Prinz Pi und Biztram

Die Zeit des neongrünen Affen ist gekommen und deshalb haben wir von rap.de uns mit Prinz Pi getroffen, der in Kürze nicht nur sein Album "Neopunk" herausbringt, sondern außerdem eine eigene Kunst-Vernissage am Start hat. Deshalb haben wir dann auch direkt zwei Interviews geführt. Einmal an der Hall Of Fame am Priesterweg, was ihr hier ganz oldschool und klassisch als Text lesen könnt. Die Fragen stellte hierbei Lisa. Das zweite Gespräch fand dann bei der Ausstellung des Prinzen statt und die Interviewführung samt künstlerisch wertvollem Rundgang übernahm Staiger aka der König von rap.de. Hierbei ist zu beachten, dass es sich um zwei vollkommen unterschiedliche Interviews handelt. Wer vollständig und allumfassend informiert werden möchte, guckt sich also sowohl die Videos als auch den Text an.

Die Videointerviews samt Ausstellungsrundgang findet ihr übrigens hier (bitte klicken), oder geht alternativ einfach direkt auf Seite 7.

rap.de: Dein Album heißt “Neopunk“ – was bedeutet der Titel?

Prinz Pi: Es ist unser Album, Biztram und ich haben es zusammen gemacht, darauf lege ich großen Wert. Der Name “Neopunk“ ist für mich der Begriff, unter dem man  unsere Musik ganz gut zusammenfassen kann. Wenn mich jemand fragt “Was machst du für Musik?“ und ich sage dann “Ich rappe auf deutsch“, dann hat derjenige immer voll das falsche Bild und stellt sich etwas Anderes darunter vor. “Neopunk“ ist ein Begriff, der noch nicht mit Bedeutung gefüllt ist, aber von uns mit Bedeutung gefüllt werden kann, mit unserem Album. Der Begriff definiert eigentlich die Richtung, in die es geht. Diese Punkmusik, die es früher gab, Sex Pistols oder – was hat Staiger früher gerne gehört? Du hast gern Bauhaus gehört, wa? Und Pixies, aber das ist eigentlich kein richtiger Punk. Heutzutage ist Sprechgesang für mich die adäquate Punkmusik. Man kann halt, anders als in Rockmusik, wo du viel weniger Textvolumen hast, im Rap sehr viele Inhalte unterbringen. Rapmusik ist sehr wütend, systemkritisch, nimmt Stellung zu irgendwelchen Dingen und ist deswegen für mich die neue Punkmusik. Teilweise beschäftigen sich Rapper ja auch viel mit sich selber, dass und warum sie Swagger oder Stunner haben (lacht), wir machen das nicht.

rap.de: Im Pressetext steht, dass ihr mit dem Titel das Lebensgefühl einer ganzen Generation ausdrücken wollt. Ist die Jugend von heute nicht systemkritisch genug? Nimmt die zuviel hin?

Prinz Pi: Die Jugend von heute nimmt auf jeden Fall ziemlich viel hin. Also so in der 68er Zeit sind halt auch viel junge Leute, Studenten, auf die Straße gegangen. Und als jetzt der zweite Irakkrieg angefangen wurde, war es nach langem mal wieder so, dass viele, die sich sonst nicht für Politik interessieren, auf die Straße gegangen sind und demonstriert haben. Das fand ich damals eigentlich relativ gut und beeindruckend. Aber jetzt sind halt viele Dinge in der Luft, über die man eigentlich reden müsste und auch demonstrieren könnte, meinetwegen die Menschenrechtsverletzungen in China, diese Tibet-Diskussion oder weltweite Wirtschaftskrisen. Ich glaube aber schon, dass die meisten Jugendlichen ein Interesse an solchen Themen haben und dass sie es auch, wenn man es gut verpackt, nachfühlen können. Wir kriegen auch immer wieder zu hören, dass die Leute sagen “Ey, wir finden es cool, dass ihr über so etwas sprecht. Ich hab mich vorher nicht damit beschäftigt, aber jetzt merke ich, dass es Sachen gibt, über die man mal nachdenken sollte.“

rap.de: Und inwieweit engagierst du dich bei solchen Aktionen oder Demonstrationen?

Prinz Pi: Na ja, es ist ja Teil meines Engagements, dass ich diese Musik mache. Wir treten ja auch benefizmäßig bei manchen Veranstaltungen auf, die vielleicht eher politisch motiviert sind. Wir schreiben auch Blogs dazu, aber eigentlich muss die Musik auch reichen.

rap.de: Bist du im Allgemeinen ein politischer Mensch und hast das Interesse etwas zu ändern, oder beschränkst du dich darauf, die Inhalte über deine Musik zu transportieren und somit andere dazu aufzurufen, etwas zu ändern?

Prinz Pi: Ich bin nicht der Typ, der in eine Partei eintreten würde, da es keine Partei gibt, die meiner politischen Gesinnung entspricht. Ich glaube auch nicht, dass es soviel bringen würde, sich dort politisch zu engagieren. Es würde schon etwas bringen, aber mit der Musik die ich mache, habe ich glaube ich auch einen Einfluss auf die Leute. Das, was ich in den Leuten hervorrufen will, sind ja auch nicht diese ganzen innenpolitischen Themen wie Steuerreformen oder so. Interessiert mich auch nicht so sehr. Mir geht’s eher um elementarere Dinge: warum müssen die Leute soviel konsumieren? Ist es gut, dass ein ganzes System darauf aufgebaut ist, dass die Leute immer mehr kaufen? Wie kann es sein, dass hinter Entscheidungen nicht die Regierung, sondern irgendwelche Firmen stecken? Es gibt zum Beispiel eine Institution in Deutschland, die Künstlersozialkasse. Wenn du Künstler oder Maler oder so bist, kannst du dich bei der Kasse anmelden und kriegst dann Vergünstigungen bei deiner Krankenkasse oder so etwas. Die gibt es seit fünfzig Jahren oder so und die sollte jetzt geknickt werden, weil sich angeblich irgendwelche Bundesländer dagegen ausgesprochen haben. In Wirklichkeit waren das aber Interessenverbände der Industrie, die diese Veränderung wollten. Und das ist halt bedenklich, wenn Firmen so einen Einfluss haben, dass es nachher heißt, die Länder wollten es so.

rap.de: Du hast ja auf deinem, ich meine eurem Album, das ihr gemeinsam produziert habt…

Biztram: Na also produziert habe ja ich.

rap.de: Ja, aber gemeinsam, es ist von euch entstanden.

Prinz Pi: Guck mal, ich versuch ihn noch voll nett einzubringen, somit von wegen „eurem Album und nicht deinem“ und wenn du sagst „…was ihr gemeinsam produziert habt“, da sagt er dann gleich „Ich, ich!“

Biztram: Ja…

Prinz Pi: Guck mal, da schämt er sich jetzt so ein bisschen.

rap.de: Na ja, du hast ja auch ein paar antikapitalistische Aussagen, in deinen Texten auf dem Album, was Biztram produziert hat, hast aber in der Vergangenheit einige Tracks gemacht, in denen du so ein bisschen mit diesem Zehlendorf-Bonzen-Ding gespielt hast.

Prinz Pi: Ja genau, ich habe damit gespielt, ich hab es ja nicht wirklich so zu sagen. Also wenn ich jetzt dieses Zehlendorf-Bonzen-Ding total vertreten würde, dann würde ja nicht der brotlosen Kunst Musik fröhnen, sonder dann würde ich jetzt Versicherungsvertreter sein und BWL studieren.

rap.de: Aber meinst du nicht, dass für viele Fans dieser Wandel ein bisschen überraschend kam, mit diesem Punkigen und doch auch sehr Elektronischen?

Prinz Pi: Ja, ich denke schon, dass das für die Fans ne Veränderung ist, aber es gibt in meiner Wahrnehmung so zwei verschiedene Arten von Künstlern. Die einen machen halt mit jedem Album etwas Neues, zum Beispiel Outkast. Sie bleiben sich irgendwie treu, aber machen auch mit jedem Album immer irgendwie was Neues, ändern sich ein bisschen und dann gibt es halt so Künstler wie sagen wie mal MC Eight, wo halt jeder Track von ihm auf fast jedem Album sein könnte, der macht halt immer Haargenau das Gleiche. Dafür lieben ihn aber seine Fans auch. Ich versuche halt jedes mal was neues zu machen, bei "Donnerwetter!“ ging es ja auch schon etwas in eine andere Richtung und ich glaube, dass wir uns trotzdem treu geblieben sind bei dem Album und es gibt auch einige Tracks, die ich sehr oldschool finde, jetzt im Bezug auf unsere eigene Diskografie. Es gibt halt dieses eine Lied, "8 Bit Untergrund“, das könnte so von der Machart her auch ein Track von mir von vor fünf Jahren sein. Oder "Spür Die Wut“. Vom Beat her ist es sehr neu, aber vom Text her auch so ein Schema und daher ist es eigentlich recht alt. Die Inhalte sind halt so wie meine allerersten Sachen.


rap.de: "8 Bit Untergrund“ hast du gerade angesprochen und ist ja auch sehr an "Westberlin Maskulin“ angelehnt, vom Sound her.

Prinz Pi: Ja, vom Refrain her eigentlich nur, aber ja.

rap.de: Was war die Intention dahinter?

Prinz Pi: Für mich war das halt das Album, weswegen ich auf jeden Fall habe so richtig angefangen habe zu rappen und das geht glaube ich sehr, sehr vielen Berliner Rappern so, das es halt ein krasser Meilenstein war und es ist sozusagen eine Hommage daran. Wir haben halt ein Delay auf dem Refrain drauf und das gab es halt auch bei dem Album von denen bei einem Song. Die Leute, die damals nicht dieses Album eben gehört haben, die werden das jetzt nicht so genau wissen, aber diejenigen, die es gehört haben, wie Marcus Staiger, die schreien dann gleich auf.

rap.de: Biztram, du hast gestern gesagt, dir war es gar nicht so bewusst, als ihr es aufgenommen habt, dass es an dieses Westberlin Maskulin Lied angelehnt ist.

Biztram: Das ist richtig! Das war mir nicht bewusst, ich habe halt einfach einen Beat gemacht und das war mir nicht bewusst.

rap.de: Was hältst du von dieser Südberlin Maskulin-Sache, die ja auch ihre eigene Interpretation einer Westberlin Maskulin Hommage gemacht haben?

Prinz Pi: Ich muss sagen, dass ich es nicht gehört habe.

rap.de: Glaubst du nicht auch, dass diese Grenzen leicht verschwimmt zwischen Hommage und einfach sich an manchen Dingen hochziehen. Muss man da nicht immer aufpassen so als Künstler?

Prinz Pi: Ja, auf jeden Fall. Aber ich glaube, wenn man irgendwie was so als Hommage ausgibt, dann ist halt klar, dass man irgendwie Bezug nimmt auf irgendwas. Wenn man aber jetzt jemanden einfach kopiert und das dann als sein eigenes Ding verkauft, dann ist es halt irgendwie „biten“. Das finde ich als kreativer Mensch eigentlich am Schlimmsten, wenn man jetzt einfach blind irgendeinen Style nachmacht, um den, und zwar wegen der Coolness von jemandem anderen, versucht abzugreifen.

rap.de: Im Allgemeinen fällt bei deinem Album auf, dass der Fokus sehr auf der Livetauglichkeit der Tracks liegt. Ist es heutzutage wichtiger geworden, weil man eben durch reine CD-Verkäufe nicht mehr unbedingt so viel Geld verdient?

Prinz Pi: Also das stimmt auf jeden Fall, aber davon mal abgesehen, also auch wenn es nicht so wäre, wäre uns halt die Liveshow sehr wichtig, denn sie macht uns halt sehr viel Spaß, da haben wir halt auch lange dran gearbeitet. Es gibt Leute, die sind ganz gute Rapper, aber live ist halt immer noch mal eine andere Disziplin, das kann jetzt nicht jeder. Wir haben eine super Liveshow erarbeitet für unsere nächste Tour, die geht Ende November los. Wir haben jetzt schon 40 bestätigte Termine und dazu habe ich mir so eine Art Bühnenbild ausgedacht. Es gibt so Videoanimationen zu allen Songs und eine richtige, wahnsinnige Show. Da wird nicht einfach nur mit einem Mikrofon auf die Bühne gegangen und gerappt, wie wir das halt am Anfang gemacht haben, sondern es ist wirklich ziemlich ausgearbeitet und es wird einfach eine geile Sache für die Besucher. Ich denke halt, dass dieses Erlebnis sich krass davon unterscheidet, wie man die Musik sonst konsumiert. Früher hat man sich eine Platte gekauft oder eine Kassette und die dann durchgehört. Dann kamen CDs dazu, damit konnte man Tracks durchskippen. Das hat schon irgendwie das Hörverhalten beeinflusst und heute hast du diese ganzen Download-Sachen, wo du dir ohnehin nur noch die zwei oder drei Tracks runterlädst, die du irgendwie geil findest  und den Rest hörst du dir gar nicht erst an. Aber als Künstler planst du das ganze Album als rundes Konzept, das irgendwie lyrisch flüssig sein muss und da hat man bei der Liveshow die Chance, das ganze Konzept auch wirklich aufgehen zu lassen..

Biztram: Man muss dazu sagen, dass ich im Vorfeld des Albums zum ersten Mal richtig mit auf der Bühne war und dieses Erlebnis natürlich mit in die Produktion eingeflossen ist.

Prinz Pi: Das ist auf jeden Fall teilweise für live produziert, aber es gibt auch sehr ruhige Tracks.

rap.de: Auf deinem Album tauchen öfter Affen auf, ob jetzt im Liedtitel oder im Text an sich. Warum?

Prinz Pi: Ich war mal in einem Cafe und habe von Peter Fox so eine Marketing-Kampagne gefunden, die er da vergessen hatte und die habe ich mir dann schnell eingesteckt. Nee, so war es nicht. Als wir angefangen haben das Album aufzunehmen, haben wir uns überlegt: „Ey, was können wir machen, um das Album zu promoten?“ Biztram hatte die Idee, drei Affen aus dem Zoo zu klauen, die Neongrün zu lackieren und ins KaDeWe zu hetzen. Dann haben wir die Aktion irgendwann verworfen, weil wir uns gedacht haben: „Was ist, wenn jemand die armen Affen abknallt oder so?“ Aber die neongrüne Farbe war von Anfang an ein Bestandteil von dem visuellen Konzept und dann haben wir uns  die Idee irgendwie beibehalten, uns Affenkostüme machen lassen und halt dieses Lied gemacht, "Gib dem Affen Zucker“, was dann halt relativ schnell von allen auch als die erste Single beschlossen wurde. Dann haben wir danach noch einige Songs aufgenommen, in denen ich so ein bisschen Bezug auf Affen genommen habe, weil das halt auch ein geiles Bild ist. Er ist halt so die krasse Kraft, er ist einfach irre und dreht durch und macht irgendwie Mätzchen, der springt rum etc. Ich finde, der Affe ist einfach ein cooles Bild, für vieles.

rap.de: Die erste Single ist "Gib dem Affen Zucker“, das erste Video entstand aber zu "Schädelficken“…

Prinz Pi: Ja, das ist so ein Vorab-Track für das Internet, damit man den Hörern schon mal ein bisschen was geben kann und zeigen, dass wir wieder am Start sind.

rap.de: In dem Text zu dem Video wurde von "Wasted Youth“ gesprochen und "ungeschminkten Bildern“. Es ist aber trotzdem ein sehr ästhetisches Video mit wahrscheinlich in ihrer Freizeit als Models tätigen, jungen Menschen.

Prinz Pi: (lacht) Da werden die sich jetzt alle auf jeden Fall sehr gebauch-pinselt fühlen

Biztram: Das war uns jetzt so nicht bewusst.

Prinz Pi: Nee, also es ist halt…

Biztram: Wir haben uns schon unsere schäbigsten Freunde zusammengekratzt, echt schlimm, dass die immer noch so schön sind.

Prinz Pi: Das Ding ist halt, dass viele Leute Partyvideos machen, wo sie cool drauf aussehen wollen, wo lauter krass hübsche Frauen in Bikinis mit Champagner rumspritzen und so was. Das ist nicht das, was wir zeigen wollen oder wie wir uns präsentieren wollen. Es gibt in Deutschland einfach viele Leute, die Drogen nehmen –  ich bin total für kiffen, das finde ich viel besser als sich krass besaufen, aber es gibt halt auch irgendwie Sachen, die machen dich ultraschnell kaputt. Zum Beispiel dieses „Crystal Meth“ was es in Deutschland sehr viel gibt und so diese ganzen „Liquid Ecstasy“-Sachen. Da gibt es sehr viele Vergewaltigungen und es ist ein ernstes Thema. Diese Kultur, diese Leute, die sich abschießen und drei Tage wach sind und nur Party machen und danach nicht mehr wissen, was vorher war. Wir wollen jetzt auch nicht mit dem Zeigefinger sagen: „Ey macht nicht böse Sachen!“, aber wir wollten das halt einfach mal abbilden, wie das so abgeht auf so einer Party und unsere Party fängt halt da an, wo es eigentlich aufhört, Spaß zu machen. Da kotzen sich heute an, da macht einer mit einer richtig ranzigen Ollen rum, dann pisst sich ein Mädchen in die Hose, Biztram schlägt einem Mädchen eine Flasche über den Kopf – das sind alles Sachen, die nicht ok und nicht cool sind und wir wollen auch nicht so tun als wenn es irgendwie cool wäre. Wir wollen das mal unkommentiert zur Diskussion stellen. Es ist ein Video, was darauf ausgelegt ist, dass die Leute sagen: „Ey, ich wünschte ich hätte es mir nicht angeguckt“. Es ist jetzt nicht ein Video, auf dem wir cool rüberkommen wollen, wie es die meisten Rapper machen.

rap.de: Aber was ich so gehört habe ist, dass viele Leute das mit der Flasche lustig fanden.

Prinz Pi: Das zeigt halt, wie verdorben die Jugend ist. Nee, ist klar, in so einem Video kommt es vielleicht amüsant rüber, aber in Wirklichkeit wäre das auf jeden Fall nicht lustig.

rap.de: Ihr wurdet, zumindest von unseren Usern auf rap.de, mit KIZ, Deichkind und Fettes Brot in Verbindung gebracht. Das waren die Kommentare zum „Schädelficken“-Video, dass es sie daran erinnern würde.

Biztram: Das liegt an der eingeschränkten Sicht der Hörer, denn sobald etwas nicht mehr in diesem 80-90 Bpm-Tempo stattfindet, müssen sie es in einer andere Schublade stecken und die einzige Schublade, beziehungsweise die einzigen Bands, die mit diesen Geschwindigkeiten arbeiten, sind halt speziell diese drei.

Prinz Pi: Man muss auch dazu sagen, dass wir vorher noch nie wirklich Videos gemacht haben, außer das Live-Video zu "Donnerwetter!“. Aber das waren dann auch keine richtig mit Sinn und Verstand gut produzierten Videos, deshalb gibt es jetzt auch kein Videobild, von wegen: so ist Prinz Pi in seinen Videos. Das war halt das erste, was wir gemacht haben, und ich finde es auf jeden Fall super. Mir ist es auch egal, wenn die Leute uns damit vergleichen, weil die müssen dich ja irgendwo einordnen und sagen: „Das ist jetzt so ähnlich wie…“ Das ist Schubladendenken, weswegen wir ja auch das Album Neopunk nennen, damit uns die Leute nicht wieder in irgendeine Schublade packen können. Damit sie halt nicht wieder was aufmachen müssen wie Elektro-Grime-Rap-Underground-Method-Crunch-Core-Rap.

rap.de: Ist das die Zukunft von Rap, dass sich die Musik zunehmend mit anderen Richtungen vermischt?

Biztram: Das ist eigentlich nur eine andere Sparte, die sich dort geöffnet hat.

Prinz Pi: Ich glaube nicht, dass es die Zukunft von Rap ist, andere Stilelemente aus anderen Richtungen zu adaptieren, sondern das entwickelt sich einfach. Die Rapmusik in den 80ern war ja auch ganz anders und jetzt geht die Bewegung dahin, dass die Leute etwas elektronischen Sound haben, dass es etwas schneller wird, dass alles etwas breakiger und kratziger klingt.


rap.de: Ein weiterer Satz in deinem Pressetext war, dass du ein introvertierter Einzelgänger wärst, der die Massen braucht, was ja ein Widerspruch ist.

Prinz Pi: Ja, das ist auf jeden Fall ein Widersprich. Vor allem hat es mir früher keinen Spaß gemacht, live aufzutreten und es ist mir auch extrem schwer gefallen. Ich mochte es nicht, vor vielen Menschen zu stehen und ich bin auch so ein Typ, der Menschenmassen nicht mag. Ich geh sehr ungern in einen Club und hasse es, irgendwo anzustehen, wo es eng ist. Aber es ist wichtig für mich, von den Leuten Feedback auf meine Kunst und die Musik, die wir machen, zu kriegen.

rap.de: Also spiegelt dieser "Nerdsong“ auf dem Neopunk Album auch eine deiner Facetten wieder?

Biztram: Alle Tracks spiegeln seine Facetten wieder.

Prinz Pi: Biztram hat recht! Ich bin sicher auch irgendwo ein Nerd, der sich in ein paar Dinge total einarbeitet und sich mit allen Details befasst, aber ich wollte einfach einen Battlesong aus der Sicht eines Online-Comunity-Spielers, dem solche Dinge wichtig sind, machen.

rap.de
: Denkst du, deine Fans verstehen diesen Song?

Prinz Pi: Ich denke, die verstehen mehr als man denkt. Es gibt solche und solche. Manche hören die Musik, um dazu tanzen zu können, andere finde die Sprüche cool, anderen gefällt der Text als solcher – es ist verschieden.

rap.de: Musik spielt sich ja auch weitgehend im Internet elektronisch ab. So ähnlich greifst du das in deinem Track “2030“ auch noch mal auf, wo du zu deinen Kindern sprichst. Ist das, was du dort angesprochen hast, für dich eine realistische Zukunftsvorstellung?

Prinz Pi: Auf jeden Fall.

Biztram: Ich werd dir bald so in die Eier treten, dass du gar keine realistische Zukunftseinschätzung mehr hast! (lacht)

Prinz Pi: Warum?

Biztram: Nein, natürlich nicht. Ich hab gestern bei Amazon das erste digitale Buch gesehen, auf das man sich dreitausend Bücher raufladen kann – das ist so ein Schwachsinn.

Prinz Pi: Ja, darüber haben wir ja vorhin schon mal gesprochen. Die Form, in der Musik konsumiert wird, verändert sich halt. Guck mal, heutzutage hat jeder Typ auf seinem iPod die komplette Plattensammlung seines Lebens dabei. Und früher hast du halt deine Platten zuhause gehabt, bist da hin gegangen, hast die auf deinen Plattenspieler gelegt und dort gehört. Es war einfach schwieriger einen Song zu hören. Heute ist alles nur einen Knopfdruck entfernt. Das verändert die Art, wie wir etwas wahrnehmen. Und so, wie wir uns jetzt darüber lustig machen, wie groß beispielsweise Computer vor dreißig Jahren waren, genauso werden sich die Leute in dreißig Jahren darüber lustig machen, wie wir heute gekleidet waren, oder wie wir gesprochen haben und was wir für Musik gemacht haben. Die Leute werden sich über das lustig machen, was wir heute tragen, wie wir sprechen und was wir für Musik machen…

rap.de: Meinst du, das Internet mit der Möglichkeit des Downloads zerstört den Musikmarkt, oder würdest du eher von einer Veränderung sprechen?

Prinz Pi: Ich glaube, das verändert es lediglich. Wenn du ein guter Künstler bist, der live gut spielen kann, wirst du auch weiter Geld verdienen, weil man Eintrittskarten nicht so einfach runterladen kann. Eigentlich ist das Internet Garant der totalen Demokratie – du kannst alles verbreiten. MySpace ist der totale Segen, vor allem für die, die kein Label haben und auch nicht die finanziellen Möglichkeiten für Promotion. Für die althergebrachten großen Strukturen ist das natürlich problematisch, weil die jetzt umdenken müssen. Aber diese Größen beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit diesem Business und werden schon einen Weg finden, das zu drehen, zumindest hoffe ich das für die Industrie. Ich glaube zum Beispiel, dass sich das Musikhören wirtschaftlich bald in Richtung Pay-TV entwickeln wird.
Und du wirst dann nicht mehr gefragt "Möchtest du diesen Track im iTunes-Store kaufen?", sondern für jeden Track, den du hörst, wird dann einfach eine pauschale Gebühr von einem Cent berechnet und wenn du ihn 20 mal hörst, hast du halt 20 Cent bezahlt. Und am Ende des Monats hast du dann halt deine Internetabrechnung, so wie du sonst auch eine Telefonabrechnung hast. Oder es wird halt noch attraktivere "Premium Editions" geben – mit einem tollen Buch, oder einer geilen Verpackung, oder einem T-Shirt. Den physischen Tonträger wird es so eh nicht mehr lange geben.

rap.de: Wärst du auch bereit, dich nur über Merchandise und Auftritte zu finanzieren und deine Alben kostenlos zu veröffentlichen?

Prinz Pi: Wenn du Prince bist, der der bestverdienendste Musiker in den USA 2007 war, und in einem Jahr 480 Millionen Umsatz hast, kannst du auch dein Album kostenlos einer englischen Tageszeitung beilegen. Du hast dann auch den ganzen Hustle nicht mehr mit der Herstellung der Tonträger – sobald du es dir leisten kannst. Zum Beispiel für Rammstein würde so was auch super klar gehen, wenn die sagen, wir verschenken jetzt unsere Musik und können trotzdem super von der Musik leben, durch Live-Konzerte und Merchandise.

rap.de: Würdest du aufhören Musik zu machen, wenn du merken würdest, dass du damit kein Geld mehr verdienst?

Prinz Pi: Na ja, es kommt auf deine Situation an – ich mache so lange Musik, wie ich es mir leisten kann. Wenn ich für meine Frau und meine Kinder Essen ranschaffen muss, Miete zahlen muss und mit meiner Musik zu wenig Geld dafür verdiene, kann ich halt nicht mehr den ganzen Tag im Studio rumhängen und Musik machen. Ich würde es natürlich nebenbei gern noch weiter machen. Man macht ja Musik mittlerweile nicht mehr mit dem Ziel, reich zu werden. Ich habe ja auch Grafikdesign studiert und könnte bei stetiger Arbeit in diesem Job am Ende des Jahres deutlich mehr Geld und ein stressfreieres Leben haben. Für mich ist das Geld aber nicht der Antrieb, Musik zu machen, so lange ich genug Geld zum Überleben habe. Ich habe ja gerade die große Chance, meine Miete bezahlen zu können mit etwas, das mir großen Spaß macht.

rap.de: Verstehst du Manuellsen, der sagt "Nicht genug Leute wollen Geld für meine Musik  bezahlen und deshalb hör ich jetzt mit der Musik auf!"?

Prinz Pi: Er wird schon seine Gründe haben aufzuhören, aber für mich käme das so nicht aus diesem Grund in Frage. Es heißt ja aber nicht, dass er Musik nur des Geldes wegen macht, vielleicht sagt er sich eben auch, dass er davon irgendwie leben muss.

rap.de: Kommen wir zurück zu deinem Album. Darauf gibt es den Track "Mein Blut". Gab es
private Vorbilder, die dich dazu getrieben haben, dieses Lied zu machen?

Prinz Pi: Patrick Bateman ist ein großes privates Vorbild von mir! (lacht)

rap.de: Es geht ja um ein recht blutiges Eifersuchtsszenario…

Prinz Pi: Das Lied hab ich mit Bina gemacht, einer singenden Freundin von mir, deren nächstes Album auch von Biztram produziert wird. Sie beschreibt eine enttäuschte Frau, ich einen enttäuschten Mann, die sauer sind auf ihre ehemaligen Partner. Es kommt zu einem blutigen Kampf und endet in einer blutigen Orgie. Müsstest du ja kennen.

rap.de: Natürlich, jedes Wochenende wieder. Bist du einer, der auch mal schnell ausrastet?

Prinz Pi: Na ja, man würde ja auch nicht von mir erwarten, dass ich solche Musik mache – aber ich bin keiner, dem mal schnell die Hand ausrutscht bei einem Streit.

rap.de: Du hast ja auch mit großem Interesse die Bushido Biographie gelesen – teilst du das Frauenbild?

Prinz Pi: Nö, das hat ja auch was mit Geschmack zu tun. Mich zieht es zu Frauen, die in irgendeiner Weise extrem sind.

rap.de: Die dann auch mit Messern auf dich losgehen?

Prinz Pi: Ich wurde schon mal mit einer Batterie Teller beschmissen. (lacht)

rap.de: Ein weiterer Track ist "Sieben Sünden" mit Basstard – Wie kam es dazu? Bist du religiös?

Prinz Pi: Ich bin kein Christ, aber religiös interessiert. In dem Sinne, dass ich mich mit den einzelnen Religionen auseinandersetze und mir die jeweiligen Glaubensbücher mal durchlese oder mich mit Sekundärliteratur dazu beschäftige. Aber dennoch unterlief mir ein großer Fehler auf einem Track, der zuerst Biztram und dann auch dem bibelfesten Staiger sofort auffiel: natürlich ist es nicht Jesus, der vor dem brennenden Busch steht, sondern Moses. (lacht) In diesem Lied geht es um die christlichen Todsünden und jede Sünde wird in einem eigenen Part beschrieben, durch jeweils einen Menschen, der diese Sünde begeht. Auch der Beat wechselt von Part zu Part und wir haben einfach versucht, das Thema mal auf den Punkt zu bringen.

rap.de: Du hast den Beat selbst gemacht?

Prinz Pi: Ja.. Ich weiß, dass er qualitativ nicht an Biztram seine Produktionen heranreichen kann, aber ich habe mein Möglichstes getan. Ich habe auch sehr lange für den Beat gebraucht! (lacht)


rap.de: Hast du ein Lieblingslied auf deinem beziehungsweise eurem Album?

Prinz Pi: Das wechselt immer, mein momentanes Lieblingslied ist das Intro. Was ist dein Lieblingslied, Biztram?

Biztram: (lange Pause) “Nie Erwachsen“.

rap.de: Für welches Lied habt ihr am längsten gebraucht, wo steckt die meiste Arbeit drin?

Prinz Pi: Die längste Arbeit vom Mischen her steckt in “Gib Dem Affen Zucker“.

rap.de: Du bist auf dem Cover der aktuellen Backspin. Der Chefredakteur hat jedoch mal gesagt, du hättest nicht das Format, um es bei ihnen aufs Cover zu schaffen.

Prinz Pi: Und jetzt sieht man ja, dass ich das Format allein mit meinem Gesicht schon ausfülle. Mein ganzer Körper wäre also dann so groß wie zwanzig Backspins.

Biztram: Vielleicht gibt es ja dann mal so einen Starschnitt davon.

rap.de: Du hast eine eigene Grafikdesign Firma?

Prinz Pi: Nicht mehr so wirklich. Ich mache zwar noch sehr viel Grafik, aber die Firma habe ich an den Nagel gehängt, weil ich einfach sehr viel mit der Musik zu tun habe. Deswegen habe ich keine Zeit, für andere Leute Grafik-Jobs zu machen, da ich in erster Linie eigene Grafik-Jobs mache. Ein großer Berg an Arbeit.

rap.de: Aber du veranstaltest eine Kunst-Vernissage?

Prinz Pi: Genau. Es gibt eine Ausstellung zum Artwork vom „Neopunk“-Album und ich hab befreundete Grafiker gebeten, das Artwork noch mal visuell zu remixen. Das heißt, die haben die Musik dazu gehört, sich inspirieren lassen und dann aus meinem Artwork ihre Version gemacht. Das sind insgesamt vier Motive, die als limitierte Siebdrucke ausgestellt werden. Dann habe ich noch Skulpturen gebaut: das sind drei Turnschuhe, die für mich in meiner Jugend eine gewisse Bedeutung hatten. Ich bin ja über Graffiti zum Rappen gekommen und als ich anfing, hat man immer über die Schuhe erkannt “Ah, der ist in der Rap- oder Graffiti-Szene“. Wer trägt die Air Force oder, was damals sehr in war, die Adidas Superstars. Und beim Sprühen fand ich das immer sehr bewundernswert, wie die Leute an den Wänden hoch gekommen sind und dachte mir, dass manche echt fast fliegen können müssten. Dann habe ich halt diese Turnschuhe genommen und mit Spielzeug aus den 80er Jahren, mit dem ich groß geworden bin, gekreuzt. Ich hab viele kleine Plastikmodelle gebaut, Flugzeuge, Masters-Figuren und Star Wars und so. Die habe ich dann mit den Turnschuhen zu biomechanischen Insekten gekreuzt, die jetzt so aussehen, als könnten sie Wände hoch laufen oder fliegen oder so. Das Ganze ist in den Farben des Albums lackiert, wo sich der Kreis zum Artwork wieder schließt. Diese Skulpturen und noch so einige Filme, die im Rahmen des Albums entstanden sind, stellen wir halt aus. Es gibt noch Leute, die Street Art gemacht haben, und das alles wird in der Galerie noch mal auf den Punkt gebracht.

rap.de: Wann?

Prinz Pi: Das findet statt in der „Galerie West“, die genauen Öffnungszeiten und wann dann der Publikumsverkehr zugelassen wird, weiß ich jetzt aber gerade nicht. Am 4. Oktober haben wir die Vernissage, dafür werden wir aber auch noch Karten verlosen.

rap.de: Also ist es wahrscheinlicher, dass wir dich 2030 als Künstler im Bereich von Grafiken und Ähnlichem erleben werden, als als Musiker?

Prinz Pi: Ich finde es ganz gut, wenn man das nicht unbedingt trennt. Heutzutage ist das ja nicht mehr so in, aber um die Jahrhundertwende gab es sehr viele Menschen, die die verschiedensten Sachen gemacht haben. Gemalt, geschrieben – und so sehe ich mich ja eigentlich auch. Ich schreibe ja viele Blogs, Pressetexte, Posts, Tagebücher und Kurzgeschichten. Dann mache ich noch die Musik, die Grafik und die plastische Kunst. Ich finde, man sollte sich da nicht so festlegen. Mal macht man dies, mal das. Je nachdem, worauf man Lust hat.


rap.de: Biztram, was machst du 2030?

Biztram: Ich sitz dann im Ruhestand auf dem Geld, das wir verdient haben. Ich weiß es nicht, vielleicht bin ich auch ein Penner. Mal gucken.

rap.de: Noch ein letztes politisches Statement?

Prinz Pi: Es ist ein politisches Statement, unsere T-Shirts zu tragen.

rap.de: Weshalb?

Prinz Pi: (lacht) Weil es das Symbol einer politischen Bewegung ist, das Symbol des Neopunks.

rap.de: Der es sich zur Aufgabe gemacht hat…?

Prinz Pi: Alles umzukrempeln. Wie ein Ärmel.

rap.de: Dankeschön.

Prinz Pi: Vielen Dank. Der Ärmelkanal ist ein umgekrempeltes Meer!

Teil 1:

Teil 2: