Rob Sonic

Rob Sonic fühlt sich gut. Und das, obwohl er die Nacht durchgemacht hat. Aber das scheint ihm nicht viel auszumachen, so lange er weiß, dass es einen guten Grund dafür gibt, jetzt fit zu sein. In diesem Fall hat er ein Interview mit mir, übers Telefon, von der Bronx nach Berlin, um über sein aktuelles Album „Telicatessen“ zu sprechen und um die eine oder andere kleine Geschichte zu erzählen. Rob Sonic kommt ursprünglich aus der Nähe von Washington D.C.. Seine Eltern hatten nicht viel, alles musste hart erarbeitet werden. In der Musik fand Rob die Flucht aus dem grauen Alltagsleben und tauchte ein in die Welt der Stones und Beatles, Run DMC und Kraftwerk, Muddy Waters und den Talking Heads oder Public Enemy und BDP.
 
So vielseitig wie sein Musikgeschmack ist auch seine eigene Produktionsweise. Denn, anders als in seiner ehemaligen Gruppe „Sonic Sum“, wo er als Frontman agierte, hat er dieses Mal alles selbst produziert. Dabei nutzt er fast alles, was ihm in die Finger kommt. Verschiedene Synthies und Sampler, analog und digital. Alles in der berechtigten Hoffnung, an den Kritiker-Erfolg des 2000 erschienenen Albums „The Sanity Annex“ von Sonic Sum anknüpfen zu können. Dieses Album war zwar nicht der große Erfolgsschlager, bekam aber weltweit sehr gute Kritiken. In der „Spin“ wurde es zum „2nd Best Album of the Year that Noone Heard” gewählt. Ist das jetzt mehr mit einem weinenden oder einem lachenden Auge zu sehen?

„In erster Line sehe ich das als Kompliment. Für die Independent HipHop-Szene und den Aufwand, den man betreiben muss, um überhaupt in ein Magazin wie die "Spin" zu kommen, ist es definitiv ein Kompliment. Das Magazin erscheint in einer großen Auflage, und sie haben diese Liste mit den Alben des Jahres, und darin zu erscheinen, ist schon mal etwas sehr positives. Natürlich würde es sich auch unheimlich gut anfühlen, wenn eine Millionen Leute losgegangen wären und sich das Album gekauft hätten, aber man muss auch die kleinen Erfolge zu schätzen wissen.“
So ist er, der Rob. Den Mann scheint nichts von seinem Weg abbringen zu können. Er ist absolut glücklich, dass er das machen kann, was ihm Spaß macht, seine Musik, und dabei viele Freiheiten genießt.

„Ich bin einfach nur froh, dass ich die Chance hab, mir selber einteilen zu können, wann und wie ich zu arbeiten habe. Und ich tue das ja quasi für mich selbst. Klar, Def Jux erwartet irgendwann mal ein Ergebnis. Aber es ist etwas völlig anderes, als 12 Stunden in einem ‚normalen’ Job für jemand anderen zu schuften. Und glaube mir, das habe ich in meinem Leben lange genug getan. Ich habe keine höhere Schulbildung und komme nicht aus einem wohlhabenden Elternhaus. Ich hab die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn man für andere die Toiletten putzen muss, um sich sein Essen zu verdienen.“
Das muss er heute glücklicherweise nur noch bei sich selbst tun. Aber auch das kann ja schon mal ziemlich nervig sein. Rob hat aber noch mehr entwickelt als seine eigene Arbeitseinteilung. Sein „Schlaf-Wach-Prinzip“ ist auch durchaus interessant, und wie gesagt, er hat ja auch gerade wieder mal eine Nacht (Nacht nach unserem Verständnis) durchgemacht.

„Bei mir ist es schon ein wenig strange. Ich habe keinen geregelten Tagesablauf, wie Leute, die feste Arbeitszeiten haben. Ich schlafe einfach so acht Stunden und stehe dann auf, um etwas zu tun. Meistens Musik machen oder Texte schreiben. Da kann es mal vorkommen, dass ich bis vier Uhr Nachmittags schlafe, aufstehe und loslege. Das dauert dann vielleicht bis sechs oder sieben Uhr am nächsten Morgen, dann gehe ich ins Bett und stehe erst um 8 Uhr Abends auf und mache die Nacht durch. Für mich ist die Hauptsache, dass sich mein Körper ausgeschlafen anfühlt. Es kommt nicht auf die Uhrzeit an. Klingt das merkwürdig?“ (lachen) Na ja, solange er sich dabei wohl fühlt, ist ja alles in Ordnung, hoffe ich.

Def Jux scheint das alles nicht viel auszumachen, sofern sich diese besonderen Lebenseigenschaften positiv auf die Musik von Rob Sonic auswirken. Vor ein paar Jahren gab es ja doch einen ziemlich Hype um das Label von Ex-Company-Flow-Mitglied El-P. Inzwischen scheit wieder Ruhe eingekehrt, und die Konzentration wurde auf das musikalische Output gelenkt. Denn die ist in den Jahren sogar noch besser und abwechslungsreicher geworden, nimmt man die letzten V.Ö.s als Maßstab (z.B. RJD2, Murs, Vast Air, Rob Sonic). In der gesamten Independent-Szene scheint Ruhe eingekehrt zu sein. Heißt das, es geht ihr schlecht?

„Ich denke nicht. Die Independent-Szene unterscheidet sich ja eigentlich gar nicht von anderen Szenen. Auch hier gibt es Hoch- und Tiefpunkte. Immer, wenn es etwas Neues gibt, kann ein kleiner Hype erzeugt werden, und dann kommt bestenfalls so etwas interessantes heraus wie bei Def Jux. Auf einmal sind alle daran interessiert. Nach einer Weile, wenn sich alles wieder beruhigt hat, muss man aufpassen, dass man nicht den Fokus verliert und sich von dem kurzen Hoch blenden lässt. Die Musik und die Künstler müssen im Vordergrund stehen und die Qualität des Outputs hoch bleiben. Das ist nicht so leicht, wie es sich anhören mag. Es gibt viele Independentkünstler, die so schnell, wie sie gekommen sind, auch wieder verschwinden.“
Das könnte natürlich auch daran liegen, dass es heutzutage als Künstler ohne große Maschinerie im Rücken sehr schwer ist, überhaupt gespielt zu werden. Radio, Fernsehen, wie sieht es denn damit aus? In den USA sicherlich nicht besser als bei uns. Wahrscheinlich in Sendungen, die um zwei Uhr nachts laufen. Das schauen dann nur Leute wie Rob, für die Tag und Nacht relative Begriffe sind. Aber die Masse bekommt davon nichts mit. Kommerz überschwemmt die Vielseitigkeit. Alles läuft im Gleichschritt.

„Und das ist wirklich eine Schande. Viele große Persönlichkeiten, mit denen ich aufgewachsen bin, hatten so unterschiedliche Musikstile, egal ob sie mir gefielen oder nicht. Auch Radio-DJs wie Chuck Chillout oder Red Alert, die bekamen Respekt, denen wollte man zuhören, die hatten Autorität. Und, das Wichtigste, sie haben gespielt, was ihnen gefallen hat. Das vermisse ich wirklich. Ich glaube, dass HipHop im Allgemeinen und auch die Independentszene durch solche einflussreichen Persönlichkeiten erst groß geworden sind. Einfach nur deshalb, weil sie dran geglaubt haben. Ob es einem gefällt oder nicht, heute ist HipHop einfach überall. Es gibt für mich keine Musik, die solchen einen großen Einfluss auf die gesamte Musikszene hat wie HipHop. Klar, es gibt viele Leute, die heute große Erfolge feiern, aber auf der anderen Seite ist es doch überraschend oder gar erschreckend, wie kontrolliert die ganze HipHop-Branche ist. Dominiert von den Medien und dem Big Business. Aber ich möchte nicht die ganze Zeit jammern. Ich versuche in erster Line, einfach gute Musik zu machen, und hoffe, dass ich, auf welchem Weg auch immer, so viele Leute erreichen werde wie möglich.“ Rob verarbeitet in seinen Texten alles, was ihn in irgendeiner Form beschäftigt. Wenn man ihn den Satz rappen hört „…the man with the gun has the mass appeal“, ist es nicht schwer sich vorzustellen, dass es sich um den alten und leider auch neuen machthungrigen US-Präsidenten handelt. George W. Bush, der Mann mit der allergrößten Waffe im Land, wie es Rob ausdrückt. Waffen sind der „American Way“, jeder Idiot und Psycho darf eine Waffe besitzen und tut das letztlich wohl auch. Bei vielen Amerikanern gilt man schon als Trottel, wenn man zugibt, dass man keine Waffe unter dem Kopfkissen hat, wie Rob weiter anfügt. Das ist natürlich auch eine klare Anspielung auf die Ausrichtung der Medien in den USA.