The Nextmen

Denn auch wenn eine Begabung eigentlich etwas Tolles ist, so ist nicht gesagt, dass der damit Bedachte auch Lust hat, diese Begabung zu fördern oder gar zum Beruf zu machen. Besonders gravierend wird das Problem, wenn die Eltern selbst eine berufliche Tätigkeit ausführen, die Talent erfordert: Zum Beispiel als Musiker… Bei Brad Baloo und Dom Search, aka The Nextmen tritt dieses Problem gottseidank nicht in seiner ganzen Form auf. Denn selbst wenn beide Eltern nicht nur als Hobby-, sondern sogar als Berufsmusiker in der Branche aktiv sind, hat sich diese elterliche Vorbelastung nicht negativ auf die Kinder ausgewirkt: Denn nach zwei dicken Maxis kommt nun das erste Album der beiden Engländer in die Läden, und es ist derartig funky, dass eher zu vermuten ist, dass die Gabe der Eltern sich im besten Sinne auf die Kinder weitervererbt hat. Wir haben nachgeforscht und Brad Baloo zum Interview gebeten… Brad Baloo: „Ich glaube, dass das Umgeben-Sein von Musik zwei Dinge zur Folge haben kann – entweder will man später nichts mehr damit zu tun haben, oder man gerät selber in den Sog der Musik. Wir sind davon sicherlich inspiriert worden. Und bei mir z.B. kam von den Eltern überhaupt kein Druck. Ich hatte nur ständig eine Menge Instrumente um mich herum – ein Klavier, Gitarren, ein Schlagzeug – und ich konnte völlig frei herumexperimentieren!“ So aufgewachsen, in einer zwanglosen Umgebung, die immer von Musik erfüllt war, prägte dies natürlich den Werdegang der späteren Nextmen. Die Offenheit und Vielfalt der Einflüsse war auch bestimmt durch den Standpunkt England, wo sich die verschiedensten Musikstile ineinander mengten. „Wir sind aufgewachsen mit Jazz und Blues, mit Folk und jeder Menge unterschiedlichem Zeug. Aus England, aus den Staaten, von überall her. Wir samplen jetzt auch eine Menge englische Fusion aus den frühen 70ern, was unseren Sound schon sehr stark beeinflußt. Aber wir sind natürlich schon immer auch von US-HipHop beeinflusst worden.“ Die Vielseitigkeit der beiden Jungs ist sicherlich eine der wichtigsten Ingredienzien im Erfolgsrezept der Nextmen, allerdings waren und sind es auch vergleichsweise „weltliche“ Dinge wie Label und Arbeitsmöglichkeit, die den Ton dieses Albums ausmachten.  „Als wir mit den Aufnahmen zu dem Album anfingen, waren viele der heute aktiven Labels wie JazzFudge und Bad Magic noch gar nicht etabliert. Scenariorecords (dessen Gründer Ed Pitt früher zusammen mit Ed Walker und Mark Rae das Label FatCity gegründet hatte- Anm.d.Aut.) bot uns einen sehr guten Vertrag an, der uns alle kreativen Freiheiten liess. Wir fanden das sehr aufregend und fühlten, dass wir einen guten Background hatten, dazu eine Menge von Kontakten, die die Platte ermöglichten. Und Ed Pitt selber hat uns sehr stark unterstützt! Ausserdem hatten wir unser eigenes Studio, weswegen es keinen zeitlichen Druck gab. Zeitliche Probleme machen oft die Qualität eines Albums kaputt. Bei uns war es sehr entspannt.“ Allerdings war der „lockere“ Arbeitsprozess selbst auch eine Phase des Lernens und Erfahrungsammelns. „Es war vor allem sehr anstrengend die ganzen Tracks zusammenzufügen, so dass daraus ein zusammenhängendes Hörerlebnis wurde. Wir wollten kein Producer-Album, das dann wie eine Compilation klingt. Die Aufmerksamkeit für die Details war und ist eine der wichtigsten Aufgaben bei der Produktion. Wir haben viel älteres Material gegen Ende der Aufnahmen noch mal komplett umgebaut; einfach weil wir in der Zwischenzeit bessere Beats machen konnten. Es war ein einziger Lernprozess.“

Gab es denn keine Tiefs während der Aufnahmen, keine Durststrecken? Und kann man nach so einem aufwendigen Prozess überhaupt jemals einen Schlußstrich ziehen?
„Wir hatten keine Ahnung wie das Album werden würde. Wir waren einfach nur gespannt was bei den Aufnahmen herauskommen würde, allerdings hat uns der Enthusiasmus der Künstler, mit denen wir gearbeitet haben sehr unterstützt und auch inspiriert. Und 100%ig mit einem Produkt zufrieden zu sein, ist wahrscheinlich nicht möglich wenn man so tief drinhängt. Man muss einfach mal zurücktreten und einen Schlußstrich ziehen, sich die Meinung von Leuten holen, die nicht involviert sind. Und dazu muß man die Platte nun mal veröffentlichen!“
Und Geld?
„Pleite zu sein kann einem ganz schön Ärger machen, allerdings muss man wohl Opfer bringen, wenn man etwas macht, was man gerne mag und damit etwas erreichen will…“ Allerdings können die Geldprobleme nicht so gravierend gewesen sein, denn immerhin machten The Nextmen schon Remixe für Größen wie Aphex Twin oder Groove Armada. Weitere Remixe für Acts wie Blackalicious, Masta Ace, Encore oder auch Public Enemy stehen gerade an. Doch trotzdem soll das Projekt „Nextmen“ weiterhin an erster Stelle stehen:
„Wir machen gerne viele andere Sachen nebenbei, allerdings bleibt „Nextmen“ eine Priorität. Wir spielen beide Musikinstrumente und schreiben Songs, deshalb ist es nur logisch, dass wir quasi selber eine Band haben und nicht nur elektronisch Musik produzieren. Und was auch immer wir bearbeiten, es wird immer Elemente unseres HipHop-Sounds enthalten!“
Und wie sieht die Zukunft aus? Ist es generell wichtig Independent zu bleiben? Oder kommt auch ein Majordeal in Frage?

 „Ich denke, dass esfürUnderground-HipHop wichtig ist unabhängig zu sein, denn man braucht dafür die komplette kreative Kontrolle. Ein Major erlaubt dir zwar Millionen von Leuten zu erreichen, aber limitiert dadurch dein Schaffen. Ich bin allerdings froh, daß Künstler wie The Roots und Common bei Majors sind, denn sie schaffen die Gratwanderung zwischen Kommerz und Underground. Das ist sehr schwierig und meiner Meinung nach bewundernswert! Wie´s bei uns weitergeht wird man sehen. Es stehen ein Haufen Remixe an und wir produzieren gerade Stücke für die Alben von TY (auf Big Dada) und Red Cloud (auf Bad Magic). Wir brauchen also definitiv einen Break bevor wir uns an ein neues Nextmen- Album machen!“
Da Brad Baloo und Dom Search auf dem aktuellen Album nur mit befreundeten Künstlern zusammengearbeitet haben, stellt sich die Frage, mit wem die beiden in Zukunft noch gerne zusammenarbeiten würden.
„Es ist sehr wichtig für uns mit Leuten zu arbeiten, mit denen wir gut auskommen! All die Mc´s und DJ´s mit denen wir zusammengearbeitet haben sind Freunde mit denen wir auch in Zukunft arbeiten werden. Könnten wir uns allerdings jemanden aussuchen…hmm…Wir würden gerne mit Rakim oder DeLaSoul arbeiten!!“

Ein Wunsch der gar nicht so abwegig ist, wenn die beiden weiterhin die Szene mit ihrer Arbeit aufmischen. What goes around comes around! Ansonsten streben The Nextmen aber vorerst nicht nach Ruhm und Ehre. Ihr Name stammt aus einem Comic von John Byrne, der von Superhelden handelt, die dieses aber nicht sein wollen… Falsche ihren Traum, nach Südamerika zu gehen, um in der Sonne zu sitzen und Cocktails zu Bescheidenheit oder sympathische Selbstironie hin oder her, bis die zwei Jungs sich trinken, erfüllen, bleibt höchstwahrscheinlich Zeit genug, um eine Menge mehr aus dem Creativelab der beiden zu hören. Das fordern wir auch, denn nach einem solchen Album wächst der Hunger nach mehr! Zur Zeit planen Brad und Dom eine Tour die sie auch nach Deutschland führen wird, und bis dahin verbleiben wir in freudiger Erwartung! In diesem Sinne: „See you, when we come to Germany!“