Busy P.

Ed Banger. Nicht erst seit dem kontroversen Justice Video zum Song Stress auch Hip Hoppern ein Begriff. Gruppen wie Daft Punk, DSL, DJ Mehdi oder eben Justice prägen seit Jahren das Gefüge der internationalen elektronischen Musik und setzen Maßstäbe. Anfang Oktober war Labelgründer und Produzent Busy P in Berlin und während draußen schon die ersten australischen Touristen "passed out" waren, unterhielten wir uns drinnen über kalkulierte Provokationen, Masterpläne und zu wenig Schlaf.  



rap.de
: Wenn man sich Ed Banger als Außenstehender anguckt, scheint alles perfekt und ein in sich stimmiges Ganzes zu sein. War das ursprünglich so gedacht oder hat sich das Unternehmen Schritt für Schritt dahin entwickelt? 

Busy P: Ja absolut, es war eine langsame Entwicklung. Ich bin jetzt 34 Jahre alt, wurde 1975 in Paris geboren und bin dort aufgewachsen…

rap.de: Stammst du wirklich aus Paris oder aus der Umgebung?

Busy P: Nein, definitiv aus dem Herzen von Paris. Ok. Naja, aber bei uns war wirklich nichts wirklich durchdacht. Das Label wurde eher zufällig ins Leben gerufen. Wenn man heutzutage ein Label gründet, dann ist das eine waghalsige Idee. Vor allem wusste ich nicht so genau was ich machen wollte. Mir war klar, dass ich offen sein muss. Ich mag unterschiedliche Musikarten. Am Anfang waren es auf jeden Fall eher elektronische Sachen. Aber dann kam DJ Mehdi hinzu, ein sehr bekannter Hip Hop DJ. Dann kam Mr Flash, ein Hip Hop Produzent. Er hat zum Beispiel schon Sachen für Mos Def produziert. Uns ging es in erster Linie darum, gute Musik zu produzieren und uns nicht auf eine bestimmte Richtung festlegen zu lassen.

rap.de
: Hattet ihr denn Kontakt zur französischen Old-School-Rap-Szene?

Busy P: In Paris sind die Rapper organisiert wie Familien. Die Kontakte kamen über DJ Mehdi. Er ist der Schlüssel zu der Szene in Paris. Mehdi ist eher aus dem Ghetto Bereich, er hat mit Gruppen wie Ideal J und 113 zusammen gearbeitet. Ich persönlich hatte aber keinen direkten Draht zur Hip Hop Szene.

rap.de: Aber wirst du überhaupt in der französischen Hip Hop Szene akzeptiert?

Busy P: Ich akzeptiere die. Ob die uns akzeptieren? Ich weiß es nicht. Ich denke, es kümmert sie nicht wirklich, wer wir sind und was wir machen. Die Großen kennen uns natürlich. Kennst du Booba? Ich habe ein Remix für ihn gemacht  und wir haben ein paar witzige Promosachen zusammen gemacht. Aber für uns ist die Frage, ob der Untergrund uns akzeptiert, kein Problem. Wir machen unser Ding. Die machen ihr Ding. Klar, wir werden von der Szene beobachtet, weil wir versuchen, die Sachen anders zu machen. Wir sind ein Electro-Label. House und Techno sind eine andere Welt, aber wenn sie sehen, dass wir DJ Mehdi haben, sind sie neugierig und denken “Oh, was hat denn dieses Label mit Hip Hop Musik zu tun?“. Also, ja ich denke wir werden schon akzeptiert, aber wir machen uns da keine Gedanken.

 
rap.de: Gibt es denn einen Masterplan diese beiden Welten zusammen zu bringen?

Busy P: Nein, es gibt keinen Masterplan.

rap.de: Viele deutsche Rapper sehen sich zur Zeit in der Electro-Szene um…

Busy P: Überall! Überall das gleiche. Nicht nur diese beschissenen Black Eyed Peas. Jeder geht jetzt in diese Richtung. Aber sie sind etwas spät. Timbaland oder die Neptunes haben das schon von 7, 8 Jahren gemacht oder auch Jay Dee aus Detroit. Er wusste was es in der Elektro Szene geht. Er hat 2001 Daft Punk gesampelt. Swizz Beats geht auch in die Richtung.

rap.de: Interessierst du dich überhaupt für Hip Hop?

Busy P: Na klar. Seit 1989. "Tougher than Leather" von Run DMC war immer eins meiner Lieblingsalben.

 

rap.de: Afrika Bambaataa hat ja auch schon immer gesagt, dass sowieso alles den gleichen Urspung hat.

Busy P: Ja, genau. Es sind ja alles die gleichen Geräte. Die 808, die 909. Wir benutzen die gleichen Sampler. Afrika Bambaataa sampelte Kraftwerk. Also ist es alles da gleiche.

rap.de: Fühlst du dich eigentlich wie ein Pionier? Wenn du jetzt jemanden wie die Black Eyed Peas siehst, die plötzlich diese Elektro Schiene Fahren, denkst du dann “Aber wir haben das zu erst gemacht“?

Busy P: Nein, so denke ich nicht. Alles was ich sagen kann ist, ich weiß, dass sie nicht die ersten waren. Ich würde auch von mir nie sagen, dass ich der erste war. Ich bewundere Jay Dee oder Timbaland und die Neptunes, aber auch die Ruff Ryder Sachen von 1999. Swizz Beats hat auch immer nach starken Beats gesucht. Die Black Eyed Peas interessieren mich ehrlich gesagt überhaupt nicht.

rap.de: Welche Rolle spielt das ganze Artwork im Konzept Ed Banger?

Busy P: Eine große Rolle. So-Me ist der Art Director des Labels. Ich wollte, dass nur ein einziger für das Design der Bilder und Cover verantwortlich ist. Er kommt aus der Graffiti Szene. Aber er hat sich weiter entwickelt. Er mixt viel. Mehdi in diesem Hip Hop Style. Justice mehr so Heavy Metal. Er ist ein Pop Artist, der in einer modernen Welt lebt. Er vermischt die Styles und die Einflüsse. Aber natürlich muss ein Straßenkünstler dazu auch fähig sein.

rap.de: Hast Du das Artwork und das Image der Gruppe und wie die einzelnen Gruppen auftreten entwickelt?

Busy P: Nein, das macht er ganz allein. Das ist seine Verantwortung. Er ist die Hand des Labels und ich bin das Ohr des Labels. Jeder hat hier seine Aufgabe.
 

rap.de: Was kommt von den Bands?

Busy P:…Und natürlich spricht er auch mit den Bands. Justice wollten zum Beispiel etwas ganz spezielles, etwas Besonderes. Dann macht er ihnen verschiedene Vorschläge und die entwickeln das zusammen.

rap.de: Wer hatte die Idee zu dem Stress Video?

Busy P: Romain Gavras. Kennst du ihn? Er ist ein französischer Filmregisseur. Er beschäftigt sich eingehend mit sozialen Erscheinungen. Für das Stress Video haben wir uns etwa hartes, gewalttätiges vorgestellt, das zur Musik passt, weil auch die Musik gewalttätig ist. Er hatte da die Idee in die Vororte zu gehen und die Jugendliche zu filmen. Und da ist dieses verrückte Video entstanden, das weltweit ziemlich für Aufruhr gesorgt hat, aber vor allem uns im Land.

rap.de: Ja, weil niemand wusste, ob es Realität war oder obe es sich um gestellte Szenen handelt.

Busy P: Genau. Am Anfang sagten alle: “What the fuck is this“. Da waren sehr extreme Positionen dabei. Die Rassisten sagten: "Ja, seht her, das geht in den Vororten vor sich“ und dann gab es richtige Ghetto Kids, die meinten: “Das könnt ihr nicht im Fernsehen zeigen. Da werden wir wie Vollidioten dargestellt“. Es war schon sehr verrückt.

rap.: Wolltet ihr diese Reaktion erzeugen? War das so geplant?

Busy P: Nein, das kann man nicht planen. Diese Reaktionen wollte ich nicht. Ich wollte Reaktionen hervorrufen, natürlich. Natürlich wollte ich einigen in den Arsch treten und die Leute wachrütteln. Aber es ist wir mussten daraus lernen, dass es schwer ist, zwischen diesen beiden Gruppen von Arschlöchern zu stehen. Auf der einen Seite Rassisten und auf der anderen Seite Vollidioten aus dem Ghetto, die sich einfach immer bekämpfen. Denen dann klar zu machen, dass es uns nicht um sie geht. Wir wollten einfach visuell gute, starke Sachen machen. Das war das Problem. Sie begreifen nicht, dass wir keine Richter sind. Wir sind nicht da, um zu beurteilen, ob das, was in den Vororten vor sich geht gut oder schlecht ist. Das ist nicht unsere Intention.

rap.de: Macht ihr denn dann ein Dialog daraus?

Busy P: Natürlich. Klar. Wir haben Diskussionen geführt. Wir sind zu ein paar Hip Hop Radio Stationen gegangen und haben uns geäußert. Und manchmal wenn wir so unterwegs sind, auf der Straße oder so, dann sind die Reaktionen der Kids meistens positiv. Sie stehen hinter uns.


rap.de
: Ja, das wollte ich fragen. Wie reagieren die Kids von der Straße darauf? Sind sie stolz?

Busy P: Die stehen einfach hinter uns. Und ja klar sind sie stolz. Na klar. Sie wollen hart sein und wir zeigen da harte Jungs, und vor allem sagen wir nicht, ob es gut oder schlecht ist. Natürlich finde ich es schlimm, jemandem das Gesicht mit einer Flasche zu zerschmettern, Autos zu stehlen oder Frauen zu vergewaltigen und sich einfach dumm zu verhalten. Aber zur gleichen Zeit, ist es interessant.

rap.de: Es ist ja auch die Realität.

Busy P: Natürlich. Es existiert. Und es passt zu der Musik von Justice, speziell zu Stress. Da können wir doch nicht einfach Leute aufnehmen, die sich Küssen und freuen, als wären sie auf Ibiza.

 

rap.de: Interessieren dich die sozialen Umstände?

Busy P: Natürlich. Viele Menschen fragen mich nach der Philosophie von Ed Banger. Was sie im Moment zu sehen bekommen sind diese Party Sachen. Wir machen Party, betrinken uns, machen mit Mädels rum, springen von der Bühne und solche Sachen. Aber die Philosophie von Ed Banger ist “We are livin it“! Wir vermischen die Styles mit DJ Mehdi, DSL, Mr Flash, die echten Hip Hop repräsentieren. Und auch andere Künstler wie Justice, Sebastian, Mr Oizo, die zur Techno Szene gehören. Diese Dinge zu mischen, die Musik, das Miteinander, das ist unsere Philosophie.
Es ist und wichtig zu zeigen, dass wir als ein Ganzes funktionieren. Mehdi stammt aus Tunesien, DSL sind aus der Karibik… Wir feiern zusammen. Wir schmeißen das alles in einen Topf und arbeiten als ein Team. Eine Familie. So sind wir. Das ist unsere Philosophie! Ich muss es eigentlich nicht weiter erklären.

rap.de: Ihr seid also Leute aus verschiedenen Ländern, unterschiedlichen sozialen Schichten?

Busy P: Nicht unbedingt aus verschiedenen Ländern, aber ja anderen sozialen Hintergründen. Ich meine, ich bin ein großer, blonder Typ mit viel Geld und ich investiere es in unterschiedliche Projekte. Das ist meine Art an politischer Beteiligung, ich meine, ich bringe diese ganzen Menschen zusammen und sie unterstützen auch mich. Und das ganze mache ich jetzt bereits seit 10 Jahren. Das ist der politische Gedanke dabei.

rap.de: Aber ist es nicht ein Problem, dass sich vielleicht viele Werbefirmen dahinter klemmen und euren Grundgedanken zu ihrem Lifestyle erklären könnten? Sie könnten diesen harten Stil der Straße einfach übernehmen und zu ihrem eigenen machen.

Busy P: Ja, aber das war eher zu Beginn ein großes Problem. Sie haben den Style von den coolen Kids kopiert. Aber jetzt sind wir schon seit 7 Jahren etabliert und gehören nicht zur iPod Generation. Das ist vorbei. Ed Banger gehört jetzt eher den Kids von den Straßen und damit meine ich jetzt nicht nur arme Gegenden und Ghettos, sondern alle Kids, die raus gehen und was machen. Bei uns geht es nicht um perfekte Vermarktung. Wir sind ein Label, das versucht zu überleben und neue, freshe Sachen rausbringen will.
 

rap.de: Aber wie schafft ihr es, einen Riegel vor die Werbeagenturen zu schieben?

Busy P: Das kann man nicht! Klar, freuen wir uns einerseits, wenn die uns zum dritten Mal in Folge zum Label of the Year erklären. Das ist cool. Aber zeitgleich ist es so, dass man sich nicht aussuchen kann, jetzt einfach cool zu sein. Niemand kann mal eben so planen ein cooles Label auf die Beine zu stellen. So funktioniert das nicht!! Man muss beides akzeptieren können, wenn es gut ist und klappt, aber auch wenn es schief gehen sollte. Ich kann mit so was ganz gut umgehen. Und wenn Ed Banger wieder etwas in den Hintergrund geraten sollte, dann ist es unsere Aufgabe, es wieder nach Vorne zu bringen.

rap.de: Gab es jemals Zeiten, in denen die Leute gesagt haben Ed Banger ist scheiße. Die Ideen funktionieren nicht, das Konzept geht nicht auf“?

Busy P: Das ist normal. Es ist alles eine Frage der Ausdauer und der harten Arbeit. Das Timing spielt eine große Rolle und wenn die Leute gelangweilt sind, wollen sie neue Trends.

rap.de: Wie motiviert ihr euch in diesen Zeiten, wenn die Leute mal sagen “Das funktioniert grad nicht“?

Busy P: Noch sagt das niemand, denn es geht ja, es funktioniert. Aber ich schließe es nicht aus. Nur um ehrlich zu sein, ich arbeite hart daran, dass es nicht so weit kommt.

rap.de: Wie machst du das? Mit Yoga oder durch Meditation?

Busy P: Yoga? Nein! Ich bin einfach geduldig und tauche dann einfach auf. Ich bin überzeugt von dem was wir machen. Wir haben einige Projekte am Laufen. Die Alben von Oizo und Sebastian müssen fertig gestellt werden. Die neue Compilation von Mehdi. Da bin ich jetzt erst mal gespannt darauf. Natürlich will ich CDs verkaufen und natürlich will ich auch wieder auf Welttournee gehen. Wir werden sehen.

rap.de: Wie lange schläfst du nachts?

Busy P: Oh man, nicht genug. Auf keinen Fall genug. Vier bis fünf Stunden. Ich werde mich bald zur Ruhe setzen.


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: Was würdest Du machen, im Ruhestand?

Busy P: Keinen Plan. Ich würde gern mal surfen. Als Kind habe ich es nicht aufs Surfbrett geschafft, vielleicht sollte ich jetzt nachholen

rap.de: Hättest du jemals erwartet, dass Ed Banger diesen riesigen Einfluss auf den Lifestyle von Menschen haben könnte, diese engen Jeans und das alles?

Busy P: Also, es ist auf der einen Seite sicherlich sehr überraschend. Aber es motiviert mich auch. Ed Banger soll eben nicht einfach nur ein Musiklabel sein, sondern eben auch auf andere Dinge im Leben übergreifen.

rap.de: Es soll also eine ganze Bewegung daraus werden?

Busy P: Ja, klar. Aber das kann auch sehr gefährlich sein. Es ist eine große Verantwortung und deswegen muss man auch vorsichtig sein. Diese Branding Geschichte zum Beispiel. Wir müssen aufpassen, dass Ed Banger als Marke nicht aus den Fugen gerät, wenn wir mit Firmen wie Eastpak oder Nike zusammenarbeiten.
Eines Tages war es nämlich soweit, dass meine Freundin mich ansah und sagte “Schau dich an, du trägst die Schuhe deiner eigenen Marke, das T-Shirt, die Kopfhörer. Es ist einfach zu viel!“ Und sie hatte recht. Das war der Moment, als auch ich realisierte, dass es zu viel ist. Das ist der Zeitpunkt, an dem anfangen muss vorsichtiger zu werden, um die Leute nicht zu überfluten. Deswegen muss ich auch von ehrlichen Menschen umgeben sein. Von Freunden und Familie, die mich bremsen und mir sagen, wenn ich zu weit gehe.

rap.de: Hast du eigentlich Pläne für später, wenn du das Label vielleicht nicht mehr führst? Was würdest du sonst noch gerne machen?

Busy P: Nein habe ich nicht. Ich habe so viele Projekte. Wir machen das gerade mal seit 7 Jahren. Wenn du mal nach anderen guckst, wie Playhouse, die sind seit 10 Jahren dabei oder Stone Throw, die gibt es seit 15 Jahren. Ich möchte mit ihnen zusammen arbeiten. Ich habe noch Zeit.

rap.de: Wie bist du mit Stone Throw verbunden?

Busy P: Durch Peanut Butter Wolf. Wir haben großen Respekt. Da ist schon ein wichtiger Aspekt und reicht um gemeinsam zu arbeiten. Wir haben eine große Party in Paris gemacht, wo die Kids von Ed Banger mit den Leute von Stone Throw in Kontakt kamen.

rap.de: Wie war das?

Busy P: Es war einfach eine unglaubliche Nacht. Peanut war da, Daft Punk, ich war natürlich da, Mehdi, DSL. Die Show war ausverkauft. Wir haben Hip Hop, Funk und Electro gespielt. Es war verrückt. So mag ich das Ganze.

 
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: Wie lange ging die Party?

Busy P: Ungefähr 6 Stunden. Das ist der Pariser Stil.

rap.de: Was heißt “Pariser Stil“? Ist es gefährlich, gab es gewalttätige Auseinandersetzungen? Wir hören das oft über Jams in Frankreich.

Busy P: Gewalttätig? Nein, gar nicht!! Eher betrunken. Klar passiert auch mal Scheiße, aber das ist nicht das übliche Programm.