ZION I

Nachdem ich zwei energiegeladene und unterhaltsame Shows von Zion I in Berlin gesehen hatte, freute ich mich auf ein Interview mit dem Produzenten AmpLive und dem Rapper Zion. Im Anschluss an eine Plattenladen-Live-Session saß ich mich mit den zwei sympathischen Oaklandern zusammen.

rap.de: Die meisten Amerikaner mögen an Deutschland das Bier, die Autos, die Frauen und die Autobahn. Was gefällt euch in Deutschland am meisten?

Zion: Das Publikum ist dope, sie wissen, die Musik zu schätzen. Und euer Graffiti ist krass. Das Bier ist nicht schlecht. Die Frauen sind auch nicht schlecht.

AmpLive: Die Autos sind gut.
rap.de: Ihr seid momentan auf Promotion-Tour für euer neues Album „True And Livin’“. Was bedeutet „True And Livin’“ eigentlich?

Zion: Das Album dreht sich darum, was wir machen und wie wir leben. Weil alles, was wir machen, HipHop-Musik ist, verstehst du? Die Kunst ist ein Teil von uns. Wir feiern die Kultur. Manchmal, wenn man sich HipHop anguckt, sieht man, wie kommerziell es geworden ist und poppig. Und das meiste spielt sich in großen Firmen ab. Es ist einfach, sich darüber aufzuregen, aber diese Entwicklung ist nicht HipHop, es ist die Geschäftskultur des Kapitalismus. Wir wollten mit diesem Album HipHop zelebrieren, zeigen, wie sehr wir es lieben und wie uns HipHop bewegt und beeinflusst hat. Darum dreht sich „True and Livin’“.


rap.de: Auf welche Art und Weise unterscheidet sich dieses Album von euern anderen Alben?

AmpLive: Es ist musikalisch direkter. Und die Beats sind simpler. Wir haben dieses Mal verschiedene Themen in den Songs, ein paar politische.
rap.de: Wenn ihr euch eure alten Alben anhört, merkt ihr, wie weit ihr gekommen seid, wie ihr euch verändert habt?

Zion: Auf jeden Fall.

AmpLive: Hundertprozentig! Auf diesem Album hatten wir mehr Konzepte, an die wir uns gehalten haben, und es ist mehr „in die Fresse“. Unser erstes Album war etwas abstrakt – „Deepwater Slang“ ist der Schritt von unserm ersten Album zum jetzigen.
rap.de: Ich habe viel über eure Einflüsse aus dem HipHop gelesen. Aber was mich interessiert, ist welche Dinge euch außerhalb des HipHop inspirieren.

Zion: Wir sind beide eklektisch. Wenn man uns trifft, ist die Musik, die wir im Auto spielen, vielleicht drei von zehn Malen HipHop und sonst viel Jazz, Soul und Rock. Und ich mag Poesie. Aber mehr als alles andere mag ich Lesen. Ich lese Science Fiction. Ich mag Leute, die Bilder und Emotionen mit ihren Texten kreieren. Daher beziehe ich die meiste Inspiration.

AmpLive: Außer HipHop, höre ich z.B. viel Rock, viel elektronische Musik, ein bisschen Soul und auch R´n´B. Von allem etwas
rap.de: Macht ihr noch andere Musik?

Zion: Ich habe gerade ein Solo-Album draußen. Das waren ein paar Produzenten und ich – das Ding heißt „Baaba Zumbi“. Außerdem lerne ich Gitarre spielen und singe ein bisschen. Ich mache auf jeden Fall noch andere Sachen als Rappen. HipHop ist Musik. Und immer, wenn man etwas Neues einfließen lässt und dabei die Basis beibehält, ist es eine Weiterentwicklung.
AmpLive: Ich mache auch R´n´B, elektronische Musik und solche Sachen. Das ist, was ich auch sonst höre. Ich habe aber noch nicht soviel Rock gemacht. Wahrscheinlich fange ich damit aber auch bald an. Man kann alle Sachen auch auf www.zionicrew.com checken. Wir haben verschiedene CDs und Solo-Projekte, die man da auch finden kann.

Zion: Bald kommt auch eine DVD heraus mit einem Zion I-Film. Außerdem haben wir noch ein paar neue Artists auf unserem eigenen Label (LIVE UP REC., Anm.d.Red.). Wirklich witzig. Aber noch einmal kurz zurück dahin, als du uns gefragt hast, ob wir den Forschritt bei unserer Musik sehen: Wir haben bei unserm ersten Album noch Vollzeit- oder Teilzeitjobs gehabt. Zeitweise auch beim zweiten. Jetzt machen wir nur noch Musik und müssen ständig neue, kreative Sachen finden, um uns unsere Produktivität und den Spaß zu erhalten.


rap.de: Eure Beats und Raps haben einen sehr eigenen Stil. Ist es euch sehr wichtig, anders zu sein?

Zion: Ich weiß nicht. Ich bin halt anders – und ich mag, was ich mache. Das ist natürlich. Ich erkenne den Unterschied, wenn ich etwas Persönliches schreibe oder im Studio stehe und versuche, jemand anderes zu sein. Wenn es natürlich ist, mag ich es. Es hat dann automatisch etwas Einzigartiges. Wir sind sowieso ein bisschen komisch. Wir sind keine Backpacker-Nerds, aber auch keine Thugs. Wir sind etwas Eigenes, das reicht und ist natürlicherweise anders
rap.de: Ihr reist sehr viel. Ich habe auf eurer Internetseite viele Fotos aus Japan und so gesehen. Inwiefern beeinflusst euch das Reisen?

AmpLive: Wenn man zurück nach Hause kommt, merkt man erst, wie verrückt es dort ist und wie viel man als selbstverständlich ansieht. Aber man erkennt auch Dinge, die Menschen in anderen Ländern für gegeben nehmen. Musikalisch lernt man andere Kulturen und Sounds kennen, kommt dann nach Hause und verarbeitet diese Einflüsse.
rap.de: Ich glaube, ich weiß, worauf du hinaus willst, aber was meinst du damit, wenn du darüber redest, was andere Länder als selbstverständlich ansehen?

Zion: In Deutschland? Kostenlose Bildung, kostenloses Studium. Arbeitslosengeld und ein, im Prinzip kostenloses Gesundheitssystem. Wenn du in den USA keinen guten Job hast und für all diese Dinge zahlst, ist das Leben hart. In den USA kann man an sehr viel Geld kommen, wenn man in der richtigen Position sitzt. Aber wenn nicht, ist das Leben ein Struggle. Hier kann man bestimmt auch gut Geld machen, aber wenn nicht, sind hier nicht so viele Menschen auf drei oder vier Jobs angewiesen um überhaupt nur leben zu können. Das erzeugt eine andere Atmosphäre und Energie des Lebens. Deswegen ist es so gut zu reisen, weil man mitkriegt, wie das Leben unter anderen Umständen aussieht. Es ist überall ein bisschen anders, aber auch ein bisschen gleich. Eigentlich gibt es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.
rap.de:  Was denkt ihr von eurer Heimat im Moment? Ich war gerade drüben, und finde, es ist noch verrückter geworden.

AmpLive: Ja, es ist verrückt. Aber die ganzen Länder der „1.Welt“ sind durchgedreht. Großbritannien, Japan und so.

Zion: Die Sache mit den USA ist… In den Neunzigern habe ich viele Sachen nicht mitgekriegt, die ich jetzt erkenne. Es ist eigentlich kein großer Unterschied. Seit dem 11. September ist alles bloß viel schneller gegangen. Ich glaube, es lief sowieso in diese Richtung. Aber seitdem ist das alles sehr sichtbar geworden. Vielleicht bin ich älter geworden, jedenfalls bin ich mir mehr bewusst darüber, was los ist. Früher gab es mehr neue Ideen, die in politische Prozesse einfließen konnten, und man konnte ungehemmt über die Regierung reden. Jetzt ist es nicht mehr so einfach. Sie beobachten einen, weil man ein Terrorist sein könnte. Und deshalb trauen sich viele Menschen nicht mehr so viel.

AmpLive: Viele Menschen sind ärmer geworden und kümmern sich nicht mehr so sehr darum, was passiert, weil sie damit beschäftigt sind, sich etwas zu essen zu klären und ihre Kinder zu ernähren. Und im Allgemeinen haben sie mehr Angst.

Zion: Die Angst ist das Schlimmste! Die Angst kann alles Mögliche schüren. Angst kreiert mehr Angst. Die Regierung versucht, das zu nutzen und erzählt uns, um uns zu schützen, müssten sie die Grenzen dicht machen und schaffen damit eine nationalistische Atmosphäre. Ich bin in den USA aufgewachsen, aber ich war nie jemand, der rumgerannt ist und geschrien hat: „I’m an American, I’m an American“. Aber wenn ich reise, sage ich, dass ich Amerikaner bin. Es ist schwer, stolz darauf zu sein, was gerade passiert. Dafür gibt es für uns Musik. Damit können wir ausdrücken, was wir denken und Kritik üben. Und wir können erzählen, was los ist. Aber die Atmosphäre ist nicht mehr so, wie sie war. In den Neunzigern hat Paris eine Platte namens „Bushkiller“ herausgebracht, die zwar kritisiert wurde, aber sie kam raus. Ich glaube, heute würde er dafür ins Gefängnis wandern. Die Redefreiheit ist zurzeit sehr eingeschränkt. Songs wie NWAs „Copkiller“ könnte es zurzeit nicht geben.

 

rap.de: Ist „True and Livin’“ wieder über Raptivism Rec. herausgekommen?

AmpLive: Nein, „True and Livin’“ ist über unser eigenes Label „Live UP Rec.“ erschienen. Das erste Album „Mind Over Matter“, „Family Business“, eine Mix-CD aus dem letzten Jahr, und „True and Livin’“ sind auf unserem Label erschienen.
rap.de: Bedeutet ein eigenes Label für euch mehr Freiheit oder mehr Arbeit?

AmpLive: Beides. Mehr Freiheiten, aber auch mehr Arbeit.
Zion: Mehr Arbeit, denn je mehr Freiheiten du hasst, desto mehr musst du arbeiten, um sie dir zu erhalten. Wir müssen Strategien entwickeln und planen. Wir haben andere Künstler, mit denen wir arbeiten möchten. Wir machen Re-Issues von unseren alten Sachen und so weiter. Es ist cool, aber es ist definitiv mehr Arbeit.

rap.de: Seht ihr das als einen großen Fortschritt?

AmpLive: Ja, aber es ist immer noch ein Job

Zion: Es ist wie mit allen anderen Dingen: Du willst etwas haben, und wenn du es hast, realisierst du, dass du dafür arbeiten musst, um es zu behalten und zu verbessern.

rap.de: Gibt es noch andere Künstler auf eurem Label?

AmpLive: Ja, Deuce Eclipse (begleitet Zion I auf der Tour als Co-Rapper, sein erstes Album erscheint im August bei Raptivism, Anm.d. Red.) und D-U-S-T.
rap.de: Ihr habt eine unglaubliche Energie bei euren Live-Shows. Wenn ich mir eure CDs anhöre, denke ich aber nicht sofort an Party. Aber irgendwie kriegt ihr das hin, die Leute, mit den gleichen Beats zum springen zu bringen. Wie macht ihr das?

Zion: Es war nicht immer einfach. Ich musste das auch erst lernen. Auf der Bühne zu sein, ist meiner Meinung nach eine Sache des Selbstvertrauens. Man muss sich wohl fühlen. Als ich jünger war, fühlte ich mich manchmal wie ein Idiot. Aber das hat sich gelegt. Und ich bin jetzt ein Mann und weiß wer ich bin. Ich gehe jetzt auf die Bühne und weiß, dass ich Leute rocken kann. Als ich neunzehn Jahre alt war, habe ich versucht auszusehen, wie in einem Musikvideo! Nach vielen Jahren der Kritik von anderen Leuten, hunderten von Videoanalysen, Proben und natürlich Bühnenerfahrungen, lernt man, was cool ist und was nicht. Und durch diesen Prozess lernt man, man selbst zu sein. Auf der Bühne merkt man diese Authentizität. Die Leute spüren das

rap.de: Ich danke euch für das Interview. Was passiert in der Zukunft bei euch?

Zion: Wir bringen einen sehr sarkastischen Film über uns heraus, in dem wir auch mitspielen. Ansonsten checkt www.zionicrew.com für Neuigkeiten.