Thomas D

"´Düster´ war das Wort, welches von den meisten im Zusammenhang mir ´Lektionen in Demut´ kam. Mit etwas Abstand kann ich verstehen, was die Leute meinten, aber als wir die Platte gemacht haben, war es eigentlich nicht beabsichtigt, alle in die Dunkelheit zu schicken. Natürlich ging es mit dem Album erst mal an sehr dunkle Stellen, um dann schließlich aber auch das Licht am Ende des Tunnels zu zeigen. Es ist halt ein Trip – du musst da rein und hinten wieder raus, und wenn du dich nicht umgebracht hast, hast du etwas dazu gelernt." meint ThomasD im Rückblick auf das Reflektor Falke-Album, welches vor einem Jahr erschien. Obwohl wir dieses mal nur telefonieren, weiß ich, dass er sein typisches Grinsen im Gesicht hat, als er das sagt. Schon vor einem Jahr wusste er, was er uns in 2002 geben würde – Son Goku , eine Hardcore-Band, die er überwiegend mit Mitbewohnern seines Bauernhofes in der Eifel, dem M.A.R.S. (der Modernen Anstalt Rigoroser Spacker), gegründet hat: "Son Goku ist der Hauptdarsteller aus Dragon Ball, einem Comic – ein kleiner Junge, der ein reines Herz hat und der die Welt rettet – so alles klar (lacht)" Ebenfalls klar war, dass die zugehörige Platte eine Reaktion auf Lektionen in Demut sein sollte: "Es haben ja alle gesagt ´Das ist so düster, bedrohliche Texte usw.´ – da dachte ich mir, o.k. Leute, dann kriegt ihr es jetzt. Mein Ziel ist es, positive Powermantras zu kicken, d.h. mit jedem Satz eine Positivierung zu geben, mit jedem Satz eine positive Untermauerung eines Lebensgefühls zu liefern." Ob ihm das gelungen ist, kann nun jeder für sich entscheiden. Fest steht jedenfalls, dass der Name des Fanta-4 -Gründungsmitglieds bei Son Goku zum ersten Mal nicht mehr im Bandnamen oder Plattentitel auftaucht, und diese Tatsache für Thomas auch wichtig ist, wie in einem Statement zum Liveprogramm klar wird: "Wir haben z.B. versucht, ´Rückenwind´ in ´ner Hardcore-Version zu spielen, kamen aber immer zu dem Ergebnis, dass das nicht geht. Wir können keine Cover-Versionen spielen, auch nicht von englischen Sachen – das wäre alles nicht Son Goku. Es geht mir dabei auch darum, zu sagen ´Das ist nicht ThomasD mit irgendeiner Backing-Band, sondern Son Goku. Wir haben diese Songs zusammen geschrieben und stehen zusammen auf der Bühne.´ Die Leute haben bisher auch nie ´Rückenwind´ oder ´Krieger´geschriehen, sondern das als Son Goku akzeptiert."

Trotz aller Unter- oder besser gesagt Einordnung in eine neue Bandstruktur – ThomasD ist immer noch der, der er wurde, als er 1993 mit "Alles ist neu" auf dem Fanta-4-Album "Die vierte Dimension" anfing, seine eigenen Werte zusammen zu tragen. "Bewusstsein" hat dabei höchste Priorität und seit 93 macht er uns nun alle paar Jahre klar, dass es jeden Tag höchste Zeit ist, zu erkennen, worum es wirklich geht. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Ansagen bildete der Titel "Krieger" auf "Lauschgift" (1995), dem er vier Jahre später mit "Millionen Legionen" (auf 4:99) den würdigen Nachfolger hinterherschob. Auch "Alle Für Jeden", der Titel dessen Video übrigens komplett auf dem M.A.R.S. gedreht wurde, schlägt letztlich wieder in diese Kerbe, dieses mal aber eben in der Hardcorde-Variante, so dass wir den ThomasD-Wertekanon nun nacheinander in der HipHop-, Pop- und Hardcore-Welt erleben konnten. Auch wenn nicht zu befürchten ist, dass der "kleinste HipHopper der Fantastischen Vier" (wie sich der Schwabe im Hinblick auf sein vergleichsweise geringeres Interesse an Beats und Raps nennt) nächstes Jahr mit der House-Version des ThomasD-Universums aufwartet, ist auch ihm bewusst, dass seine Ansagen letztlich als konsumierte Popkultur untergehen könnten: "Die Gefahr sehe ich auf jeden Fall und vielleicht kommt auch schon bald eine Zeit, in der ich nicht mehr so viel Musik machen und mich nicht mehr so viel in der Öffentlichkeit aufhalten werde – aus dem Grund, wieder zurück zu gehen und mich zu sammeln, das nächste Rausgehen besser vorzubereiten." , wie er im Hinblick auf die Partei sagt, die er eines Tages gründen möchte. Ergänzend meint er: "Selbst die Doors, die Beatles oder die Stones – teilweise Revoluzzer vor dem Herrn, waren ja im Endeffekt aber auch nur Popmusik. Sich selbst über diesen Rand des Entertainments und der schönen Träumereien hinauszubewegen, ist manchmal verdammt schwer. Zu sagen ´Ich meine es verdammt ernst und will auch in einem politischen Rahmen dafür einstehen´. Aber selbst wenn es nur Musik bleiben sollte, ist es doch Soulfood für jeden, der hofft, der zweifelt, der sich Sachen fragt. Aber ich werde weiter dafür arbeiten, dass es auf ´ne gesellschaftliche Ebene kommt und es sich auch auf einer politischen Ebene manifestiert. Als Wunsch, der nicht nur von einem bekifften Träumer kommt, sondern der in uns allen da ist und auf einem Bedürfnis nach Harmonie und nach einem ´Sich-Wohl-Fühlen-Auf-Dieser-Welt´ fußt."

Bevor es allerdings so weit kommt, wird es noch mal ein Zusammentreffen mit den Kollegen Rieke, Schmidt und Beck geben, mit denen er nach 4:99 gemeinsam so etwas wie den angemessenen Vier-Jahres-Rhythmus für die Fantastischen Vier zu etablieren scheint: "Ich glaube, dass sich die Fantastischen Vier zusammenraufen können, wir haben es zumindest vor. Der Herr Schmidt [Smudo] kommt morgen zu mir nach hause und dann fangen wir mal an, Texte zu schreiben. ´Ne Woche lang ein bisschen brainstormen, ein bisschen gucken ´Wohin kann es hingehen, was soll es werden?´. Smudo hat auch ziemlich viele Ideen und von denen werde ich dann profitieren, weil ich gerade gar keine Ideen habe (lacht). Im Herbst wollen wir uns dann zusammen setzen, ein neues Album machen und nächstes Jahr damit rauskommen."
rap.de: Wohin könnte das denn gehen, nach allem, was ihr bisher abgeliefert habt?
Thomas: Ein Wunsch von mir wäre es, einen Mischung aus ´Unplugged´ und ´Jetzt geht´s ab´ zu finden, also die musikalische Qualität von Unplugged, aber eben nicht so "Alte-Männer"-mäßig. Eher dieses ´we don´t give a fuck´, das wir bei unserer ersten Platte noch hatten. Die Naivität kann man natürlich nicht mehr zurück gewinnen, aber an der Studio-Tür vom Andi steht etwas sehr schönes, was ich dort hingeklebt habe: ´Nichts ist schwieriger, als Leichtigkeit´. Das gilt für Kunst genauso wir für Mode und für Musik als Kunstform erst recht. Diese Leichtigkeit, von der ich mir einbilde, sie mit Son Goku wieder zurück gewonnen zu haben, die ist echt wichtig. Da steckt sehr viel Spaß drin und den würde ich in eine neue Fanta4-Platte, vielleicht auch zuungunsten der politischen Korrektheit, wieder reinbringen wollen. Also nicht so abgebrüht zu sein und zu sagen ´Wir sind eh alle selbst schuld, und die anderen können nichts dafür´, sondern vielleicht auch mal wieder auszuteilen und zu sagen ´Na und – ihr seid trotzdem scheiße´.

rap.de: Das betrifft ja in erster Linie den textlichen Aspekt, was kannst du dir denn für die Musik insgesamt vorstellen? Wird es tendenziell HipHop oder eher eine Popplatte?
Thomas: Michi und Smudo sind ja unsere beiden größten HipHopper und ich glaube, dass von denen die Richtung schon auch etwas diktiert wird. Smudo ist ein Oldschooler, und was er bisher an Reimen gebracht hat – da hörst du sofort, das ist Smudo. Super lustig, super spackig, aber total Smudo. Bei Michi muss man mal sehen – der hat ja schon lange nicht mehr gerappt, aber ich glaube nicht, dass er nun so weit gehen würde, zu singen. Ich würd ´s mir zwar wünschen, weil ich eigentlich lieber ´ne schöne Poplatte, als ´ne ´tolle HipHop-Platte´ hätte, aber gut, ich bin auch der kleinste HipHopper von uns allen. Für mich ist Rap zwar das Medium, mit dem wir uns ausdrücken, aber musikalisch habe ich selbst keine Grenzen. Da der Andi die Beats machen wird, wird das dann sicher auch wieder etwas typisch deutsches haben.
rap.de: Woran machst du denn dieses "tpisch-deutsche" fest?
Thomas: Andi ist eben ein eigener Typ und egal welche Beats er macht, egal welche Samples wir ihm geben – es hat immer diesen technischen Touch. Eher technisch als auch mal unrund, aber hauptsach fett. Das ist nicht der Andi, Andi arbeitet sehr in Details und das hat für mich auch etwas sehr teutonisches, was gar nicht böse gemeint ist. Man hört schon, dass es wir sind, und auch, dass wir aus diesem Land kommen.

rap.de: Mit "Netzwerk" spielst du ja auch auf die Vorstufe der von euch geplanten Partei an – ich denke mal, bis zum September wird es nicht mehr ganz hinhauen …
Thomas: Nee, aber wenn ich die Lage jetzt sehe, hätte man eigentlich dieses Jahr an den Start gehen sollen (lacht). Wir haben ja alle keine Wahl, es ist ja ganz schlimm geworden. Heijeijei.
rap.de: Gehst du denn überhaupt hin und wenn ja, wen würdest du wählen?
Thomas: Ja – auf jeden Fall, und wahrscheinlich würde ich grün wählen.
rap.de: Zur Zeit kann man ja schon verstehen, wenn die Leute sagen ´Die sind doch alle scheiße´…
Thomas: Ja – aber stell Dir mal vor, wir bekommen Stoiber als Bundeskanzler. Allein schon um das auszuschließen muss man hingehen, weil dann … Andererseits haben wir dann auch Super-Karten, weil sie uns in vier Jahren alle anflehen werden, die Karre wieder aus dem Dreck zu ziehen. Insofern sollen sie doch kriegen, was sie sich bestellen. Ich will es aber nicht. Ich bin zwar auch maßlos enttäuscht und frustriert und glaube, dass die uns alle einfach offen ins Gesicht gelügen, dreist genug sind sie, aber ich werde trotzdem grün wählen. Man hat ja zwei Stimmen, glaube ich, und ich würde wohl auch unseren Altkanzler noch mal drinhalten – eine Runde können die schon noch ´ne Chance bekommen.
rap.de: Ist das Parteiprojekt damit dann doch erst mal wieder in die Ferne gerückt?
Thomas: Nein auf keinen Fall. Wir denken sehr darüber nach und machen das Schritt für Schritt. Ich brauche nicht nur ein gutes Team, sondern auch Experten, die in den einzelnen Bereichen richtig Bescheid wissen und ihr Herz trotzdem noch am richtigen Fleck haben, sich nicht durch Systeme und irgendwelche Prinzipien haben unterkriegen lassen. Ich brauche Leute aus der Branche, aber die Kontakte kommen. Ich bekomme da auch e-mails, jetzt z.B. von einer, die bei der SPD im Pressebereich tätig war, und die voll Bock hätte, mich zu unterstützen. Wir machen aber kleine Schritte, weil man sonst zu schnell auf die Schnauze fallen kann. Ich will auch nicht so schlingensief-witz-mäßig rüberkommen. Mir ist es ernst. Ich will meinen Spaß dabei zwar behalten, aber die Sache ist trotzdem ernst.