Mr. Mixx

Auch wenn Worte wie Vorreiter oder Pionier mittlerweile so oft verwendet werden, dass sie eigentlich keinerlei Bedeutung mehr haben, treffen sie auf diesen Mann irgendwie beide zu. Mr. Mixx war Mitte der 80er mitverantwortlich für einen der aller ersten waschechten Rapskandale, nämlich die 2 Live Crew. Das Kollektiv aus Miami zeigte sich damals verantwortlich für schockierte Eltern rund um den Globus, Auftrittsverbote und Indizierungen en masse. Doch nicht nur die heute fast harmlos wirkenden Reime über weibliche Rundungen haben bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern auch der treibende Miami Bass Sound, der angesichts aktueller 808 Gewitter auf Tanzflächen weltweit seine Renaissance erfährt. Eigentlich wollten wir mit einem der Mitbegründer dieses Sounds ausschließlich übers Feiern, Bass und große Hintern sprechen, herausgekommen ist ein Gespräch über Politik, Hip Hop, den Unterschied zwischen Europa und den USA und natürlich: große Hintern.

rap.de: Als erstes muss ich dir sagen, dass du meine Kindheit zerstört hast. Schon als fünjähriger habe ich heimlich die 2 Live Crew Platten meines Bruders gehört.

Mr. Mixx: Also hat dein Bruder deine Kindheit verdorben, nicht ich. (lacht)

rap.de: (lacht) Was ich eigentlich fragen wollte ist, ob du jemals gedacht hättest, dass du mit der Musik bis in die Wohnzimmer einer kleinen Vorstadt-Familie aus Deutschland kommst?

Mr. Mixx: Nein, denn eigentlich sollten es nur lustige Songs für das ältere Publikum werden. Das war eigentlich so die Intention, aber die Partyvibes und das Glücksgefühl, das unsere Lieder transportieren, machte es einfach für alle möglichen Hörer attraktiv. Als wir das erste Album herausgebracht haben, hatten wir keine  Warnhinweise auf dem Cover oder so was in der Art, wir haben wirklich nicht gedacht, dass das auch jüngere Leute hören werden.

rap.de: Du bist ja einer der Erfinder des 808-Sounds, des Miami-Bass-Sound oder wie auch immer du es nennen möchtest. Damit hast du viele der heutigen Clubsachen wie Crunk oder Hyphy, Baltimore, und diese ganzen Electro-Sachen beeinflußt. Macht dich das stolz oder fühlst du dich ein wenig vergessen?

Mr. Mixx: Das ist so ein Fifty-Fifty Ding. Die Leute wissen, dass der Sound aus Miami kommt, aus Florida, aber sie wissen eben nicht, von wem er wirklich kommt. Sie kennen das Zugpferd der Sache nicht. Sie kennen unsere Platten und wissen, über welches Label es gelaufen ist, aber sie kennen die Person dahinter nicht. Das ist der einzige Aspekt bei dem ich mich unter Wert verkauft fühle. Ich war der Typ und ich bin sehr stolz darauf. Ich wusste bereits 1983, welches Potential in diesem 808 Sound steckt. Ich wusste, dass dieser Sound um die Welt gehen und sich bis heute halten und weiterentwickeln würde.

rap.de: Magst du die 808 Sachen von Kanye West??

Mr. Mixx: Kanye West ist für mich ein C-Klassen Produzent. Das Zeug was er macht ist cool und ich gebe ihm Probs für “Jesus Walks“, weil ich die Dynamics in dem Sounds mag. Doch der Rest? Er ist wie Pete Rock, er genießt einfach nur hohes Ansehen. Er ist nicht anders als Premiere oder Pete Rock oder die anderen HipHop Leute. (lacht)

rap.de: Okay, lass uns über das Album reden. Es heißt “The Money and the Booty“. Wenn du dich entscheiden müsstest, was würdest du wählen?

Mr. Mixx: Das geht Hand in Hand. Das eine geht nicht ohne das andere. (lacht)

rap.de: Und auf einer einsamen Insel?

Mr. Mixx: Na die Ärsche. Geld kannst du doch nicht ficken. (alle lachen)

rap.de: Wieso gibt es eine spezielle deutsche Version deines neuen Albums?

Mr. Mixx: Als Hip Hop in den Staaten in die Charts kam, wusste ich, wohin das führen würde. Das sich eines Tages alles nur noch um den Mainstream drehen wird und der ist im Moment Souljah Boy und sein Walt Disney Rapstuff. Das ist einfach das, wovon sie glauben, dass es sich am meisten verkaufen kann. Aber du kannst Souljah Boy nicht mit Common oder Young Jeezy vergleichen. Oder Kanye West. (lacht) Also bin ich nach Deutschland gegangen, um mich mit meinen Sound an Künstler zu wenden, die bereits hier in Deutschland einen Status im Business haben, sodass ich einfach nur noch einsteigen muss. Ich musste nicht hoffen, dass die Leute mir Aufmerksamkeit schenken, sondern wusste, dass die Sachen bemerkt werden. Eben durch die Personen, mit denen ich arbeite. Und außerdem wollte ich mir musikalisch eine Heimat in Europa schaffen und dachte, Deutschland wäre der perfekte Ort dafür.

rap.de: Hast du noch andere spezielle Länder-Editionen geplant?

Mr. Mixx: Nein. Wir haben auch ein paar Franzosen getroffen, die den Electro Miami-Bass Sound feiern. Wenn die Leute mit mir zusammen arbeiten wollen, warum nicht? Ich verstehe nur leider die Sprache nicht. Die Zusammenarbeit mit Michelmann kam auch einfach über MySpace zustande. Er hat mir einfach geschrieben.

rap.de: Das wäre dann auch meine nächste Frage gewesen…

Mr. Mixx: (lacht) Ja, Michelmann hat das ja alles ins Rollen gebracht, weil er den Kontakt zu den anderen Künstlern wie Frauenarzt, Manny Marc, Eko Fresh und DJ Tomekk hat. Er hat mich einfach angeschrieben und gesagt, dass er meine Musik mag und im Gegenzug dazu hab ich ihn gefragt, ob er mir zu ein paar DJ Gigs in Deutschland verhelfen kann. Das hat dann auch geklappt, bis es Probleme mit verschiedenen Promotern gab und sich Michelmann daraufhin entschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Ich hatte das Konzept ein paar meiner alten und ein paar meiner neuen Sachen auf den Markt zu bringen und er hat sich um die nötigen Lizenzen gekümmert.

rap.de: Du hast ja auch eine kleine Deutsch-Lektion auf der Platte.

Mr. Mixx: Oh yeah. Weißt du, die Amerikaner sind im Glauben, dass sie die einzigen sind, die das Leben, also besonders das Streetlife, kennen. Und der Grund dafür ist simpel: Sie sind ignorant und reisen nicht. Sie wissen nicht, dass es überall auf der Welt Streetpeople gibt, es gibt überall krasse Menschen. Aber wenn du auf deiner Insel beziehungsweise deinem Kontinent sitzt und die einzigen Länder, die du außerhalb der USA kennst, Kanada und Mexico sind, kannst du eben nichts über die Engländer, die Franzosen oder eben die Deutschen erzählen. Wenn Deutsche in die USA kommen, glauben die Leute da, dass die die dummen wären oder so. Dabei sind die schlauer als die, denn sie können drei Sprachen sprechen. Das alles nur, weil sie nicht aus einem Land kommen, was als krass gilt. Aber das ist quatsch, denn krasse Orte gibt es überall auf der Welt. Äh, kannst du mir die Frage noch mal stellen? 

rap.de: Ich war mit der Frage noch nicht wirklich fertig…

Mr. Mixx: Oh.

rap.de: Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du dir vorstellen könntest, nach Deutschland zu ziehen.

Mr. Mixx: Es gibt viele Dinge, die mir an Deutschland gefallen, aber genauso gibt es auch eine menge Sachen, die mir in den Staaten gefallen. Also bleib ich lieber Globetrotter. Was ich hier wirklich mag, ist der Flavour der Leute und die Atmosphäre. Auch im musikalischen Bereich. Hier ist immer Beef und Competiton im Business. Was die Frauen angeht, habe ich mitbekommen, das einfach überall außerhalb der Staaten der Respekt gegenüber den Männern ein bisschen stärker ist. Das ist schon ein leichter Unterschied.

rap.de: Was ist mit den Hintern der Mädels hier in Deutschland?

Mr. Mixx: Ich erklär es dir mal so: Die Ärsche sind unterschiedlich, weil das Essen unterschiedlich ist. In Amerika essen wir nur noch Müll. Was ich hier mag ist einfach, dass die Frauen eine schöne Figur haben, die meisten zumindest. Was ich aber wirklich mag hier in Europa, ist die Größe des Kontinents. Du kannst innerhalb von ein paar Stunden in einem völlig anderen Land sein, und mit einer völlig anderen Kultur und Mentalität konfrontiert werden. Wenn du in den Staaten vier bis fünf Stunden fliegst, hast du immer noch dieselbe Scheiße um dich herum. Vielleicht ist der Slang ein bisschen anders oder die Lebensart. Aber hier in Europa bist du in einem völlig anderen Lifestyle, einer anderen Sprache. Du hast einfach diese kulturelle Vielseitigkeit, die du in Amerika nicht hast. Die Amis haben darauf aber eh keine Lust. Sie interessiert es eben nicht, nach Kanada oder Mexiko zu gehen und die Leute dort kennen zu lernen. Die Amis fühlen sich als wären sie “King-Dingeling“. Die interessieren sich nicht für die Probleme der Mexikaner oder der Kanadier. Ich meine, ich kann die USA mittlerweile anders beurteilen. Ich bin dort geboren und aufgewachsen, aber auch viel gereist und habe dadurch die Möglichkeit, die USA mit anderen Augen zu sehen.

rap.de: Denkst du, dass Obama die Möglichkeit hat, diese Mentalität zu verändern?

Mr. Mixx: Nein. Er hat zwar zur Hälfte die gleiche Hautfarbe wie ich, dennoch hat er eine weiße Wählerschaft. Kein Wunder, es ist anders auch unmöglich, der Präsident der Vereinigten Staaten zu werden und das ist das was viele Leute falsch verstehen. Er ist genauso gerissen, er hat nur eine andere Hautfarbe. (lacht)

rap.de: Du bist ja auch Produzent, was viele Leute gar nicht wissen. An was arbeitest du denn gerade?

Mr. Mixx: Ich bin nicht wirklich auf der Suche nach neuen Leuten, mit denen ich zusammen arbeiten kann. Ich weiß, was ich wert bin. Doch leider ist es so dass wenn du nicht der bist, der mit Puffy, Russel oder Jimmy Iovine zusammen kommt, den Leuten einen Scheiß bedeutest. Ich muss nicht sagen “Hey, ich bin DJ Mr. Mixx, ich habe den 808 Sound kreiert“. Da kommt nur eins zurück: “Ja Motherfucker, wissen wir, kannst du uns helfen Platten zu verkaufen weil du im Rampenlicht stehst?“ – “Das ist vielleicht nicht der Fall, jedoch kann ich euch ein Masterpeace im Studio basteln.“ – “Was sollen wir damit? Wir wollen Platten verkaufen, also wirst du gehypet oder nicht?“ – “Ich habe nicht unbedingt das, was ihr unter Hype versteht.“- “Okay, dann war es nett mit dir zu reden“. Das ist das Szenario, was du dir vorstellen musst. Also ist es hart für mich, den Willen dazu zu haben, irgendwelche Leute davon zu überzeugen, Projekte mit mir zu starten. Es ist einfach für Rick Ross oder John Legend, einen guten Song zu machen, denn sie sind beide talentierte Musiker und Rick ist ein guter Lyriker. Das muss also einfach was werden. Aber was viel wichtiger ist: Die Leute schenken ihnen Beachtung. Das ist keine Raketenwissenschaft, es geht nur darum, wer Geld in wen investiert und wer dann das Master davon bekommt. Das war der Zeitpunkt, wo diese ganze schwule Scheiße ins Game kam. Du weißt nie, wie das ausgehen wird. Die Typen, die wirklich Klassiker produzieren können, sei es beim Texten oder beim Produzieren, werden niemals ihren Platz im Geschäft finden, weil die Labelbosse nicht der Meinung sind,sie könnten Platten verkaufen. Aber das können sie. Das ist HipHop, das sind die Wurzeln. Das heute wär doch alles ohne die späten 80er und die frühen 90er gar nicht möglich. Die Majors wurden doch dadurch erstmal aufmerksam auf Rap. 1989 kam der große Wechsel, von da an veränderte sich alles.

rap.de: Gibt es einen Song der letzten zehn Jahre, wo du sagen würdest, es handelt sich um einen Klassiker?

Mr. Mixx: Ja, es gab einen Song, der mir gefiel. Von einem Typen, bei dem ich dachte, er würde für längere Zeit ganz oben mitspielen, aber leider hat er Probleme. Ich rede von DMX mit "Whats My Name“. Das war ein sehr dynamischer Song mit viel Energie und einer Attitüde. Die Ruff Ryders waren zu dieser Zeit auch verdammt heiß, meiner Meinung nach zumindest.

rap.de: Miami ist ja auch ziemlich erfolgreich zurzeit. Und ich rede jetzt nicht nur von Rick Ross

Mr. Mixx: Die meisten Leute wissen nicht, dass Rick Ross bei Slip’n’Side Records zehn Jahre auf der Bank saß. Weshalb auch immer. Er war `89 auch schon da, zur selben Zeit wie Trick Daddy. Egal was war, es ist ja nicht so, dass er besser geworden ist, er ist derselbe Typ wie damals. Ich kenn ihn schon lange. Manchmal gibt es diese Aschenputtel-Geschichten eben nicht nur im Märchen. Es gibt böse Stiefmutter und Stiefväter, die nicht wollen, dass du zeigen kannst, was du drauf hast. Doch man kann diese Leute nicht ignorieren. Früher oder später bringen sie ihre Sachen raus. Er ist eben auch einer der Topleute.

rap.de: Ja, dass ist er wirklich. Er hat ja auch viel Output in den letzten Jahren gehabt. Aber wer denkst du, könnte der nächste “Große“ aus Miami werden?

Mr. Mixx: Ich reise viel zwischen Miami und Atlanta und treffe viele Menschen. Was sich jedoch geändert hat im Rapgame ist, dass du nicht mehr weißt, aus welchem Grund die Leute ins Game kommen. Manche machen das, weil sie keine Drogen mehr verkaufen wollen. Die kommen ins Business, wissen aber gar nichts darüber. Sie wollen jemanden, der sie an die Hand nimmt, aber keiner wird das tun. Also ist es einfacher für sie, Dope zu verkaufen um Geld zu machen und zu hoffen, dass jemand wie Rick Ross oder Lil Boosie auf einem deiner Tracks 16 Bars spittet. Aber um auf deine Frage zurück zu kommen. Es gibt eine Menge Leute, die das nächste große Ding werden könnten, aber  nach so was sucht die Musikindustrie ja gar nicht. Die wollen einfach nur schnell Geld machen. Wie bei diesem “Pawnshop Move“. Weißt du, was das ist?

rap.de: Erklär es bitte.

Mr. Mixx: Es ist so: Du findest einen Diamanten auf der Straße, weißt aber nicht ob es ein wirklicher Diamant ist. Er sieht zwar so aus, aber das tun viele. Also gehst du zum Pfandleiher und der sagt: “Hey wo hast du das denn gefunden? Dafür gebe ich dir so und so viel Geld“. Also gibt er dir im Voraus die Kohle und der Deal ist fertig. Das ist die Philosophie, die die Konzerne verfolgen und genauso handhaben sie es mit den Künstlern von der Straße. Sie greifen sie auf, bringen sie ins Studio und geben ihnen ein paar Dollar Vorschuss. Doch die  10.000 oder 5.000 Dollars für die Künstler sind nur ein Bruchteil von den 200.000, die sie tatsächlich mit ihnen verdienen. (lacht)

rap.de:  Denkst du, das war früher anders?

Mr. Mixx: Nein, auf keinen Fall. Aber der, der sozusagen aufgegriffen wurde, wusste was passieren würde und er das “Glück“ hatte, eben weil diese Überschuss an Leuten noch nicht da war. Heute ist es so, dass viele Leute das Geld haben, um mit dir irgendwas auf die Beine zu stellen. Aber in den 40ern, 50ern oder den 60ern war es so, dass die Musikmacher nicht so präsent waren wie heute, also wenn du eine Chance gesehen hast, hast du diese auch wahrgenommen. Aber heute ist es so, dass eben sehr viele Leute ihr Geld ins Rapgeschäft stecken wollen, weil sich gezeigt hat, dass es durchaus profitabel sein kann. Besonders auch dadurch, dass das Equipment günstiger geworden ist. Es ist die perfekte Zeit, Lizenzverträge abzuschließen.

rap.de: Aber ist das wirklich eine gute Entwicklung?

Mr. Mixx: Es kommt darauf an für wen. Für den Labelboss schon, zumindest für den, der schnelles Geld machen will. Für den Musiker der aufsteigen will auf gar keinen Fall. Der weiß in den meisten Fällen gar nicht, was abgeht, wie dort gearbeitet wird und was sein Wert ist. Er glaubt Sachen, von denen andere wissen, dass man einen Scheißdreck darauf geben kann. Sie haben auch keine Ahnung von den internen Abläufen bei einem Label. Das war damals anders. Die Leute die sich damals darauf eingelassen haben, wussten, dass sie sich mit Leuten einlassen, die die Tony Montana Werte pflegen. Man könnte sagen sie wurden in die Mafia eingeweiht. Sie wussten, was auf sie zukommt und was sie dafür erwarten konnten. Aber heute wissen die Künstler nicht mehr, wie viel sie wert sind.

rap.de: Wie bist du damals mit der 2 Live Crew ins Musikbusiness gekommen?

Mr. Mixx: Zunächst war ich beim Militär in England stationiert, das war so um 1982. Zu der Zeit kamen gerade Afrika Bambaataa, Afrika Islam, die Rocksteady Crew und Whizz Kid nach Europa und zeigten den Leuten, was Hip Hop ist, wie man scratcht, mixt und solche Sachen. Ich sah diese Leute damals live, aber davor war ich schon zu Highschool-Zeiten ein Poplocker und davor ganz normaler Musiker, weil ich früher Saxophon gespielt habe. Ich hatte also schon ein gewisses Verständnis von Musikalität, Timing und so weiter. Als ich das erste Mal jemanden scratchen sah, hat mich sofort beeindruckt, dass er seinen Plattenspieler wie ein Instrument benutzte. Ich schaute mir das exakt an, und sah, wie er mit einer Hand die Platte bewegte und mit der anderen den Fader. Danach wollte ich mir unbedingt Plattenspieler zulegen, aber zu der Zeit war es sehr schwierig ein Paar 1200er aufzutreiben, denn die gingen erst ab 1984 in die Massenproduktion. Ich habe also alles auf irgendeinem beschissenen Turntable gelernt. Damals bauten wir uns Slipmats aus Wachspapier, damit wir die Platte leichter hin und her bewegen konnten. Dadurch dass ich mit schlechtem Equipment arbeitete, lernte ich sehr viele Tricks, um das auszugleichen. Zum Beispiel gab es damals noch nicht wirklich viele Mixer, die einen Crossfader hatten, weshalb man mit den Line Fadern mixen musste.

Ich begriff dann sehr schnell, dass ich unbedingt lernen muss, wie man beidhändig scratcht. Viele mussten damals mit überkreuzten Armen scratchen, je nach dem, auf welcher Seite die Platte gerade lief, weil sie nur einhändig scratchen konnten. Nachdem ich also in Übersee meine Skillz trainierte, kam ich zurück in die Staaten und wurde in Kalifornien stationiert. Dort gab es eine Plattenfirma, die Leute wie Egyptian Lover, LA Dreamteam und viele andere raus brachte. Die Nummer der Plattenfirma stand damals noch auf den Platten, weshalb ich einfach anrief und sagte, dass ich gerne eine Platte aufnehmen möchte, woraufhin sie nur meinten “Alles klar, komm vorbei und dann machen wir das“. So kam ich in das Musikgeschäft. Aufgrund der Tatsache, dass ich nur irgendwo anrufen musste, um eine Platte aufzunehmen, dachte ich mir, dass es super einfach wäre, ins Musikgeschäft einzusteigen, allerdings verstand ich rein gar nichts von dem Business und war noch total grün hinter den Ohren. Ich hatte keine Ahnung vom Vertrieb oder von Marketing. Ich wusste einfach nichts. Ich dachte mir nur, wenn die das können, kann ich das auch, immerhin habe ich einiges an Talent. Über die geschäftlichen Dinge habe ich mir nie Gedanken gemacht. Irgendwie ist meine Platte dann nach Miami gelangt, wo sie bei Luther Campbell gelandet ist, der damals noch Konzert Promoter war. Er holte früher alle Rapper aus New York nach Miami und verdiente so sein Geld. Kennen gelernt haben wir uns dadurch, dass er mich angerufen hat, um zu fragen, wann ich denn mal vorbei komme, um mit ihm abzuhängen in Miami. So ungefähr kam das alles zu Stande.

rap.de: Wir haben zu Beginn darüber gesprochen, dass Du mit deinem Sound einiges beeinflusst hast. Wer hat dich konkret beeinflusst? Hast du irgendwelche Idole?

Mr. Mixx:  1982 waren meine Vorbilder auf jeden Fall Afrika Bambaataa und Arthur Baker, Planet Rock veränderte ab diesem Zeitpunkt die komplette Art Musik zu machen, bis zum heutigen Tag. Da ich als Kind noch ein Instrument spielte, war es für mich unvorstellbar, dass irgendein Musiker diese Sounds kreieren konnte. Bald darauf las ich einen Artikel, in dem stand, dass die Sounds mittels eines Drumcomputers erzeugt wurden. Als ich wusste, wie diese Maschine heißt, bin ich gleich zum nächsten Musikgeschäft gegangen, um sie mir anzusehen, denn in den Artikeln gab es keine Bilder von ihr. Als ich sie im Laden ausprobierte, hörte ich dieselben Sounds, die ich zuvor auf der Platte gehört habe. Als ich noch ein bisschen mit der Lautstärke rumspielte, kreierte ich ein paar richtig laute Booms und Baps und ich fragte mich in diesem Moment, warum sie die nicht auf der Platte verwendeten. Vier Monate später, als ich schon in Kalifornien war, konnte ich mir dann endlich meinen eigenen Drumcomputer leisten, denn ich mir für 300 Dollar beim Pfandleier kaufte. Der einzige, der damals wirklich verstanden hat, wie man die 808 richtig benutzt, war Rick Rubin, der die frühen Run DMC und Beastie Boys Sachen produzierte, die allesamt sehr basslastig waren. Ich glaube, dass ihm das nicht mal richtig bewusst war. In den Achtzigern war in Miami unglaublich viel Drogengeld im Umlauf und sämtliche Dealer hatten riesige Soundsystems in ihren Autos mit unglaublich starken Verstärkern und riesigen Subwoofern. Wenn du in so einem Auto zum Beispiel “Peter Piper“ von Run DMC gepumpt hast, dann hörte man dich schon, selbst wenn du noch zwei Blocks entfernt warst. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass dieser Sound für immer ein Thema sein würde.

rap.de: Hast du damals auch schon mitgekriegt, was Leute wie Egyptian Lover oder Arabian Prince aus L.A. gemacht haben?

Mr. Mixx: Oh ja, natürlich. Als ich noch in Kalifornien stationiert war, kamen Egyptian Lover und diese Jungs immer raus nach Riverside, was ungefähr achtzig Kilometer von L.A. entfernt ist, um dort Shows zu spielen. Ich kannte all diese Leute also schon indirekt, obwohl ich nie mit ihnen zusammengearbeitet habe.

rap.de: Lass uns mal wieder über die Gegenwart sprechen. Du warst gestern mit Westbam im Studio. Kannst du uns schon etwas darüber erzählen?

Mr. Mixx: Das ist eine lustige Geschichte, bevor ich Westbam persönlich getroffen habe, kannte ich nämlich erst mal nur eine Platte von ihm. Er war damals in Deutschland schon am Start und nahm einen unglaublichen Remix von “We Want Some Pussy“ auf. Wir hatten keine Ahnung, wer zum Teufel dieser Westbam war, aber er hatte einfach ohne zu fragen einen Remix gemacht. Als wir den Track hörten, fanden wir ihn allerdings so gut, dass wir seinen Remix wiederum in Amerika veröffentlichten, ohne ihn vorher zu fragen. Gestern war dann aber tatsächlich das erste Mal, dass ich ihn persönlich getroffen habe. Er spielte mir eine Menge Tracks vor und ich checkte, was mir gefällt. Bei manchen Sachen werde ich vielleicht ein paar Vocals beisteuern, ich habe aber auch schon ein paar Drumpatterns kreiert, für die Tracks die mir gefallen haben. Ich hoffe, da kommt noch einiges an Kollaborationen dabei raus, im Moment befindet sich unsere Zusammenarbeit aber noch im Embryo Stadium. Aber er und Hardy Hard sind wirklich coole Typen. Er hat mir via Skype einige Sachen gezeigt, die mich wirklich umgehauen haben. Das sind auf jeden Fall Leute, mit denen man etwas Magisches erschaffen kann, wie ich immer zu sagen pflege. Es ist großartig, Leute zu treffen, die die Ambition haben, der Welt da draußen etwas besonderes zu bieten.

rap.de: In Anbetracht der Tatsache, dass Rap aus Miami gerade so enorm groß ist: Habt ihr jemals über eine 2 Live Crew Reunion nachgedacht?

Mr. Mixx: Eine 2 Live Crew Reunion wäre eine großartige Sache, wenn zu viele Köche bekanntermaßen nicht den Brei verderben würden. In einer Band ist es ein bisschen so wie in der Ehe. Irgendwann ist man an einem Punkt, wo es besser für alles Beteiligten ist, die Scheidung einzureichen. Mit Luke sind einfach ein paar Sachen gelaufen, die in erster Linie privat, weniger geschäftlich, ab einem gewissen Punkt nicht mehr cool waren. Das ist das aktuelle 2 Live Crew– Szenario. Falls aber jemand ankommt und uns allen einen großen Haufen Geld auf den Tisch legt, dann könnte ich mir eine Wiedervereinigung dennoch vorstellen. Wenn jetzt ein Typ wie David Geffen oder so aufkreuzen würde und sagt “Ich kenne euer Problem, ich zahle euch so und so viel,  ich erwarte nicht, dass ihr nach der Show gemeinsam duschen geht, aber macht gefälligst eure Arbeit“, dann könnte das durchaus funktionieren. Wenn wir das allerdings unter uns ausmachen müssten, dann wird das wahrscheinlich nicht mehr klappen.

rap.de: Weißt du, was die anderen Crewmitglieder im Moment so treiben?

Mr. Mixx: Marquis und Kid Ice arbeiten immer noch mit Little Joe Records zusammen und machen Retro Shows. Sie versuchen immer neue Platten aufzunehmen aber sie sind ja keine Produzenten. Die Formel, die die Gruppe letzten Endes bekannt gemacht hat, ist meine Formel. 2 Live Crew ohne mich ist  wie Kentucky Fried Chicken ohne den Colonel. Luke hat unglaublich viele Projekte am Laufen wie zum Beispiel Little League Football oder irgendwelche kleineren Künstler. Luke hat immer was zu tun, er war schon immer eher der Business Typ. Ich habe sehr viel von ihm gelernt, nicht das er mir was Spezielles beigebracht hätte, aber ich konnte mir sehr viele Dinge abschauen. Ich respektiere in als einen Geschäftsmann und als jemanden, der oft mehr Risiken eingeht, als  andere Leute.  Es gibt gewisse Aspekte zwischen uns, über die ich heute mit ihm reden könnte, ohne mich aufzuregen. Früher hat er viele Dinge getan, die ich nicht verstanden habe, aus heutiger Sicht kann ich das aber durchaus nachvollziehen.

rap.de: Du bist nicht nur als Produzent tätig, sondern auch als DJ. Wie sieht ein typischer DJ Gig von dir aus?

Mr. Mixx: Grundsätzlich spiele ich sämtliche Musikrichtungen und Styles, letztlich hängt es aber immer davon ab, wie offen das Publikum ist. Ich habe zum Beispiel mal in Hamburg auf einer Party aufgelegt, bei der auf dem Flyer zu lesen war, dass ich Old School Musik auflege. Das Publikum, dass dann kam, verstand unter Old School aber Sachen wie Wu-Tang, DMX, The Lox und so. Die dachten, das wäre Old School, was aber auch daran lag, dass viele von ihnen noch nicht geboren waren, als Platten von beispielsweise Egyptian Lover ein Thema waren. Der DJ, der vor mir auflegte, spielte viele aktuelle Hits und ein paar Platten aus den späten Neunzigern. Als ich auf die Bühne kam und “Dance To The Drummer´s Beat“ auflegte, drehten sich alle um und schauten mich an nach dem Motto “Was zum Teufel macht der Typ da oben“. Da habe ich die komplette Stimmung kaputt gemacht, weil ich dachte, ich wurde gebucht um Old School aufzulegen. Leider hat Old School heute für viele eine andere Bedeutung als für mich, das war das Problem bei der Sache. Im Prinzip kann ich aber alles auflegen, außer House vielleicht, da kenne ich mich nicht gut genug damit aus.

 

rap.de: Was inspiriert dich heutzutage neue Musik zu machen?

Mr. Mixx: Die Tatsache, ein Musiker mit dem ganzen Herzen zu sein und ein Verständnis dafür zu entwickeln, was es braucht, um Musik zu machen. Dabei ist es egal, ob es Orchester, Rock oder sonstige Musik ist. Viele aus der heutigen Generation haben nicht wirklich gelernt, Musik zu schätzen. Jeder der heute eine Melodie mit zwei Tönen auf seinem Keyboard spielt und dann noch ein paar 808 Drums drunter legt, hält sich gleich für ein Genie. Ich möchte auch niemanden angreifen. Ich respektiere beispielsweise das, was ein Kanye West macht, aber ich nenne die Dinge beim Namen. Wenn du mir ein paar Pfannkuchen hinstellst, dann werde ich nicht sagen, du hättest mir ein Filet Mignon serviert. Es ist doch so: Wenn du jede Menge Geld verdienst, dann solltest du dich freuen, dass die Leute Geld für dich ausgeben und nicht bei jeder Gelegenheit betonen, was du alles kannst und wie genial du bist. Wenn du den Leuten Backpulver statt Koks verkaufst, dann solltest du froh sein, dass die Leute überhaupt noch bei dir kaufen, anstatt dich zu erschießen, das ist zumindest meine Meinung (lacht).

rap.de: Ich bin dann mit meinen Fragen am Ende. Möchtest du den Leuten noch irgendwas mitteilen?

Mr. Mixx: Die Leute sollten endlich damit aufhören, die verschiedenen Genres innerhalb der Hip Hop Musik in einen Topf zu werfen. Mit Rock´n´Roll hat das schon nicht funktioniert und mittlerweile gibt es Hardrock, Punkrock, Heavy Metal und so weiter. Im Hip Hop funktioniert das nicht.  Das Problem ist denke ich, dass die Russels und Puffys dieser Welt zwar Geld damit verdienen wollen, aber gleichzeitig keine Verantwortung übernehmen. Sie haben das Schiff ohne Kapitän zurückgelassen. Das ist ungefähr so, als wollte man ein Auto vom Beifahrersitz aus steuern. Das ist meiner Meinung nach ein großes Problem zurzeit. Ich möchte aber noch etwas sagen. Der Süden steht zurzeit am besten da, aber nicht weil sie die besten Platten machen. In Europa kommt das vielleicht nicht so an, aber wenn du dir die Landkarte der Vereinigten Staaten ansiehst, von Florida bis Texas über Missouri und Kansas bis hin nach Virginia und zurück nach Florida, dann macht das nahezu zwei Drittel des gesamten Landes aus. All diese Orte schenken sich gegenseitig dieselbe Beachtung und haben denselben Vibe. Vor 20 Jahren gab es in den meisten dieser Gebiete nicht einmal die Möglichkeit, Platten zu aufzunehmen. Damals gab es uns, Luke Skywalker Records und Rap-A-Lot, aber das war es auch schon. Für all die anderen gab es quasi keine Möglichkeiten Platten zu machen. Als all die Leute jedoch nach und nach an Equipment gekommen sind, hatten sie es nicht mehr nötig, darauf zu achten, was N.W.A. oder Gangstarr gerade machten, weil wir sowieso nicht überprüfen konnten, ob sie die Wahrheit sagten oder nicht. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Musik aus dem Süden auch für die Industrie interessant, denn da es im Süden niemanden mehr interessierte, was in L.A. oder New York passierte, hörten auch immer weniger Leute die Musik von dort, weshalb die Radiosender, auch die aus L.A. und New York, anfingen ebenfalls Musik aus dem Süden zu spielen.  Das ist der Grund, warum die New Yorker sagen, Hip Hop ist tot, weil sie nicht mehr in der Lage sind, sich die Krone zurückzuholen, angesichts der Tatsache, dass zu viele Leute aus zu vielen Orten einen komplett anderen Vibe fühlen. Das wird sich auch nie ändern. D4L dachten auch, weil sie in New York ein paar Platten verkauft haben, würden sie dort anerkannt werden, aber für die New Yorker sind das immer noch irgendwelche Bauernlümmel aus Georgia. Andersherum können die Leute aus dem Süden nichts mit dem “New York State of Mind“ anfangen, weil sie noch nie in New York waren und nicht mal wissen, was der New York Mindstate sein soll.

rap.de: Aber wie ist es dann zu erklären, dass so viele New Yorker versuchen, Dirty South zu machen und auf solche Beats rappen, wie zum Beispiel M.I.M.S., aber auch viele bekanntere MCs.

Mr. Mixx: Das ist eine andere Sache, die ihr in Europa wahrscheinlich nicht wisst. Als wir damals in den 80ern anfingen, mit den Leuten von der Westcoast wie N.W.A. oder den Geto Boys, wurden unsere Platten in New York einfach boykottiert, sprich die New Yorker hatten gar nicht die Möglichkeit, sich von unserer Musik beeinflussen zu lassen. Die New Yorker haben immer noch dieses Selbstverständnis von wegen "Warum sollten wir euch hier rein lassen, wenn wir uns einen Scheiß für euch interessieren?“ Die Leute aus dem Süden denken sich dann "Ihr habt nicht die Macht und das Geld, um uns aus dem Geschäft raus zu halten, wir nehmen uns einfach das, was uns zusteht.“ Mittlerweile kann also jeder aus New York Platten aus dem Süden hören und Leuten wie M.I.M.S. gefällt wahrscheinlich einfach der Vibe und machen deshalb diese Musik, nur hat er nicht denselben Flair, weshalb er von den Leuten aus dem Süden nicht ernst genommen wird. Das Problem von M.I.M.S. ist, dass seine Aussprache zu gut ist (lacht). Die Leute denken sich dann "Okay, du hast zwar coole Beats, aber dir fehlt einfach der Slang um das rüberzubringen.“ So sieht’s aus.