Keyza Soze, der Mitte dieses Jahres ein Produzentenalbum der Güteklasse A ablieferte, mit durchweg hochkarätigen deutschen Rappern, ist der Meinung, dass man in Deutschland kein Talent haben muss, um erfolgreich zu sein. Die Falschen haben unbegründet Erfolg, und diejenigen, die es verdient hätten im Mittelpunkt zu stehen, werden nicht gesehen. Er distanziert sich bewusst vom allgemeinen Rap- und Medienzirkus und fährt konsequent seit Mitte der Neunziger seine eigene Schiene, mit einem kritischen Blick auf die Szene, und dem Drang eigenes zu schaffen. Mal sehen was er als nächstes vor hat, und welches Gerät nutzt der gute Mann eigentlich zum Produzieren?
rap.de: Stell dich doch erstmal vor, für alle die dich nicht kennen sollten.
Keyza Soze: Mein Name ist Keyza Soze aus West Berlin. Mehr muss man nicht wissen.
rap.de: Wie lange produzierst du schon und hattest du besondere Einflüsse damals?
Keyza Soze: Ich habe so ca. 1997 angefangen, mit meinem Homey Case Dogg von Tha Couzinz Musik zu machen. Case hatte schon mit 15 einen Computer mit Music Maker 1.0, Mixer und Mic. Das ganze basierte auf Samples und ich hatte nie wirklich Spaß dabei. Ich wollte immer eigene Musik machen und nicht Altes weiterverwerten. Das ging dann so einige Monate und Jahre bis ich zufällig selber die Gelegenheit bekommen habe, einige Synthesizer und Equipment zu kaufen. Das müsste so 1998 oder 1999 gewesen sein. Ab 2000 habe ich angefangen, meine Beats auch zu recorden. Ich weiß gar nicht, ob ich irgendwelche besonderen Einflüsse hatte. Damals habe ich viel R&B gehört. R.Kelly, Kci & JoJo fallen mir da ein. Was Rap angeht erinnere ich mich noch an Bone (Thugs N Harmony), Notorious BIG, Outkast, Westside Connection. Damals habe ich auch sehr viel Eastcoastzeug gehört, was ich heute überhaupt nicht mehr mache. Mittlerweile schaue ich auch keinem Produzenten mehr nach.
rap.de: Dein Release "Der Komponist" ist ja nun schon ein paar Wochen alt, erzähl doch mal, wie die Leute bis jetzt auf das Album reagiert haben?
Keyza Soze: Na ,die Leute haben es sich 50.000 mal illegal runtergeladen. Das war die Reaktion. Aber die Stimmen zum Alben waren durchweg positiv. Ganz besonders habe ich mich über die positiven Meinungen von Leuten gefreut, die eigentlich gar keine Rapmusik hören. Leute, die genug von dem Chartkinderkram haben. Leute, die was Neues hören wollten. Sogar meine Eltern haben alle Künstler gelobt.
rap.de: Du hast ja sehr viele verschiedene Berliner Rapper auf deinem Album, die auch inhaltlich sehr stark voneinander abweichen, war es für dich wichtig, eine besonders große Themenvielfalt auf "Der Komponist" zu haben?
Keyza Soze: Jeder Rapper konnte sich sein Thema selber aussuchen. Ich habe ihnen nur gesagt: Lasst euch von dem Beat leiten und lasst euch Zeit beim schreiben. Ich kannte meine Beats und wusste ungefähr, was ich von dem bestimmten Typ Rapper erwarten konnte. Am Ende hatte ich viele Themen und wenig Ausfälle.
rap.de: Wie kam es zum Beispiel zur Zusammenarbeit mit Massiv? Und nach welchen Kriterien hast du deine Featuregäste ausgewählt?
Keyza Soze: Ich wollte eigentlich keine Gangster-Musik auf meinem Album haben. Es gibt soviele Clowns in Deutschland, da brauchte ich nicht noch einen auf meinem Album. Der Massiv-Track ist auch eher zufällig endstanden. Ich habe ihn nach über einem Jahr auf einem Konzert in Dresden getroffen und wir haben uns kurz unterhalten. Nach einigen Tagen haben wir uns noch mal bei mir getroffen und den Track gemacht. Ich habe auf seinem Album produziert, er hat auf meinem gerappt. Die weiteren Features waren auf jeden Fall alles Leute, mit denen ich schon immer mal was machen wollte oder mit denen ich schon vorher was gemacht habe. Für mich sind das alles ganz krasse Künstler mit viel Talent.
rap.de: Die Single "Der Komponist" mit Meyah Don ist ein sehr interessanter Storyteller, hast du ihm im Vorfeld Instruktionen oder Richtlinien zu diesem Lied gegeben oder ist das spontan entstanden?
Keyza Soze: Ich würde dieses Lied sogar das beste deutsche Lied der letzten 20 Jahre nennen. Nur Milli Vanilli war besser (lacht). Über ein Major wäre das Lied wochenlang Nummer eins in den Charts. Das Lied ist kein Lied. Es ist ein 5 Minuten langer Blockbuster. Auch Ihm habe ich nur den Beat gegeben und mir einen Storyteller gewünscht. Ich bin ein Meyah Don-Fan der ersten Stunde. Er ist ein übertalentierter Dichter und Rapper. Ich wusste, dass er auf diesen Beat was Gutes machen wird. Am Ende war ich fassungs –und sprachlos. Wie viele andere auch.
rap.de: Ist der Titel des Albums nach dem Track entstanden?
Keyza Soze: Nein, ich habe Ihm schon vorher gesagt wie mein Album heißen wird. Er hat mir vor einigen Tagen erzählt, dass, als er den Beat gehört, hat alles wie von alleine ging. Die Musik leitete ihn. So wie ich es mir bei jedem gewünscht habe.
rap.de: Justus‘ "Land Der Träume" animiert zum Medikamenten und Rauschmittelmissbrauch, wie stehst du dazu?
Keyza Soze: Das sehe ich nicht so. Das Lied hat eher die Message: „Pass auf, dass du nicht kleben bleibst, pass auf, dass du am Leben bleibst.“ Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich. Auch dieses Lied ist für mich ein musikalisches Kunstwerk. Ok, der Beat ist jetzt nicht überkrass, aber der Text, untermalt mit dem Video, macht das Kunstwerk aus. Ach, alles zusammen. Ich hätte auch zu einem x-beliebigen Lied ein Video machen können, aber ich wollte unbedingt dieses. Es ist ein schmaler Grad zwischen Animieren und Warnen – es ist ein schmaler Grad zwischen Illegalität und Legalität. Justus ist übrigens auch ein Überrapper.
rap.de: Ich finde das Album beinhaltet sehr starke Tracks wie den von Meyah Don, Mach One und Amewu, welche sind deine persönlichen Highlights?
Keyza Soze: Ich finde das Album hat sehr viel Highlights. Eigentlich sind es nur Highlights. Pick dir einen beliebigen Track raus und leg es auf ein Album des Künstlers. Ohne die anderen Lieder des imaginären Albums nieder zu machen, wäre das eine vom Komponisten das Beste oder zumindest eines der Besten. Ach, doch. Eins muss ich wirklich noch hervorheben. Das Lied von Derill. Das Lied ist für mich überkrass. Es ist so persönlich; und er hat es für mein Album geschrieben. Das rechne ich ihm sehr hoch an. Den Beat habe ich auch für einen besonderen Track zurückgehalten und Derill hat ihn besonders gemacht.
rap.de: Was ist das Konzept hinter "Der Komponist"?
Keyza Soze: Es gab eigentlich kein Konzept.
rap.de: Die Lieder sind alle aufwendig ausarrangiert, zum Teil beginnen die Lieder gänzlich ohne Drums (Amewu). Ist dir das Arrangement besonders wichtig?
Keyza Soze: Das Arrangement ist für mich noch wichtiger als der Beat selber. Man kann dort noch soviel rausholen. Taktloss beherrscht das übrigens sehr gut. Er weiß schon beim Texteschreiben wo was im Beat geändert werden muss. Wenn ich einen Beat mache, fühle ich mich irgendwie mit dem Beat verbunden. Hört sich Psycho an, ist aber so. Wenn ich einen Beat mache, rappe ich nebenbei immer mit. Ich rappe und weiß so auch immer, zu welchem Rapper welcher Beat passt. Und bei "Talent" von Amewu habe ich den Knalleffekt etwas nach hinten verschoben. Er hat den Beat genauso von mir bekommen und er hat den ersten Part auch ohne Drums gerappt. Ich wusste schon vorher, wie ich ihn arrangieren will und wie er sich am Ende ungefähr anhören wird. Bei "Ich Leb Noch" von Mach One genauso. Irgendwie ist das mein Style für bestimmte Beats, für bestimmte Rapper. Man konzentriert sich mehr auf die Texte und der Gänsehauteffekt kommt später.
rap.de: Du hast viele orchestrale Instrumente benutzt, sag unseren Lesern doch mal welche Plug-ins du benutzt und welche deiner Meinung nach soundmässig zu empfehlen sind?
Keyza Soze: Für gute Sounds würde ich jedem, der etwas Geld hat, empfehlen analoge Geräte zu kaufen. So habe ich auch angefangen. Bei ebay immer irgendwelche Krücken geholt, ausgeschlachtet und wieder verkauft. Einen Alesis QSR Expanded würde ich empfehlen. Den benutze ich auch, "Hand Aufs Herz" ist vollständig mit Ihm produziert, und der hat nicht viel gekostet. Wenn du Zeit zum Tweaken (Anm.d.Red.: Herumschrauben am Synthesizer) hast, hol dir einen Waldorf MicroQ. Da kommen verrückte Sounds bei raus. Mein neues Baby ist ein Novation XioSynth. Die Presets sind nicht der Knaller, aber dreh mal ein wenig rum. Nativ liebe ich den NI Absinth. Ich habe mir die ganze Native Instruments Komplete 5 gekauft. Da sind elf Synthesizer bei + Schlüsselanhänger. Orchestralische Sounds kommen entweder aus dem Roland MOC-1 oder aus der Garritan Library.
rap.de: Du hast ein Album mit Taktloss gemacht. Wird da demnächst ein weiteres folgen?
Keyza Soze: Nur wenn es Westberlin Maskulin ist.
rap.de: Wie siehst du Berlins Szene und wer ist deiner Meinung nach gerade besonders “heiß“ in Berlin?
Keyza Soze: Eigentlich ist es mir scheißegal, was hier passiert. Ich interessiere mich nicht großartig für diesen Kindergarten. Die Leute auf meinem Album sind dope. Was Neues habe ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Rapper die bestehen und Talent haben entwickeln sich halt weiter, andere die kein Talent haben, gehen unter. Aber warte, dass stimmt ja eigentlich nicht. Wenn ich mir die Gurken in den Charts angucke, rappen die genauso wie damals. Das einzige was sich bei denen geändert hat, ist dass sie nicht mehr in ein 20 Euro teures, sondern jetzt in ein 5.000 Euro Mic rappen. Also haben auch Leute ohne musikalisches Talent Erfolg. Und das ist für mich Deutschland. Hier ist der Musikgeschmack egal und die Menschen haben keine Ahnung von Musik. Ich würde mir wünschen, dass Leute wie Mach One oder Taktloss noch mehr kommerziellen Erfolg haben. Amewu wird es kommerziell schwer haben, hat aber genug eigenes Talen,t um es zu was zu bringen. Ich weiß nicht was Prinz Porno so in letzter Zeit gemacht hat, aber Ihm wünsche ich auf jeden Fall Platz eins. Wenn Vork einen richtigen Output bekommt, kann auch er noch groß werden. Der Nachwuchs in Berlin darf sich nicht nach den Charts richten, sondern muss selbstständig werden. Deren Vorbilder sind einfach zu schlecht. Rapper schauspielern und Inhalte sind erstunken und erlogen. Aber ich will nicht alles schlecht reden. Ab und zu gibt es auch lustige Sachen.
rap.de: Findest du, dass die Berliner Szene stagniert?
Keyza Soze: War die Szene überhaupt schon mal auf einem Höhepunkt, um zu stagnieren? Wer ist überhaupt die Berliner Szene? Im Vergleich zu Deutschland ist und bleibt West Berlin für mich unantastbar. Wir haben alles aus jeder Sparte, aus jeder Musikrichtung. Aber wie schon oben gesagt, ich habe nicht mehr den ganz krassen Überblick und das Interesse was hier so alles abgeht.
rap.de: Glaubst du, dass es Künstler in Deutschland gibt, die vom Albenverkauf leben können?
Keyza Soze: Nur über Majors und wenn du mindestens drei Alben in den Top10 hattest. Dann brauchst du dir erstmal keine Umweltkarte mehr kaufen.
rap.de: Was können wir als nächstes von dir erwarten?
Keyza Soze: Im Moment habe ich keine Lust auf Musik. Ich regeneriere mich noch vom Albumstress. Ich weiß, dass ich bald was mit K-Rino aus Houston machen werde. In den nächsten Tagen kommt noch ein neues Verbal Kint (alias Keyza Soze) Mixtape mit DJ B-80. 2009 kommt "The Composer". Alles andere ist nicht spruchreif.
rap.de: Hast du dir auf musikalischer Ebene ein bestimmtes Ziel gesteckt, welches du noch erreichen möchtest? Bezihungsweise wo möchtest du hin?
Keyza Soze: Ich habe mir kein Ziel gesteckt. Ich plane immer kurzfristig und spontan. Ich habe keinen Druck. Musikalisch möchte ich in Deutschland eigentlich nichts mehr erreichen. Ich wollte nur ein Album machen und das war‘s. Wenn was kommt, dann kommt’s halt. International will ich was mit Trae, E-40 oder Devin The Dude machen. Dann ist auch da alles abgehakt.
rap.de: Hast du noch eine Message für unsere Leser?
Keyza Soze: Mein Album kostet 9,90 Euro. Geht zu Media Markt oder Saturn und hört einfach rein. Ich bitte euch nicht darum, es zu kaufen. Hört einfach rein und lasst euch von der Musik leiten. Am besten mit den Händen ins Portemonnaie.