Brother Ali

rap.de: Du bist schon ein sehr familiärer Typ. Du bist sehr enthusiastisch was das Familienthema angeht. Was bedeutet Dir das?

Brother Ali: Ja. Eine eigene Familie zu haben bedeutet mir sehr viel. Als ich klein war, stand sich meine Familie einfach nicht sehr nah. Wir hatten kein enges Verhältnis, dabei habe ich mir das immer gewünscht. Jetzt wo ich meine eigene Familie habe, habe ich auch diese Nähe.
Aber wenn ich das in einen Track verpacke, dann  wird der nicht im Radio gespielt, weil es nicht um Tanzen und Clubs geht.

rap.de: Wie erklärst Du Dir das?

Brother Ali: Naja, sie spielen den ganzen Tag Musik, die man in Stripclubs spielt, zu der man zumindest strippen könnte oder zu der man in Clubs tanzen könnte. Ein Mann, der von seiner Frau und seinen Kindern erzählt? Spätestens im Club hast du das doch längst vergessen.

rap.de: Was läuft denn in dieser Gesellschaft falsch, dass die Männer lieber in einen Stripclub gehen, als nach Hause zu ihrer Frau zu gehen und die für sich strippen zu lassen? Phantasiemangel?

Brother Ali: (lacht) Ich denke wir haben viel eher einen Mangel an Kultur. Der Welt heute mangelt es an Werten und Kultur. Alles dreht sich um's Geld.
Die Leute werden dazu aufgefordert, nur noch zu arbeiten und Geld zu verdienen. Wir arbeiten aber eigentlich nicht, um uns selbst was aufzubauen. Wir wurden reingelegt was das angeht. Uns wird vorgemacht, wir würden für unser eigenes Wohl so hart arbeiten, dabei geht es in Wirklichkeit darum die Menschen noch reicher zu machen, denen ohnehin schon alles gehört.
Es ist Absicht und kein Zufall, dass der gesellschaftliche Antrieb uns weis machen will, dass wir den kurzen Freuden hinterher jagen müssen.
Würden wir alle unabhängig denken und uns klar machen, wo unsere wahren Werte liegen, also wenn das die große Masse täte, hätten wir eine Revolution. Eine weltweite Revolution.

rap.de: Denkst Du, diese Revolution wird kommen?

Brother Ali: Ja, auf jeden Fall. Ich weiß zwar nicht wie. Ich habe keine Idee, aber es war doch immer so, dass wenn genug Leute zusammen kommen, die von einer Sache begeistert sind…, dann stürmen sie die Festung und reißen sie nieder, verstehst du? Heutzutage ist das aber sehr schwierig.

rap.de: (lacht) Denkst Du das würde so funktionieren? Man stürmt einfach eine Festung?

Brother Ali: Ich weiß nicht. Definitiv müsste es mit einer Veränderung in der Denkensweise beginnen. Wir sind alle konditioniert und Gehirngewaschen. Ich auch. Ich investiere zu viel Geld in Klamotten. Ich versuche davon wegzukommen. Ich versuche nicht auf solche Dinge zu achten, aber ich wurde ja auch schon als Kind darauf konditioniert.
Ich habe aber zum Beispiel meinen Schuhstil geändert, weil ich verdammt viel Geld für Sneakers ausgegeben habe. Jetzt kaufe ich mir Schuhe von denen man sich halt ein Paar kauft, sie dafür aber auch sehr lange tragen kann.

rap.de: Also kaufst Du Schuhe, die Du nicht magst?

Brother Ali: Nein, nein. Ich mag diese Schuhe, aber sie lösen in mir nicht das Gefühl aus, dass ich davon jetzt 30 Paar besitzen muss, jeweils passend zu meinen Klamotten.
Als ein Jugendlicher war, war das extrem wichtig. Wenn du ein Shirt in türkis hattest, dann wolltest du auch die Schuhe in türkis und die Schuhe durften natürlich nie dreckig werden und
mussten immer aussehen als wären sie brandneu. So verfiel ich in das Muster, dass ich mir sofort Schuhe kaufen musste, sobald ich etwas Geld hatte.
Ein großer Teil meines Selbstvertrauens und meiner Selbstachtung lag verschnürt in diesen Schuhen.
Aber diese Schuhe haben nie etwas für mich getan. Sie werden von Sklaven hergestellt.
Wenn eine Person wie ich, die immer von Revolution und Frieden spricht und dann das ganze Geld, was sie durch das Sprechen über genau diese Dinge verdient, in ein Sklavensystem investiert, dann läuft da eindeutig was falsch.