Rawkus

"HipHop Classics Vol.1“ heißt der dieser Tage erscheinende Sampler aus dem Hause Rawkus, der zwölf Tracks aus der kurzen, aber bewegten Vergangenheit dieses mittlerweile ja schon legendären New Yorker Labels auf sich vereint und der gemeinsam mit einer Bonus-CD ausgeliefert wird, auf der sich sieben weitere aktuelle oder demnächst zu veröffentlichende Tracks befinden. Wenn man bedenkt, dass das Label erst vor ungefähr sechs Jahren Mitte der Neunziger gegründet wurde, könnte man den Release eines „Classics“-Samplers vielleicht für etwas verfrüht halten – andere lassen sich da mehr Zeit. Das alles interessiert ein Label wie Rawkus natürlich überhaupt nicht und es besteht für die Herren Brater und Myer auch wenig Anlaß, sich zurückhaltend zu geben. Immerhin hat sich Rawkus in den vergangenen Jahren zur Heimat für verschiedene absolut herausragende Künstler entwickelt. So hat hier 1999 beispielsweise The Mighty Mos Def mit „Black On Both Sides“ sein LP-Debut gegeben, im selben Jahr die Organized Konfusion -Legende Pharoahe Monch mit „Internal Affairs“ eine Art Comeback hingelegt, dessen Burner-Single „Simon Says“ noch heute heftiges Kopfnicken auslöst. Bei einem derartigen Hintergrund fällt es dann auch nicht schwer, genügend Material zum „Resümieren in Samplerform“ aufzutreiben – die meisten Tracks dürften wohl auch bekannt sein. Erwähnenswert ist aber dennoch, dass es u.a. El Fudges „Liquid“ sowie das Reflection Eternal -Debut „Fortified Live“ von 1997 auf die Platte verschlagen hat, ebenso wie den EP-Hammer „End To End Burner“ von Company Flow und das großartige „Sound Clash“ von Shabaam Sahdeeq , letztere beide aus dem Jahre 98.  Angefangen hat alles irgendwann 1995/96, als die beiden weißen Headz Brian Brater und Jarret Myer beschlossen, mit Rawkus einen Kontrapunkt gegen die Enwicklung des HipHops in den Gefilden der Major-Labels zu setzen – „we are independent as fuck and lovin´it“, ein Satz der Gruppe Company-Flow, der erstmal zur inoffiziellen Losung des Labels werden sollte und dessen dahinterstehende Geisteshaltung das Image und wohl auch das Schaffen der Firma für längere Zeit prägte. Dennoch wurde das Label von Anfang an ambivalent gesehen, insbesondere wegen der sich hartnäckig haltenden Gerüchte um eine Mitfinanzierung durch den Medien-Mogul Rupert Murdoch , die nicht so recht zum Charakter eines Independent-Labels passen wollten. Dass die Murdoch-Millionen tatsächlich geflossen sind, wird heute genauso wenig bestritten, wie man noch versucht, sich weiterhin den Anschein eines klassischen kleinen Independents zu geben, was wohl auch nur noch wenig Sinn hätte. Außerdem ist der Skepsis gegenüber der Murdoch-Beteiligung auch entgegenzuhalten, dass letztendlich doch das Ergebnis zählt und ja nicht auszuschließen ist, dass auch solches Geld mal sinnvolle Verwendung findet. Es steht dann auch kaum eine Gruppe so sehr für die ursprüngliche Mentalität bei Rawkus, wie die bereits zitierten Company-Flow, die dort 1997 ihre Debut-LP „Funcrusher Plus“ releasten und trotz über 100.000 verkaufter Einheiten über den Vorwurf des Sellout bis heute wie nur ganz wenige andere erhaben sind. Wer das Funcrusher-Album zu hause hat, weiß, dass mit dieser Platte kein Radio- Airplay zu machen ist und wähnt sich zumindest unterbewusst sicher immer noch in einem etwas elitären Kreis von HipHop-Insidern. Gleichzeitig stehen Company-Flow zumindest faktisch aber auch an der Spitze der Kritiker des Labels.

Nachdem sie bei Rawkus 1998 noch die „End To End Burner“-EP sowie 1999 das legendäre Instrumental-Album „Little Johnny From The Hospitul“ releasten, haben sie sich mit der Doppel-12“ (Company Flow/ Cannibal OX ) „DPA (As Seen on T.V.)“ nun endgültig auf ihr eigenes Label Def Jux zurückgezogen und sich von Rawkus auch hinsichtlich des Vertriebs gelöst. In einem Interview mit dem Spex -Magazin kommentierte EL-P von Company Flow diesen Schritt dann auch mit folgenden Worten: „Wir sind nicht mehr bei Rawkus, sondern machen jetzt unser eigenes Ding. Man kann nicht erwarten, dass jemand, der Gold gehen will, unser Ding verstehen kann. Das ist nicht schlimm, nur realistisch gedacht. DefJux soll das werden, von dem ich dachte, Rawkus könnte es sein. All about music and new artists.“ Ein weiteres Projekt, dessen Entwicklung ebenfalls repräsentativ für die Geschichte von Rawkus sein dürfte, ist die allseits bekannte Lyricist Lounge , die im November 1991 – damals noch mit ganz anderem Ablauf – erstmals von Anthony Marshall und Danny Castro durchgeführt wurde. Auf Rawkus „greifbares“ Ergebnis dieses Projekts sind die beiden Lyricist Lounge-Sampler „Lyricist Lounge Vol.1 und Vol.2“ aus den Jahren 1998 und 2000. Was damals in erster Linie aus Spaß an der Sache entstand und wenig später den Anspruch verfolgte, talentierten jungen MCs ohne Plattendeal ein Forum und Auftrittsmöglichkeiten zu geben, mündete letztes Jahr in den perfekt promoteten Lyricist-Lounge Vol.2-Sampler, auf dem sich Rap-Größen wie Q-Tip , Notorious B.I.G. , Kool G Rap , Gangstarr und andere tummeln. Offen wird seitens der Initiatoren eingestanden, dass man in der Zusammenarbeit mit Rawkus eben ein paar Vorschläge von dort akzeptieren musste, woraus man wohl schließen darf, dass das Künstler-Lineup durch das Label erheblich beeinflusst wurde. Angeblich hätten Castro und Marshall mit der ersten Lyricist Lounge wegen des großen betriebenen Aufwands kein Geld verdient, so dass es jetzt erforderlich sei, etwas anders vorzugehen, um wenigstens die Mitarbeiter zu bezahlen. Auch Brian Brater selbst räumt unumwunden ein, dass die einstigen Freiheiten, die das Label zu den Funcrusher -Zeiten oder beim Blackstar -Album noch hatte, eben nicht mehr existierten. Ohne die möglicherweise hinter einem solchem Statement stehenden rechtlichen Verpflichtungen und damit verbundenen Geschäftserwartungen zu kennen, fragt man sich doch, weshalb man nicht auch mit „nur“ 100.000 verkauften Einheiten zufrieden sein kann. So wie die Dinge gegenwärtig liegen, ist jedenfalls zu befürchten, dass wahre Innovation woanders stattfinden wird. Dennoch hat dieses Label der Welt des HipHop verdammt viel gegeben und aufgezeigt, dass Interesse an der Sache und das Überwinden von geistigen Barrieren immer wieder zu großartigen Ergebnissen führen kann. Nicht zuletzt deshalb und wegen der fantastischen Tracks auf der Platte, hat sich Rawkus mit den „HipHop Classics Vol.1“ zu Recht ein kleines Denkmal gesetzt. Es bleibt auch abzuwarten, ob El-P seinem selbstgesetzten Anspruch für das DefJux-Label („I don´t care about a label, I care about music. I´m impressed by records, I´m impressed by music.“) in der Zukunft langfristig gerecht wird. Wir wünschen es ihm auf jeden Fall.