M1 (von dead prez)

Nach langen acht Jahren war M1 dieses Jahr wieder in Deutschland und das nur für einen Auftritt auf dem Münchner Jam "Move The Crowd", wo das Duo dead prez eigentlich in voller Besetzung auftreten sollte. stic.man konnte leider nicht kommen, da am Tag davor in Folge eines Rohrbruchs am New Yorker Flughafen alle Flüge gestrichen  wurden.  M1 rockte trotzdem zusammen mit seinem Homie Umi das Haus und als ich ihn nach der Show mit einem anderen Interviewer und einigen anderen Leuten im Backstage traf, war sein Redefluss nicht zu stoppen. Das Haupthema ist nicht schwer zu erraten: Die Revolution.

rap.de: Dein Partner stic.man hat einmal gesagt: "It’s time you gonna smoke some weed, there’s times you wanna get some pussy and there’s a time to go to war."

M1: Ich habe das von meiner Biographie von 1996 zitiert – nur um genau zu sein.  
rap.de: Da ist sie wieder, die irgendwie schon fast heilige Gangsta-Trinität von Drogen, Sex und Gewalt.

M1: Ich stimme dem nicht zu. Man kann Kommentare falsch verstehen. Es mag in einem gewissen Zusammenhang so klingen. Es wäre etwas anderes, wenn es Ice-T sagen würde, es wäre auch etwas anderes, wenn es Jadakiss sagen würde oder Snoop Dogg, aber es ist nicht so. Es ist dead prez. Und dead prez bedeutet eine revolutionäre Organisation zu sein. Wenn man es also in dem Kontext sieht, von was wir tun wollen und als was wir gesehen werden wollen, ist der Grund für solche Aussagen, dass ich niemanden in dem falschen Glauben sehen will, dass wir nicht vom Volk seien, das heißt, dass wir normal sind und keine Übermenschen. Gleichzeitig – so normal wir auch sind, jeder hat Sex, jeder braucht in irgend einer Weise Erholung – wissen wir trotzdem, was unsere Pflicht ist, was unsere Aufgabe ist, was unser wirkliches Hauptziel ist und das ist natürlich Freiheit und das stellen wir immer an erste Stelle. Wir wollen einfach nicht, dass sich Leute schlecht fühlen, weil sie denken: "Oh, sie sind übermenschlich, sie schlafen nicht, alles, woran ist denken ist Revolution!" Nein, dem ist nicht so und das ist der Punkt.
rap.de: Vor ein paar Tagen fragte mich jemand folgende Frage, die ich jetzt dir stellen will: Geht es im heutigen HipHop nicht hauptsächlich um anti-humanistische Werte? Sind es nicht anti-humanistische Werte, worum sich HipHop heutzutage dreht?

M1: Das war sozusagen ein Kommentar über die Welt. Ich denke, es ist seine eigene Meinung. Und offensichtlich hat er seine Ohren offen. Wenn er sagt, dass HipHop antihumanistisch ist, ist es richtig. Ich meine, es ist so. Es geht doch mehr ums Töten, als um was positives, es geht gegen das Leben. Es bringt viel mehr Tod und Zerstörung. Es geht nicht wirklich um Einheit oder Aufbauen oder irgendetwas konstruktives. Das Positivste, was HipHop machen kann, ist nicht einmal – und das ist das Problem – die positiven Faktoren von HipHop nicht nicht einmal mit der Musikkultur verbunden, sondern sie sind ökonomischer Art. Ich denke, es ist ein zweiseitige Münze, denn es ist auf der einen Seite gut, auf der anderen Seite beschneidet es die Gemeinschaft, mit den negativen Bildern, die es in die Gesellschaft fließen lässt. Und ich meine, ich will dabei gar nicht so tun, als wäre ich nicht auch HipHop-Musik. Ich bin genauso verantwortlich. Das sind  Gleichgestellte, die sind nicht besser und nicht schlechter als ich, wir nehmen alle daran teil. Aber andererseits sag ich: Das ist Bullshit! Und sie sagen: Ich schere mich ein Scheiß darum, ich rape über diesen Bullshit. Dazu sag ich nur: Tut was ihr tun müsst. Ich tu, was ich tun muss.

         
rap.de: Ich habe das Gefühl, dass es zwei Ansichten darüber gibt, wie man dem Elend in den Ghettos entkommen kann: Die einen sagen, man soll sich dem System anpassen, einen Job suchen und so weiter.
 
M1: Ich weiß nicht. Du hast wahrscheinlich recht. Aber mit unseren Jobs kommt man kaum über die Runden. Die Wirtschaft ist so ein Auf und Ab, ich glaube nicht, dass irgendjemand noch daran glaubt. Die Megareichen, die aus der herrschenden Klasse, die glauben daran, weil sie das Geld haben, das sie der nächsten Generation weiter geben können. Aber diejenigen von uns, die wissen, dass sie jederzeit ihr Haus verlieren oder krank werden können und dann keine Gesundheitsversorgung kriegen… hier in Deutschland habt ihr ja ein Gesundheitssystem. In den USA gibt es halt immer diese Gefahr, dass du krank wirst und alles verlierst, was du hast, weil die Ärzte soviel Geld verlangen, damit du wieder gesund wirst, dass du alles hergeben musst, was du hast. So ist das. Es sind viele Löcher im American Dream.
Und was war die andere Hälfte von der du geredet hast?

rap.de: Die anderen sind die, die die Revolution wollen.

M1: Ja, ich denke jeder glaubt an die Revolution. Es ist so lustig. Es ist so lustig! Ich war letztens bei einem Ausschuss in Wahington DC auf dem Capitol Hill. Ich gehe da ja nicht oft hin, aber wenn ich dahin gehe, muss es wichtig sein, denn Wahington DC ist feindliches Territorium. Das ist der Ort, wo sie die ganze Scheiße machen. Es war so lustig! Wir waren dort versammelt, ein Gouverneur, ein Senator, ein House Representative, ein was-weiß-ich,… und ich als Künstler und wir sprachen alle über Veränderungen. Jeder hat die Schnauze voll von George Bush, jeder, alle Demokraten, und sogar ein paar der Republikaner. Jeder hasst George Bush, jeder sagt: "Fuck Bush!" Und da war ich in dem Ausschuss und meine Meinung unterscheidet sich natürlich ziemlich von der Meinung eines Politikers in der Regierung. Aber da war ich und sagte: "Die Zeit ist gekommen, dass wir einen Revolutionär brauchen!" Und die ganze Menge rief "Yeah, wir brauchen einen Revolutionär!" Und der Gouverneur neben mir: "Yeah, wir brauchen einen Revolutionär!" Und der Senator neben ihm: "Revolution!" … Wie können diese Leute über Revolution reden, wenn sie selbst in der Regierung sind?! Weil zurzeit Revolution die beliebteste Alternative ist, sie ist beliebt und nett. Heute kann alles revolutionär sein, weil alles so scheiße läuft. Die kleinste progressive Veränderung nennen sie revolutionär. Aber darüber rede ich nicht. Diese Art Revolution meine ich nicht. Die Revolution, über die ich spreche, können die Leute nicht anfassen, denn die bedeutet am Ende ihren eigenen Job, ihren eigenen Arsch, ihr eigenes System, von dem sie profitieren. Ihre Karrieren bauen sie auf Gerede auf. „Ich werde dein Problem lösen. Heute … morgen … den nächsten Tag…“ So läuft das zwanzig Jahre lang! „Ich werde dein Problem lösen“ Und sie lösen dein Problem niemals! Bei der Revolution geht es darum, das Problem heute zu lösen. Und wenn das eintritt, wenn diese Idee Realität wird, dann werden sie keine Jobs mehr haben. Und das ist die Bedrohung. Verstehst du? Es ist so cool, revolutionär zu sein. Sie haben revolutionäre neue Schuhe, revolutionäre Zahnpasta, revolutionäre Autos, alles ist revolutionär. Es ist zurzeit cool, revolutionär zu sein. Aber dann, wenn die Kacke am dampfen ist, dann wollen wir sehen, wie viele es wirklich sind. Wie viele sind es dann wirklich…?

Interviewer 2: Wie würdest du das Bewusstsein der schwarzen „unterprivilegierten“ Jugend in den USA beschreiben?

Ein anwesender Nigerianer: Darf ich etwas berichtigen. Wir sind keine "schwarzen" Menschen. Schwarz ist alles, was böse und schlecht ist. Schwarzarbeit, Schwarzgeld, Schwarzfahrer,…! Und weiß? Was ist weiß? Weiß ist alles was göttlich ist. Es ist so gemacht, um Leute zu unterdrücken, Leute wie uns. Ihr seid nicht weiß! Bist du weiß? Deine Hautfarbe ist nicht weiß.
M1: Ich verstehe seine Aussage, er hat es gut auf den Punkt gebracht. Das ist die Macht des Wortes, Worte schaffen Macht, aus Worten folgert man, Worte determinieren, Worte beschließen Schicksale. Ich denke, dass ist auf jeden Fall wichtig. Gut auf den Punkt gebracht und deine Frage beantwortet: Das Bewusstsein, der afrikanischen Jugend in den USA ist in einem ziemlich…, einem sehr niedergeschlagenen und demoralisierten Zustand. Es gibt fast keine Anzeichen eines Widerstandes gegen das System, gegen den Imperialismus. Es gibt sehr wenig Anzeichen des Widerstandes. Und das ist deprimierend. Denn wenn du morgens aufwachst und siehst, dass wir in Angst vor dem ständigen Terrorismus leben, den sie schaffen – denn er ist nicht echt. Sie schaffen diese Scheiße, um uns besser unter Kontrolle zu haben, mehr Kontrolle durch den Mechanismus der Angst! Und wir leben in diesem System und es gibt kein bisschen Widerstand dagegen. Niemand versucht, uns die Augen zu öffnen, jeder lebt mit einer Wand um den Kopf! Und ich will damit nicht gegen meine Leute sprechen: das ist wirklich die Situation, in der wir sind! Das ist der Grund, warum 50 Cent fünf Millionen Platten verkauft! Im Gegensatz zu der Zeit, als es beliebt progressiv war, dass es einen Bob Marley gab, der viele Millionen Platten verkaufen konnte. Das Bewusstsein der Leute hat sich geändert. Was wir hören, hat sich geändert. Was wir sein wollen, was wir anstreben, unsere Bestreben haben sich geändert. Sie haben uns unserer Träume beraubt und sie in imperialistische Träume verwandelt, sie haben uns beigebracht zu denken, der einzige Weg nach oben sei, zu lügen, zu stehlen, all die Scheiße zu machen und nichts der guten Dinge auf der Welt, die man eigentlich machen sollte! Und sie bringen einen dazu, die Scheiße aufzugeben, sie bringen einen dazu, niemals ein Revolutionär sein zu wollen, sie lassen einen denken: „Du kannst keine gute Musik machen.“ Du darfst keine Fela Kuti Musik machen, keine dead prez Musik, denn wenn du das machst, wirst du keine Platten verkaufen. Das ist Bullshit! Das ist so ein Bullshit, denn wir haben seit wahrscheinlich über drei Jahren keine Veröffentlichung über ein Major gemacht, trotzdem bleibe ich ständig unterwegs auf der Welt, ich bleibe ständig in Kontakt mit den Ghetto-Comunities in Venezuela, Kuba, Sao Paolo, Brixton, überall, gerade eben hier… Warum das so ist? Weil es Leute gibt, die es besser wissen. Wir müssen  Stellung beziehen, wir müssen unsere Macht vergrößern, damit wir zurückschlagen können, und zwar mit Konsequenzen, die das System zahlen lassen. Denn sonst werden wir weiterhin jeden Tag in Angst leben. Morgen können sie mir meinen Pass nehmen und ich werde nicht mehr reisen können. Was können wir tun? Wir leben in Angst, wir leben wirklich in Angst…

         
rap.de: Um auf amerikanische Politik zurückzukommen. Ich habe in einem Artikel gelesen, dass für den Wahlkampf 2008 ungefähr 1,4 Milliarden Dollar ausgegeben werden, um …

M1: Um die Leute zum Wählen zu überreden! So ist es. Stell dir folgendes vor: 50 Cent wird vielleicht die gleiche Menge Geld ausgeben, damit wir sein Album kaufen, wie Barack Obama sammeln wird, um US-Präsident zu werden. Sie werden ungefähr die gleiche Menge Geld ausgeben, der eine, damit du seine Platte kaufst, der andere, damit du zur Wahlurne gehst. Welche Entscheidung würdest du treffen? Wirst du 50s Album kaufen, oder Barack Obama wählen – oder Hillary Clinton, oder wen auch immer? Es ist das gleiche. Mein Punkt ist, dass es Massenpropaganda ist, der ihren Kampf entscheidet, es geht nicht um wirkliche Probleme, Entscheidungen, wahre Antworten auf irgendeiner unserer echten Fragen. Es ist egal, wer gewinnt, es geht darum, wer das meiste Geld sammelt, es geht darum, wer den Schlüssel zur Wahlurne hat. Die ganze Scheiße ist sowieso nicht ehrlich, warum glauben wir überhaupt an die Wahlen? Warum? Es ist eine der übersättigtesten Prozesse, wir können die Stimmen nicht einmal zählen. Wer mit einem gesunden Menschenverstand würde daran glauben? Zählst du dein Wechselgeld nicht, wenn du zum Lebensmittelladen gehst und das Geld zurück bekommst? Zählst du es nicht, um zu sicher zu gehen, dass es richtig ist? Wer geht einfach weg und sagt noch „Ok, danke!“ ohne zu schauen? Das ist genau das, was wir tun! Wir werfen den Stimmzettel rein und sagen „Ok, es ist richtig. Das System ist richtig. Sie werden es schon alles richtig zählen.“ Zweimal haben sie uns schon beschwindelt und gezeigt, dass es keine Wahl (Election) war, sondern eine Auswahl (Selection). Es war keine Wahl, es war eine Auswahl! Warum glauben wir also, dass sich gerade jetzt irgendetwas daran ändern wird? Wer glaubt das?! Ich gebe keinen Fick darauf, ich weiß, was abgeht. Ich weiß, dass die echten Wahlen nicht bedeuten, zur Urne zu gehen. Sie können noch so viele Bücher schreiben, noch so viele Kampagnen starten, niemand von ihnen spricht die wahren Probleme an, niemand von ihnen sagt irgendetwas wichtiges, niemand redet über das Gesundheitssystem, sie reden immer um den heißen Brei, sie reden niemals über praktische Lösungen für unsere Probleme. Niemals! Niemals, kein einziger, niemals! Hillary Clinton nicht, all die anderen auch nicht, niemand von ihnen! Täten sie es, würde ich ja zuhören. Es ist ja nicht so, dass ich nur dagegen bin, weil es Politik ist. Ich bin dagegen, weil es Bullshit ist! Wenn sie sagen würden: "Wir werden die Probleme in unserer Gesellschaft lösen!", würde ich sagen: „Ok, ich bin da! Wie wollt ihr es machen? Ich bin dabei! Ihr wollt meine Community von Crack befreien? Seid ihr bereit? Ich bin bereit! Lets get the Crack out“ Aber sie sind nicht bereit, die Communities von Crack zu befreien. Alles was sie machen, ist über Bullsahit zu reden, damit sie dich zur Wahl überreden können. In diesen Prozess investiere ich nicht, ihm fehlt die Vertrauenswürdigkeit. Ich bin 35 Jahre alt, ich bin ein wahlberechtigter Bürger, ich zahle meine Steuern. Ich verdiene das Recht, den Anführer zu haben, den ich will. Aber das ist nicht, worum es dabei geht.

 
Interviewer 3: Wer ist der Anführer? Malcolm ist tot, Martin Luther King ist tot …

M1: Wir! Wir sind es! Wir sind es! Wir müssen nicht in die Vergangenheit gehen.  
Interviewer 3: Aber wo ist die Zukunft, wo ist der nächste Anführer?

M1: Hier! In diesem Zimmer! Wenn du nicht selber die Verantwortung übernimmst, ist es sowieso abgehakt. Wenn du die Führerschaft nicht in dir selbst spürst, kannst du sowieso alles vergessen. Du bist vielleicht nicht so erfahren, wie der erfahrenste Anführer. Aber wenn du nicht wenigstens soweit die Führerschaft übernimmst, zu sagen, dies muss getan werden, den Ball weiterzureichen, mit dem Ball zu einem bestimmten Punkt weiterzulaufen, um ihn dem Nächsten zu überreichen, wenn du nicht einmal das tust, bist du sowieso tot! Dann können wir nicht gewinnen, dann gibt es keine Chance, zu gewinnen. Wir alle müssen Anführer sein, wir alle müssen die Führerschaft in uns tragen, wir können nicht einfach einzelne Person sein. Es kann einer nach dem anderen sein, aber jeder muss den Ball nehmen. Ja, Malcolm hatte seine Zeit, ja, und Malcolm hat ihn mir weitergegeben. Marcus Garvey hat ihn mir weiter gegeben, sie haben ihn mir weitergegeben. Also nehme ich ihn. Ich bin froh, die Pflicht auf mich zu nehmen! Für heute. Denn morgen kann es jemanden geben, der jetzt fünf Jahre alt ist und mit der Antwort kommt. Und wenn er dann kommt und sagt: „Yo, M, ich habe dich gehört und ich habe es verstanden!“, würde ich sagen: „Lass es uns machen, junger Mann, lass uns es machen! Ja, ich bin jetzt ein alter Mann, 35 auf die 40 zugehend, du bist 10 oder 12, ja, du sollst der Anführer sein, ich bin mit dir! Ich höre dir zu!“ Ich würde ihn unterstützen und ihm zuhören! Ich würde ihn mit meinem Geld unterstützen, ihn wählen,… Das werde ich auch tun, wenn es an der Zeit ist. Ich tu, was ich tun muss und du tust, was du tun musst.

         
Interviewer 3: Jetzt ist die Zeit, also wer wird jetzt der Präsident? Wirst du wählen?

M1: Ich glaube daran nicht! Ich glaube nicht an dieses System!
Interviewer 3: Ich auch nicht, aber wer wird der Präsident? Wer wird etwas für Amerika tun und die Welt?

M1: Wir! Wir werden es tun! Sie wollen eine Nation schaffen, die ihnen gehört, wir schaffen unsere eigene Nation! Wir haben unsere eigene Nation, die von anderen Gesetzen regiert wird, Gesetze der Gerechtigkeit, nicht der Gier! Wir können doch nicht auf der Grundlage von heuchlerischen Gesetzen Selbstbestimmung erreichen.
Interviewer 3: Aber wer wird der Präsident? Nur einer kann der Präsident sein!

M1: Das ist mir egal! Der Präsident hat keine Macht! Der Präsident erfüllt seinen Job, der Präsident ist eine Figur, und die wirklichen Leute, die die Präsidentschaft kontrollieren, sind eine Gruppe reicher Menschen, die sich viermal im Jahr treffen und so weiter. Sie sind die wirklichen Leute, die die Kontrolle darüber haben, was der Präsident macht. Der Präsident ist eine Figur, ein Puppe. Der Präsident ist eine Puppe! Also ist es uns egal, wer der Präsident ist. Die Führung liegt hinter dem Präsidenten. Die Führung liegt hinter den Leuten.
Interviewer 3: Aber wo ist die revolutionäre Untergrundorganisation, die etwas macht, wie die Black Panthers?

M1: Ich kenne die Black Panther Organisation. Willst du da mit machen? Ich kann dir sagen, wie. Gib mir deine E-Mail-Adresse und ich sage dir wie. Das ist, was ich tue. Ich verbinde sie mit Leuten, die das brauchen. Wenn du es brauchst, kann ich dich verbinden. Ich kenneMalik Zulu Shabazz, ich kannte Khalid Abdul Muhammad, ich habe Huey P. Newton getroffen bevor er 1989 gestorben ist, ich kannte ihn. Ich kann dich verbinden und ich werde tun, was ich tun muss. Wenn du bereit bist, bin ich bereit. Darum geht es mir. Wenn du dahinter stehst, sollte man nicht auf morgen warten. Ein Revolutionär zu werden hat nichts mit einer Karriere zu tun. Es ist nicht wie „Ich bin Hausmeister“ oder „Ich bin Lehrer“, „Ich bin ein Pilot“, „Ich bin ein Revolutionär“, … nein! Es ist ein Aufgabe, da braucht man keine Karriere. Es ist etwas, womit man aufwacht und einschläft – jeden Tag. Man wacht morgens auf und fragt sich: "Was kann ich für meine Leute tun?" Man geht abends zu Bett und fragt sich: "Was habe ich für meine Leute getan?" So denkt eine Revolutionär. Du kannst ein Revolutionär sein, und machen, was auch immer auf der Welt du tun willst.

          
Interviewer 2: Was tut die revolutionäre Bewegung in den USA?

M1: Ich denke, die Sache ist, dass wir jetzt schon für eine lange Zeit im Namen der African Liberation Movement in den USA gekämpft haben. Es gibt viele Formationen, die sogar international sind, natürlich viele lokale Gruppierungen in den USA, aber auch viele internationale Formationen, die Zweige in London haben, in Afrika, und so weiter. Das sind Organisationen, mit denen ich in Verbindungen stehe, ich habe internationale Verbindungen und das schon seit ungefähr zehn Jahren. Ich stehe in internationaler Verbindung mit politischen Organisationen vor Ort, die echte Arbeit leisten – an vielen Orten. Das Problem ist, dass uns die Kräfte fehlen. Wir sind verbraucht, uns fehlen die Mittel, wir können nicht mit dem Markt des Fernsehens, der Videos, des Radio, und so weiter konkurrieren. Also, im Wesentlichen, ich meine, um ehrlich zu sein: Wir sind schwach. Verstehst du, wir sind schwach! Unsere Bewegung ist schwach. Wäre unsere Bewegung stark, wären die Anzeichen schon überall um uns herum zu sehen. Die Anzeichen wären in der Musik zu hören. Ich meine, ich bin zwar ein starker Rapper, das ist sicher, ich kann rappen. Ich bin ein starker Rapper. Worüber ich rede, ist aber als eine Bewegung stark zu sein.
Interviewer 3: Was ist mit solchen Sachen, wie diesem 24-Stunden-Konzert mit Al Gore?  

M1: Al Gore? Ich keine keine Al Gores! Ja, ich kenne das Problem der globalen Klimaerwärmung, doch lasst mich was sagen: Er ist zu spät für das Problem! Er ist zu spät! Auch wenn er über die Klimaerwärmung spricht, lasst mich was sagen: Sie vergewaltigen seit Jahren die Erde und berauben sie ihrer Ressourcen! Nigeria war einmal einer der größten Ölförderer und sie können sich jetzt nicht einmal mehr leisten, das Erdöl, das sie aus dem Boden pumpen, zu raffinieren. Sie müssen das Öl woanders hinschicken, damit es dort raffiniert wird, weil sie es sich nicht einmal leisten können, selber zu raffinieren! Weil sie die ganze Scheiße in den Boden gefahren haben. Und Al Gore hat die Nerven über die schmelzenden Eiskappen an den Polen zu sprechen! Er spricht über die schlechten Bedingungen auf der ganzen Welt und wie sich die ganze Welt aufheizt… Aber sie tun Bleifarbe und Gift in die Wände der Ghettos in den Bronx, der ganze Asbest, all die Verschmutzung, die von den Massenproduktionen in all den industriellen Städten kommt, die durch den ganzen Rauch verdunkeln und uns Asthma und all das bringt… und wir sprechen über die globale Klimaerwärmung! Wir müssen die Probleme in Verbindung setzen! Niemand verbindet die verdammten Probleme bis ganz runter zu den Menschen. Jeder spricht nur auf einer abstrakten Weise darüber.
Interviewer 3: Dann tu du doch was!

M1: Aber das ist es doch, was ich sage, das ist das Problem! Ich kann nicht der einzige sein, der etwas tut. Wenn ich sage „Al Gore, verdammt! Es ist heiß! Es ist heiß! Und was zum Teufel geht in den Bronx ab! Ja, auch in den Bronx ist es heiß! Denkst du, es ist ein Loch über den Bronx? Darüber redest du nicht! Du sagst kein Wort über diese Scheiße!“ Das ist echt so! Das ist Umweltrassismus, der da abläuft! Es ist wahr, es ist Ökorassismus! Es passiert! Aber niemand gibt es zu.

 
rap.de: Wenn du „I am an African“ singst und die Menge – alles Weiße – mitsingt, was denkst du dabei?

M1: Ihr seid es. Ja, ihr seid es. Und ihr wisst es.
rap.de: Ich bin in Afrika aufgewachsen, aber…

M1: Ich spreche nicht nur über dich, denn du bist in einem Afrika aufgewachsen, das schon versklavt und kolonialisiert wurde. Das ist nicht gut, das ist kein gutes Afrika. Das ist ein kolonialisiertes Afrika, dessen Rohstoffe hauptsächlich eingefroren sind. Die Idee einer Kolonie, der Grund, warum sie Kolonien gründen: es ist eine ausbeuterische Maßnahme. Sie gründen eine Kolonie, um die Basis eines Systems zu schaffen, durch welches sie die Arbeiter ausbeuten. Das ist hauptsächlich der Grund, warum es Kolonien gibt. Darum geht es bei der Kolonisation.
Also wenn du sagst, du bist ein Afrikaner, kenn ich den Unterschied. Womit wir uns verbinden müssen ist die Kraft Afrikas. Die Kraft, die Afrika ist. Afrika ist die mächtigste Kraft auf der ganzen Welt und jeder weiß das. Es ist eigenständig, eigenlebig, es könnte selbstbestimmend sein. Der Grund, warum ich in Amerika bin, ist der Handel mit schwarzen Körpern, die dabei geholfen haben, die ganze restliche Welt aufzubauen. Wenn ich mich also auf Afrika beziehe, beziehe ich mich auf die Kraft von Afrika, die große Mutter von allem. Wenn du dich auf Afrika beziehst, musst du dich auf diesen Aspekt von Afrika beziehen. Wenn du also „I am an African“ sagst, kannst du es nicht so meinen, dass du ein „Afrikaner“ (er benutzt den deutschen Begriff) bist. Ich bin kein Kolonialist, ich bin vom Afrika der Wurzeln. Ich bin von dem Ort, wo das Leben geboren wurde und ihr seid in Europa angekommen und Europa war sehr arm an Rohstoffen, was die Beziehung zur Folge hatte, die wir jetzt zueinander haben. Aber ihr müsst sagen: "Ich bin mit dem Afrika verbunden, aus dem die ganze Welt hervorgegangen ist und ich komme daher und ich bin ein Teil der Großartigkeit der Welt und der Einheit, alles wieder in seine Ordnung zu bringen!" Das meinen wir, wenn wir „I’m an African“  sagen und wenn ich all in der Menge springen und es sagen sehe, ist das großartig. Denn dann sehe ich, dass wir Afrika als unser zuhause wollen. Selbst wenn ich weiß, dass nicht jeder das denkt. Ich weiß, dass die Welt es nicht weiß. Aber ich musste rationalisieren, und weißt du, warum: Weil HipHop an einem Punkt ist, an dem wir wenn wir etwas sagen, es nicht mehr nur Schwarzen sagen. Wenn ich etwas sage, dann sage ich das zur asiatischen Gesellschaft, zu weißen Gesellschaft und jedem der kämpft. Viele kämpfen nicht einmal und manche erfahren erst durch die Musik vom Kampf. Und damit ihr mit mir seid, auf meinem Level seid, dafür müsst auch ihr euch auf die Musik beziehen können. Denn, ja, ich habe den Song offensichtlich für die Hood geschrieben, für die schwarzen Leute, die den Song hören müssen, aber dadurch, dass du ihn hörst und dich mit ihm identifizierst, liegt es an dir, etwas zu tun. Nun hast du eine Aufgabe. Du kannst es nicht mehr ungehört machen. Du magst anderer Meinung sein und sagen: „Fuck dead prez!“ Aber wenn du es hörst und weißt, dass es wahr ist, kannst du es nicht mehr ungehört machen. Du kannst diese Worte nicht mehr zurückgeben, du musst jetzt etwas daraus machen. Nun bist du mit Energie aufgeladen worden, es ist nun deine Pflicht. Wenn du nichts daraus machst, ist das nur deine Schuld und du bist ein Schwachkopf. Und dann musst du alleine damit zurechtkommen. Darum geht es. Das ist, was ich denke.
Und mehr Kraft! Ich hoffe, wenn wir das nächste Mal hierher kommen, werden wir eine größere und bessere Show machen. Mit mehr Leuten als heute. Ich weiß, dass die Organisatoren  mehr Leute erwartet hatten. Nicht einmal mein Partner stic.man ist gekommen. Er wird nächstes Mal mitkommen. Viele Leute fragen, ob das wirklich passiert ist. Ja wirklich, da war ein Dampfrohr, das geplatzt ist und die Flüge gestern wurden für Stunden gestrichen. Die einzige Möglichkeit für ihn, her zu kommen, wäre jetzt zu fliegen und die Show morgen zu machen. Das ist die Wahrheit, das ist passiert, leider. Wenn wir wiederkommen, wird das eine geile Scheiße! Es wird eine wunderschöne Show, wir werden mehr neue Musik haben, stic.man hat ein ganzes neues Album, das jetzt rauskommt. Es heißt „The Year Of The Tiger“ und es ist fantastisch. Ich rappe darauf. Wir haben auch noch andere Sachen, andere Künstler, die wir hoffentlich bringen können. Wir machen eine Tour zu der Zeit der Präsidentenwahlen … äh …  -auswahlen, da kommen wir zurück und machen eine kleine Tour, also: ihr werdet von mir hören.

         
Interviewer 2: Ich hätte gerne noch ein letztes Statement darüber, wie wir die Revolution herbeiführen werden.

M1: Die Sache ist, unsere Revolution hat keinen Plan. Dir zu sagen, wie wir sie herbeiführen werden, wäre also fast Wahrsagerei. Ich bin kein Prophet. Ich sage vielleicht ein paar prophetische Sachen, und das nur, weil ich aufmerksam bin, wie Fred Hampton  gesagt hat: „Halte die Ohren offen und du wirst die positiven Menschen hören.“ Ich halte die Ohren offen, also höre ich die positiven Menschen. Ich weiß, wo die positiven Menschen sind, ich bin mit ihnen auf gleicher Frequenz, aber ich kann nicht alles vorhersagen, was passieren wird. Wie wir sie herbeiführen werden? Wir werden uns selbstbestimmen. Wie wir uns selbstbestimmen? Wir werden die Kontrolle über die Produktionsmittel übernehmen. Gemeinschaftliche Kontrolle, das Wort ist „community control“. Gemeinschaftliche Kontrolle über die Bildung, gemeinschaftliche Kontrolle über die Polizei, gemeinschaftliche Kontrolle über das Gesundheitswesen, gemeinschaftliche Kontrolle über jeden verdammten Teil unseres Lebens. Das bedeutet: wir selber kontrollieren es, das ist gemeinschaftliche Kontrolle. Also, um zum Schluss zu kommen: Wie wird es passieren? Wir, ihr, und alle anderen von uns werden aufstehen und selbst bestimmen, was das Beste für unsere Kinder ist und für unsere Mütter. Wir werden zusammenkommen und niemand wird uns stoppen! Niemand wird uns daran hindern, die Ärzte zu versammeln und zu sagen: „Wir brauchen euch Ärzte, um uns von Prostatakrebs oder Brustkrebs oder was auch immer zu heilen. Wir brauchen euch, um das zu tun!“ Und die Ärzte werden sagen: „Ja, Gruppe von Menschen, wir mögen euch! Also werden wir euch helfen! Auf direktem Weg! Niemand kann unsere Beziehung behindern!“ Das nennt man gemeinschaftliche Kontrolle über das Gesundheitswesen. Denn das ist es, klar und einfach. Gemeinschaftliche Kontrolle über die Schulen ist, wenn die Eltern bei der Schule aufmarschieren und sagen: „Wir werden die Kontrolle über den Lehrplan haben. Wir werden das hier rausschmeißen. Weg damit, Bullshit! Wir werden das hier rausschmeißen. Weg damit, Bullshit! Wir werden sicher stellen, dass was auch immer wir wollen an unseren Schulen gelehrt wird!“ Und es gibt einen Weg, das zu tun. Es gibt wirklich einen Weg, das zu erreichen. Alles was du tun musst, ist eine Gruppe zusammen zu kriegen und das System anzugreifen. Wie ihr es machen sollt? Ich weiß es nicht. Du musst mir sagen, wann das Meeting stattfindet, welche Musik gespielt wird, welche Bowle getrunken wird, über diese Scheiße kann ich dir nichts sagen! Alles, was ich weiß, ist dass es passieren wird, und das wird uns befreien. Das ist der einzige Weg für uns, frei zu werden.