Manuellsen

Letzte Woche trafen wir uns mit Manuellsen in unserem Berliner Office, um uns über sein Album "Insallah", aktuelle Geschehnisse und sein Leben zu unterhalten. Dabei kamen einige Tatsachen ans Tageslicht, die uns der Artist von Deluxe Records verriet.


rap.de
: Dein Album „Insallah“ wurde vor genau einem Monat veröffentlicht. Wie bist du mit der Resonanz zufrieden? Hat es der liebe Gott gut mit dir gemeint?

Manuellsen: Der liebe Gott hat es auf jeden Fall gut mit mir gemeint. Die Resonanz von der Szene war überkrass, genau so, wie ich es mir erhofft habe. Ich habe bewusst eine sehr harte Single (Anm. d. Red.: „Meine Zeit“) gewählt, um zu verdeutlichen, was Manuellsen auf dem Kasten hat. Aber, wie gesagt, mit den allgemeinen Reaktionen bin ich sehr zufrieden. Die Leute fühlen meine Lieder und das macht mich sehr stolz.

rap.de: Nach einigen Wochen kann man die Sache mit ein wenig Abstand betrachten. Viele Künstler denken sich im nachhinein, hier und dort hätte man etwas anders oder besser machen können. Kam dieser Gedanke auch bei dir auf?

Manuellsen: Zu 100% wird man als Künstler nie zufrieden sein, das ist einfach so. Zum damaligen Zeitpunkt war ich natürlich voll und ganz zufrieden mit den Sachen, sonst hätte ich die Platte auch nie im Leben zur Veröffentlichung freigegeben. Aber im Großen und Ganzen bin ich stolz auf meine Arbeit und alles ist gut im Moment. Natürlich kann es immer besser laufen, aber ich bin zufrieden, wie es ist.

rap.de: Beim Hören der Platte ist mir der Song „Dear Christin“ besonders aufgefallen. Was bedeutet dir persönlich dieser Song? Erzähle doch mal etwas über die Besonderheit und die Hintergründe von diesem Track.

Manuellsen: „Dear Christin“ ist eine Geschichte, die mich heute nicht mehr beschäftigt. Für mich ist diese Sache längst abgeschlossen. Der Text ist über 5 Jahre alt und die Geschichte liegt noch weitere Jahre zurück. Ursprünglich gab es einen positiven Christin-Song, allerdings habe ich den Text umgeschrieben und daraus ist dann der jetzige Song „Dear Christin“ entstanden. Das war einfach eine wichtige Geschichte aus meinem Leben, die ich unbedingt verarbeiten und erzählen wollte. Auf meinem Debüt-Album hat der Song einen Platz gefunden, denn mir persönlich lag das Ganze schon sehr am Herzen.

rap.de: Viele Künstler unterscheiden sich in ihrer Arbeitsweise. Wie entsteht ein typischer Song von Manuellsen? Schreibst du auch ohne Instrumentals oder generell nur auf die passende musikalische Begleitung?

 Manuellsen: Battle-Tracks und Punchlines schreibe ich überall und jederzeit. Egal, ob im Auto, im Flugzeug oder in der Straßenbahn. Wortspiele und markante Battle-Zeilen schreibe ich auch ohne Instrumental auf, denn bei dieser Art von Texten ist das auch kein Problem. Wenn ich aber einen tiefsinnigen und nachdenklichen Song schreiben will, dann suche ich mir vorab das passende Instrumental, auf das ich dann meinen Text anpasse. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Produzenten spielt bei meiner Musik eine sehr große Rolle. Jeder Produzent hat einen gewissen Vibe, und wenn der Vibe des Instrumentals mit dem Vibe meines Textes übereinstimmt, dann fällt die Arbeit auch automatisch leichter. Ich habe oft eine Songidee, noch lange bevor ich mit den Lyrics beginne. Schließlich suche ich mir den passenden Beat unter den zahlreichen Beat-CDs heraus; somit entsteht aus der Grundidee der passende und ausgearbeitete Text.

 rap.de: Spielt bei dir der Name des Produzenten eine große Rolle?

Manuellsen: Der Name ist mir völlig egal, hauptsache die Produktion klingt fett und bringt etwas Außergewöhnliches mit sich. Von mir aus könnte auch HP von Scooter einen Beat produziert haben, wichtig ist mir nur, dass sich die Produktion von einer Herkömmlichen unterscheidet.

 rap.de: Dein Album ist ja bekanntlich über Deluxe Records erschienen. Hattest du alle künstlerischen Freiheiten oder wurde die Platte stark von Samy Deluxe beeinflusst?

 Manuellsen: Sam war total cool und hat mich mein Ding machen lassen. Ich habe sehr selbstständig gearbeitet, alle Songs im Ruhrpott bei Don Tone und den Shrazy-Jungs aufgenommen, ihm aber immer wieder meine Songs als mp3 geschickt damit er sich ein Bild von der Lage machen konnte. Kurzgefasst, ich hatte alle künstlerischen Freiheiten und genau das macht Deluxe Records aus. Alle Künstler fühlen sich dort sehr wohl, weil sie selbstständig arbeiten können und sich selbst so auf ganzer Linie verwirklichen können. Samy braucht nicht mehr jedem einzelnen Artist reinzureden und ihm genau auf die Finger zu schauen. Dafür hat er auch keine Zeit, da er sich parallel um seine eigenen Projekte und die Geschäfte kümmern muss. Jeder nimmt sich seine Zeit für die individuellen Projekte und legt ihm das Endprodukt auf den Schreibtisch oder drückt es ihm direkt in die Hand. Entweder es gefällt ihm oder es gefällt ihm nicht, aber bisher war er eigentlich immer zufrieden. Er steht jedem Einzelnen mit Rat und Tat zur Seite, äußert seine Kritik und eventuelle Bedenken, aber bisher musste er noch nicht wirklich ein Machtwort sprechen. Natürlich hat er das letzte Wort, wenn es hart auf hart kommen sollte, denn es ist ja schließlich auch seine Firma. Aber, wie gesagt, er verhält sich absolut professionell und ich bin hochzufrieden damit.

rap.de: Viele Leute kennen nun dein Album. Wann werden dich deine Hörer auch live zu Gesicht bekommen?

 Manuellsen: Anfang nächstes Jahr wird es eine Club-Tour mit Pillath& Snaga geben, unsere Booking-Agentur kümmert sich derzeit um diese Angelegenheit. Diverse Leute aus dem Pott werden sicherlich auch mit von der Partie sein. In den nächsten Wochen wird es dann genauere Infos geben. Wenn uns Veranstalter in der Schweiz oder Österreich booken, dann kommen wir auch gerne zu unseren Nachbarn, um dort gemeinsam mit den Fans durchzudrehen.

rap.de: Du sprichst einige Namen aus dem Pott an. Wie siehst du eure Position und mit welchen Augen die Konkurrenz in eurer Region?

Manuellsen: Im Pott gibt es einen krassen Zusammenhalt, das muss man zunächst einmal sagen. Natürlich gibt es auch ein paar schwarze Schafe, auf Grund der jeweiligen Label-Situationen können einfach nicht alle Künstler beliebig miteinander arbeiten. Davon abgesehen zieht aber der Großteil an einem Strang. Ich persönlich respektiere auch alle anderen Crews, die etwas bewegen. Im Pott ist jede Menge Pott-tenzial. Jeder soll sein Ding machen, meine Jungs und ich machen unser Ding. Das Ziel ist, dass der Pott nach oben kommt. Wir leisten garantiert unseren Beitrag mit unserem kommenden Material, das bestimmt ein wenig Welle machen wird. Wir geben Respekt, wollen aber gleichzeitig auch respektiert werden und Respekt bekommen.

rap.de: Vor einigen Wochen wolltest du dich noch nicht zur zweiten Single äußern. Welcher Song wird es nun werden?

Manuellsen: Die zweite Single wird „Dear Christin“ sein. Dazu wird es ein unfassbares Video geben, welches von Snaga gedreht wurde. Er arbeitet bei einer Produktionsfirma, die auch für „Meine Zeit“ verantwortlich war. Es wird ein Bahnbrechendes Video werden, das voll mit Überraschungen gespickt sein wird. Natürlich wäre es nun schön, wenn das Ganze von den Sendern supportet werden würde, aber im Endeffekt liegt die Entscheidung bei Viva und MTV. Wir kriechen niemandem in den Hintern, wir machen einfach unsere Arbeit und hoffen das Beste.

rap.de: Mit „Dear Christin“ wirst du also eine sehr private Seite von deiner Person zeigen. Gibt es eigentlich bestimmte Themen oder Erlebnisse, die du niemals in deiner Musik verarbeiten würdest?

Manuellsen: Wenn mir etwas auf der Seele liegt und ich mein Wissen für ausgeprägt genug halte, um über ein Thema zu schreiben, dann mache ich, was ich will. Wenn ich einen Pickel auf dem Rücken habe, der mich nervt, schreibe ich auch darüber einen Song. Ich mache einfach alles, worauf ich Bock habe, wichtig ist mir nur, dass ich es fühle und es aus meinem Inneren kommt. Ich werde einfach immer machen, was ich will, featuren, wen ich will und Konzerte geben, wo ich will. So ist es und so wird es auch immer bleiben.

rap.de: In einem Interview meintest du, dass dich die „alten“ Ruhrpott-Leute wie RAG oder Too Strong eher weniger beeinflusst haben und deine Augen immer auf die USA gerichtet waren. Welche US-Künstler haben dich und deine musikalische Karriere geprägt bzw. welche Künstler sind deine Favorites?

Manuellsen: Die EP „Willkommen im Dschungel“ von Ercandize ist in meinen Augen ein absoluter Ruhrpott-Klassiker. Ich respektiere gewiss die Arbeit von den Leuten im Pott, aber ich persönlich konnte mit der damaligen Musik nichts anfangen. Bei mir stand die US-Szene immer im Mittelpunkt. Mein Lieblingsrapper ist und bleibt Jadakiss. Das beste Album seit Jahren ist „The Documentary“ von The Game. Das ist wie ein Film und schwer zu toppen. Natürlich haben mich auch die alten Sachen von Snoop Dogg, Dr.Dre und 2Pac geprägt, aber das war im Grunde genommen bei jedem Rapper so. Aber, wie gesagt, „The Documentary“ ist wirklich ein Meilenstein.

rap.de: Vielen Leuten ist bekannt, dass du vor knapp zwei Jahren mit Sandy von den No Angels zusammengearbeitet hast. In den USA sind Pop-Features Gang und Gebe. Timbaland konzentriert sich auf Popmusik, Redman macht einen Song mit Christina Aguilera und alle scheinen keine Probleme damit zu haben. Wirst du manchmal noch für diese musikalische Zusammenarbeit belächelt?

Manuellsen: Jedem Rapper, der mich wegen dieser Angelegenheit belächelt, sollte bewusst sein, dass er auf der Battle-Ebene nicht mit mir ficken kann. Abgesehen davon bin ich in erster Linie Musiker. Sandy ist eine Freundin von mir und hatte für ein Feature angefragt, also warum sollte ich das nicht machen? Von einem 17-jährigen HipHopper, der zuhause vorm Computer sitzt, bei seinen Eltern im Einfamilienhaus wohnt und täglich einen vollen Kühlschrank vorfindet, brauche ich mir einfach nichts sagen lassen. Ich will nicht großkotzig klingen, das ist einfach so. Wenn ich mit Sandy ein Album aufnehmen will, dann tue ich das. Wen hat das zu interessieren? Viele Leute rennen täglich zur Arbeit und müssen ihrem Chef in den Allerwertesten kriechen. Da mache ich doch lieber meine Musik, so erfolgreich wie möglich.

rap.de: Erfolg spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Im Juice-Interview sagtest du: „Ich hab’ ne coole Wohnung in einem guten Viertel, Plasma TV und Schmuck für paar Mille“. Inwiefern würde sich dein Leben verändern, wenn du in naher Zukunft 100 000 Platten verkaufen würdest?

Manuellsen: Überhaupt nicht! Meiner Meinung nach verändern sich eher die Leute im engsten Umkreis durch den Erfolg. Sie sehen dich auf einmal mit anderen Augen. Also bist es nicht immer automatisch du als Künstler, der abdriftet und zum Arschloch wird. Die Leute nehmen Aussagen von dir ganz anders auf als in der Zeit vor dem Erfolg. Das wollte ich zu der Sache sagen, nun zu der eigentlichen Frage. Verändern würde sich nicht viel bei mir. Ich bin nicht gerade der Multimillionär, aber ich habe ein paar Kilo zu viel, also ich lebe ganz gut. Davon abgesehen arbeite ich hart, dafür verdiene ich aber mein Geld. Allgemein ist es einfach so, wenn du arbeitest, dann verdienst du Geld. Arbeitest du härter, verdienst du mehr Geld. Arbeitest du um ein Vielfaches härter, dann verdienst du noch mehr Geld. Ich kann mich auch noch an Zeiten erinnern, da musste ich irgendeiner Arbeit nachgehen, um über die Runden zu kommen. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei: ich arbeite täglich 24 Stunden, das ganze Jahr rund um die Uhr. Feiertage oder Ähnliches gibt es nicht für mich. Ich habe ein Ziel vor meinen Augen, möchte den Leuten gute Musik abliefern, muss aber dementsprechend hart arbeiten.

rap.de: Viele Newcomer arbeiten zielstrebig und hart. Sentino, Megaloh, Ercandize, Manuellsen, ihr wollt alle ganz nach oben. Allerdings erreichen nur ganz wenige junge Künstler dieses Ziel. Wo liegen die Schwierigkeiten deiner Meinung nach?

Manuellsen: Ich meine, Fler hat das auch geschafft. Der war eine lange Zeit der Schützling von Sido, hat sein Ding gemacht und verkauft nun ordentlich Platten in Deutschland. Es liegt einzig und allein daran, was du für ein Material ablieferst. Wer eine gute Platte macht, der wird sie unter Umständen auch richtig gut verkaufen können. Aber allgemein hören die Leute nur das, was sie hören wollen. Diesen Sachverhalt kann man nicht ändern. Das Hauptproblem liegt in meinen Augen aber ganz woanders. Der Markt wird von Alben und Mixtapes regelgerecht überflutet. Wenn du Glück hast, dann kann einer von zehn Rappern richtig spitten, der ganze Rest ist zum Teil nur schlecht oder einfach nicht mehr als nur Standard. Es gibt einfach so viele Sachen und wenn dann einer sagt: „Also der Typ, der ist wirklich der absolute Hammer, das wird der nächste große Rapkünstler!“, wer soll denn das noch glauben? Ich habe auch schon so viele Sachen gehört wo es im Vorfeld hieß: „Das ist die Musik der Zukunft, der Junge wird mal richtig berühmt…“ und danach dachte ich nur, was für ein Affe! Inzwischen hat sich Lage extrem zugespitzt. Egal, ob jemand rappen kann oder nicht, er veröffentlicht ein Mixtape, kriegt einen dubiosen Independent-Deal und vertickt seine Produkte in der Umgebung. Wenn das alles geile Sachen wären, dann würde es auch mit der HipHop-Geschichte in Deutschland nach vorne gehen. Aber leider Gottes ist der Großteil ein extremer Bullshit, der nichts als überflüssig ist. Und all diese Leute machen den Markt dicht für diejenigen Künstler, die wirklich was zu sagen haben und musikalisch etwas bewegen können. So ist es aber nun mal, that’s what it is.

rap.de: Was erhoffst du dir nun von der Zukunft? Wie sehen die konkreten Pläne deiner musikalischen Karriere aus?

Manuellsen: Ich werde ein „Pottweiler“-Mixtape machen und weiterhin kontinuierlich hart arbeiten, immer versuchen mein Bestes zu geben und alle meine Gedanken bestmöglich auf Papier zu bringen. Allen Leuten, die Manuellsen hören, möchte ich meine Musik auf höchstem Niveau präsentieren und wohin mich dann meine Wege führen, das weiß einzig und allein der liebe Gott.

rap.de: Hast du noch Worte an unsere Leser?

Manuellsen: Macht euer Ding, geht euren Weg und verfolgt weiter eure Ziele. Und Nachtwandler aus dem Forum ist ein Bastard. Vielen Dank für das Interview!