„Mo´ Mega“ heißt der nach „I Phantom“ zweite Solo-Longplayer des ursprünglich aus Boston stammenden Mr. Lif, der gemeinsam mit Cannibal Ox, RJD2 und Aesop Rock zu den Core-Artists des New Yorkers Labels Def Jux gehört. Er ist es nun auch, der nach einer lang anhaltenden Veröffentlichungspause der Firma eine Art Neuanfang oder Rückkehr zu den Wurzeln einläuten soll. Nachdem das Label von El-P es offiziell lange von sich gewiesen hat, zeigt sich zumindest Lif im Gespräch einsichtig: Ja, man wollte mit der Erweiterung des Artits-Rosters um Künstler wie C-Rayz-Walz, Hangar 18 und S.A. Smash auch einfach größer werden und vielleicht ging dadurch der Blick für ´s Wesentliche etwas verloren. Für 2006 steht außer „Mo´ Mega“ nun aber ein weiteres Album von Firmengründer El-P an und im Frühjahr 2007 soll ein neuer Longplayer von Aesop Rock folgen.
Anlässlich seines letzten Berlin-Aufenthalts ergab sich die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Sushi-Mittagessen und Interview am Hackeschen Markt. Bei der anschließenden Stipvisite in den benachbarten Sneaker-Stores hat Lif zwar keine Turnschuhe gekauft, dafür aber – seiner Art entsprechend – äußerst aufgeschlossen und allürenlos mit allen geredet, die ihn erkannt haben.
rap.de: Ich hörte, dass Du gerade wieder umgezogen bist. Bei unserem letzten Interview, das wir am Telefon führten, habe ich Dich noch in Berkley angerufen.
Mr. Lif: Ja – ich habe von 2001 bis 2004 in Berkeley gelebt, bin dann aber zurück nach Boston, wo ich anschließend ein gutes Jahr gewohnt habe. Inzwischen bin ich nun in Philly gelandet. Ich mag es, verschiedene Städte wirklich zu erleben und nicht nur ein paar Tage dort zu verweilen. In Philly besitze ich nun auch ein kleines Apartment.
rap.de: Weshalb bist Du denn aus Berkley weg? Dort kann man es doch ganz gut aushalten.
Mr. Lif: Absolut – Berkeley ist auch mein Lieblingsort in den USA. Ich lebte dort aber mit einer Frau zusammen, von der ich mich inzwischen getrennt habe. Wir haben einfach nicht zusammen gepasst – sie hat mich nicht verstanden, was sehr schade ist. Ich bin eine sehr familien-orientierte Person und liebe z.B. auch meine Eltern sehr. In diesem Zusammenhang hat sie ein paar Dinge nicht richtig einordnen können.
rap.de: Mit welchen Leuten aus der Szene hast Du in der Bay-Area denn in Kontakt gestanden?
Mr. Lif: Ich traf Boots [Riley von The Coup, Anm. d. Verfassers] und kannte Del schon, bevor ich da hingezogen bin. Ich traf auch Rasco und Planet Asia, habe aber nur mit Opio zusammen gearbeitet. Das liegt wohl auch daran, dass ich nicht besonders gesellig bin. Wenn ich zu hause bin, bin ich zu hause. Wenn ich irgendwo hinziehe, habe ich nie den Vorsatz, mich da schnell bekannt zu machen. Wenn ich etwas zu promoten habe, ist das natürlich etwas anderes. Als „I Phantom“ und „Emergency Rations“ raus kamen, bin ich in Berkeley natürlich unterwegs gewesen, habe die Plattenläden besucht und Sachen vorbei gebracht. In Philly bin ich bisher tatsächlich viel in meiner Wohnung gewesen. Allerdings würde ich gerne ?uetlose treffen, King Britt habe ich bereits getroffen.
rap.de: Im großartigen Video zu „Live From The Plantation“ gibt es eine Szene, in der Du im Bett liegst und gerade aufwachst. Wurde die in Deiner eigenen Wohnung gedreht?
Mr. Lif: Ja, das war meine Wohnung in Berkeley. Die Office-Szenen wurden aber in Oakland geschossen. Der DJ, den man im Video sieht, sollte übrigens eigentlich Fakts One sein, aber wir konnten es uns nicht leisten, ihn für eine einzige Szene nach Oakland einzufliegen.
rap.de: Wer hat seinen Part im Video denn übernommen?
Mr. Lif: Doc Fool, ein Freund von mir. Er hat früher bei Amoeba Records gearbeitet und deejayet nun für EA-Sports-Events und ähnliche Sachen. Er war z.B. bei der John Madden-Tour von EA Sports dabei. Ansonsten sind in dem Video aber in erster Linie Schauspieler zu sehen.
rap.de: Das Album sollte ja eigentlich schon viel früher rauskommen. Welcher Song ist denn als erster entstanden?
Mr. Lif: Der älteste Song ist „For You“, der zugleich auch der letzte Song auf dem Album ist. Ihn habe ich cirka sechs Monate nach der Beendigung von „I Phantom“ geschrieben, er ist also schon cirka dreieinhalb Jahre alt. Die Version, die man nun auf dem Album hört, ist allerdings bereits die dritte, die ich davon aufgenommen habe. Der Beat ist zwar gleich geblieben, aber das erste Studio konnte ihn nicht vernünftig mischen und von der zweiten Session habe ich nur eine Demoversion. Außerdem hatte ich lange Zeit auch keine Hook für den Song, die nun auch erst kam, kurz bevor das Album beendigt werden musste. Aber es hat auch sein Gutes, dass es so lange gedauert hat, denn nun habe ich am Ende noch Michelle, die quasi ein Outro singt. Ich bekam sie von Amaechi [Manager von El-P, Mike Ladd u.a., Anm. d. Verfassers] empfohlen und habe dann ihre Myspace-Seite besucht. Sie hat genau die Art Stimme, nach der ich gesucht habe. Ich wollte jemanden mit einer sehr mütterlichen Stimme haben, weil der Song von meinen Kindern handelt. Ich erzähle ihnen, weshalb es sie nicht gibt, dass ich sie aber lieben würde, wenn sie existierten.
rap.de: Für mich war nach zwei-, dreimal Hören ehrlich gesagt immer noch nicht ganz eindeutig, ob Du vielleicht schon Vater bist.
Mr. Lif: Es wird im Song nur sehr subtil angedeutet – es gibt am Ende der ersten Strophe diese Zeile „You ´re not here, but there are some things I want you to hear“. Jeder, mit dem ich gesprochen habe, dachte, ich hätte schon Kinder.
rap.de: Mir gefällt gerade auch, dass der Song an verschiedenen Orten entstanden zu sein scheint.
Mr. Lif: Ja, ich habe das Stück geschrieben, während ich auf Reisen war. Am Ende der Strophen nenne ich ja auch die Orte. Zuerst Montana, da waren wir noch auf Tour – dort habe ich die erste Strophe geschrieben. Dann L.A., wo die zweite Strophe entstand. Dann habe ich lange Zeit pausiert und die dritte Strophe schließlich im Urlaub in Mexiko geschrieben, als ich mit meiner Freundin unterwegs war. Als ich die Strophe schrieb, saß ich auf einem Bett, sah aus dem Fenster und hatte freie Sicht auf ´s Meer. Deshalb ist dieser Song auch so persönlich. Ich weiß, dass ich ein guter Vater wäre, aber ich bin eben unsicher, was das ganze Thema als solches betrifft. Leider teilweise auch aus rein finanziellen Gründen – man weiß ja nie, was passieren wird, und will seinen Kindern ein gutes Leben bieten. Ich weiß nur, dass ich ihnen auf jeden Fall viel Liebe geben würde, was vermutlich ohnehin das ist, was sie am meisten brauchen. Allerdings will ich auch nicht mehr so viel um die Welt reisen, wenn ich Kinder habe. Ich würde dann gerne etwas sesshafter werden und mehr zu hause sein. Andererseits hat El-P vielleicht Recht, wenn er meint „Bring sie doch einfach mit“. Weshalb sollten meine Kinder auch nicht reisen, wenn ich die ganze Zeit reise?
rap.de: Wo hast Du das Album denn aufgenommen?
Mr. Lif: Ich habe alle Roh-Entwürfe bei mir zu hause in Philly eingerappt. Als es dann aber darum ging, die finalen Versionen aufzunehmen, bin ich nach Boston gefahren, habe bei meinen Eltern gewohnt und verbrachte cirka eineinhalb Wochen mit meinem Engineer Jeremy Page im Studio. Meine Strophen von „Mo Mega“, „Murs Is My Manager“ und „Take, Hold, Fire“ habe ich allerdings in New York aufgenommen.
rap.de: Du sprachst gerade „Murs Is My Manager“ an – ein unterhaltsamer Song, der das Album in zwei Hälften zu teilen scheint. Hast Du mit Murs gemeinsam aufgenommen?
Mr. Lif: Nein, Murs war in L.A.. Er sollte in dem Song ja auch nur den Sidekick spielen. Er hatte für die Aufnahme auch nur ein halbe Stunde, und bekam dafür vom Betreiber des Studios einen Gefallen getan. Er hatte gar keine richtige Session gebucht. Deshalb musste er vorher auch genau wissen, was er tun sollte. Also saß ich da, obwohl ich den Song noch gar nicht richtig durchdacht hatte und versuchte, ihm trotzdem möglichst präzise Anweisungen zu geben. „Wenn du den Song eröffnest, sag irgendwas in der Art, in der Mitte dann das und am Ende musst du mich dissen.“ Er hat das dann aufgenommen, mir die Vocals geschickt, und ich habe meine Parts dann zu hause eingerappt und auf seine Vorlagen geantwortet.
rap.de: Wofür steht dein neues Album?
Mr. Lif: Vielleicht ist es tatsächlich interessant, in dem Zusammenhang den Titel zu erklären: Das „MO“ in „MO´ MEGA“ steht für „More“, nur eben im Sklaven- oder Schwarzenslang. Ich persönlich denke, dass wir alle Sklaven sind, und alle unter denjenigen funktionieren müssen, die mehr Geld und mehr Macht haben. Wir müssen mit den Rahmenbedingungen klarkommen, die uns vorgegeben sind, was uns zu Sklaven der Systeme macht. „MEGA“ repräsentiert die herrschende Klasse, also die Elite, die diese Gesellschaften kreiert, in denen wir leben, die die Gebäude baut und für die Medien verantwortlich ist…
rap.de: Ich finde es interessant, dass es im US-HipHop in dieser Frage zwei Sichtweisen zu geben scheint. Leute wie Boots Riley von The Coup und Du sehen die Ursachen für die Probleme in der Klassengesellschaft. Andere sehen Rassismus im Vordergrund.
Mr. Lif: Es ist sicher beides.
rap.de: Common hat auf seinem letzten Album z.B. eine Zeile, die sich sinngemäß gegen gemischt-rassige Beziehungen richtet…
Mr. Lif: Ich denke, dass Common ein Rassist ist. Er hat auf dem Album eine Menge guter Sachen gesagt, aber ich verstehe sein Problem nicht. Ich denke, es ist nichts falsch an gemischt-rassigen Beziehungen. Es ist völlig in Ordnung, sich mit jemandem zu treffen, der nicht derselben Rasse angehört.
rap.de: Ich verstehe vor dem Hintergrund ehrlich gesagt nicht, weshalb er in Deutschland tourt und vor Publikum spielt, in dem fast nur Weiße sind. Wenn er die Leute nicht mag…
Mr. Lif: Ich weiß nicht, ob er die Leute nicht mag. Er ist einfach auf diesem Trip, dass man keine Dates mit Weißen haben sollte, wenn man schwarz ist, und das ist so ziemlich das Dümmste, was ich je gehört habe. Das haben Leute zu Sklavenzeiten gesagt – da war es für Weiße tabu, sich mit Schwarzen zu treffen. Er dreht das nun um. Ich habe keine Ahnung, was er denkt. Vielleicht wurde er einfach so erzogen. Vielleicht kann er einfach nichts dagegen tun, sich unwohl zu fühlen, wenn er Schwarze und Weiße in Beziehungen zusammen sieht. Das sollte er dann aber für sich behalten.
rap.de: Hast Du eigentlich jemals vor der Frage gestanden, zu einem anderen Label zu gehen? Angebote gab es nach Deinen Erfolgen bei Jux doch sicher einige.
Mr. Lif: Bevor ich zu Def Jux ging, war ich für jede Platte bei einem anderen Label. Allerdings habe ich vorher ja nur Singles releast. Ich war auf Grand Royal, Brick Records und Nose Productions und habe außerdem Kollabos mit allen möglichen Leuten auf anderen Labels gemacht. Alles, wonach ich immer gesucht hatte, war ein Label, das meine Platten vernünftig raus bringen kann. Ein Label, das mir einen vernünftigen Vertrieb bietet und etwas Geld in Promotion steckt. Das hat Def Jux immer getan. Natürlich sind wir nun in einer neuen Ära und müssen jetzt mal sehen. Ich war bei Def Jux für ein paar Alben unter Vertrag und bin nun wieder frei. Aber Def Jux ist meine Familie, und da will ich auch sein, also werden wir es schon hinbekommen.
rap.de: Danke für das Gespräch.