Bushido

Diese Interview zu bekommen war nicht leicht und wer das Internetgeschehen, besonders bei youtube, verfolgt hat, der weiß: böse Worte sind da gefallen. Am Anfang dieser Geschichte stand dann auch ein Buch, mehrere Blog Einträge und aufgeregte, wie gleichermaßen aufregende Telefonate. Am Ende stand dann aber auch: Deutschlands wichtigstes Rap Medium trifft sich mit dem erfolgreichsten Rapper der Zunft zu einem fast zweistündigen Gespräch. Im ersguterjunge Büro unterhielt sich Marcus Staiger mit Anis Ferchichi, neuerdings auch Bestsellerautor (zusammen mit Lars Amend), über Gott und die Welt. Ein moralphilosophischer Dialog über Analverkehr, Drogen und Hip Hop.

rap.de: Nervt es dich eigentlich, wenn du in jeder Diskussion auftauchst, du aber gar nicht dabei bist?

Bushido: Eigentlich nicht. Denn dieses Prinzip ermöglicht es mir im Vorfeld kein Kommentar abgeben zu müssen, weil ich sowieso auftauchen werde. Ich hatte letztens ein Interview bei der Frankfurter Rundschau und der Typ kam gerade von irgendeiner Buchbesprechung von wegen “Die sexuelle Verwahrlosung Deutschlands“ – blablabla.

rap.de: Das Arche-Buch.

Bushido: Genau. Und rate mal. wer bei dieser Diskussion thematisiert wurde? – Ich. Das bedeutet, ich bin eigentlich omnipräsent. Aber damit kann ich ganz gut leben. Wie gesagt, mir ist es relativ egal, ob mich die Leute wieder zerreißen oder mir Unrecht antun, solange das in gewissen Grenzen bleibt und nicht extrem beleidigend wird. Verstanden werden will ich schon lange nicht mehr.

rap.de: Warum willst du nicht mehr verstanden werden?

Bushido: Ich denke mal, dass der Zug abgefahren ist, sich noch mal mit den Leuten auseinander zu setzen, die ein anderes Bild von dir vermittelt haben, als das, welches du eigentlich vermitteln wolltest. Sich mit diesen ganzen Menschen noch mal hinsetzen? Das ist lange vorbei, Alter. Bevor du dich von deiner Freundin oder Frau trennst, hättest du dich ja auch schon früher hinsetzen müssen und sagen “Hey, wollen wir nicht vielleicht mal was versuchen oder zur Eheberatung gehen?“, anstatt nach der Scheidung zu sagen “Äh, jetzt wo du weg bist, tut es mir ein bisschen leid“.

rap.de: Also heißt das, dass du dich von dieser Gesellschaft quasi geschieden fühlst?

Bushido: Ich hab mich selber ja auch scheiden lassen. Ich würde das nicht passiv benutzen, ich habe aktiv auch dazu beigetragen, mich scheiden zu lassen. Ist ja auch O.k., Ich tu ja auch meinen Teil dazu. Es ist ja jetzt nicht so, dass ich wie Ghandi da sitze, in den Hungerstreik trete und von den Briten auf den Sack bekomme und die ganze Welt sagt “Oh, guck mal, der arme Ghandi!“. Ich teile ja selber auch aus. Ich kann damit leben, solange das, was du austeilst, mehr ist als das, was du einstecken musst. Es ist eigentlich ein Plusgeschäft. Auch in Sachen Hip Hop-Szene habe ich meinen Teil dazu beigetragen, indem ich mich irgendwann komplett hiphop.de, mzee.de, rap.de, hiphopvinyl.com und den ganzen kleineren Foren verweigert und gesagt habe, dass ich keine Interviews und kein Merchandising mehr mache. Ich habe mich da echt isoliert. Das hätte auch nach hinten losgehen können, aber zum Glück hat sich das für mich bestätigt und ich war irgendwann nicht mehr von den hundert Kassetten, die Lars bei Mzee verkauft hat, abhängig.

rap.de: Aber das wechselt ja auch bei dir. In einem Juice Interview hast du ja mal dann gesagt, dass du dich wieder mehr auf die Szene zu bewegen willst.

Bushido: Das ist so wie ein trockener Alkoholiker.

rap.de: Auf dem neuen Juice-Cover hast du ja auch ein T-Shirt an, wo “Ich bin Rap“ draufsteht. Das sind sehr unterschiedliche und widersprüchliche Aussagen, die man da von dir empfängt.

Bushido: Also ich würde ja fast mal so größenwahnsinnig sein und dir sagen, dass dieses T-Shirt zuerst nur aus Jux und Tollerei entstanden ist und mir erst später die Bedeutung bewusst wurde. Eigentlich bin ich der Meinung, dass die anderen alle gar nicht mehr Rap sind. Manuellsen und alle, die aufgehört und Rap an den Nagel gehängt haben. Ständig kommt einer und sagt, er hört jetzt auf zu rappen. Oder es gibt solche Veteranen wie Porno, die dann jetzt noch mal eine Major-Chance kriegen, die aber wahrscheinlich auch nicht so fruchten wird, dass er sagen kann: “So ich kann jetzt für immer mein Grafikdesigner-Studium an den Nagel hängen“. Irgendwie gehören die halt alle gar nicht mehr zu Rap und ich bin der Einzige, der das auf den Punkt bringt und sehr kommerziell und erfolgreich durchziehen kann. Ich bin der Meinung, dass es natürlich auch einen Rap ohne Verkaufszahlen gibt, einen Hip Hop als Lebensgefühl. Ich bin selber von Jam zu Jam getingelt und habe gesehen, wie Arafat irgendwelchen Breakern auf die Fresse gehauen hat, weil die Flying Steps gewinnen sollten, obwohl die Typen aus Hannover besser waren. Das war auch Rap und Hip Hop und so. Aber heutzutage ist dieser Grundgedanke gestorben, weil die Leute, die Hip Hop gelebt haben, wie meinetwegen Stylewarz oder Berliner Graffiti-Leute, die sind schon fünfunddreißig oder so und für die hat es sich ausgerappt und ausgehiphopt. Und die jüngeren Kids sind mit Bravo, Kazaa und myspace groß geworden. Wir hatten damals ja noch nicht mal Handys oder Internet. Und deswegen hat sich der Grundgedanke von Rap eh vollkommen verschoben. Ich bin, denke ich mal, noch als Urkontinent übrig geblieben. Es gibt noch ein paar kleinere Dinger, aber die werden irgendwann auch in den Weiten des Ozeans untergehen.

rap.de: Hat es dich eigentlich getroffen, wenn die Leute dir vorgeworfen haben, dass du die Kunstform Rap nicht sonderlich gut beherrschst?

Bushido: Nö. Also wäre ich mittelmäßig oder gar nicht erfolgreich und würden die Leute mir dann auch noch sagen, ich würde flowtechnisch immer dasselbe machen und sei nicht so ein krasser Flexer wie Twista oder so was, dann hat mich das vielleicht gejuckt. Ich habe ein solides Handwerk gemacht. Manche sind Feinmechaniker geworden und ich bin halt ganz einfach ein Schmied. Ich habe trotzdem meine Existenzberechtigung, verstehste? Ich finde Fifty auch eigentlich extrem untechnisch, aber er hat seine Nische gefunden und hat sein Ding eine Zeit lang extrem gut durchgezogen. Mittlerweile ist das auch für meine eigenen Verhältnisse extrem scheiße, er sitzt halt im sinkenden Boot, wie man sieht. Und vielleicht sitze ich da auch irgendwann drin, aber dann ist es O.k. Nur dann, wenn ich sage, dass es sich für mich auch rein kommerziell und wirtschaftlich  nicht mehr lohnt, habe ich immerhin eine große Ahnenhalle hinter mir mit Dingen, die ich erreicht habe. Dann kann ich sagen: “Rap, ich mach jetzt die Tür zu und morgen bin ich professioneller Wasserpfeifenraucher“.

rap.de: Hat es dich traurig gemacht, dass die Szene sich irgendwann mal von dir abgewendet hat? Es gab ja dieses einen Splash Festival, wo alles auf Aggro war und beim nächsten war es dann schon nicht mehr so. Dann wurde es ja auch ein kommerzieller Erfolg und euch wurde Sell Out vorgeworfen.

Bushido: Ich finde es schon ein bisschen schade, dass mir die Türen vom Splash verschlossen sind. Das liegt auch gar nicht an den Veranstaltern oder den Leuten, die das Line-Up organisieren – ich würde da selber gar nicht mehr hinkommen. Selbst wenn die Leute sagen “O.k., komm, du kriegst zwei Stunden“, das würde in einem Massaker enden. Ich würde da oben stehen und diese Hip Hop-Nerds würden mich ähnlich massakrieren wie bei Rock im Park. Und deswegen weiß ich für mich persönlich: auch dieser Zug ist abgefahren. Finde ich manchmal ein bisschen schade, aber auch nur, wenn ich der Szene hinterher hinken würde. Im Endeffekt habe ich das Glück gehabt, dass ich meine eigene kleine oder große Szene aufgebaut habe, die mir relativ konstante Plattenverkäufe, ein gutes Livegeschäft, viele Preise und gute Merchandise-Umsätze beschert. Ich hab halt ein funktionierendes Netzwerk, das sich um mich herum aufgebaut hat und in dem sind die Fans und Supporter natürlich die letzte Instanz. Das ist O.k., ich kann damit gut leben, bin stolz und freu mich darüber weil ich sagen kann “Das ist meins!“. Klar finde ich es auch schade, dass ich auf Teile der Hip Hop-Szene keinen Zugriff mehr habe, aber dann sage ich trotzdem, dass ich eh auf alle scheiße. Damit ich nicht sagen muss “Ja, man, scheiße, dass ich bei Mzee oder bei rap.de im Forum immer nur gehatet werde“. Wobei es bestimmt den einen oder anderen Typ gibt, der gar nicht aus meinem Forum kommt und trotzdem schreibt “Bushido ist voll cool, ich weiß gar nicht was ihr alle habt, ihr seid voll neidisch“. Das ist das alte Spiel, aber gut, es hat sich halt so eingepegelt. So lange hin und her geht, ist das in Ordnung. Wenn es zu einseitig wird, ist es scheiße. Wenn ich nur auf die Szene scheißen würde, wäre das kacke und wenn die nur auf mich scheißen würden, wäre das auch kacke. Aber weil wir uns gegenseitig anscheißen ist das ein Unentschieden und damit kann man leben.

rap.de: Kommen wir noch mal zurück zur Gesellschaft. Wenn man sich “Ching Ching“ anhört. wo die Zeile drin vorkommt “Ihr werdet es nie verstehen“ oder auch der Text auf deiner Myspace Seite “Alles Verloren“, dann kommt es so rüber, als würdest du dich als Sprachrohr einer ausgegrenzten Jugend verstehen. Siehst du dich so?

Bushido: In Teilen auf jeden Fall, weil man ja auch gemerkt hat, dass ich nicht nur aufgrund irgendwelcher Mode-Erscheinungen Musik verkaufe, sondern die Leute wirklich auch glauben, was ich da sage. Wenn ich sage “Ihr werdet es nie verstehen“ dann meine ich das so, dass zum Beispiel das letzte Stern-Interview noch nicht mal an der Oberfläche kratzt. Da sage ich dann auch, dass ich ein Juice-Interview oder eines, das überhaupt aus der Szene kommt, um Welten interessanter finde als eines, von einem vermeintlich intellektuellen Magazin wie dem Stern. Ganz ehrlich, da kann mein Bruder ein besseres Interview führen. Auf die Gesellschaft bezogen denke ich mir im Endeffekt: “Wie blind oder taub müsst ihr denn sein?“. Man knackt im Downloadzeitalter die 200.000er Grenze und die tun immer noch so, als würde das, was du erzählst a) immer noch völliger Quatsch sein und b) auch nur die Hälfte davon ankommen. Da passiert gar nichts, Hauptsache, man hat mit Bushido wieder ein Interview geführt, kann das in das in der Inhaltsangabe angeben und verkauft durch ein paar fanatische Bushido Fans wieder drei Zeitungen mehr.

rap.de: Ich habe wirklich den Eindruck, dass sich zwischen den Bevölkerungsschichten ein Graben auftut, wo nicht mehr miteinender gesprochen werden kann. Also die Leute, die für den Stern schreiben kommen aus dem Bildungsbürgertum und du bist dann halt der Ghettofreak und das wird dann auch so präsentiert.

Bushido: Genau, wie Lil’Wayne, der ist ja auch ein ganz schöner Paradiesvogel.

rap.de: Und geredet wird darüber nicht, also die Leute hören nicht darauf was du sagst. Aber: sagst du es ihnen auch so deutlich im Interview?

Bushido: Ich bin der Meinung, und das habe ich vielen meiner Kollegen voraus, dass ich mich, wenn ich die Notwendigkeit sehe, auch relativ deutlich und explizit ausdrücken kann. So dass jemand, der vielleicht nicht unbedingt versteht, was ich mit “Ey, Alter, weißdu, isch war gestern hier, dings, Gangbang machen und so“ meine, auch meine Gedanken versteht. Aber trotzdem, die scheißen darauf. Es geht denen nur darum, dass sie diesen Typen, der im Moment angesagt ist, in ihrer Zeitung haben. Obwohl das Lustige ja ist, dass ich selber in Zehlendorf wohne, in Lichterfelde. Wir sehen uns alle gar nicht so ghettomäßig. Das Einzige, was wir wollen, ist weg von da, wo es dreckig und scheiße ist und, wenn wir Kinder oder Familie haben, umso schneller. Wir wollen ja auch nicht, dass unsere Kinder dort aufwachsen, wo drei Albaner Heroin verkaufen. Stell dir vor, dein Sohn steigt am Hermannplatz in die U-Bahn mit seinem Schulrucksack, fährt eine Station bis Leinestraße und auf dem Weg sind wieder acht Gramm Heroin verkauft worden. Das wollen wir ja selber gar nicht und deswegen bin ich auch weggezogen. Ich bin, als es finanziell ein bisschen aufwärts ging und sich mir eine gute Wohngelegenheit bot, sofort abgehauen. Wenn ich aber wieder sage, dass ich gerne dort aufwachen würde, wo ich kein gebasetes Koks in der Luft habe, bin ich wieder ein Spießer. Ich würde meine Kinder, die ich hoffentlich bald habe, gerne dort aufwachsen sehen. Ich will meine Ruhe. Ich hab Zehlendorf infiltriert –aber es hat irgendwie keiner gemerkt.

rap.de: Ist das dann auch so ein bisschen wie bei Ice-T, der nach Beverly Hills gezogen ist und gemeint hat: „Ich liebe diesen Gesichtsausdruck von meinem weißen Nachbarn, wenn er mich jeden morgen aus meiner Haustür gehen sieht!“

Bushido: Ja, das ist schon etwas pikant, wenn ich da rumlaufe in Shorts oder auch wenn Arafat kommt und die Nachbarn hinter der Hecke gucken, was sind denn das für Typen, mit ihren dicken Autos und den lauten Motoren und den schönen Frauen? Meine Freundin sieht ja auch gut aus, steht dann da und alle gucken. Die haben bestimmt seit 30 Jahren nicht gevögelt, weißte? Wir merken dann auch selber, wie die blöde gucken, von wegen: „Guck mal die Kanaken. Guck mal sein Auto blabla..“ Aber ich könnte auch ohne das leben. Das ist halt wie mit diesen ganzen Downloadverfolgereien. Ich mach natürlich an einer Abmahnung mehr Geld, als an einer verkauften CD, trotzdem würde ich lieber CDs verkaufen, einfach nur aus musikalischen Aspekten, aus Künstlersicht. Als Geschäftmann sag ich ganz ehrlich: „Kauft keine CDs, ladet euch alles runter und lasst euch dabei erwischen.“ Im Endeffekt bin ich aber nicht wie Ice-T, der sich dann jeden morgen einen darauf runterholt, weil seine Nachbarn ihn nicht leiden können, nur weil er ein Schwarzer ist. Ich könnte auch darauf verzichten, ich fände es auch cool, wenn sie einfach nur sagen würden: „Hey Bushido, schönen guten Morgen, alles klar bei dir!?“ „Ja danke!“ „Na dann is’ jut, wenn’se wolln’ ick hab hier och noch’n bisschen Kaffee, können sie sich gerne abholen…“ Das wäre cool für mich, hätte ich gar kein Problem für mich… Ich muss nicht immer die ganze Welt hassen, ich muss auch nicht die ganze Rapszene hassen, aber wenn man es will, dann mach ich es halt. Hab ich auch kein Problem mit.

rap.de: Du hast vorhin gesagt, dass dir die diese Statussymbole eigentlich nicht so viel bedeuten. Sind das Waffen für dich? Setzt du die so ein?

Bushido: Ja klar, also ich sag dir ganz ehrlich, ich würde lügen, wenn ich sagen würde „Ich würde auch mit einem Golf rumfahren, der 800 Euro kostet“. Der würde zwar auch fahren…

rap.de: Wobei das dann wiederum ein Statement wäre.

Bushido: Das wäre vielleicht ein Statement, aber ich glaube, dass es zu anderen Leuten besser passen würde, dieses Understatement. Aber ich mach das hier alles, weil ich auch viel gearbeitet und einen Teil meines Lebens verkauft habe. Ich mache das, weil ich Stress habe, den wir natürlich auch selber angezettelt haben. Wir sind ja nicht Rambo oder He-Man weißt du, auch wir haben Stress, Ärger und schlechte Laune. Das alles muss sich ja irgendwie auch rechnen und ich gehe dann halt auch mal gerne ins Wellness oder fahre mit einem teuren Auto raus oder kauf mir einen neuen Anzug, weil ich zu Kerner gehe. Ich mag das schon, das gehört halt dazu. Trotzdem würde ich nicht unbedingt behaupten, dass ich großartig verschwenderisch bin. Zu einem anständigen Rapper gehört ein anständiges Auto. Ich habe nie wirklich dickbusige Frauen in meinen Videos gehabt, aber ich hatte schon mal das ein oder andere schöne Auto im Video und wenn, dann war es aber auch mein eigenes. Ich denke mal, dass was man sich selber erarbeitet hat und sich auch selber gekauft hat, das kann man glaube ich auch zeigen. Also ich würde mich nicht mit einem Mietwagen ins Video stellen.

rap.de: Ist dir so eine Situation, dass du mit deinen Freunden auf dem Echo bist, wichtig? Ich dachte mir zum Beispiel, diese Leute würden da niemals reinkommen, wenn du nicht da wärst.

Bushido: So ist es ja auch und so was ist mir absolut wichtig. Wenn du beim letzten Echo irgendwie die RTL-Übertragung angesehen hast, dann hast du einfach mal 18 Sitzplätze gehabt, die erst mal komplett leer waren. Weil wir natürlich völlig zu spät gekommen sind und irgendwann sind wir so gerannt und kommen so an und brüllen so „Ey jetzt kommt doch mal her!“ und plötzlich stehen wir mitten im Saal und alle Leute gucken. Es war mit dann auch nicht unrecht, aber im Prinzip ist es passiert wegen einer spontanen Situation, wir wussten nicht, dass wenn wir jetzt diese letzte Treppen erklimmen, mitten im Saal stehen. Wir dachten, wir kommen da hoch und dann bringt uns jemand zu den Plätzen und so. Plötzlich standen wir da, haben rumgeschrien. Dann waren die Scherze mit Oli Pocher und Nackenschellen hier und James Blunt da, Grönemeyer und blabla und natürlich du hast auch recht, solche Leute wie uns siehst du dort nicht, wenn ich nicht da wäre. Ich will den Leuten damit aber auch ein Signal geben. Die eine Hälfte respektiert dich wegen deines Erfolges und die andere Hälfte respektiert dich, weil sie Angst haben. Wir wissen das, aber wir scheißen drauf und wir gucken uns trotzdem dein Lächeln an und geben dir die Hand, auch wenn wir wissen, dass du einen Riesenhaufen auf uns scheißen würdest, wenn du könntest. Aber so geht es halt einfach nicht,  im Moment auf jeden Fall noch nicht und das ist halt wie mit 3P damals so, die konnte auch keiner leiden, irgendwann hat Moses kein Erfolg mehrgehabt und deswegen haben sie ihn gleich alle rausgetreten. Aber gut….

rap.de: Rechnest du damit, keinen Erfolg mehr zu haben?

Bushido: Ich rechne natürlich damit, dass es irgendwann vorbei ist, egal aus welchen Gründen. Das wäre ja auch paradox, wenn ich der Meinung sein würde, ich würde mit 50 genauso viel Musik machen können oder so viel verkaufen wie jetzt mit 29, aber dann bleibt ja immer noch die andere Hälfte, die Angst hat. Wenn also der Respekt für den Erfolg nicht mehr da ist, dann hat die andere Hälfte immer noch Angst. Wir sehen es auch jeden Tag, nicht nur auf das Rap-Ding bezogen. Wenn wir im Cafe chillen und das hat gar nix zu tun mit Musik – da kommt kein rap.de, da kommt auch kein Bushido, auch kein Sido, kein nix! Da sitzen wir und chillen, trotzdem kommt da die ganze Zeit die Arschleckerei: „Hallo wie geht’s euch? Geht’s euch gut? Wie geht’s deiner Familie blablabla…“ Die lecken einem nur die Eier, einfach so, ich scheiß auf die. Wir sind das eh die ganze Zeit gewohnt, egal ob in diesem Geschäft oder in dem anderen Geschäft.

rap.de: In deinem Buch wird auch mehrmals beschrieben, dass die Security zu euch kommt und sagt: „Bitte, haltet euch zurück!“, daraufhin sagt ihr dann immer: „Nein wir doch nicht, wir sind doch total cool, wir haben eine gute Erziehung usw.“ Dann gab es aber diese Nike-Party oder diese Echo-Veranstaltung und da wurden dann schon grundlos Leute angepöbelt und es gab Nackenklatscher. Sind das Kollateralschäden? (Klatsch!)

Bushido: Genau! Das fällt bei einem bestimmten Lifestyle einfach an. Andere Leute liegen zugekokst auf der Toilette. Wir machen halt andere Sachen. Ich fand auch letztens bei MTV, eigentlich haben die ja noch nie Eier gezeigt, aber als ich dann bei MTV saß mit Joko, haben sie auch einmal wirklich versucht mir zu sagen, nach dem Motto: „Bushido, ganz ehrlich, das finde ich absolut unverantwortlich, dass du da einfach öffentlich schreibst, das da ein Typ wie Patrice bedroht und eingeschüchtert wird.“ Und am Anfang dachte ich mir noch, na gut, machste noch einen auf lustig: „Ach Joko komm… ist doch nicht so. Wir kennen uns doch und so.“ – „Ne, ne, ne warte mal! Wir kennen uns zwar, aber du schreibst schon, dass er bedroht wird und blabla…“ Dann habe ich gesagt, ja gut und er soll froh sein, dass der Spast nicht auf die Fresse bekommen hat und so ist es dann halt einfach, das ist dann halt ein Kollateralschaden.

 

rap.de: Hättest du mehr Respekt vor ihm, wenn er auf die Fresse bekommen hätte und er bei seiner Position geblieben wäre?

Bushido: Ja, auf jeden Fall! Er hat sich nie dazu geäußert, aber ganz ehrlich, ich hätte mehr Respekt vor ihm gehabt, wir alle hätten mehr Respekt vor ihm gehabt, wenn er sich vor Arafat, Mr. X, oder Hassan gestellt hätte und gesagt hätte, ganz ehrlich: Ich mag euch nicht, ich kann euch nicht leiden, ihr geht mir auf den Sack, was wollt ihr jetzt machen!??“ Er hätte bestimmt ein paar Schellen bekommen und dann wäre die Sache gegessen. Dann weiß man wenigstens Bescheid. Wenn man Staiger in Zukunft trifft, man hat sich nichts zu sagen, weder Hallo, noch guten Tag. Du kannst mich nicht leiden, das ist ok, du hast deinen Grund dafür, ich kann dich nicht leiden und man geht getrennte Wege. Ich fand es halt einfach wack, dass er dann einfach auf dem Echo und Nike-Party richtig krass Schaum am Mund hatte, wo ich mir dachte: „Oh Mann, Patrice, als ob du nicht weißt, dass wenn du mit Bass Sultan Hengzt Witze über meine Mutter machst – das wir dich irgendwann mal erwischen!“

rap.de: Glaubst du wirklich, dass er dich gemeint hat. Also ich habe mir zum Beispiel beim Wort Bäckersohn wirklich nichts gedacht.

Bushido: Doch, doch, doch… Durch die Blume. Von Hengzt aus war das bewusst gemacht und vielleicht ist Patrice da auch etwas reingestolpert. Da gebe ich dir Recht und vielleicht hatte er auch gar nicht so die Weitsicht.

rap.de: Auf der anderen Seite gibt es ja auch dieses Gespräch zwischen dir und Massiv, wo du sagst, dass sich die Line mit den Rappern und den tätowierten Oberkörpern nicht auf ihn bezogen hätte. Diese Paranoia, dass man Disses hört, die gar nicht so gemeint waren, die gibt es ja sehr häufig bei Rappern.

Arafat: Ne, ne, ne, da verstehst du was falsch. Ich sag dir ganz ehrlich, manche Leute wissen ganz genau, es ist nicht so gemeint, aber nehmen es als Vorwand, um Krieg, um einen Beef gegen sie zu starten. Damit er ins Gespräch kommt, damit er Profit davon hat. Das wollen doch die Leute. Das ist Rap, dass jeder sich anfasst.

Bushido: Ich habe auch schon wieder einen neuen Diss gegen Raptile auf meinem Album, da sage ich: „Ich fick mit Lioness

rap.de: Ich kenn mich bei Raptile ehrlich gesagt nicht wirklich aus. Wer ist Lioness?

Bushido: Lioness ist seine Freundin, die Löwin. Egal, noch mal kurz zurück. Ich hab auch mal Massiv in einem Interview erwähnt und na klar hab ich gesagt in einem Interview: „Die freuen sich jetzt, wenn sie mit ihrem 3er BMW durch die Gegend fahren können“ und das hat er auf sich bezogen, aber im Endeffekt hat Massiv einen 5er.

Arafat: Ne, das war nicht so. Das Problem ist, sag ich dir ganz ehrlich, die Rapper verstehen die Interviews nicht. Ich mein das jetzt ernst, die können nicht um die Ecke denken. Vom Kopf her: „Isch ficke deine Mutter du Nutte…….“ aber wenn sie mal Texte lesen, geht nix. Wir wollen jetzt auch keine Namen verbreiten, ich sag dir auch ganz ehrlich, Massiv ist ein übelst netter Mensch, Ehrenwort, der ist wirklich nett. Zuvorkommend, respektvoll das meine ich auch ernst, also so, wie wir ihn kennen gelernt haben. Aber was er macht und wie er denkt, passt gar nicht zu seiner Statur. Das Problem ist, dass diese Rapper lesen: „Das ist ein Wichser“, aber die sollen mal nicht so herabschauend sein. Die sollen mal lieber den ganzen Text lesen. Du musst dir das so vorstellen, ganz ehrlich, wenn ich weiß, du kannst mich nicht annährend abhaben, nicht annährend, wieso kommst du dann noch zu mir? Und ich weiß, dass du mich nicht abhaben kannst, trotzdem kriechst du mir in den Arsch. Da sag ich nur „Verpiss dich du Idiot! Du magst mich doch nicht, dann lass es doch einfach sein“, ich hasse diese hinterlistige Fotzerei. Dann nehme ich auch kein Blatt mehr vor dem Mund und sage verpiss dich!

rap.de: Findest du, dass du der einzige Mensch mit Rückgrat in diesem Showgeschäft bist?

Bushido: Nee. Nein, nein, nein. Ich würde schon sagen, dass ich Rückgrat besitze, aber ich würde mir nicht anmaßen zu sagen, dass ich der einzige bin, der Rückgrat hat. Es gibt viele Leute die Rückgrat haben, von denen denkt man das gar nicht. DJ Ötzi zum Beispiel hat ne menge Rückgrat. Der ist zum Beispiel zu mir gekommen und meinte: „Ganz ehrlich, auch wenn das für dich jetzt vielleicht peinlich ist, aber ich finde gut was du machst und wie du das machst.“ Und deswegen hat DJ Ötzi mehr Rückgrat als alle Rapper zusammen, von denen keiner kommt und mal sagen kann: „Wow!“. Bis auf noch die KIZ-Jungs vielleicht, die immerhin noch gesagt haben, von seiner Musik kann man halten was man möchte aber wie er’s macht ist gut. Das hat mir auch gefallen.

rap.de: Aber trotzdem mussten sie gedisst werden?

Bushido: Ja klar Mann, so ist das halt. Du weißt doch, wie es ist.

rap.de: Aha. Fühlst du dich eigentlich als Sprachrohr der Schwachen? Du hast manchmal so etwas Väterliches. Zum Beispiel in diesem Song „Engel“.

 


Bushido: Nee, eigentlich nicht so. Vieles was ich mache, oder viele Songs die ich gemacht habe, habe ich halt einfach aus Bock gemacht, weil ich Lust drauf hatte. Natürlich kann man sich da hinsetzen und versuchen, das zu analysieren oder so, aber ich habe ehrlich gesagt irgendwann einfach gedacht, ich mache hier eine Art von Kunst. Das heißt in der Kunst kann ich machen was ich will. Ich kann ein Bild in der Farbe malen, in der ich das will. Ich kann aus Ton irgendeine Figur machen und so ist das mit der Musik auch. Ich finde gut, dass ich auch mal Sachen gemacht habe, in denen es nicht um Dealen oder Mutterficken geht, sondern auch um Sachen wie Abschiebung oder eben „Engel“. Bei der Beschäftigung mit meinem persönlichen Musikverständnis oder Horizont ist dann das heraus gekommen, weil ich damit wirklich etwas erreichen wollte.

rap.de: Bedeuten dir diese Songs und diese Musik was oder machst du das nur so weil du es machen kannst?

Bushido: Klar bedeutet mir das was.

rap.de: Na ja, es gibt auch Interviews in denen sagst du, es ginge dir nur ums Geld.

Bushido: Nein, das interpretieren die Leute dann darein. Ich musste zum Beispiel das Stern Interview ändern lassen, weil der Typ da echt reingeschrieben hat, ich würde das nur wegen des Geldes machen. Nein Alter! Ich habe nur gesagt, der Preis muss stimmen. Das was ich alles dafür abgebe, mein Leben und dass ich in jeder Diskussion auftauchen. Die ganzen Handyfotos, Hassemails, Liebesbriefe und so weiter, die müssen halt auch einen Gegenwert haben. Das meine ich. Aber die Leute legen mir dann immer in den Mund, ich würde das nur wegen des Geldes machen. Auf jeden Fall bedeuten mir meine Songs auch was, ich habe da auch Evergreens dabei, die ich richtig feier und dann hab ich halt Songs dabei, die ich voll fürn Arsch finde.

rap.de: (lacht)

Bushido : Nein ehrlich, das ist wie ein Album machen. Du hast 20 Songs, davon findest du fünf richtig gut, zehn sind Lückenfüller und fünf gehen dir sogar selber auf den Sack. Aber jeder hat da ja einen anderen Geschmack. Ich habe gestern die Tracklist fürs neue Album fertig gemacht und die Jungs hier wollten alle einen Track auf der normalen Albumversion, den ich richtig kacke finde. Und dann meinte ich, ok, mach rein. Ich habe da einfach gelernt mich lockerer zu machen. Mit Fler früher war das anders. Der hat sich über Sachen, die in Foren geschrieben wurden, immer und immer wieder aufgeregt. Dann ging das los: „Ey Bushido, wir müssen den ficken.“ Von solchen Sachen bin ich schon lange weg und locker.

rap.de: Du hast gesagt „Ich behandle alle gleich, wenn sie respektieren wofür ich stehe.“ Wofür stehst du?

Bushido: Mittlerweile stehe ich für mich selber. Ich stehe für Arbeit, ich stehe nicht immer für korrekte Arbeit, ich stehe dafür, für etwas einzustehen, ich stehe für Überstunden, ich stehe dafür was M.O.P. mal gesagt haben, nämlich Blut, Schweiß und Tränen. Ich stehe für Erfolg, für ein Bravo Cover, was ich gar nicht wollte. Die Idioten haben mich da einfach so raufgenommen, deshalb haben sie auch das Buchcover genommen. Ich stehe für eine ziemlich große Bewegung und das ist auch alles, was ich wollte und will. Keiner braucht sagen „Bester Rapper, Doubletime, pipapo.“ Aber man soll das was ich erreicht habe respektieren. Das ist eigentlich was ich will, mehr brauche ich nicht.

rap.de: In einem anderen Satz hast du gefragt, wo in Deutschland die Werte hin sind. Was sind deine Werte?

Bushido: Ja gut, was sind meine Werte? Auch wenn ich mal darüber gerappt habe, dass ich mit vier Jungs zusammen ne Olle bumse, gekokst, geraucht, irgendwas habe. Selbst wenn ich so was in Interviews zugebe oder in meinem Buch schreibe, kann doch keiner der mich kennt glauben, dass ich es gut finde, wenn ein 12-jähriges Mädchen mit Bier und Zigarette in der Hand auf mich zukommt gut finde. Ich bin der erste der ihr die Kippe und das Bier wegnimmt und sagt, wenn ich dich noch einmal mit Bier und Kippe erwische, dann ziehe ich dir die Ohren lang.


rap.de: Also doch der Vater.

Bushido: Nein, ich meine das ernst. Das ist meine Moral. Ich bin doch ein Mensch. Natürlich hat man mal einem auf die Fresse gehauen und dann vielleicht auch gemerkt, das war nicht korrekt. Passiert, aber ich würde zum Beispiel nicht dabei zugucken wie irgendein Typ, nur weil er besoffen ist oder so, seine Freundin kaputt schlägt, einfach so. Da würde ich sagen hör mal auf und wenn er mir blöd kommt, würde ich ihm eine reinhauen. Wenn das aber begründete Streitereien sind, dann mische ich mich da nicht ein. Das meine ich mit Werte. Downloads, Sodomie oder dass die Post Millionen von Euro nach Lichtenstein transferiert, das ist alles nicht cool, aber anscheinend ist das ok. Wenn ich aber sage, dass ein Schwuler für mich nicht normal ist, dann ist das sofort wieder Blasphemie. Da frage ich mich doch: Wo sind die Werte hin? Mir wird regelmäßig aberkannt, dass ich als ganz normaler Mensch einfach mal Unrecht sehe. Vielleicht sage ich, ich ficke deine Mutter, aber ich nehme auch dem Mädchen sein Bier weg. Wo ist also das Problem?

rap.de: Du führst an, dass die deutsche und die arabische Welt nicht vereinbar sind. Sind das arabische Werte von denen du sprichst?

Arafat: Nein. Das sind menschliche Werte.

Bushido: Menschliche Werte. Klar bin ich auf viele Sachen in mir stolz die aus dem arabischen kommen. Aber das Beispiel eben sollten Deutsche und Araber auch so sehen. Ich sehe selber, wenn ich am Kotti stehe, dass da nicht nur deutsche Junkies sind, sondern auch Türken und Araber auf Heroin. Da sind auch ausländische Stricher. Aber das Beispiel mit dem Mädchen sollte man frei von Nationalitäten sehen. Das sollten wir alle gleich sehen, das sollte uns verbinden.

rap.de: Du hast gesagt, dass DJ Ötzi Rückgrat hat, weil er dich gut findet.

Bushido: Nicht weil er mich gut findet, weil das würde ja bedeuten, dass jeder, der mich gut findet, Rückgrat hat. Aber so wie er dargestellt wird, müsste er ja in meinen Augen der totale Spast sein, trotzdem kommt er zu mir und hat gesagt, dass er das, was ich mache, gut findet und respektiert. Deshalb hat er Rückgrat.

rap.de: Kannst du auch damit umgehen, wenn einer gegenüber dir diese „Es ist cool was er macht, aber seine Musik finde ich nicht so gut“-Einstellung hat?

Bushido: Ja, das reicht mir vollkommen. Ich würde niemals den Leuten hinterher rennen, bis auch der letzte von denen offen sagt „Seine Musik ist gut, der Typ kann rappen und in seiner neuen Single hat er wieder ein ganz neues Thema ausgegraben“, darum geht es mir gar nicht.


rap.de: Es gibt ja den Vorwurf, du würdest seit sieben Alben dasselbe machen.

Bushido: Das wäre dann gleichbedeutend damit, dass die Leute seit sieben Alben dasselbe kaufen. Wer ist dümmer? Der, der immer dasselbe macht oder der, der immer dasselbe kauft? Wenn man jemandem unbedingt etwas vorwerfen möchte, dann findet man immer irgendwas. Entweder, er macht immer dasselbe oder was er macht ist gar nicht sein.

rap.de: Der zweite Vorwurf ist dann immer „Der alte Bushido war mir lieber“.

Bushido: Ok, mir war Gerhard Schröder auch lieber als die Merkel.

rap.de: Es gibt eine Aussage von Too Short, der sagt „Wenn ich einen Beat höre, überlege ich nicht, ob ich den Beat mag, sondern ob der typische Too Short-Hörer den Beat mag.

Bushido: Nun gut, Too Short muss mittlerweile überlegen, ob es überhaupt noch Jemanden gibt, der ihn hört. Das trifft aber vielleicht auch auf mich zu, weil ich im Endeffekt ja auch nicht immer versuche, etwas Neues zu erfinden. Es ist ja auch egal, ob du einen CLS, einen SLK, eine E-Klasse oder eine S-Klasse fährst: im Endeffekt ist das alles ein Benz und basiert theoretisch erst mal auf dem Selben.

rap.de: Eine weitere Regel von Too Short für den lang anhaltenden Erfolg war, dass es einem immer Spaß machen muss, was man tut. Macht es dir noch Spaß?

Bushido: Was ich mache, hat mir in den letzten paar Monaten sehr wenig Spaß gemacht, so wenig wie eigentlich nie zuvor. Eigentlich kann man sagen, dass es mir in der Zeit zwischen „Staatsfeind“ und „Von Der Skyline Zum Bordstein Zurück“, zum Teil auch noch bei „Sieben“, keinen Spaß mehr gemacht hat. Aber im Endeffekt bin ich zu sehr darin gefangen, um einfach aufhören zu können. Da mach ich dann halt noch ein Album und noch ein Video und fahr noch mal zum „Dome“. Ich war zehnmal da und davon hat es mir vielleicht ein halbes Mal Spaß gemacht. Aber jetzt, so in den letzten Monaten, habe ich die Freude ein wenig wieder entdeckt. Nicht, weil die Szene oder die Allgemeinheit mich jetzt cooler findet als vorher, sondern weil ich einige Sachen für mich persönlich gefunden habe, die mir mehr Spaß machen. Allein schon, dass ich auf dem kommenden Album komplett selbst komponierte und von einem Orchester eingespielte Sachen drauf habe, das hat mir mehr Spaß gemacht.


rap.de: Warum hast du eigentlich aufgehört zu produzieren? Am Anfang hattest du deinen Sound doch noch selbst gemacht.

Bushido: Ich habe eigentlich am Anfang fast alles komplett selber gemacht, aber irgendwann wurde das zuviel, dass Bushido nur noch an der MPC sitzt und sich selbst aufnimmt. Sachen wie „King Of Kingz“ habe ich noch selbst aufgenommen, aber irgendwann wurde das mit Terminen, Interviews, Videodrehs und Fotoshootings zu viel. Das hat mich vom Musik machen schon sehr abgelenkt und vielleicht ist mir daher damals schon so ein bisschen die Lust daran vergangen. Ich habe ja auch einen relativ guten Musikgeschmack und im Endeffekt hat mir das Musik machen am meisten Spaß gemacht. Ich könnte die nächsten sechs Monate ununterbrochen Autogrammkarten schreiben, ich habe immer noch Autogrammwünsche von 2006 im Büro liegen. Das hat mich alles irgendwann komplett davon abgehalten, zu produzieren und dann habe ich mir irgendwann die Zeit genommen und gesagt „Ich gebe jetzt überhaupt keine Interviews und drehe keine Videos mehr, ich feature jetzt auch nicht Bizzy auf seinem Album oder sonst irgendwen, ich gehe auch nicht ins Café und rauche keine Wasserpfeife, sondern ich verpiss mich nach München und komponiere Musik“. Deswegen sind jetzt auch acht Beats oder so auf dem Album von mir, was ja fast ein Drittel ist. Am Wochenende war ich in München, habe mich mit Martin Stock getroffen, bin mit ihm zusammen über den Markt geschlendert, weil wir am Abend zusammen gekocht haben, und hab ihm gesagt „Alter, theoretisch habe ich Bock, wenn ich das nächste Album mache, das komplett selbst zu produzieren und mit einem Orchester aufnehmen zu lassen.“. Er fand das cool und meinte, ich solle dann vorbeikommen. Dann muss ich davon aber auch 300.000 Stück verkaufen, weil das einfach vom finanziellen Aufwand her unglaublich ist.

rap.de: Hört man den Unterschied?

Bushido: Man hört das definitiv. Ich hatte letzte Woche eine kleine Listening-Session mit Leuten von Sony BMG und den Jungs und Mädels aus dem Büro und der Sound, abgesehen vom Text und der Musik her, klingt noch mal ein bisschen besser als sonst. Stickle war für das Mischen verantwortlich. Da habe ich eine Ballade drauf und das hört sich dann an wie so ein japanischer Anime-Soundtrack. Das ist auf jeden Fall schon eine ganz andere Klangwelt.

rap.de: Du schreibst in deinem Buch, du hättest gerne einen Journalisten wie Baby Schimmerlos in Kir Royal.

Bushido: Das ist ausgedacht, das habe ich doch niemals geschrieben.

rap.de: Ich habe es genau so in deinem Buch gefunden.

Bushido: Du hast das doch bestimmt irgendwo reininterpretiert.

rap.de: Wörtlich war es irgendwie so: „Das war noch ein Journalist, mit dem konnte man auch mal in den Puff gehen. Richtig Atzenfaktor.

Bushido: Ach so. Na ja, das war wahrscheinlich so wie mit der Traumfrau und den 90-60-90…

rap.de: Anders gefragt. Wie würdest du gerne von der Presse wahrgenommen werden?

Bushido: Mittlerweile bin ich gar nicht mehr so wahnsinnig enttäuscht von der Wahrnehmung seitens der Presse. Es gibt so meine ewigen Feinde, meine drei ganz großen Tabus. Dazu zähle ich die Bild-Zeitung, RTL und die BZ. Das sind meine drei No-Gos. Die klopfen die ganze Zeit bei mir an. Aber die sollen sich mal verpissen.

rap.de: Also die gesamte Springerpresse?

Bushido: Absolut

rap.de: Richtig 68er Style?

Bushido: Ich führe gegen die Bildzeitung einen ganz großen Prozess, den ich so für mich führe, einfach so als Hobby. Also, das sind meine No-Gos. Das bedeutet aber auch im Umkehrschluss, wenn ich mal wieder bei RTLFlop des Tages“ bin, dann ist das ok, dann rege ich mich jetzt nicht drüber auf. Die können sowieso machen was sie wollen, aber ich achte halt darauf, wenn die anfangen zu lügen, was ja bei der BILD Zeitung in fast 99 Prozent Fällen der Fall ist. Da kriegen sie natürlich auch gleich Post von meinem Anwalt. Ansonsten reicht es mir dann auch, wenn ich so ganz neutrale Interviews gebe. Ich muss nicht mit dem Interviewpartner atzig sein oder so, aber am Ende des Tages wäre ich dann schon ganz froh, wenn vernünftige Interviews bei rauskommen, denn ich kann mich kaum erinnern, dass ich selber mal so richtig beschissene Interviews gegeben habe. Wenn ich dann aber ein Interview mit der „Siegessäule“ gebe und „Sergej“, das sind so zwei Schwulen-Magazine in Berlin, und der Grundton dann aber ist „Wir haben ihn dann auch gefragt, ob er Brad Pitt einen blasen würde“, dann denke ich mir auch nur, das Interview hättet ihr euch aber auch gleich in den Arsch stecken können, da hättet ihr wahrscheinlich mehr Spaß gehabt. Aber ansonsten, ich rede gerne auch mit dir, mit rap.de, mit der Juice.

rap.de: Weiterer Kritikpunkt ist dein Umgang mit Frauen. Das Frauenbild, das in deinem Buch verbreitet wird, das ist tatsächlich sehr zwiespältig.

Bushido: Aber nur aufgrund meiner eigenen persönlichen Erfahrung

rap.de: Ok, es gab eine Frau, die dich verlassen hat. Aber mehr hat sie ja eigentlich nicht gemacht, oder?

Bushido: Na klar, aber gut. Natürlich wird das im Buch dramatisiert „Sie hat mich dazu gebracht, was ich jetzt geworden bin“.

rap.de: Der Skrupellose Sex-Gangster! Musst du eigentlich auch manchmal lachen, wenn du so was liest?

Bushido: Skrupelloser Sex Gangster ist im Vollsuff mit Kay entstanden, weißt du was ich meine?

rap.de: So hört sich das auch an.

Bushido: Also das ist jetzt überhaupt nichts, wo ich jetzt der Welt beibringen möchte, ey ich armer Junge. Da saßen wir einfach nur besoffen im Tourbus und haben was ganz Ekliges gemacht, wo Kay dann zu mir meinte: „Ey, wir sind einfach skrupellose Sexgangster!“

rap.de: Jetzt wissen die Frauen ja, wie du drauf bist. Warum machen trotzdem so viele mit?

Bushido: Gute Frage. Im Endeffekt war das eigentlich schon vor dem Buch relativ klar, wie ich ticke, aber natürlich, du hast Recht. Heute zum Beispiel, habe ich eine ganz lustige e-mail erhalten von irgendeiner Dame: „Mann, hätte ich gewusst wie du über mich denkst, hätte ich mich niemals blabla… Denk ja nicht, du wärst so ein krasser Womanizer blabla.“ Nachdem ich mich jetzt sozusagen mit meinem Buch geoutet habe, läuft es jetzt natürlich so ab, dass viele Frauen jetzt auf Pseudostolz machen. So nach dem Motto, „Ganz ehrlich, so einem wie dir, würde ich niemals in die Falle gehen.“ Gut, warum sie es trotzdem machen? Ich habe ja auch mal geschrieben, dass in jeder Frau auch eine kleine Hure steckt. Vielleicht ist es ja dann auch die Hure, die dann gefickt werden möchte. Vielleicht ist es gar nicht die Frau, sondern die Hure in der Frau.

rap.de: Verachtest du so was? Ist es Sünde?

Bushido: Nein. Sünde, Alter? Ich bin ganz ehrlich, ich glaube ich mache ganz viele Sachen, die Sünde sind. Aber andere Leute, die meinen, irgendwie auf mich deuten zu können, die sind genau so sündhaft wie ich auch. Das ist eh keine Frage. Aber ob ich sie verachte? Ganz ehrlich: man kann Eva nur verachten, wenn man selber den Apfel nicht essen würde. Du kannst nur selber wirklich etwas verachten, wenn du hundertprozentig sagen kannst „Ich habe damit nichts zu tun“. Stell mal vor, wir sind hier im Büro und auf einmal kommt so was raus. Jemand hat seinen Verlauf irgendwie nicht gelöscht und da war er auf irgendeiner Schwulen-Fetisch-Internetseite, da lacht der eine den anderen aus, von wegen „Hehehe du Schwuchtel, du bist auf einer Analfickerseite gewesen!“ Im Endeffekt war er doch selber drauf, wenn er dann auf ihn zeigt, ist das echt so ein bisschen scheinheilig, deswegen möchte ich dann gar nicht irgendwie Frauen als Schlampen bezeichnen und sagen: „Boa ich verachte das!“ Ich kann das auch nur verachten, wenn ich sie selber nicht gefickt hätte, dann könnte ich mir es erlauben. Aber wenn ich es selber mache, dann bin ich genau so.

rap.de: Was ist Hardcore-Sex für dich?

Bushido: Na ja, also ich denke mal es gibt solchen Hardcore-Sex, wo ich dann mit meinen Praktiken auch als Blümchensex-Macher dastehen würde. Ich stehe zum Beispiel gar nicht auf Spielzeuge, Fetisch und Lack und Leder oder so SM-Zeug. Das ist gar nicht so mein Ding und da gibt es ja richtig krasse Praktiken. Aber das noch fast humane soweit auszureizen, dass es schon fast pervers oder eklig ist, das ist auf jeden Fall meine kleine Definition von Hardcore-Sex. Keine Ahnung, ich kenne glaub ich kaum Leute, die irgendwie einer Frau mal richtig die Fresse blutig geschlagen haben beim Sex, und die Frau das auch wollte. Später dann nach dem Sex, wo dann die Geilheit und alles weg war und ich mich im Spiegel angucke und überall mit Blut voll bin, dann habe ich mir auch gesagt: „Boa Alter, fang mal lieber wieder an Weiber zu küssen, anstatt dass du die dann irgendwie blutig schlägst.“

rap.de: James Brown hat das auch gemacht. Der hat auch Frauen beim Sex ins Gesicht geschlagen.

Bushido: Ja eben, aber da denkt jeder: „Was, James Brown? Bei Bushido kann ich mir es vorstellen, aber bei James Brown, ok ich meine er ist eine Sexmachine...“. Aber, da habe ich dann teilweise echt gedacht: „Ich hoffe, das driftet jetzt nicht so weit ab, dass ich irgendwie verloren im perversen Sexuniversum rumschlendere.“

rap.de: Glaubst du, dass du von Gott dafür bestraft wirst?

Bushido: Ich werde auf jeden Fall dafür bestraft. Ich werde nicht nur dafür bestraft, ich denke mal, dass ich für alles bestraft werde, was ich getan habe, aber auch dafür belohnt was ich Gutes getan habe. Ich hoffe, dass Gott sagt:„Ok, du hast da zwar etwas Scheiße gebaut, aber dafür hast du auch was Gutes gemacht und dann am Ende kommt irgendwie ein Unentschieden bei raus, also ab nach oben.“

rap.de: Was ist denn deine Moral?

Bushido: Wie gesagt, wenn heute sich Leute darüber aufregen, dass ich irgendwie.. Damals als ich irgendwie Drogen geklaut oder abgenommen habe, auch offensiv, da war das für mich nie verwerflich, obwohl es ja eigentlich Diebstahl ist und er mich ja anzeigen könnte.

rap.de: Wegen Drogen anzeigen? Kommt eher selten vor.

Bushdio: Eben, du kannst ja nicht sagen, er hat mir jetzt ein Kilo Gras geklaut und zur Kripo gehen und die sagen: “Das tut uns aber leid Herr Staiger, warten Sie mal, wir werden ihnen diese Ecstasypillen wieder besorgen.“ Letztens gab es ja diesen sensationellen Einbruch in der Commerzbank. Der Verlust lag gerade mal bei einer Million. In Wahrheit waren da aber wahrscheinlich sieben Millionen Euro Schwarzgeld und keiner kann aber das Schwarzgeld anzeigen. Das ist dann so wie bei „Desperate Housewives“, wo zwei Nachbarn jeweils einen umgebracht haben und beide wussten davon und beide haben sich halt nicht angezeigt, weil beide wussten: „Nun gut, ich habe meine Frau umgebracht – Du hast deinen Sohn umgebracht. Das ist Unentschieden. Wir führen unser Leben weiter, unser kleines schönes Leben.“

rap.de: Was heißt das aber? Was ist das für eine Moral? Schulprojekte unterstützen auf der einen Seite und…

Bushido: Das ist kein Tauschhandel. Also dadurch, dass ich jahrelang die Prostitution unterstützt habe, würde ich jetzt nicht in Thailand ein Waisenhaus aufmachen.

rap.de: Aber du bist dir darüber bewusst, dass Prostitution mit Menschenhandel und Zwangsprostitution zu tun hat.

Bushido: Ja. Aber wir sind uns auch darüber bewusst, dass Nike wahrscheinlich unter Zwangsarbeit seine Produkte herstellen lässt.


rap.de: Darüber sind wir uns bewusst.

Bushido: Auf der einen Seite ist das also ok, wenn ich’s trage und das andere nicht? Das ist beides scheiße. Aber da wären wir wieder beim Punkt, dass wenn jeder das trägt, dann kann man eigentlich nicht auf den anderen zeigen. So ist das halt. Ich habe mich immer versucht mich abzusichern. Ja ich weiß, ich habe zwar Scheiße gebaut, aber dafür habe ich das gemacht, das war ja dafür ok. Drogengeld war ja für mich auch nichts Schlimmes plus ich habe das nie gespart. Ich hab ja Drogengeld sofort ausgegeben oder Geld, was einfach so gekommen ist, habe ich sofort ausgegeben. Komm, alle in den Puff, oder wir gehen essen. Damit haben wir ja nie großartig gearbeitet. Ich denke, das war halt irgendwie meine eigene Moral plus ich habe ja meistens keine Probleme mit dem, was ich gemacht oder gesagt habe. Ich habe mal geschrieben „Ich werde verwundet und all ihr Tunten werdet vergast“, das war ein Satz, der extrem viel Aufsehen erregt hat und den ich dann natürlich auch nie rausgebracht habe. Da habe ich im Vorfeld ja auch gesagt,“Hey, kein Problem, wenn ihr euch aufregt, ich kann das verstehen.“ Im Endeffekt hab ich das aber nicht bereut. Ich wollte halt einfach keinen Stress haben. Da hat auch wieder die halbe Nation auf mich gezeigt und der Schwulen- und Lesbenverband hat mich angezeigt, wegen Volksverhetzung. Da habe ich es natürlich zurückgenommen, aber nicht aufgrund des Drucks, sondern einfach, weil ich mir selber gesagt habe: „Ja gut, der Satz war behindert“ – aber ich hab’s nicht bereut und es war meine eigene Moral.

rap.de: Jetzt sind wir ja bei dem Thema, dass sehr viele Leute dich verantwortlich machen wollen und mit dem Finger auf dich zeigen. Ich meine, jeder darf natürlich denken, was er will und jeder darf sagen, was er will. Bei dir stellt sich ja dann eher die Frage: Warum kaufen es so viele Leute? Warum interessieren sich so viele Leute für dich?

Bushido: Wenn ich das wüsste, dann würde ich es perfektionieren. Dann würde ich nicht an dieser 200.000er Grenze rumkrepeln, sondern würde 800.000 Platten verkaufen. Ich weiß es nicht. Ich versuch manchmal selber für mich darüber zu philosophieren, aber im Endeffekt denke ich: wir entwickeln uns dahin, dass wir immer unbedingt versuchen alles erklären zu wollen, zu können und zu müssen. Und es gibt kaum noch Sachen auf der Erde, oder in unserem Leben, die halt einfach nur da sind, weil man halt dran glaubt. Und ich habe dann irgendwann gemerkt, dass ich jetzt auch versuchen könnte, das Phänomen oder die Tatsache, warum immer mehr hinter mir stehen, zu erklären oder im Wall Street Journal gucken, ob es noch mal einen ähnlichen Bericht gibt. Ich kann es aber einfach auch nur genießen und akzeptieren und einfach weiter machen, obwohl man gar nicht wirklich weiß, was man macht. Und ich denke, so lange man nicht unbedingt weiß, was man macht, behält man sich so ein wenig Jungfräulichkeit bei, auch wenn man sagt: „Na ja gut, beim ersten mal gebumst, bist du keine Jungfrau mehr, aber ich hab ihn halt nicht ganz rein gesteckt und Analverkehr hab ich auch noch nicht gemacht und deshalb bin auch noch nicht komplett im Business.“ Ich möchte mir halt auch noch ein bisschen was bewahren, woran ich noch glauben kann. Ich hab genug Situationen, beim Finanzamt, beim Steuerberater, wo dann halt wirklich was auf dem Zettel steht und da kann man jetzt nichts reininterpretieren. Was soll ich denn bei meiner Steuererklärung reininterpretieren, wenn mein Steuerberater zu mir ankommt und sagt: „Ja, das Finanzamt Kreuzberg möchte jetzt erst mal ne Umsatzsteuervorauszahlung von 800.000 Euro.“ Da gibt’s keine großartige Fantasie mehr. Fakt. Punkt. Hab ich kein Geld, dann wird’s gepfändet. Das reicht mir schon. Da möchte ich mir in anderen Bereichen noch ein bisschen Phantasie und Illusion bewahren.


rap.de: Es kommen in deinem Buch auch so metaphysische Geschichten vor. Fühlst du dich von Gott auserwählt?

Bushido: Wir sind alle von Gott auserwählt, wir sind alle Gottes Kinder. Der eine glaubt dran, der andere nicht, aber wir haben alle den gleichen Vater. Für den einen heißt er Allah, für den anderen Buddha. Wir sind alle für irgendwas auserwählt und den Unterschied macht nur, ob man das wahrnimmt oder nicht. Der eine merkt halt nicht, dass seine Berufung Gärtner ist, spekuliert an der Börse und macht 5 Millionen Euro Schulden und meint er müsse jetzt sich und seine Familie erschießen. Gibt’s ja auch.

rap.de: Der hat also seine Berufung verfehlt.

Bushido: Genau, deswegen kann es dann auch gar nicht klappen. Das ist, wie wenn ein Einbeiniger bei Bayern München Fußball spielen will, und man sagt, ok, komm mit, weil man ihn nicht abweisen will, um keine Behinderten zu diskriminieren. Im Endeffekt kann er aber einfach kein Fußball spielen. Genau so wie Asamoah, der kann auch kein Fußball spielen.


rap.de: Findest du Deutschland zu lasch?


Bushido
: Ich finde Deutschland nicht zu lasch, ich finde nur, dass manche Leute nicht das machen was halt drin wäre. Am Anfang haben sich alle aufgeregt, als im Tiergarten der erste Love Parade Porno gedreht wurde, heute sagt da keiner mehr was. Ich finde Deutschland nicht zu lasch, es gibt nur zu wenig Leute, die auch mal sagen: „Hey, ich habe da einen Plan“ und den dann auch durchziehen, ohne Rücksicht auf Verluste, auch wenn ihn das ganze Land auslacht. Zieht es doch durch! Ich bitte dich, wir sind hier in einem Sozialstaat, wir haben so viele doppelte Böden, die dich wieder auffangen. Warum gleich nach Hartz IV schreien? Versuch doch erst mal irgendwas. Oder mach halt was Illegales. Bevor du das erste Mal Knast bekommst, gibt es eh Bewährung. Hauptsache du peilst halt, das nächste Mal bekommst du Knast. Und dann bleib halt auf Bewährung und melde dich Hartz IV an. Scheiß drauf.

rap.de: Also erst mal illegal ausprobieren und gucken wie weit man kommt oder wie?

Bushido: Ja klar, das geht doch in keinem anderen Land besser als in Deutschland. Wenn wir in Afghanistan oder Pakistan leben würden, hätte ich mir glaube ich noch nie einen Porno oder so runtergeladen. Ey, dann wüsste ich: Wenn die mich erwischen, dann steinigen die mich. Da gibt es keine Bewährung und bla.

rap.de: Das meinte ich ja. Findest du Deutschland in dieser Beziehung zu lasch?

Bushido: Ja, in der Beziehung auf jeden Fall, auch im Bezug auf Konsequenzen.


rap.de: Aber dann hätten ja Leute wie du oder Leute, die du kennst massive Probleme oder keine Hände mehr.

Bushido: Gut, dann wäre das so, aber dann würden wir uns auch danach richten und nichts tun, was uns einen Arm oder einen Finger kostet. Viele Leute haben ja nur eine große Klappe, weil sie genau wissen, dass ihnen nichts passiert. Da kommt erst mal Jugendarrest: da muss ich um 17 Uhr rein und darf morgens um 7 wieder raus und zur Schule. Danach bekomme ich erst mal Bewährung. Wenn ich einen guten Anwalt habe, sogar erst beim zweiten Mal. Das bedeutet, dass bevor ich tatsächlich in den Knast rein muss, kann ich eine kriminelle Karriere über fünf, sechs Jahre haben. Und bevor es dann Abschiebung heißt, hört man dann halt auf. Und das ist eigentlich wirklich viel zu lasch. Da schieße ich mir natürlich selber und meinen Freunden auch ins Bein, aber ich hätte nichts dagegen, wenn Deutschland einfach als Staat, also nicht als ausländerfeindliche Nation, sondern als Rechtsstaat für alle, die hier leben – ob grün, weiß oder schwarz – einfach mal die gleichen harten Regeln einführt. Wo ist das Problem? Machen andere Länder doch auch. Aber nein Deutschland ist natürlich extrem vorbelastet wegen unserer Vergangenheit, und ich sage mit Absicht unsere Vergangenheit, weil zur Hälfte ist das auch meine Vergangenheit. In China wird das zum Beispiel die ganze Zeit praktiziert und sie bekommen auch noch die Olympiade und bekommen mit ihren gedopten Superathleten auch noch 60 Goldmedaillen und führen den Medaillenspiegel an.

rap.de: Verachtest du eigentlich Schwäche? Das klingt so.

Bushido: Das einzige, was ich noch mehr verachte als Schwäche, sind die Leute, die die Schwachen verachten. Ich finde zum Beispiel nicht cool, wenn ich überforderte Eltern sehe. Du bist 40, dein Sohn ist fünf und macht schon mit dir was er will? Da denke ich, dass du ein krasses Opfer bist. Ich möchte das nicht verachten, weil dann würde ich mich selber verachten, weil die sind schon selber gestraft genug. Deswegen versuche ich da neutral zu bleiben, weil ich wie gesagt, Leute die Schwäche verachten, selber scheiße finde. Obwohl ich mich selber immer dabei ertappe, dass ich oft kurz davor bin, das selber zu machen. Das ist ja auch definitiv eine Schwäche von mir. Ich will ja auch nicht hier sitzen und sagen, dass ich nur supergute Eigenschaften habe oder so. Ich habe auch meine Fehler und dazu gehört auf jeden Fall, dass ich Schwäche teilweise fast verachte.

rap.de: Ich glaube, dass es genau diese kleinen Bemerkungen sind, die wichtig sind für die Leute, die auf dich hören. Wenn du zum Beispiel sagst, „Ich war nie ein schwuler Student“. Das sind dann die Sachen, bei denen ein Bushido Fan sagt: „Na gut, dann will ich auch nicht studieren“.

Bushido: Aber wenn du kein schwuler Student werden willst, heißt das aber nicht, dass du nicht studieren darfst. Du kannst auch studieren oder Student sein und kein schwuler Student sein. Wenn ich sage „Ich war nie ein schwuler Student“, dann meine ich damit einfach auch, dass nicht nur immer wir oder diese primitiven Gangbanger in Alphajacken diese Vorurteile gegen Müslifresser haben, sondern auch diese Seite Vorurteile gegenüber uns hat. Ich bekomme ja auch e-mails, in denen jemand schreibt, dass er zum Beispiel neulich mit seiner Alphajacke und einem Klappmesser, was da so rausgeguckt hat am Kudamm in einen Buchladen gegangen ist und alle haben ihn komisch angeguckt. Das meine ich.


rap.de: (lacht) Was erwartetest du denn, wie man reagieren soll, wenn einer mit einem Klappmesser in den Laden kommt?

Bushido: (lacht) Aber er will sich doch ein Buch kaufen. Er will ja niemanden abstechen! Er geht ja nicht hin und sagt: „Du Hurensohn gib mir dein Geld!“, sondern: „Guten Tag, ich hätte gerne das Bushido Buch.“

rap.de: (lacht) Ach so, das war jetzt zur Veröffentlichung.

Bushido: Ja klar, ey, warum soll der denn sonst in einen Buchladen gehen? Daran sieht man doch aber, dass jeder seine Vorurteile hat. Im Endeffekt wollten an dem Tag doch alle dasselbe. Der Gangbanger wollte das Buch kaufen und die Brillenschlange im Laden wollte es verkaufen. Eigentlich perfekt. Aber das scheitert a) daran, dass der Gangbanger denkt: „Was für ein schwuler Student, die Brillenschlange“ und b) sich der schwule Student, dann aber auch genau wie ein schwuler Student verhält. Wobei dann aber viele denken: Oh Gott!  Bushido hat was gegen Studenten. Ganz ehrlich, Nyze, der jetzt immer mit mir auf der Bühne steht, hat gerade sein Architekturstudium beendet. D-Bo hat Abitur. Sogar Arafat hat Abitur. Der hat zwar nicht studiert, sondern ist dann KFZ-Mechaniker geworden, aber er hat sein Abitur. Mein Bruder studiert auch. Das ist wie: Alle Frauen sind Huren. Meine Mutter ist auch ne Frau. Und ich sage ja auch nicht: Alles Huren außer Mutti. Denn wenn ich wie im Moment eine Freundin habe, die ich wirklich liebe, dann ist die auch keine Hure.

rap.de: Sortiert die eigentlich deine DVD Sammlung?

Bushido: Nein, die ist da zum Glück emanzipiert genug, mich dazu zu zwingen, die selber zu sortieren. Das ist aber der Grund, warum die noch in den Umzugskartons sind.

rap.de: Obwohl das Frauen ja mehr Spaß macht. Von der Natur aus.

Bushido: Du darfst auch drei Mal raten, wer die DVDs aus meiner Wohnung in die Kisten geräumt hat. Bestimmt nicht ich.


rap.de: Ok, aber wir waren wieder bei dem Beispiel „schwuler Student“ auf der einen Seite und Gangbanger auf der anderen Seite. Das führt uns zum Anfang des Gesprächs zurück: Der Dialog bricht ab und am Schluss haben wir zwischen Oranienstraße und Friedrichstraße einen Polizeigürtel und maximal macht man dann noch eine Ghettosafarie.

Bushido: Russland gegen Amerika, genau. Natürlich hast du recht, wenn du sagst, dass die Leute auf mich hören, dann kann ich dir und allen Leuten nur anbieten, dass sie nicht unbedingt meine Songs als Anleitung zu irgendwas nehmen sollen, „Wie baue ich eine Bombe“, oder sonst irgendwas, sondern dass sie versuchen sollen, das was ich rappe zu verstehen und dass sie das was sie nicht verstehen… Obwohl, es gibt ja eigentlich fast nix drin, was nicht zu verstehen ist. So anspruchsvoll sind die Texte ja nicht. Also, dass sie die Sachen, die nicht verstanden werden, einfach so zu lassen und nicht selber irgendwie zu deuten und damit wieder Kacke bauen und einfach mal darauf zu hören, was ich sonst so sage. Nicht nur in den Liedern. Ich gebe ja so viele Interviews bei MTV, bei VIVA... Ja gut, bei VIVA.kann man ja jetzt nicht viel erzählen… Aber da sollte man halt auch mal meine gesprochenen Worte und auch mal mein Gesichtsausdruck und meine Gesten anschauen und mir zuhören. Und ich sage auch: ich habe schon eine Menge Musik gehört, angefangen mit NWA und ich war im tiefsten Sumpf von Rammstein versunken und von Marilyn Manson hatte ich fast ein Poster an der Wand und ich habe nie Scheiße gebaut deswegen. Die Kacke, die ich gebaut habe, die kam von mir und die kam nicht von Eminem und die kam auch nicht von Ice Cube oder Too Short oder E40 oder so. Die kam von mir. Ich hab die Scheiße gebaut und nicht weil ich dachte, ich müsse jetzt mein Leben aufgrund irgendwelcher Pseudoweisheiten von irgendwelchen Rappern aufbauen, egal ob ich sie cool finde oder nicht.