich habe das eher unbewusst gemacht. Ich habe nie gesagt, dass ich den Sprung brauch, wie beim Splash oder dass ich auflegen muss oder so. Viele behaupten ja, ich sei auf diesen Zug aufgesprungen, erst Rapper und dann DJ. Weil rappen klappt nicht. Aber das stimmt nicht. Ich hab vorher aufgelegt und bin durchs Auflegen zum Rappen gekommen.

rap.de: Aber auch von Deinem äußeren Erscheinungsbild bist du schon jemand der sehr bewusst und sehr achtsam in seinem Style is.

Harris: Ja auf jeden, und das nur weil ich Bock habe anders zu sein. Also ich will dann halt nicht nur n Scheitel einfach haben, sondern der muss dann auch wirklich zu sehen sein. Haare färben oder Tattoos. Auch das Auflegen, Style! Ich achte auch drauf, wie die Leute mir gegenüber sind. Wenn jemand sehr, sehr, sehr unhöflich gleich von Anfang an ist und wenn du mir dumm kommst, kann ich dir dein Maul stopfen. Nicht schlägemäßig sondern einfach so. Ich krieg dich. Ich bin Rapper. Ich bin schlagfertig. Das unterschätzen viele Leute.


rap.de: Du bist ja schon relativ lange dabei. Tut Dir das gerade weh, wie Hip Hop in der Öffentlichkeit dargestellt wird?

Harris: Ja. Das ist einer der Gründe, warum ich diesen Kinderrapsampler mache, das ist auch einer der Gründe, warum ich Patriot mache. Das ist einer der Gründe, warum ich wahrscheinlich überhaupt weiter mache. Ja, ich will, dass Hip Hop gut dasteht in Deutschland oder auch in der Welt. Das ist eine meiner größten Motivationen auf jeden Fall.

rap.de: Woher nimmst Du Deine Energie?

Harris: Sonne, Mond und Sterne, Kinder, Spaß am Leben, glücklich sein, einfach zufrieden zu sein, glaub ich. Ich war schon oft in anderen Ländern und der größte Einfluss war, als ich mit 17 in Jamaika gelebt habe für ein Jahr und gesehen habe, was man haben kann und was man nicht haben kann. Die Leute haben da teilweise keine Dächer überm Kopf und benutzen die selben windeln wochenlang und auf der anderen Straßenseite ist ein fünf Sterne all inklusive Ressort. Jamaika war für mich sehr große Schule auf jeden Fall. Das ist Motivation einfach, ich lebe, ich bin glücklich verheiratet, ich hab bald drei Kinder. Und das haben andere nicht und ich bin eigentlich einfach nur glücklich das zu haben so, glücklich halbwegs erfolgreich zu sein. Ja ich bin kein sido oder Bushido, aber ich kann U-Bahn fahren drei Stationen und spätestens dann erkennt mich jemand. Find ich geil und ja ich fahr trotzdem U-Bahn.

rap.de: Wenn man Dich so sieht, dann denkt man: Du hast Dein Geschäft im Griff, Du machst Deine Kohle, Du bist zufrieden. Woran liegt es, was machst Du richtig, was machen andere falsch?

Harris: Äh nee, also bei mir ist es jetzt nicht so, dass ich super in Geld schwimme. Also mein Scheiß läuft, weil ich einfach auch selbst am Ball bleibe. Ich glaube, ich habe auch das Glück, dadurch dass ich einfach jedes Wochenende immer präsent bin für die Leute, im Club, da wo sie nun mal hingehen, Deutschland, Österreich, Schweiz, bin ich in den Köpfen von den Leuten. Darum, wenn ich mal was release, verkaufe ich mehr als andere Leute. Auch ohne groß Werbung.
Ich glaube, dass wir alle, egal wer, auch Rapper, die ich nicht mag, viel, viel, viel, viel mehr machen könnten, wenn wir uns alle nicht so dumm anstellen würden, oder auch so engstirnig mit Scheuklappen durch die Gegend rennen würden.

rap.de: Was meinst du damit: ’Wir stellen uns dumm an’, was heißt das?

Harris: Allgemein, diese Kindergarten-Beefsachen, die dann von den Medien extrem geschürt werden. Aber das ist ja auch das einzige, was von vielen Künstlern auch interessant ist. Die Bravo Hip Hop lesen nicht nur Bravo-Leser, glaube mir! Wenn ich zu meinem Zahnarzt gehe, und der zu mir sagt: “Harris, muss ich mir Sorgen um Dich machen?“ und ich sag: “Ähh, wieso denn?“ – “Na dieser Rapper wurde doch jetzt grade angeschossen! Ihr Rapper werdet doch abgestochen und angeschossen, weil Fler, MTV, Dings...“ – “Woher weißt Du das alles?“ – “Ich les die Bravo Hip Hop.“ – Das ist mein Zahnarzt. Der ist 60 und ließt Bravo Hip Hop?! Das ist das Einzige, was die normalen Leute, die nichts mit Rap zu tun haben, hören. Nur schlechter, negativer Dreckskram! Also verkacken wir uns das.

rap.de: Glaubst du, dass insgesamt zu wenig untereinander…

Harris: … kommuniziert wird? –  Ja, auf jeden. Ich glaub, das was ich jetzt mit Manuellsen und Raf mache, ist ein gutes Beispiel für viele Leute. Wir haben darüber geredet, wie, teilweise auch uncool es ist, dass wir drei gleichzeitig releasen, aber auch irgendwie wieder gut. Für die Öffentlichkeit wär es, find ich, besser gewesen, wenn wir alle drei nacheinander released hätten, an drei Freitagen hintereinander, denn würde man auch chartstechnisch besser dastehen, als Deutsch Hip Hop, weißt du? Trotzdem. Um das noch mal zu untermauern, dass wir cool sind miteinander, machen wir so einen kleinen Promotrack, mit eventuell einem Videoclip, um Gemeinschaft zu zeigen.

rap.de: Jetzt hast du vorher gesagt, Du legst auf in Deutschland, Österreich, Schweiz, aber Du hast auch in Israel aufgelegt. Wie war das in Israel?

Harris: Ich war vor vier, fünf Jahren schon mal in Israel, in Tel Aviv – hab da Silvester aufgelegt, mit Smolface, damals noch als BabbaSoundz. Die wollten schon immer, dass ich wieder komme. Jetzt, im Februar, März war ich da, mit Mickes von der Famefabrik. Ich dachte so: “Cool“, nehme ich ihn mit, Tel Aviv, drehen wir nen geiles Video da".

rap.de: Bei Israel würde mich aber schon interessieren, da schwingt ja auch immer dieser wahnsinnige Konflikt mit, oder?

Harris: Ja, auf jeden. Also, wo ich das erste mal da war, vor vier, fünf Jahren, war ja noch Riesenterror. Das hat sich jetzt gelegt. Das Bild, das ich hatte von Israel, war, dass an jeder Ecken Bullen stehen, Militär. Normale Männer mit Kanonen. Die haben immer Blaulicht an, egal ob was ist oder nicht. Wenn du in einen Spätkauf willst, wie bei uns jetzt in Kreuzberg oder so, wirst du durchsucht. Wenn du in eine richtige Mall willst, dann wirst du wie am Flughafen durchleuchtet.  Taschen raus, Metalldetektor etc. Du kommst einfach nirgendwo rein. Das war jetzt nicht mehr. Das ist nicht mehr so extrem, weil es auch schon lange, zum Glück, nicht mehr Boom gemacht hat, in Tel Aviv.

Jerusalem ist auch schon wieder ein bisschen anders. Wenn du zur Klagemauer gehst, dann siehst du schon gleich die Soldaten da. Die Soldaten in der Altstadt, in den Gassen, kommen um dich davor zu warnen, in den arabischen Teil zu gehen, weil auch wenn du als Araber in den arabischen Teil gehst, wirst du gefickt. Ich will die ja jetzt auch nicht verurteilen. Denen geht es extrem scheiße und wenn die jemanden sehen, dem es besser geht, dann nimmt man sich das halt. Das einzige, dass dich davor bewahrt, sind die zwei jüdischen Soldaten, die sagen: “Ey, geh’ da jetzt nicht rein, da ist nicht cool“.

rap.de: Jetzt beziehen viele Rapper aus Deutschland auch Position für Palästina. Das ist momentan sehr angesagt. Hast Du da ein differenzierteres Bild?

Harris: Ich bin für keine Seite. Beide Seiten haben Probleme. Ich find es faszinierend, dass es bei den Israelis jede Menge Demos gibt, gegen diesen israelischen Staat, gegen die Siedlungen und so was alles, und gegen das Feindbild Palästina. Aber das siehst du nicht bei den Palästinensern. Das finde ich schade. Ich verstehe  es aber auch. Es gibt keine Pro-Israelischen Palästinenser, außer die, die wirklich in Tel Aviv leben, und die sind aber auch nicht pro. Die erkennst du auch sofort. Wenn du in Tel Aviv bist und du siehst nen Araber, die sehen aus, wie die Araber hier. Hose in den Socken, Cappies. Die sehen aus, als ob die direkt aus dem Flugzeug aus Kreuzberg oder Neukölln rübergekommen sind. Das finde ich halt schade, dass halt kaum ein Palästinenser sagt:  “Ich will das auch so“. Das geht dann schon mehr von Israelis aus.

Aber wie gesagt, ich versteh das auch voll, dass die da keinen großartigen Bock haben, Demos für Israel zu machen, oder mit Israelis zusammen zu arbeiten. Es gibt verschiedene musikalische Projekte, wie das von Barenboim, wo er dann halt arabische und israelische Musik zusammenpackt und die zusammen spielen lässt. Das finde ich voll gut. Es gibt dieses Peace-Team, wo Israelis und Palästinenser zusammen Fußball spielen, gegen Deutschland, so was finde ich geil. Ich finde, umso mehr Austausch da passiert, und man den Keim pflanzt auf beiden Seiten, dann fruchtet das irgendwann und irgendwann gibt es einen Kleinen, der jetzt grade geboren wird, der wird später Ministerpräsident von Israel sein. Der wird dann vielleicht so tun, als ob er die Araber hasst, und sobald er Präsident ist, wird er sagen: “Boom! Und jetzt hören wir auf, mit der Scheiße“! Das wäre geil, aber es geht erst mal nicht, denn es ist genug Hate auf beiden Seiten und Schmerz auch.

Ich versteh’ halt nicht, warum die Israelis weiterhin Siedlungen bauen müssen. Die haben so viel Land bekommen. Um dieses Land wird schon immer gestritten. Die einen sagen, sie seien die ersten, und die anderen sagen, sie seien die ersten. Als ich auf dem Berg war, in Tel Aviv, da sind Tafeln über die Stadtgeschichte. Ich habe mir das durchgelesen und habe gedacht: “Warum hasst ihr euch eigentlich gegenseitig? Eigentlich müsstet ihr die Engländer hassen…

Das ist so, wo ich mir dann sage: “Ahh, warum machen die nicht was zusammen – ne coole Gruppe, oder so?“ Was soll denn das hier? Anstatt sich selber die Köppe einzureißen. Ich find es auch nicht cool von den Israelis, dass die dann diese Blockade machen und denen nichts zu Essen geben. Es gibt eine Ansprache von Barenboim, wo er in der Knesset eine Rede hält und er sagt: “Wie können wir, als Juden, die Jahrelang unterdrückt worden sind, auf ein mal dasselbe machen, mit einem anderen Staat oder mit einer anderen Klasse?“ So etwas finde ich voll geil, weißt du? Naja, soviel zur Politik da unten, im Nahen Osten, ist schwierig. (Staiger lacht)

rap.de: Inhaltlich wird es bei Deinem Album wahrscheinlich weniger um Politik gehen. Um was geht’s?

Harris: Es geht um PARTY und Ehrlichkeit! Ich kann dir auch einfach die Titel sagen: "Famile“, "Freunde“, "Gern Dein Mann Sein“, "Ich Trinke Nie Wieder“…

rap.de: Also sind es schon die häuslichen Themen.

Harris: … Sind die häuslichen Themen, genau. Ich würd sagen, ich hab versucht von diesen 35 Tracks, die ich am Ende hatte, so "Der Mann Im Haus“-typische Sachen zu machen. Familie, die Kinder, die Liebe, den Schmerz, Männerthematiken, Pussy, Alkohol… Was wir Männer viel zu wenig machen: Sich eine Welt vorstellen, ohne Frauen. Das ist der Song, den ich mit Siggi gemacht habe und in dem Song sagen wir dann, dass das ziemlich kacke wär. „Keine Zeit für Zärtlichkeit und Sexy-time, stattdessen heißt es immer Gleitcreme und fünf gegen ein.“ Bei Männerthematiken hab ich dann so was zu sagen, wie den zwanghaften Drang Pussy geil zu finden. Zu dem Song kann ich erzählen, dass ich mich ganz lange nicht getraut habe, den meiner Frau zu zeigen. Weil ich dachte so: „Yo! Das‘ nicht so gut!“ Als ich dann endlich meine Cojónez wiedergefunden habe… (lacht) und den Track meiner Frau gezeigt hab, kam sie mit SO einem Grinsen an und meinte „Das ist der KRASSESTE Track!“ und ich so „WOAH GEIL, Alter!“ Das ist halt eigentlich eine Homage an… Ja Pussy eben.

Für meine Kinder hab ich einen Song, ich hab einen Song für meine Frau gemacht, den aber versucht so auf Unisex zu schreiben, dass jeder Mann das für seine Frau rappen kann. Ich hab auch Livekanonen, wie „Auf Keinen“, wo ich gezielt nur auf Live-Antwort-Frage-Spiel geschrieben hab. Wenn du auf eine Harri-Show kommst, dann zieh dich besser warm an. Oder besser gesagt: Zieh dich nicht an! Weil: Wird zu heiß!

rap.de: Dann natürlich noch die abschließende Frage: Auch deine Haare werden grau…

Harris: Jau! Dit macht sexy! (Gelächter)

rap.de: Klar! Trotzdem…: Wie lange noch? Und was dann?

Harris: Also ich hab immer überlegt, was die anderen damit meinen, wenn sie sagen „Ich hör auf“. Oder was der Beweggrund ist, dafür. Ich hab mich damit noch nie auseinander gesetzt. Ich wüsste auch nicht, warum ich jetzt sagen sollte "Ich rappe nicht mehr“, oder "Ich mach keine Alben mehr“! Jetzt im Moment steht eher "Lieblingsrapper 2“ an. Da ist also schon mal nichts, mit aufhören. Ich hab auch viel zu viel Spaß am Rappen! Viel zu viel Spaß beim Auflegen! Gesundheitlich kann ichs auch noch machen. Also ich hab nicht vor jetzt aufzuhören, im Gegenteil, ich glaub ich würd dann eher noch andere Projekte anfangen und das dann vielleicht kurz pausieren lassen. Workshops und sowas ist halt nicht mein Ding.

Also jetzt wirklich mit Kindern und denen zu sagen, wie sie ihren Text zu schreiben haben. Das will ich mir nicht anmaßen, glaub ich. Keine Ahnung, ob ich überhaupt einen guten Lehrer darstellen könnte, weiß ich nicht. Das ist mir einfach zu fremd. Ansonsten steht nicht so viel an. Radiosendung. „Deutschrap Patriot“, Deutschrap unterstützen so gut ich kann. Im Club Deutschrap spielen. Yo! Tait Aita!

rap.de: Dann bedanken wir uns ganz herzlich für das Gespräch!