Duggy Tee

Auf der "Move The Crowd"-Jam in der Münchner Muffathalle traten neben M1, Umi und Main Concept auch der senegalesiche Rappionier Duggy Tee auf. Seine Crew Positive Black Soul war eine der ersten Rapgruppen in Senegal. Unterstützt wurde er auf der Bühne von einem der bekanntesten afrikanischen DJs DJ Gee Bayss und dem Duo Chronik 2 H, das zu den jüngeren Gruppen in Senegal zählt. Am Tag nach der Veranstaltung traf ich mich im Hotel mit Duggy Tee, DJ Gee Bayss und K-iD von Chronik 2 H.

rap.de: Ein Thema in der gestrigen Diskussion war, wie HipHop nach Deutschland gekommen ist, nämlich hauptsächlich durch Filme, wie z.B. Wildstyle, Stylewars und so weiter. Wie ist HipHop nach Senegal gekommen?

Duggy Tee: HipHop ist um 1984 nach Senegal gekommen, und zwar auf dem gleichen Weg, nämlich durch Filme wie z.B. Breakstreet 84 und so. Es ging dabei mehr um das Tanzen, das Breakdancing. Dann haben wir angefangen zu rappen, weil wir die Fernsehsendungen aus den USA und Frankreich schauten, wie „Hip-hop“ mit dem Moderator Sidney (1984 war das eine Kultsendung auf dem französischen Sender TF1). So hat das alles angefangen. Aber zuerst mit Breakdance-Battles und so. Breakdancing war sehr beliebt, jeder hat getanzt. Ich war auch zuerst ein Tänzer, sie nannten mich Turbo, wie der Mann im Film (lacht). Langsam mit der Zeit fing ich dann an, öfter das Mic zu nehmen und zu reimen. Ich hörte Grandmaster Flashs "The Message" und all die OldSchool Rapper.
rap.de: Wer ist heute der bekannteste amerikanische Rapper in Senegal?

Duggy Tee: Alle von ihnen! Nicht nur einer. Jay-Z, Eminem, Akon, viele Gruppen. Alle Gruppen sind dort bekannt, die Leute sehen sie ja im Fernsehen, auf MTV, auf Trace TV… Sie sind alle bekannt. Und sie sind dort alle Superstars. Obwohl sie nicht nach Senegal kommen, sind sie dort alle bekannt.
rap.de: Gestern wurde gesagt, dass Deutschland ein Spiegel der USA ist. Würdest du das auch über Senegal sagen?

Duggy Tee: Senegal war das erste Land in Afrika, wo sich HipHop entwickelt hat und sehr bekannt wurde. Und dann haben mit der Zeit andere Länder wie die Elfenbeinküste, Mali, ja, die ganze Westküste es nachgemacht. So gesehen ist Senegal der Spiegel für ganz Westafrika. Inzwischen gibt es in ganz Afrika eine HipHop-Kultur.

         
rap.de: Gibt es in Senegal auch andere beliebte moderne Musik, die die Jugend gern hört?

Duggy Tee: Vielleicht noch Reggaeton, und Sachen wie Techno, alten Techno, nicht den normalen.
rap.de: Keine moderne afrikanische Musik?

Duggy Tee: Die meist verbreitete und beliebteste Musik ist „Mbalax“. Das ist die Musik, die Youssou N’Dour macht und Super Diamono und so. Das ist die senegalesische Musik. Aber für die Jugend ist HipHop wirklich die Musik, mit der sie sich identifizieren. Denn HipHop gibt ihnen die Möglichkeit, sich auszudrücken, gibt ihnen die Möglichkeit, Spaß zu haben, zu unterhalten, aber gleichzeitig ihre Botschaften zu verbreiten und zu sagen, was sie wirklich wollen.
rap.de: Ist das dann auch eher "Conscious Rap" oder gibt es auch "Gangsta Rap" ins Senegal?

Duggy Tee: Ich denke, das ist eine Mode, eine Modesache. Wir haben nicht wirklich Gangster in Senegal, es ist kein Teil unserer Kultur. Sie ziehen sich vielleicht manchmal so im "Gangsta" Style an, solche Sachen, aber da geht es nur um Mode. Zum Glück lieben die Leute in Senegal positiven HipHop, sie lieben positiven und kreativen HipHop, HipHop mit Botschaften, die die Bevölkerung betreffen.

 
rap.de: Viele Menschen denken ja, Afrika sei abhängig von der westlichen Welt. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Was denkst du?

Duggy Tee: Meinst du wirtschaftlich? Die westliche Welt kommt ständig nach Afrika und nimmt sich Erdöl, nimmt sich Holz, nimmt sich viele Rohstoffe. Aber was die Technologie angeht, die haben wir nicht. Daher haben wir es manchmal nötig, hierher zu kommen, die Technologie zu nehmen und sie zurück nach Afrika zu bringen. Aber ich denke schon, dass die westliche Welt wirklich von Afrika abhängig ist, weil sie nach Afrika kommen und viele unsere Produkte nehmen.

rap.de: Du sprichst über Technologie. Für das DJing braucht man die. Daher ist die Frage: Passt die ursprüngliche HipHop-Kultur mit den vier Elementen wirklich nach Afrika?

Duggy Tee: DJing ist wirklich ein wichtiger Teil der HipHop-Kultur. Auch in Afrika gibt es  immernoch DJs. Wie DJ Gee Bayss, der einer der bekanntesten afrikanischen DJs auf der Welt ist. Und er benutzt immer noch Vinyl, er hält an der Tradition des echten DJing fest. Er scratcht, cuttet… Wir benutzen zwar die neue Technologie, aber behalten trotdem das Beste am HipHop, wie Vinyl. Wir haben viele gute DJs. Er (DJ Gee Bayss) lehrt auch das DJing, die jungen Leute kommen zu ihm und lernen, wie man scratcht, wie man mixt. Und DJs scratchen ja nicht nur. Sie produzieren, machen Musik, machen Beats
rap.de: Aber dafür braucht ihr die technische Unterstützung von den Industrieländern.

Duggy Tee: Ja, wir haben keine eigenen Fabriken. Wir brauchen sie, weil wir mit der Welt kommunizieren möchten. Wir können natürlich trotzdem unsere eigenen Instrumente benutzen. Gestern hatten wir ja auch Percussionsinstrumente dabei. Denn das sind wir, das ist unsere Identität. Wenn wir ein Bild einer Einen Welt geben wollen, ist es keine gute Idee, ohne Percussion, ohne traditionelle Instrumente zu kommen, eine Sache zu machen und wieder heimzufahren. Wir wollen den Leuten zeigen, dass wir zwar Technik benutzen, aber unsere Traditionen nicht vergessen. Daher mischen wir es und bringen etwas neues. Aber wenn man von Instrumenten redet – das wichtigste sind immernoch die Menschen. Wir müssen uns kennen lernen, wir müssen kommunizieren.
rap.de:  Das ist wahr. Aber nochmal zum DJing: Machst du auch Beats, Gee Bayss?

DJ Gee Bayss: Nein.
rap.de: Wer macht deine Beats?

Duggy Tee: Zum Besipiel K-iD. Er ist ein Rapper, aber gleichzeitig dreht er Videos, und macht Musik. Er macht einen großen Teil meiner Musik.
DJ Gee Bayss: Ich will ein afrikanisches Turntablism entwickeln. Ich will afrikanische Produktionen machen. Ich benutze die europäische Technik, aber behalte den afrikanischen Sound und die afrikansichen Wörter. Afrikanische Instrumente und afrikanische Texte…
Duggy Tee: Er benutzt europäische, bzw. amerikanische Technologie um die afrikanische Kreativität und die afrikanische Kultur auszudrücken.

rap.de: Ich habe auch etwas von Tapes gehört, die ihr gemacht haben sollt…?
DJ Gee Bayss: Ich habe das erste afrikanische DJ-Mixtape gemacht. Aber es wurde nicht veröffentlicht.
Duggy Tee: Wir haben den ersten afrikanischen Sampler gemacht. Er hieß "Senerap". Das war senegalesischer Rap. Heute gibt es in ganz Afrika Rap-Sampler. Aber wir haben den ersten veröffentlicht.
rap.de: Arbeitest du noch mit deinem Partner Awadi von Positive Black Soul zusammen?

Duggy Tee: Nein. Wir haben zwar noch ein gutes Verhältnis, aber er macht sein Ding und ich mache meins.
rap.de: Kannst du mir die Geschichte erzählen, wie ihr zusammengekommen seid?

Duggy Tee: Wir haben uns mal in einem Club getroffen, das war 1989. Am Ende der Party haben wir den gleichen Bus nach hause genommen und er hat uns zu seinem Geburtstag am nächsten Tag eingeladen. So haben wir uns kennen gelernt. Als wir dann gekommen sind, haben wir gefreestylt. Mit Vinyl-Instrumentals. Und da haben wir raus gefunden, dass wir einiges gemeinsam haben. Er hatte seine Gruppe und ich hatte meine Gruppe und wir haben uns öfter mal gebattlet, weil wir damals noch die zwei einzigen Gruppen in Senegal waren. Wir mochten uns nicht wirklich. Es war halt ein Wettkampf. Und da ist uns dann aufgefallen: „Wir sagen ja das gleiche. Wir haben die gleiche Philosophie.“ Wir wollen ein gutes Bild von Afrika zeigen, das negative Image, das die Leute von Afrika haben, ändern. Daher stammt der Name "Positive Black Soul". Denn das Wort "schwarz" wird immer mit allem verbunden, was schlecht ist. Wie schwarze Magie usw. Alles was negativ war, war schwarz. Da haben wir gesagt: Lass uns eine Gruppe gründen und der Name der Gruppe wird sein: "Positive Black Soul". Wir sind positiv, wir sind schwarz und wir haben Soul, wie man es damals in den 80ern sagte, wie James Brown es sagte: „I got Soul“.
rap.de: Es ist eine schöne Geschichte, weil zwei verfeindete Gruppen…

Duggy Tee: … heraus finden, dass sie das gleiche Ziel haben und die gleiche Liebe.
rap.de: Denkst du, die Probleme in der Welt könnten nicht auch so gelöst werden?

Duggy Tee: Warum nicht? Ich bin kein Prediger, aber ich denke, Kommunikation ist ein Muss. Wenn du mein Nachbar wärst, wir im gleichen Viertel lebten und wir würden nicht miteinander sprechen, uns Jahre lang nicht einmal begrüßen, dann würde ich dich nie kennen und du würdest mich nie kennen. Aber wenn wir kommunizieren, finden wir vielleicht heraus, dass wir vieles gemeinsam haben. Und dann können wir vielleicht gemeinsam etwas aufbauen. Ich denke, das wichtigste ist die Kommunikation.

 
rap.de: Wenn du in die Zukunft der Welt blickst, siehst du sie positiv?

Duggy Tee: Natürlich, warum nicht? Es gibt natürlich viele Idioten, idiotische Regierungen auf der ganzen Welt. Meine Regierung ist dumm, die US-amerikanische Regierung, die französische, welche auch immer. Aber sie sind nur Regierung. Der Präsident ist nur aufgrund der Bevölkerung da, weil die Bevölkerung ihn gewählt hat. Also muss er seinen Job richtig machen. Wenn nicht, wechseln wir ihn aus. Wir brauchen positive Menschen. Die Welt wird verrückt. Je älter die Welt wird, desto mehr Leute werden verrückt. Warum? Weil sie nicht da sind, um die Menschenrechte zu verteidigen. Sie sind hier, um Geld zu machen und es in ihre Tasche zu stecken. Sobald sie dann nicht mehr an der Macht sind, lassen sie sich in Ländern wie Monaco nieder mit sehr viel Geld, entspannen sich und vergessen uns. Nein! Was wir brauchen ist Gesundheit, Sicherheit, wir müssen stolz auf uns selbst sein, stolz, einen Job zu haben, zu arbeiten und im guten Gewissen zu leben. Das ist was wir brauchen. Meine Sicht der Zukunft ist wirklich positiv. Aber wir müssen etwas tun! Wenn ich "wir" sage, meine ich nicht nur die Senegalesen oder nur die Afrikaner sondern alle Menschen auf der ganzen Welt, die ganze Menschheit.

         
rap.de: K-iD, ich weiß nicht sehr viel von deiner Crew. Kannst du mir ein bisschen erzählen?

K-iD: Die Crew heißt Chronik 2 H. Wir machen seit 1997 HipHop. Wir haben damals mit Duggy Tee angefangen, auf unserer ersten Single hatten wir ihn als Feature. Seit dieser Single verbindet man den Namen Chronik 2 H immer mit Duggy Tee. Wir machen viel zusammen. Wenn er eine Show hat, kommen wir mit, wenn wir eine haben, kommt er mit. Wir sind eine neue Generation von HipHop in Senegal. Wenn wir HipHop sagen, berühren wir damit Reggae, R’n’B und Dancehall. Wir wollen ein neues Image von HipHop in Senegal schaffen. Mit neuen Beats und einer neuen Website, um den senegalesischen HipHop zu repräsentieren. Viele Gruppen haben nämlich keine Websites. Wir hoffen, das alles zu entwickeln.
rap.de: Ich hatte auch gestern das Gefühl, dass HipHop für euch ein ziemlich weiter Begriff ist, dass Reggae z.B. auch dazu gehört. Stimmt das?

K-iD: Ja, wir verbinden Reggae mit HipHop. Wenn man in Senegal HipHop sagt, ist automatisch Reggae, Dancehall, R’n’B dabei. Es ist alles eins. HipHop ist nicht nur Rap. Es ist eine Bewegung.
Duggy Tee: In Senegal ist die HipHop-Kultur nicht nur DJing. Es gibt das Reimen, DJing, es gibt Tänzer, Graffiti, und wie er sagt, produzieren und all das. Aber musikalisch gesehen ist für uns in Senegal HipHop nicht nur Rapmusik. Reggae gehört auch dazu. Warum? Ich meine, es ist die gleiche Philosophie dahinter und das gleichen Ziel, und das ist positive Botschaften zu verbreiten. Das ist die Seele der Reggaemusik. Und Reggae hat HipHop-Musik beeinflusst, das wissen wir alle. Reggae hat die HipHop-Kultur sehr stark beeinflusst. Viele sagen ja, dass die ersten Rapper Reggaemusiker waren.
rap.de: Dj Kool Herc kam z.B. aus der Tradition.

Duggy Tee: Ja, zum Beispiel. Andere sagen, dass Muhammad Ali der erste Rapper war. Wegen seinen Sprüchen beim Boxen. (Lacht) Ich mein, es ist die gleiche Kultur, wir haben die gleichen Ziele und drücken uns auf die gleiche Weise aus, weil wir das gleiche fühlen. Denn wir leben im gleichen Land, das heißt auf der gleichen Welt. Wir leben nicht im Glauben, dass unsere Musik nur für unser Land ist. Nein, wir überschreiten die Grenzen. Wir versuchen, unsere Botschaft auf der ganzen Welt zu verbreiten. Und dann können wir andere Menschen treffen, mit ihnen sprechen und vielleicht etwas zusammen erreichen.