Rückblick 2007


Nichtobjektiver Umriss


Vom Anfang des Jahres an, hat mich persönlich ein Album, ein Rap-Duo bis zum Ende des selbigen hin konsequent beherrscht. Wenig Zeit verging, ohne dass in irgendeinem Abspielgerät "Hang zur Dramatik" von Morlockk Dilemma und V-Mann dudelte. Angesichts dessen, messe ich diesem Album und den zwei absolut wahnsinnigen MCs einen wesentlichen Wert bei, was mich dazu animiert, sie hier vornan zu nennen. Die Künstler des Jahres, neben Animus, der sich mit seinem zweiten Mixtape "Der Kugelschreiber Teil 2“ im Vergleich zu seinem ersten noch einmal steigerte. Man beachte außerdem "Omnipotenz in D-Moll“, Dilemmas neues Werk, angesagt für den Februar 2008, sowie seinen exklusiven Beitrag auf rap.de zum diesjährigen, etwas schwächelnden Feuer Über Deutschland Battle-Turnier.



Auch der Kollege Mike Fiction, neuerdings bei Snuffpro residierend seit 2007, überraschte mit seinem Solo-Debut "Dreckiges Deutsch“ (Hört sein rap.de Exklusiv). Unglaublich wie dieser Rapper seine Emotionen, vor allem Aggressionen, phonetisch umsetzt. Als Schauspieler verdient er ebenso Respekt, bevor ich ihn als Rapper kannte, sah ich ihn unvoreingenommen in der Hauptrolle des Films Wholetrain, von dem KRS One sagte, es sei der Beste Graffiti-Film der jemals gemacht wurde.
Erfreulich war das gerettete splash! 2007, welches trotz neuem Standort, also etwas Traditionsverlust, sehr erfolgreich war. Man erinnere sich an unvergessliche Performances von Snoop Dogg, Redman, Papoose, Kool Savas, Olli Banjo, der ohnehin immer die geilste Lifeshow hat, K.I.Z, Nico Suave, Toni L & Safarisounds und vielen mehr. Selbst die alten Herren des deutschen Raps, La Familia und Freundeskreis, konnten ihre historische Bedeutung, die das Festival mittlerweile auch inne hat, mit ihren Auftritten rechtfertigen.



Die Veranstaltung war sogar so erfolgreich, dass es eine beachtliche ebenso erfolgreiche Winteredition des Festivals in Amsterdam gab und, dass für nächstes Jahr schon hochkarätige Künstler zugesagt haben, um auf der Halbinsel Pouch mit den Fans Hip-Hop zu zelebrieren. Bald wird es sogar eine Dokumentation über diese wichtige Veranstaltung geben.
Der Herbst war heiß und es gab jede Menge Output, der an dieser Stelle noch mal Erwähnung findet: Kool Savas, "Tod Oder Lebendig" – daran scheiden sich die Geister, auch ich. Trotzdem eine tolle Platte neben dem enttäuschenden Album von Ercandize und dem kürzlich veröffentlichten Mixtape von Amar. Azad, "Blockschrift" –  gilt bei vielen als überbewertet. Wu-Tang Clan, "8 Diagrams" – Dieses Album kann ich guten Gewissens wie mein Redaktionskollege Stefan, als gelungenes Comeback bezeichnen! Pharoahe Monch, "Desire" – großartige Scheibe, bei seinem Auftritt in Berlin im Kreuzberger Festsaal, spürte man unglaublich viel Energie auf der Bühne, sowie sein immenses Charisma hinter den Kulissen. M.O.R., "Simply The Best" – ebenfalls eine gelungenes Comeback, der etwas live-müden Berliner Rapveteranen. Nico Suave, "Suave and Friends" – Damit hat er sich selbst übertroffen und auch um Längen sein letztes Soloalbum "Mit Liebe Gemacht“. Olli Banjo, "Lifeshow" – Geht nach vorn aber kein ewig rotierender Klassiker, man warte gespannt auf das Remixalbum. Snaga & Pillath, "Aus Liebe Zum Spiel" – Ein Brett durch und durch, bis jetzt deren beste Veröffentlichung mit Charakter! Reno und Germany – "Zu Schön Um Wahr Zu Sein“ und "Die Stunde der Wahrheit“ sind schöne Platten, damit beweisen sie, dass sie es gemeinsam und genau so gut alleine drauf haben.

dd
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Der Dicke Hund!

Der richtig dicke Hund kam wie so oft am Ende des Jahres: Während mich die Rücktrittsankündigungen von Separate und Eko Fresh weniger emotional berührten, nahm mich Marcus Staigers Ankündigung, das Label Royalbunker zu schließen doch mit. Irgendwie. Rap aus dem Bunker ist immer schon weit mehr gewesen als Rap und steht auch für ein Lebensgefühl. Es war übrigens auch Marcus Staiger, der uns einen Flächenbrand brachte, der schon seit zwei Jahren schwelte: KIZ. Sie brachten es zu wohlverdienter Bekanntheit und Popularität und beschäftigten die Redaktion mit diversen Schlagzeilen zu ihrem illegalen Konzert in Berlin, ihrem Charteinstieg oder ihrer Zensur. Sil-Yan und Maxim überzeugten auch im Interview, lesen empfehlenswert.

Das in den letzten Jahren totgesagte Berlin trat aber auch 2007 mit einigen für mich überdurchschnittlichen Alben wie denen von Godsilla, Sera Finale oder Mach One & Darn und Imbiss Bronko in Erscheinung. Andere Alben, die mich nach Feierabend auch noch privat  auf den Kopfhörern durch den Alltag begleiteten durften, waren „American Gangster“ (Jay-Z), „Mach Et einfach“ (Icke & Er), „Desire“ (Pharaohe Monch), "Graduation" (Kanye West), „Base Ventura“ (Marteria) und "Radio Blood Money" (Le Peuble de L’herbe), um nur einige zu nennen. 

2007 bescherte zwar die ein oder andere Enttäuschung, weder Azad noch Kool Savas, weder die Spezializtz noch MOR konnten die hoch gesetzten Erwartungen erfüllen, dafür überraschten und überzeugten zum Beispiel Mädness, Morlock Dilemma und Ali As um so mehr.

Dieser wunderbare Job bei rap.de gibt mir die Chance hier und da eine etwas tieferen Einblick zu bekommen, als das den meisten Rap Fans möglich ist und dabei viele nette, witzige und beeindruckende Menschen kennen zu lernen. Eines der Interview-Highlights dieses Jahres war für mich Ja Rule, den ich einige Minuten am Telefon hatte. Bringen wir 2007 also mit einer kleinen Interview Ankedote zu Ende: Der gute Mann verstand meinen Namen nicht, obwohl er mehrmals nachfragte und nannte mich das Gespräch über nur noch "Honey" und "Baby". Charmant!

Am Ende des Jahres wird man gerne ein wenig sentimental und so sehr ich es auch leid bin, mich dafür „zu rechtfertigen“, dass ich „als Frau Sido gut finden kann“, Images zu diskutieren und vor allem deutschen Rap „verteidigen zu müssen“ , so gehe ich trotzdem fest davon aus, dass Rap mir auch 2008 wieder zurückgibt, was all diese Diskussionen wieder sinnvoll werden lässt: Amüsante, bewegende und technisch ausgereifte Musik. Gute Musik.

Nora

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 Newcomer Releases 2007

Auch dieses Jahr konnten sich einige Rapper, Crews und Bands einen Namen machen, wenn auch nur einen „kleinen“ und auch wenn es noch ein weiter Weg an die Spitze der Rapwelt ist. Sie fanden Erwähnung bei uns und somit auf eine der größten deutschsprachigen Internet Portalen und gewannen somit auch etwas an Bekanntheit dazu.
Sicherlich sorgten einige der Veröffentlichung für etwas Aufregung auf rap.de, doch überwiegend nur in Form von Kommentaren, die User hinterlassen haben:

Sie veröffentlichten im November 2007 über das Label „Kopfhörer Recordings“ ihre EP „Ryoma“. Die Rede ist von dem Rapper Ryo und dem Beatbastler Algorhytmiker die zusammen das Duo Ryoma bilden. Ihr Sound wird in unserer Review als sehr abwechslungsreich und gutklingend bezeichnet. „Ryoma gelingt es, einen facettenreichen Sound zu kreieren, der mit dem gefühlvollen Inhalt im Einklang steht.“
Zur rap.de Review
www.myspace.com/ryomamusic
www.kopfhoerer-rec.de

The Jazoburbs aus Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) sind ein Produzententeam, das in diesem Jahr ein Album veröffentlicht hat. Es heißt “Weight Of Soul” und liefert genau das, was der Titel verspricht: Rap mit Soul! Tweak Sensei und Efalive (The Jazoburbs), die bereits seit 2002 zusammen arbeiten, veröffentlichten ein Album auf dem sie dicke Unterstützung von unter anderem Riddlore (Project Blowed) und LMNO (Visionaries) bekammen.
Zur rap.de Review
http://www.myspace.com/thejazoburbs

Als „Einzelkind“ bezeichnet sich der Bremer Montana Max, der mit seinem Album „Einzelkind“ im Jahre 2007 auch bei rap.de Erwähnung gefunden hat. Zwar ist die Review nicht ganz so gut ausgefallen, wie es sich Max oder sein Label 203 Records gewünscht hätten, doch kann sie sich das Album und die Review trotz alle dem sehen lassen.
Zur rap.de Review
www.203records.com

rap.de berichtet nicht nur über Newcomer in Deutschland, auch findet ab und zu mal ein Silberling eines Newcomers aus Österreich oder der Schweiz den Weg in unsere Redaktion. So zum Beispiel bekamen wir im März 2007 die CD von Mek MC. Der aus Kärnten, Österreich stammende Producer, Rapper und Songwriter lieferte sein Werk „Es Wird Zeit Für Metanoia“ ab und schickte einen Gewissen Anspruch an das Werk voraus – bei so einem ehrfürchtigen Titel.
Zur rap.de Review
www.mekmc.com

Manchmal finden Newcomer CDs den Weg in unsere Redaktion, die alleine schon durch ihren Titel oder gar den Namen auffallen. Entweder fallen sie durch übertriebenes Waffengepose, schlechter Grafik oder einfach durch ihre lustigen Namen auf. Letzters bescherte uns das Album von Nic Knatterton & Johanna, dessen Titel „Knatterton Goes Popmusik“ schon eher dazu verleitete, die CD nicht 100 %ig ernst zu nehmen. Doch ganz anders kam es dann in der CD Bewertung.
Zur rap.de Review
http://www.nic-knatterton.de
http://www.myspace.com/nicknatterton

 
Ein Album mit dem Namen „Wer Schweigt, Gibt Recht“ mit Aussagen, schlauen Texten und philosophischen Ansätzen brachte Audio88 über Himalaya Pop raus. Er zeigte auf mehr oder weniger beeindruckenden Weise, wie man Rap Musik „noch“ verstehen, bzw. missverstehen kann.
Zur rap.de Review
http://www.myspace.com/audioachtacht

Aus Hamburg City erreichte uns ein Labelsampler der den klangvollen Namen „Die Gesellschaft der Schwarzen Raben – Rabenmukke Vol.1“ trägt. Das im Stadtteil Hamburg-Ost ansässige Label Jentown Crhyme und deren Künstler Karim, Caine, Secret, Mag, Simon und Bonez MC zeigten ihre Stadt von einer eher unbekannten Seite.
Zur rap.de Review
http://www.jentown-crhyme.de/
http://www.myspace.com/jentowncrhymeofficial

Einen sehr mutigen und gewagten Titel trug eine 10 Tracks starke EP von Panik & Koljah. Sie nannte sich „Mut Zur Blamage“ und erschien über pogo productions. Die beiden sehr sympathisch wirkenden Jungs Panik & Koljah haben einen Drang zur Selbstironie und hatten dadurch bei ihrer Review und unserem Redakteur schon ein „Stein im Brett“.
Zur rap.de Review
http://www.panik-panzer.de/

Aus Berlin und aus dem Hause 80Hz Records kam Anfang 2007 eine Scheibe in unser Haus geflattert, die auf einem hohen Level produziert wurde. Doc Sun & Skize One mit ihrem 18 Track starken Streetalbum “Die Welt Ist Nicht Genug” konnte durch eine Vielfalt an Styles überzeugen. Von Party- über Story- bis hin zu nachdenklichen Tracks war alles auf der Scheibe vertreten.
Zur rap.de Review
http://www.80hz-records.de
http://www.myspace.com/skizeonemusic



Olli

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Das Jahr des 50 Cent oder: Utopia 2008

Es sollte das Jahr des Megastars 50 Cent werden. Nun, im Grunde war es dies auch, nur weiß man nicht, ob dieser Erfolg auch bei ihm einen schalen Nachgeschmack zu hinterlassen beginnt. Wenn man die Nachrichten und den Trubel verfolgt, der um die Personalie Curtis Jackson herum generiert wird, macht sich dieser nach Verderben schmeckende Nachgeschmack selbst beim Beobachter breit.
Zugegeben, es ist schwierig in einem Musikgenre, in dem Wahrhaftigkeit so ziemlich allem untergeordnet wird, kommerzielle Erfolge zu feiern. Denn was passiert als erstes, wenn man Erfolg, Geld und Macht anfängt anzuhäufen? Man will mehr davon, vollkommen menschlich. Was aber, wenn das komplizierte Gefüge aus Artist, Plattenfirma und Publikum irgendwie nicht mehr im vernünftigen, nachvollziehbaren Verhältnis zueinander steht und Wahrhaftigkeit und das Mehr an Geld und Erfolg, das sich der Artist wünscht, nicht mehr miteinander in Einklang zu bringen sind? Dann sieht man sich in 50 Cents Lage.Vielleicht war er noch nie der talentierteste Rapper, aber was man ihm hoch anrechnen muss: er hat dem Musikgenre Hip Hop Hits und damit eine neue Ära des Fames eingebracht. Für Hits hat er ein Händchen, das war nach „In Da Club“, „P.I.M.P.“ und „Candyshop“ sowieso klar. Aber was verpasst wurde, ist vielleicht unverzeihbar und bringt die ganze Szene an den Rand der Verzweiflung: die Anknüpfung an diese Erfolge, um eine neue Ausdrucksform des Hip Hop, den Hip Hop des 21. Jahrhunderts sozusagen, zu etablieren. Und das kann man nicht 50 alleine anlasten, er war und ist überhaupt nicht  fähig, das alleine zu Stande zu bringen, aber er hat eine fatale Entwicklung mitgetragen und war ein Teil davon.

Die Fehlentwicklung besteht (und bestand auch schon seit Jahren) darin, dass versucht wurde, dem geneigten und zum Teil einfach auch unwissenden Publikum eine Art Hip Hop light oder wie es auch schon in einschlägigen Kreisen heißt, Hip Pop oder Gangsta Pop schmackhaft zu machen, was denn auch zum Teil gelingt, was die kurzfristigen Verkaufszahlen von „Curtis“, dem letzten im September erschienenen Longplayer 50 Cents, bewiesen. Aber eben nur kurzfristig. Und Verkaufszahlen sind ein sehr schlechtes Indiz für Qualität und die schon erwähnte Wahrhaftigkeit respektive Realness. Immer mehr wird mit Ablehnung auf die Arroganz reagiert, mit der 50 Cent immer öfter in den Medien auftaucht, angefangen mit seiner zweifelhaften Wette um Verkaufszahlen, die er dann auch noch gegen den (zumindest in den Staaten) erfolgreicheren Kanye West verloren geben musste. Realness, das heißt die Treue gegenüber den Prinzipien, die Hip Hop Künstler seit jeher vorzuleben versucht haben. Eines dieser Prinzipien ist, die Musik und die Inhalte, die diese transportieren soll, nicht für Geld zu kompromittieren und diesen Schritt hat Curtis Jackson getan. Nicht als erster, sicher, aber dafür mit der größten Tiefenwirkung. Diese Treulosigkeit merkt man der Musik an und diese Kompromissmusik, die Verwässerung dessen, was eigentlich mal Rapmusik war, ist als Einzelprodukt nicht vermittelbar – nicht für die Hip Hop Fanbase und auch nicht für den Mainstream, also wird dieses Produkt auch noch mit allen möglichen Nebensächlichkeiten, die hier zur Essenz der Verkaufsstrategie gehören, unterfüttert. Fifty, der Gangsta aus dem Ghetto, Ex-Drogendealer und neunmal angeschossen. Das Gangsta-Image war perfekt! Und neben ihm singt nun Goldkehlchen Timberlake in pseudofrivoler Manier „She wants it!“ und im Video stellen die beiden heißen Frauen nach, die sich selbstverständlich gerade bis auf die sexy Unterwäsche entkleiden. Zweiter Aufhänger der Strategie: Sex.

Mag sein, dass es den Majorlabels schlecht geht, nicht zu leugnen, dass die Internetpiraterie ein ernstes Problem ist, auf die Antworten gefunden werden müssen. Aber ist das die Antwort? Sex sells, Gangsta sells. Wo bleibt die Musik?
Längst wird dagegen gearbeitet. Die Indie-Szene, die auch in der Hip Hop Musik schon immer recht groß war, rüstet sich, um abseits von Images und Verkaufsstrategien zu versuchen, die in ihren Augen wahre Musik zu machen und diese auch an den Mann und die Frau zu bringen – und das mit erheblichem Aufwand und Selbstrisiko, was nur eine ausgeprägte Liebe zu dieser Musik rechtfertigen kann. Viele von ihnen sind Teil der Undergroundbewegung, die sich von der Ostküste über den ganzen Kontinent zur Westcoast erstreckt und sie sind sich einig –  ich hatte die Gelegenheit mit ein paar von ihnen zu sprechen – , dass die Musik in den kommenden Jahren nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie auch wieder Inhalte hat. Echte Themen, Themen die mitreißen, mit denen man sich identifizieren kann und in kein Gangter-Disneyland entführt wird. Vielleicht wird diese Erkenntnis auch in Bälde mal in die Führungsetagen der Labels einsickern und zum Umdenken zwingen – die 2007 erneut gesunkenen Plattenverkäufe sollten mehr als alarmierend sein. Man kann nicht alles dem Internet anlasten, es wurde auch einfach falsch reagiert, fast schon panisch und auf Sicherheit bedacht. Es werden nur noch Acts gesignt, die wenig bis nichts zu sagen haben und bloß nichts Neues, Anstößiges an sich haben dürfen, es sei denn, sie haben vorher über MySpace oder ähnliches bewiesen, dass das was sie repräsentieren, mehrheitsfähig ist. Man könnte jetzt zur großen Kapitalismuskritik ausholen, das würde hier zu weit führen, aber klar ist, dass auch bei Plattenfirmen alles den Zielen Gewinnmaximierung und Zufriedenstellen der Aktionäre untergeordnet wird. Das geht nicht zusammen mit der ursprünglichen Aufgabe eines Labels, nämlich eine Art  Bindeglied zwischen dem Act und dem Publikum zu sein. Am Ende ist man geneigt zu sagen, Musik aus Liebe zur Musik zu machen und dabei Geld zu verdienen, ist unmöglich – wenn es doch passiert, ist es Zufall und ganz viel Glück.

Im Fall 50 Cent war es nur anfangs so, aber um den Status Quo zu halten, waren oben genannte Strategien nötig und eine eigentlich nicht hinnehmbare Verdummung seiner Musik. Jetzt steht er ziemlich einsam da. Fast schon als tragische Figur muss man ihn dieser Tage wahrnehmen – der letzte verbliebene Superstar des Raps, geschasst von der eigenen Zunft. Von allen Seiten prasseln Vorwürfe auf ihn nieder, wird er öffentlich diffamiert, etwa vom Wu-Tang Clan, der sich 2007 wie ganz nebenbei auf die Agenda setzte, um gewissermaßen die Ehre und die alte Straßenattitüde des Hip Hop zu retten, und das mit gar nicht wenig Erfolg – ein Hoffnungsschimmer. Fiddy ist auf jeden Fall der Buhmann der Stunde und zeigt sich zudem mehr und mehr der Realität entrückt, wie neulich, als er sich schuljungenhaft in Belgrad beim (mutmaßlichen) Koksen erwischen ließ und genervt ein Interview geben musste, obwohl er wohl am liebsten den Kameramann zu Brei geschlagen hätte. Oder beim Interview in der aktuellen Ausgabe der Juice (01/08), wo er alles andere als sympathisch rüberkommt und trotzig der Technologie die Schuld an den schlechten Plattenverkaufszahlen gibt und – natürlich –  nicht die Spur einer Idee der Lösung anbieten kann.
Was man sich für 2008 nur wünschen kann, ist ein emanzipierteres Publikum, das sich darüber im Klaren ist, was es will. Ob es weiterhin unmündig Scheinwelten kauft oder ob es ihm um die Musik geht. Und es braucht Medien, die diese Stimmung klar wiedergeben, sich weniger für Promotionzwecken einbinden lassen und objektiv darüber berichten, was in der Hip Hop Welt und der Musikwelt allgemein vor sich geht und wo sich kulturell wirklich etwas bewegt. Willkommen in Utopia.

Stefan

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