Pacewone

Eigentlich war geplant, dass ich ein Interview mit Pacewon, Mitbegründer der Outsidaz und aufgewachsen in Brick City aka New Jersey, führen würde. Pace war aber zu der Zeit, als das Interview stattfinden sollte, auf der Bühne beim Soundcheck mit Morcheeba. Mist, dachte ich, musst du wieder mal warten. Falsch gedacht. Ehe ich mich versah, stand DJ Mohammed vor mir, der Pace auf dieser Tour an den Decks unterstützte. Er teilte mir selbstbewusst mit, dass der Plan so aussehe, dass er nun das Pacewon-Interview mit mir machen werde. Ich war ein wenig irritiert. Schließlich will man ja doch mit dem Künstler persönlich sprechen und dessen Antworten auch korrekt wiedergeben. Aber Mohammed antwortete locker:
DJ M: Nein nein, glaube mir, ich bin Pacewon! Ich gebe Pacewons Interviews seit 3 Jahren. Ich mache seine Interviews besser als er, weil ich kein Blatt vor den Mund nehme. Sachen, bei denen er vielleicht denkt, dafür bin ich zu cool oder darauf möchte ich nicht so gerne antworten – ich tue es. Mir ist das egal. Wenn du mich fragst, was ist mit ihm los, er sieht aus, als wäre er mit dem Gesicht irgendwo gegengerannt. Dann sage ich: Ja, genauso war es. (Gelächter) Also, tu so, als ob ich Pacewon wäre. Er würde versuchen, etwas zu sagen, was ihn gut aussehen lässt. Ich sage dagegen, wie es ist, und nicht, wie Leute es sehen wollen bzw. wie er will, dass die Leute es sehen, aus seiner Sicht. Okay, wenn das so ist, dachte ich mir, kann ich mich ja auf ihn beziehen, wenn was ausgeplaudert wird, was Pace eigentlich nicht recht ist. Soll er es doch mit seinem DJ ausmachen. Also einfach drauf los, mal schauen, was er so zu berichten hat über Pacewon.

rap.de: Bist du mit Pace in New Jersey zusammen aufgewachsen? DJ M: Nein, ich habe ich kennengelernt, als ich 16 war. Aber noch mal, fühl dich nicht abgelenkt dadurch, dass ich das Interview gebe. Glaube mir, es ist besser so. Er würde immer nur sagen: Ich bin der Beste, ich gewinne immer!
rap.de: Seine erste Crew hieß PNS. Wofür steht das eigentlich?

DJ M: Prepared Never Scared. Das ist der Name eines Rakim-Songs. Das waren D.U. und er, da waren sie in der 8. oder 9. Klasse (US-System). Danach hatten sie eine andere Gruppe, die hieß „Real Characters“. Das waren Pace und ein DJ, dessen Name mir gerade nicht einfällt, warte… DJ Best. Er hat auch für die Fugees und Naughty By Nature die Drums programmiert. Aber er wurde leider um seinen Lohn gebracht. Ein echt talentierter Typ, leider hat er im Business ne Menge Pech gehabt und Fehler gemacht. Diese beiden hatten also diese Gruppe, Pace war der MC und Best der DJ. Aber Best wollte auch rappen, und zwar mehr noch als Pace. Also sagte Pace, Moment mal, du bist doch der DJ, oder wie? So ging es dann auch mit dieser Gruppe zuende.
rap.de: Wann war denn das ungefähr?

DJ M: 1989, denke ich.
rap.de: Also hat er die ganzen Jungs, die nun die Outsidaz sind, erst später getroffen.

DJ M: Ja, genau. Als D.U. und Pace noch PNS waren, lernten sie einen Typen kennen, der aus Cali nach Jersey kam, Young Zee. Er hatte einen Cali-Rapstyle und eine sehr markante Stimme und fiel in Jersey natürlich sofort auf. Bei einem Battle standen sie sich schließlich gegenüber, beide waren ziemlich gut. Und sie stellten schnell fest, dass sie ganz gut aufeinander flashen konnten. Sie wurden Freunde. Pace’ Crew waren damals D.U., Loon and Slang und Young Zees Crew. Außerdem sein Bruder Yah Yah, Raw Digga und noch ein zwei andere MCs. Sie haben diese beiden Crews dann einfach zusammengelegt und die Outsidaz gegründet. Der Name heißt Outsidaz, weil sie outside of New York sind. Es hat also nichts mit Außenstehenden in der Gesellschaft zu tun. Früher hieß es immer, wenn du nicht aus New York kommst, wirst du es schwer haben, einen Platz im Game zu finden.
rap.de: Und was ist mit Leuten wie Redman…

DJ M: Der hatte Erick Sermon, der ihn unterstützte und ihm die Türen öffnete. Eric wohnte ja in New York. Wenn du keinen aus New York hattest oder selber dort wohntest, warst du halt ein Outsider.
rap.de: Wie kam es dann, dass die Outsidaz Chris Schwarz getroffen haben, den Mann, der von Anfang an an sie geglaubt hat, und sie die ersten waren, die auf seinem neuen Label veröffentlichen durften.

DJ M: Pace hat ihn kennengelernt, weil er auf der „The Score“ von den Fugees gefeaturet war.
rap.de: Richtig, wie kam es eigentlich dazu?

DJ M: Clef war einfach ein MC, der in der Nachbarschaft rumhing. Damals hatten sie noch nicht so viel Erfolg, das war kurz vor dem großen Durchbruch, und Clef suchte MCs, die auf dem Album gefeaturet werden sollten. Er suchte in Jersey, und außer Redman und Latifah waren die besten MCs in der Gegend Pace, Raw Digga und Young Zee. Also wollte er alle auf dem Album haben. Und dann ging das Album ja bekanntermaßen richtig steil, und auch der Bekanntheitsgrad von Pace, Raw und Zee stieg ein wenig.
rap.de: Sie haben also den Erfolg für sich genutzt, als sie Chris Schwarz trafen.

DJ M: Sicher. Das hat natürlich Aufmerksamkeit geweckt. Er gab Pace und Zee einen Deal auf Ruffhouse. Als die gerade unterschrieben hatten, musste Ruffhouse zumachen, dafür startete dann aber RuffNation. Letztendlich war es dann die erste Outsidaz EP, die als erster Release auf RuffNation (jetzt RuffLife) auf den Markt kam.
rap.de: Die Outsidaz haben ja inzwischen 2 Alben draußen. Ist es eigentlich schwer, so viele Leute ins Studio zu bekommen und eine Platte aufzunehmen. Man hat ja einige Geschichten über den Wu Tang Clan gehört…

DJ M: Eigentlich ist es ziemlich einfach. Wenn Pace zum Beispiel einen Track macht, dann schreibt er den ersten und den zweiten Vers, und der dritte ist dann meistens Mist. Also rappen lieber drei Leute auf dem Track, die sich gegenseitig pushen.

rap.de: Sind die Jungs so was wie Workaholics, oder wie geht das vor sich?

DJ M: Das ist ziemlich einfach bei uns, alle zusammenzukriegen, denn wir leben alle in einem großen Haus zusammen. Wir machen dort nichts anderes als Musik. So hatten wir so um die 200 Songs, aus denen wir dann die besten auswählten. Es gab ja auch mal eine Zeit, in der Eminem auch bei uns wohnte. Aus dieser Zeit haben wir auch noch sieben unveröffentlichte Songs.
rap.de: Wie war denn das nun mit Eminem und den Outsidaz? Kam er aus Detroit nach Jersey rüber, oder…

DJ M: Es war so, dass wir Bizarre zuerst getroffen haben und ihn zu einem „Outsida“ machten. Er sagte dann, er habe einen Kumpel, der ein sehr guter MC ist. Also hörten wir ihn uns mal an, und wir waren so „WOW“. Das war der freshste „White Boy“, den wir je rappen gehört haben. Er fragte uns, ob er rüberkommen und dazugehören dürfe. Das fanden wir cool, und so kam er dann rum. Zu der Zeit, als wir die „Macosa“ 12“ machten – das war eine Whitelabel Platte mit Eminem – chillte er mit uns im Outhouse, und wir performten für „Park Hill Day“, als Opener für den Wu-Tang Clan. Da war Eminem voll dabei. Später sind wir öfter zusammen aufgetreten, mal machten wir den Opener für ihn und umgekehrt. Aber als der große Erfolg kam, änderten sich viele Dinge. Wir sind heute cool mit ihm, aber ansonsten ist da nichts mehr.
rap.de: Lass uns über das aktuelle Album von Pace sprechen. Hier hat man einige ältere Songs draufgepackt und nur so vier bis fünf neue. Ist das ein Album, mit dem man erst mal wieder ein bisschen Lärm machen will, den Fans zeigen, dass ihr noch da seid, um dann ein Album mit neuen Sachen zu veröffentlichen?

DJM: Ja, das auch. Im Grunde genommen war es aber einfach so, dass wir die Chance bekamen, ein Album rauszubringen, und wir wollten sie so schnell wie möglich auch nutzen.
rap.de: Pace spricht auf der Scheibe eine ganze Menge übers Weed-Rauchen. Braucht er das Gras auch, um generell kreativ zu sein?

DJ M: Ein wenig wohl schon, denke ich. In diesem Moment kommt Pace überraschend ins Zimmer rein.
DJ M: Yo, Pace, warum erzählst du soviel übers Weed in deinen Songs?
rap.de: Brauchst du das, um kreativ zu sein?

Pace: (Guckt leicht irritiert) Also ich rauche soviel, weil, ähh, also nicht wegen der Musik. Ich weiß auch nicht genau, ich tue es einfach… Er wendet sich Mohammed zu, und sie sprechen noch kurz über organisatorische Dinge, dann verschwindet er wieder. Ich denke mir, dass es – zumindest an diesem Tag – vielleicht doch gut war, das Interview mit Mohammed zu machen und nicht Pace selber.

rap.de: Die Frage wegen des Weeds hat sich mir deshalb gestellt, weil er in dem Track „Reckless“ über eine Frau spricht, die einen Unfall baut, weil sie total zugekifft ist. Und es hört sich so an, als wolle Pace davor warnen, in diesem Zustand Auto zu fahren.

DJM: Soll ich dir die Wahrheit sagen…?

rap.de: Sicher.

DJ M: Pace wollte eigentlich gar nicht, dass der Track auf das Album kommt. Er ist nur drauf, weil es den Leuten vom Label so gut gefallen hat. Der Track ist schon ziemlich alt – von 1994. Es war so, dass wir einige Tracks ausgesucht haben, die wir auf dem Album haben wollten, und das Label hatte auch ein paar Tracks, die ihrer Meinung nach drauf sein sollten. Es ist halt ein Kompromiss daraus entstanden.
rap.de: Wie kam es letztendlich zu der Zusammenarbeit mit Morcheeba? Wer hat wen getroffen usw.?

DJ M: Den Kontakt stellte Pace’ Manager in England her. Paul, der Kopf von Morcheeba, er ist auch DJ, ist großer Plattensammler. Er hat auch einige von Pacewons 12“es. Zur Zeit des vorigen Morcheeba-Albums war er Fan von Mr. Complex, also hatte er ihn auf dem Album. Während sie das neue Album produzierten, war er Fan von Pace und wollte ihn auf dem Album haben. Sie machten also drei Songs, von denen es zwei auf das Album schafften.
rap.de: Wurden die Aufnahmen in England gemacht?

DJ M: Nein, letztendlich wurden sie in Deutschland aufgenommen. Wir waren zu der Zeit gerade in Deutschland auf Tour, und sie haben sich nach seinem Zeitplan gerichtet und die Tracks eingespielt.
rap.de: Kannte er ihre Musik eigentlich vorher?

DJ M: Sie haben ihm all ihre CDs zugeschickt, und er hat sie sich angehört, und sie gefielen ihm. Mir auch. Ich kannte sie vorher auch nicht, war aber schnell begeistert von Morcheebas Musik, als ich sie gehört hatte.

rap.de: Das war dann ja ein einfacher Prozess, da sie auf euch zugekommen sind. Wahrscheinlich waren die Songs dann auch ziemlich schnell im Kasten. Haben sie ihm die Stücke vorgespielt und gesagt, es wäre super, wenn du hier jetzt etwas in dieser oder jener Richtung sagst, oder hat er einfach frei drauflosgerappt?

DJ M: Das ist eigentlich recht witzig. Weil bei dem einen Track die Lyrics von Pace gar nichts mit dem Rest zu tun haben. (Gelächter) Das kam so, dass es ein ganz anderer Beat, quasi ein anderer Song war, als Pace seine Vocals aufgenommen hat. Später haben sie dann einfach seinen Rappart genommen und ihn in den neuen, jetzigen, Track eingebaut. Für uns war das okay.
rap.de: Echt? Pace hat nichts dazu gesagt? Kann ich mir kaum vorstellen.

DJM: Nein, nicht wirklich. Er fand den Track cool, und es hat ihm nicht so viel ausgemacht, dass die Vocals nicht zum Chorus passen. Das kommt auch bei anderen Tracks manchmal vor. Oder schaue dir Videos an. Oft haben die Videos nichts mit dem Inhalt des Tracks zu tun. Insofern konnten wir damit leben.
rap.de: Du hattest vorhin bereits erwähnt, dass auf dem kommenden neuen Album von Pace nur Tracks drauf sind, die von Europäern produziert worden sind.

DJ M: Das ist richtig, Leute aus Holland, England, Pace hat eine Menge Leute kennengelernt auf seinen Touren durch Europa. Aber trotz der europäischen Produzenten wird es ein richtiges HipHop-Album, nicht so experimentell wie die Tracks auf der Morcheeba-CD. Wir haben einfach nach einem anderen Sound gesucht.
rap.de: Läuft man nicht ein wenig Gefahr, dass sich das Album eher wie eine Compilation anhört, wenn man so viele verschiedene Produktionsstile auf einem Album zusammenpackt?

DJ M: Pace wird durch seine Präsenz auf jeden Fall die Richtung vorgeben. Ich denke, er hat genug Power dafür. Einige hochkarätige Gäste wird es auch geben.
rap.de: Vielen Dank für das Interview, ich hoffe es war in Pace’ Sinne.

DJM: Da kannst du dir sicher sein!