Curse

Man mag von Curse halten was man möchte, aber eines kann man nicht abstreiten: der Mindener ist einer der beständigsten Künstler im Deutschrap-Zirkus. Dementsprechend heiß erwartet ist auch sein neues Album "Freiheit", welches noch im September erscheinen soll. Grund genug also, sich mit dem bekennenden Tee-Trinker zu treffen und sich über die wirklich wichtigen Dinge zu unterhalten: wie sieht es aus mit der Zukunft der Plattenindustrie, was bringt eine Mutter dazu, ihre Kinder zu töten und wie weit darf künstlerische Freiheit eigentlich gehen? Am Schluss bleibt die Erkenntnis, dass es nicht immer eine eindeutige Antwort geben kann. Versucht haben wir es natürlich trotzdem.

rap.de: Fangen wir mal an: dein Album heißt „Freiheit“. Obligatorische Frage: Warum?

Curse: Warum? Ich hab das ja schon präventiv in der Single beantwortet. Die eigentliche Entscheidung, das Album so zu nennen, ist bei mir schon ziemlich am Anfang gefallen. Freiheit war für mich zu der Zeit ein überstehender Begriff für viele Dinge, die  in meinem Leben passiert sind. Das war eine Zeit, in der ich mich von vielen Dingen losgesagt und neue Dinge angefangen habe. In der ich mir auch viele Fragen gestellt habe, so von wegen: will ich das und das überhaupt? Der Überbegriff war einfach „Freiheit“, „Loslösen“, und so entstand der Albumtitel.

rap.de: Was sind denn allgemein für dich Momente, in denen du dich frei, beziehungsweise nicht frei fühlst?

Curse: Momente, in denen ich mich nicht frei fühle, sind die, in denen ich merke, wie sehr mich doch auch äußere Umstände beeinflussen. Da merkt man immer wieder, wie abhängig man doch von anderen Menschen ist. Oder ob schönes Wetter ist, sag ich jetzt mal. Das sind Momente, in denen ich mir denke, dass ich mich in so was nicht mehr so sehr reinsaugen lassen sollte. Momente, in denen ich mich frei fühle, sind genau das Gegenteil: Immer dann, wenn ich meine eigene Mitte gefunden habe und irgendwie in mir selber ruhe.  Wenn ich mich selber gut fühlen kann. Das ist natürlich eine ganz, ganz, ganz persönliche Freiheit. Freiheit kann unglaublich viel heißen. Man kann sich natürlich auch frei fühlen, wenn man ein Jahr durchgearbeitet hat, dann auf einer Klippe steht und der Wind weht einem so klischeemäßig durchs Gesicht. Für jeden ist das ganz individuell. Für mich sind es einfach Momente, in denen ich mich von Dingen, wie beispielsweise negativen Gewohnheiten, frei mache. Ich weiß nicht, ob du das kennt, aber es gibt  ja auh oft Zwischenmenschliche Beziehungen die nach alten Mustern verlaufen:  Man weiß, bestimmte Themen gehen und andere nicht, wenn ich das sage, sagt er das und so weiter. Und wenn ich es schaffe, mich aus so etwas zu lösen, dann ist das auch Freiheit.

rap.de: Ihr habt eine Aktion auf eurer Website, bei der euch die Leute sagen sollen, was sie unter Freiheit verstehen. Kannst du mal genauer erklären, was ihr euch dabei gedacht habt?

Curse: Es geht genau darum, dass Freiheit für jeden etwas anderes ist. Es gab viele Leute, die mir im Vorfeld geschrieben haben, für sie bedeute Freiheit dies und das, da gab es viele interessante Einsendungen, Fotos, Videos, Songs… Darauf hin haben wir diesen Aufruf gemacht und werden eine Onlinegalerie daraus machen, fast wie eine Kunstgalerie, die sich die Leute dann anschauen können.

rap.de: Was waren da bisher die besten Sachen?

Curse: Ich muss sagen, dass es bisher noch nicht das „Eine“ gab, was mich so richtig, so unglaublich weggeflasht hat. Es gab viele Leute, die Fotos geschickt haben, viele, die Songs geschickt haben. Einen Song fand ich richtig krass: Da hat ein Sänger ein Lied über den Tod seines Vaters gemacht, aber eben überhaupt nicht klischeemäßig. Es ging darum, dass der Tod seines Vaters ihn von Ängsten befreit hat. Aber der First-Prize-Winner, der dann vielleicht das Album-Cover gestaltet, war bisher noch nicht dabei.

rap.de: Sind die Vorstellungen von Freiheit nicht auch bei den meisten Leuten sehr konventionell? Also überraschend und erschreckend konventionell?

Curse: Klar, weil es für die meisten auch immer mit irgendwelchen Klischees behaftet ist, Genau wie „Liebe“ – das ist auch so ein Wort.   Ich glaube aber auch, dass bei so einem Wort, über das in der Geschichte der Menschheit schon so viel nachgedacht worden ist, es absolut schwierig ist, unkonventionell zu sein. Die unkonventionellste, aber meiner Meinung auch am meisten Stock-im-Arschigste Antwort war: “Curse, du bist nicht frei, wenn du wirklich frei wärst, würdest du dein Album “Tomatensalat“ nennen!“ (lacht). Und dann hab ich mir gedacht: “Mhm, jaaa, ich check irgendwie, was du sagen willst, aber irgendwie hast du auch einen Stock im Arsch“. Weil, das ist ja wieder das Umgekehrte, dass man sich keine Gedanken machen dürfe, das ist ja auch wieder ein Dogma und man ist wieder nicht frei, weißte? Sobald du Freiheit definierst, grenzt du sie schon wieder ein.

rap.de: Künstlerische Freiheit ist ja auch so ein Ding, die Freiheit meinetwegen, sein Album “Tomatensalat“ zu nennen. Wie weit darf künstlerische Freiheit denn gehen?

Curse: Interessante Frage. Ich finde dann, wenn du wirklich destruktiv bist, wenn du wirklich bewusst andere Menschen verletzt, dann könnte es echt mal zur Diskussion stehen, ob dort künstlerische Freiheit noch greift. Aber prinzipiell ist das sehr schwer einzugrenzen. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich immer erstmal sagen: mehr künstlerische Freiheit. Du willst ja auch als Künstler etwas beitragen, das etwas hinterlässt, ein Statement machen oder dich vielleicht auch nur selber feiern – keine Ahnung. Auf jeden Fall willst du einen Beitrag zu irgendetwas leisten. Und wenn der Beitrag dann daraus besteht zu sagen: “Meine Installation besteht daraus: Ich schlag euch Beiden eine Flasche auf den Kopf und steche euch ab und dann verblutete ihr“, dann hört die Freiheit dort auf, sobald du jemanden verletzt.

rap.de: Und wenn wir das gut finden und einwilligen würden, weil du uns vielleicht Geld gegeben hast?

Curse: Dann ist es vielleicht etwas Anderes. Aber ich fände es immer noch sehr fragwürdig. ich würde mir dann halt denken, ja, ok, was für ein Statement willst du jetzt machen? Eines über die Käuflichkeit der Menschheit?

rap.de: Also ist eine Stilisierung der Gewalt, wie es Stanley Kubrick in “Clockwork Orange“ gemacht hat, zuviel? Überschreitet das diese Grenze?

Curse: Nee, das glaube ich nicht, aber die Grenzen sind schwimmend. Das ist ja auch diese alte Diskussion: kann ich Rap-Musik verbieten, aber ein Computerspiel wie "Grand Theft Auto" nicht? Ist Rambo schuld? Oder ist Rap schuld? Ich glaube, du kannst gar keine richtige Antwort darauf finden, weil du sofort immer ein Gegenbeispiel findest. Wenn du mal wirklich ins Detail gehen willst – es ist ein medizinischer Fakt, dass unser Gehirn Dinge, die es optisch sieht, als wahre Information verarbeitet. Also wenn ich im Fernsehen sehe, wie jemand auf die Schnauze kriegt, bilden sich in meinem Gehirn bestimmte Verknüpfungen, so dass diese Handlung eine Möglichkeit in meinem Denken wird. Das bedeutet, wenn ich mir das tausend Mal angucke, festigt sich diese neuronale Verbindung in meinem Hirn immer mehr und es wird für mich immer wahrscheinlicher, dass jemand auf die Schnauze kriegt. Das ist ein Fakt, heißt aber noch lange nicht, dass ich jemandem auf die Schnauze haue. Trotzdem hat sich das in meinem Kopf rein chemisch verankert. Und jetzt kannst du mit Ethik herangehen: heißt das dann, dass wir das nicht im Fernsehen zeigen dürfen, weil wir die Menschen schützen müssen? Dann sagt der Nächste, dass sei ja keine Freiheit, weil man dem Menschen ja dann etwas vorschreibe. Der nächste sagt aber, in einer Gesellschaft, in der Menschen zusammenleben, muss es Regeln und Grenzen geben, sonst herrscht totale Anarchie und jeder hackt jeden kaputt. Und dann kommt wieder der Nächste und bringt das Gegenargument. Ich weiß die Antwort nicht.

rap.de: Wie ist das als Künstler mit der Freiheit? Ist man freier wenn man noch unbekannt ist oder ist man freier wenn man sich etabliert und eine feste Fanbase hat?

Curse: Ich kann das für mich so nicht in einen direkten Zusammenhang setzen. Als man angefangen hat Musik zu machen hat man sich natürlich in einem viel kleineren Kreis von Leuten bewegt, die einem Feedback geben. Damals gab es natürlich auch schon Konventionen, es gab Sachen die waren cool und es gab Sachen, die nicht cool waren und die man dann nicht gemacht hat. Ich glaube, dass ich anfangs viel unfreier war, weil ich glaubte, eine bestimmte Position einnehmen zu müssen. Das war dann auch gar nicht fake oder aufgesetzt, aber ich habe mich vielmehr in meinem Handeln von anderen Dingen beeinflussen lassen. Das tue ich heute natürlich immernoch auf gewisse Weise. Aber vielleicht von anderen Sachen, ich glaube nicht, dass das mit dem Bekanntheitsgrad in einem Zusammenhang steht. Du kannst es auch andersherum sehen und sagen, je bekannter du bist und je mehr Kohle du hast, desto freier bist du, da du nicht mehr wirtschaftlich abhängig bist. Aber wenn du am Anfang denkst, ich muss damit Kohle verdienen, machst du dich vielleicht viel weniger locker. Wenn du denkst etwas Bestimmtes darstellen zu müssen…

rap.de: (lacht) …darauf wollte ich eigentlich hinaus.

Curse: (lacht auch) Schön, dass ich da angekommen bin!

rap.de: Hat man nicht auch Angst, den Standard, den man erreicht hat, auch wieder zu verlieren? Ist diese Angst nicht vielleicht sogar größer, als wenn man gar nichts hat?

Curse: Klar, aber das ist dann wieder der nächste Aspekt. Wenn du etwas erreicht hast, willst du natürlich auch daran festhalten. Wenn du Geld verdient hast, willst du nicht mehr zurück zu „Ich verdiene kein Geld“. Ich für meinen Teil kann sagen, dass dadurch, dass ich in den letzten drei Jahren kein Album rausgebracht habe und auch nicht sonderlich viel Live unterwegs war, das Finanzielle für mich schon eine große Rolle gespielt hat. Ich hab mich gefragt „Bediene ich jetzt etwas und gehe das geringere Risiko ein? Oder gehe ich das Größere ein und hab dafür die Möglichkeit mehr zu gewinnen?“. Ich habe die Frage dann für mich beantwortet, aber es ist halt etwas, worüber man nachdenkt.

rap.de: Von was hast du in den drei Jahren gelebt?

Curse: Ich hab ja noch ein paar Sachen gemacht und bestimmte Sachen auch einfach runtergeschraubt. Bin nicht mehr E-Klasse gefahren,  sondern Focus oder Mégane.

rap.de: Wenn man an der Spitze ist, muss man natürlich auch ein dementsprechend großes Auto fahren, habe ich den Eindruck.

Curse: Jaaa, ist natürlich auch schön. Also ich fahre lieber E-Klasse als Smart. Auf der anderen Seite bin ich auch mal Ford Fiesta gefahren und es ging auch! (lacht)

rap.de: Du hast 2006 schon zwölf Tracks für dein nächstes Album geschrieben, die dann aber alle wieder verworfen. Warum?

Curse: Ich hatte das Album “Sinnflut“ gemacht. Und da gab es einige Tracks, die in der Session nicht fertig geworden sind. Ich produziere immer ziemlich viel Material und fange dann an auszuwählen. Manche Songs mache ich dann fertig, manche auch nicht. Das heißt dann aber nicht, dass die besser oder schlechter sind, sondern, dass es zu dem Zeitpunkt einfach nicht gepasst hat. Von diesen Songs habe ich dann ein paar  zuende produziert und auch ein paar neue gemacht, hab dann aber irgendwann aufgehört, weil ich das Gefühl hatte, ich würde gerade “Sinnflut Teil 2“ machen und das wäre der falsche Move gewesen. Stagnation ist immer der falsche Move. Da waren schon ein paar coole Songs drauf, aber das wäre ein Jahr später noch mal das gleiche in grün gewesen und das hat mir nicht genügt.

rap.de: Welche kommerziellen Erwartungen hast du heutzutage an deine Alben? Vielleicht musst du trotz deinem Album weiter Ford Fiesta fahren.

Curse: Ich glaube, die Kluft ist einfach viel größer geworden. Vor sechs, sieben Jahren gab es viele Leute, die in so einem mittleren Fahrwasser mitschwimmen konnten, ohne besonderes Talent oder Wagnisse konnten die relativ akzeptabel Platten verkaufen. Aber diese Mittelstufe ist einfach weg. Auf der einen Seite gibt es Rapper, die die ganze Zeit an der Grenze zum abkacken sind, auf der anderen Seite gibt es heute mehrere Rapper, die 150.000 bis 180.000 Alben verkaufen, das geht ja auch. Dieses bequeme Mittelwasser existiert heute nicht mehr, um dieses zu erreichen, musst du heute viel, viel härter arbeiten. Deswegen kann ich dir auch gar nicht sagen, was ich erwarte. Ich bin der Meinung, dass das was ich mache, von der Qualität, dem Inhalt und der Substanz verdient hat, mindestens 100.000 Alben zu verkaufen und einen Comet und Echo zu gewinnen. Aber ob das passiert? Das werden wir sehen. Es ist ja nun nicht so, dass ich sage, hier kommt mein Album, das verkauft 100.000 Units, also kaufe ich mir jetzt schon mal das Haus (lacht). Ich würde ja lügen, würde ich sagen, ich arbeite nicht für den Erfolg. Aber wie heißt es so schön: manchmal versagt der Konsument. Heißt, du hast alles richtig gemacht, aber dann versagt der Konsument (lacht).

rap.de: Wie bei Manuellsen, da hat auch der Konsument versagt.

Curse: Habe ich gestern gehört, er hat gestern angekündigt, dass er aufhört, oder? Und weswegen? Wegen den Fans?

rap.de: Wegen dir und dir und dir (lacht). Und wegen den Myspacehuren, die sollen seine Beziehung gefickt haben nicht nur die, sondern auch ihn natürlich.

Curse: Aber mal im Ernst: Das ist doch genau das, wovon ich gerade gesprochen habe. Du kannst einfach heutzutage auf einem bestimmten Level sein und trotzdem nur 500 Platten verkaufen. Und um dann 5000 zu verkaufen, musst du meiner Meinung nach so exorbitant viel Geld investieren, das ist ein wahnsinniger Schritt.

rap.de: Ist das auch der Grund dafür, dass ein Label wie Optik Records zu macht?

Curse: Ich kann dir nichts zu Optik Records sagen. Ich mit meinem Independent Label werde in der Konstellation, in der das alles existiert, bestimmt keine physischen Tonträger mehr rausbringen. Es bringt halt nichts mehr.

rap.de: Was wird stattdessen passieren?

Curse: Das weiß ich nicht. Ich glaube, dass die großen Plattenfirmen früher oder später auch von diesem Ding wegkommen und zu Marketing und Promotion-Konzernen werden. Es wird denke ich alles auf Internetplattformen hinauslaufen. Die Plattenfirmen bieten ja heute auch schon 360-Deals an. Das heißt, sie bringen nicht nur deine Platte raus, sondern beteiligen sich auch am Merchandising und am Tourgeschäft. Da nimmt der Künstler als Gesamtprodukt dann einen viel höheren Stellenwert ein. Da gibt es auch sehr interessante Modelle, die Leute nutzen, um ihre Musik im Internet zu vertreiben. Teilweise auch umsonst, trotzdem verdienen die damit Geld: über Werbung, Clubmitgliedschaft oder ich nenne es mal Spenden. Da gibt es sehr interessante Sachen und ein, zwei Modelle guck ich mir auch gerade an und könnte mir vorstellen, dass in Zukunft vielleicht selber mal so zu machen, weil es einfach auch spannend und zeitgemäß ist.

rap.de: Azad hat das glaub ich so gemacht, dass da so mehr oder weniger ein Club ist, dessen Mitglieder im Endeffekt sämtliche Informationen bekommen bevor Andere sie bekommen und es gibt spezielle Konzerte

Curse: Das hat er bei 3p gelernt, da gab es den 3p-Supproterclub und da war es genauso, dass du einfach die ganzen Alben mit Special-T-Shirts bekommen hast und dann gab es dort so Parties, da konntest du dann mit deiner Clubkarte rein. Was ja eigentlich geil ist, weil es eine geile Fanbindung ist. Aber was ich meine ist, wirklich den Vertrieb deiner Musik über diese Medium, dass du sagst: Ok, bei iTunes kostet der Track dann 90 Cent und bei mir gibt es eine Webseite, wo du dir dann die Songs umsonst runterladen kannst. Da kannst du dann also spenden, wie bei Radiohead. Wenn dir das Album einen Cent wert ist, dann steht da „Bitte geben deinen Betrag ein“ und da gibst du dann einen Cent ein. Da gibt es dann viele Leute, die tragen einen Cent ein, aber auch genauso viele tragen dann auch fünf Euro ein.

rap.de: Bei Radiohead hat das aber nicht so super funktioniert.

Curse: Laut Aussage Radioheads haben sie mehr Geld mit dem Album-Umsatz als mit allen Radiohead-Alben zusammen gemacht.

rap.de: Wirklich? Ich habe gehört, dass nur 60% der Leute überhaupt was gegeben haben.

Curse: Ja natürlich, 60% der Leute haben was gegeben, aber akkumuliert am Ende des Tages, also der Betrag der raus kam, das war mehr. Ich halte auch 60% schon hoch geschätzt, ich würde fast sagen, dass 80% jeweils nur einen Cent gezahlt haben. Aber dafür eliminierst du den Vertrieb, dafür eliminierst du Sachen, die dazu gehören und einfach Geld kosten und du ziehst Leute auf deine Homepage, was bedeutet, dass du Traffic bekommst. Traffic kannst du an Werbung koppeln, Traffic bedeutet auch direct-mailing, Traffic bedeutet auch direct-access zu den Leuten, du kannst denen dann wieder deine Tour verkaufen oder auf deinen Merchandise aufmerksam machen. Also, ich finde es schon interessant. 

rap.de: Ja für einen großen Künstler ist es interessant, Prince funktioniert so seit Jahren, aber das Problem, was ich sehe, ist der Aufbau der Künstler.

Curse: Das ist richtig.   Das, denke ich, wird nach wie vor von Firmen und Konzernen übernommen, sei es independent oder Major, die über diese Tools genügend wissen oder schon verfügen..

rap.de: Warum? Inwiefern verfügen die über diese Netzwerke?

Curse: Na ja, bei SonyBMG.com hast du wahrscheinlich mehr Klicks, als wenn du Tomatensalat.de hast, weil du eine andere Aufmerksamkeit hast.

rap.de: Aber gerade diese Onlineabteilungen schwimmen wahnsinnig, was die Präsenz in Foren angeht, was die Präsenz bei Myspace angeht.

Curse: .. und das ist das, was den Leuten das Genick brechen wird.

rap.de: Da haben die eben keine Strukturen, im Gegensatz zu irgendwelchen Internet-Nerds, die in jedem Forum angemeldet sind mit fünf Aliasen. Die sind da besser strukturiert.

Curse: Dann werden die es wahrscheinlich, die die SonyBMGs von übermorgen werden.

rap.de: Ok, aber das sind dann keine Majors.

Curse: Ja ne, heute nicht. Aber das ist wie mit Starbucks: damals war es ein kleiner Coffeeshop in was weiß ich wo und auf einmal ist es ein weltweiter Konzern. Im Endeffekt wird sich natürlich der durchsetzen, der am innovativsten und schlausten dieses Medium zu nutzen weiß, da bin ich mir ganz sicher. Wer das am Ende sein wird, das weiß ich nicht. Die großen Firmen, die auch über große Beträge verfügen, haben natürlich auch, wenn sie schlau sind, das Geld um sich Leute zu holen, die das für sie übernehmen, jedoch nur, wenn sie schlau sind. Ich denke es wird trotzdem weiterhin übergeordnete Plattformen geben für genau so etwas, für Nachwuchskünstler, weil ich jeden Tag ungefähr 35 Mails bekomme, von wegen: „Hör dir mal meine Demo an!“. Ich höre sie mir meistens nicht an, weil wirklich so viel Schwachsinn dabei ist und das auch alles Zeit kostet, das geht halt nicht. Wenn der Götz oder der Falk mir aber eine Nachricht schicken und sagen: „Hör die mal den Typen an!“ Dann hör ich mir das an und darum glaube ich, das es immer weiter geht. Über irgendwelche Netzwerke, Strukturen, irgendwie wird das weiter laufen. Aber wer das sein wird, wer da später sitzt? Keine Ahnung!

rap.de: Ok, dann versuchen wir jetzt den Bogen wieder zurück zu deiner Musik zu kriegen. Du hast auf der normalen Version von deinem Album keine Rap-Features drauf, warum ist das so?

Curse: Die Platte beschäftigt sich inhaltlich extrem wenig mit Rap, also gibt es keine Songs wo es um Rap geht. Da wird nicht über das Rappen gerappt, sondern über andere Sachen. Es gibt ja zwei Sorten von Features: du hast entweder ein Thema und denkst, jemand anders kann vielleicht etwas dazu beitragen, aber irgendwie war ich auf der Platte so egoistisch zu sagen, ne wenn ich ein Thema habe, dann da kann ich genug selber zu beitragen.  Die andere Art von Rap-Feature ist, wenn du sagst, du willst dich auf gewisse Weise vergleichen oder du willst irgendwie ein Statement machen mit einem anderen MC gemeinsam.  Wenn ich mit Samy Deluxe einen Track wie „Broken Language“ mache, dann geht es natürlich um Flow und wenn ich mit Tone auf Doubletime rappe, dann geht es natürlich um Skills. Aber das war nicht mein Ansatz bei diesem Album. Es war kein Thema für mich dieses Mal einfach „nur“ Skills, Battle, und Vergleiche.  Deswegen hat sich das auch nicht angeboten, und es war einfach nicht meine Absicht mich in irgendeine Beziehung zu irgendjemand anderem zu stellen, was Rap angeht. Diesmal nicht.

rap.de: Du hast ein Track auf deinem Album namens „Lila“. Worum geht es in diesem Lied und wie bist du darauf gekommen?

Curse: In „Lila“ geht es um einen Mädchen, das auf  Grund schlechter Erfahrungen sehr früh auf einen schwierigen Weg kommt.  Die Dinge, die ihr passieren, zerstören Ihr Selbstwertgefühl und lassen sie denken, dass sie ihr Leben nicht selber lenken kann.  Im Laufe des Songs  kippt bei ihr dann irgendein psychischer Schalter um, und es passiert etwas, dass ich hier nicht wirklich erleutern kann ohne den Schockeffekt zu zerstören… Aber dieser Song basiert auf Begebenheiten, wie wir alle sie in letzter Zeit im Fernsehen sehen und mitbekommen. Ganz am Anfang der Idee stand eine Geschichte, die mir auf Sri Lanka erzählt wurde: die dortigen Elefantentrainer legen einem Babyelefanten eine schwere Stahlkette um den Fuß und binden sie an eine Betonwand, so dass das Tier nicht weg kann. Je älter der Elefant wird, desto kleiner wird aber die Kette, so dass sie am Ende den Elefanten so trainiert haben, dass sie ihn nur noch mit einem losen Seil und einem Stock, den sie in den Boden stecken, festbinden und der Elefant wird nicht weg laufen!  Um in herum kann der Wald brennen, aber er bleibt stehen, weil er gelernt hat, dass er nicht weg kann, wenn er etwas an seinem Bein hat. Das war für mich ein ganz krasses Bild für Konditionierung und dafür, wie wir alle schon durch unsere Kindheitserlebnisse oder ähnliches auf einer Fährte eingefahren sind,und wie schwer es ist, sich davon zu lösen.  Dem Mädchen passieren viele Dinge, doch sie hat immer die Möglichkeit, zu entscheiden was sie tut um aus der Situation herraus zu kommen, aber sie glaubt nicht, dass sie es kann. Der Song ist eine versuchte, eine mögliche, und vielleicht auch eine von vielen Antworten auf die Frage, was Menschen zu solchen Taten bringt.

rap.de: Glaubst du, dass du damit auf Kritik stoßen wirst? In den Boulevard-Medien wurde diese Person immer eher als Monster dargestellt, während du sie sehr menschlich zeichnest.

Curse:  Wenn ich aus diesem Grund Kritik bekomme… Naja.  Wir sind nun mal alle Menschen und es gibt keine Monster. Ich denke es gibt Menschen, die extremer sind als andere, aber am Ende des Tages sind wir alle Menschen und jeder hat seine Erlebnisse und Ängste, die ihn zu irgendwas gebracht haben. Das ist natürlich keine Entschuldigung dafür dass jemand jemanden umbringt, aber darum geht es in dem Song ja auch nicht.

rap.de: Was wäre in deinen Augen eine angemessene „Strafe“ für eine derartige Tat?

Curse: Wenn es diese Person genau so wie in diesem Song geben würde, würde sie auf jeden Fall ganz schnell in eine geschlossene Anstalt gehören. Diese Person hat wirklich eine psychische Störung, das ist ganz klar, und da muss man dann behandeln.

rap.de: Du warst ja immer jemand, der in seiner Musik verschiedene Dinge angesprochen und sich dazu dann auch Gedanken gemacht hat. Wie beurteilst du Künstler, die sich jetzt beispielsweise nur auf dieses Gangsterrap-Ding beschränken und hauptsächlich selbst darstellen?

Curse: Selbst darstellen tun wir uns ja alle als Künstler, das ist schon mal nichts Verwerfliches. Du hast mich gefragt, wie ich solche Leute beurteile: das kommt immer auf den Künstler an. Es gibt einige, die das auf eine interessante Art machen und wo man sagen kann, dass da gewisse Faktoren einfach stimmen, und es gibt Leute, die machen das auf eine derbe und plumpe Art und Weise, wo überhaupt keine Kunst dahinter ist. Die können nichts, sind einfach krass, weil sie genau wissen, dass sie nichts können, und wollen dann dadurch auffallen. So etwas hat für mich dann ganz klar keinen künstlerischen Wert, das ist dann „Boulevard-Musik“. Aber mein Hauptpunkt, warum es mir schwer fällt, diese Musik dann zu beurteilen, ist, dass ich sie mir nicht anhöre. Ich gucke auch keine Filme, die ich schlecht finde. Genau so wie ich nicht ins Kino gehe, um mir schlechte Filme anzuschauen, tue ich auch keine Musik in den CD-Player, die ich schlecht finde, und lese auch kein schlechtes Buch. Ich kann damit  einfach nichts anfangen, das sagt mir nichts und langweilt mich nach einer Minute, weil sich auch so wahnsinnig viel wiederholt. Ich glaube, es gibt ein paar Leute, die in diesem Genre raus stechen, die zwar Dinge machen, die man gut oder schlecht finden kann, wo man aber zumindest sagen kann, dass es etwas Einzigartiges oder Interessantes ist.

rap.de: Zum Beispiel wer?

Curse: Ihr immer mit eueren Namen! Es ist ja unabstreitbar, dass sido mit dem, wie er sich darstellt und was er macht, schon einen gewissen Flavour hat. Da kannst du sagen, dass du es geil oder scheiße findest, aber es hat auf jeden Fall was. Das ist auch Popmusik und Entertainment und das gucke ich mir dann an und finde es interessant, unabhängig davon, ob ich es gut oder schlecht finde. Andererseits gibt es dann Hunderttausende auf Youtube, wenn du dich da mal so ein bisschen durchklickst, die Rapmusik machen und wo du ein Lied über das andere legen könntest. Die Videos und Typen sehen alle gleich aus, die Texte sind gleich, die gesamte Musik klingt gleich – das muss ich mir dann nicht alles anhören. Ich finde es einfach interessant wenn Leute kommen, die irgendwas Anderes, Frisches machen. Man muss es ja auch nicht unbedingt geil finden, wie K.I.Z. zum Beispiel. Für mich sind das keine derben Rapper, aber die haben einen frischen Ansatz und bringen inhaltlich und humoristisch neue Dimensionen. Einerseits sagen die, dass sie mich nicht mögen, andererseits kann ich ihnen Props dafür geben was sie tun und da bin ich mir dann auch nicht zu cool dafür. Ich habe Maxim in MySpace geschrieben, dass ich ihr neues Album cool finde. Er meinte dann so „Ja, krass, hätte ich jetzt nicht gedacht“. Oder zum Beispiel Prinz Pi, der ja auch so ein Ding hat, in dem er sich über mich lustig macht: ich finde auch nicht, dass er so ein guter Rapper ist, aber prinzipiell finde ich das, was er macht, frisch. Da merkt man, dass der intelligent ist, sich Gedanken macht und Konzepte hat, gerade beim „Donnerwetter“-Album mit dem Hörspiel.  Allein dafür, für diese Kreativität, das sich aus Konventionen lösen und was eigenes zu machen, gebe ich diesen Leuten Respekt und das finde ich interessant.  Trotzdem bin ich einfach nicht masochistisch genug, um mir Musik, wo über mich gelästert wird, länger anzuhören (lacht).

rap.de: Gut, dann wären wir auch am Schluss und bedanken uns.