Ana Ann

Bereits in der letzten BLACK MUSIC wurde die Thematik Ana Ann kurz angerissen. Dass die Überschrift im damaligen Beitrag „A Star Is Born“ lautete, wird nun durch ihr Albumdebüt „Cosmopolitana“ (LL Records/Zomba) eindrucksvoll untermauert. Nur selten gibt es Konzeptalben wie dieses im reinsten Sinne des Wortes. „Soul“ ist das erste, an das ich bei „Cosmopolitana“ denke. Und gleichzeitig zeichnet der Albumtitel den Weg vor, denn Ana Ann lässt sich nicht auf einen Begriff festlegen. Schließlich ist Ana nur auf den aller ersten, flüchtigen Blick ein neuer Star am Teeniepop-Himmel. Vielmehr haben wir hier ein Songwriter-, Produzenten- und Sangestalent, dass es mit nur 19 Jahren schafft, schon auf den ersten paar Metern an dem schnöden Retortenimage von Aguilera Spears & Co. vorbei zu ziehen. Das alles schreit nach Aufklärung – ein gefundenes Fressen für BLACK MUSIC!

BM: Du hast „Cosmopolitana“ praktisch im Alleingang geschrieben, produziert, gesungen. Und dabei rausgekommen ist sicher eines der besten Alben der letzten Monate. Bist du mit diesem Talent geboren?!

Ana Ann: Das liegt wohl in meinen Genen (lacht). Nein, ehrlich. Ich habe sehr lange sehr hart daran gearbeitet. Es hat sich so entwickelt. Ich bin sehr stolz auf „Cosmopolitana“ und habe wirklich mein Herz und meine Seele in das Projekt gegeben. Es ist alles sehr natürlich für mich. Bevor ich das Album aufgenommen habe, waren alle Songs bereits fertig geschrieben. Ich hatte ja diese Idee in meinem Kopf, ein richtiges Konzeptalbum zu machen. Die Art, wie „Cosmopolitana“ produziert ist, hat es eine Menge klassisches Material in sich. Ich bin also mit einer sehr konkreten Idee ins Studio gegangen. Und wie gesagt, es hat mehrere Monate gedauert, bis wir alles so hatten, wie es jetzt ist. Etwa 80% des Albums war immerhin schon in meinem Kopf fertig, bevor ich ins Studio ging. Im Studio haben wir dann zusätzliches Material erstellt, dass dadurch zustande gekommen ist, dass ich während der ewigen Wartezeiten im Studio irgendwie inspiriert wurde (lacht).
BM: Welchen Stellenwert hat Musik in deinem Leben?!

Ana Ann: Ich lebe Musik 24 Stunden am Tag. Ich bin so tief drin in diesem Musikding und so beeinflusst davon, dass vieles einfach so passiert.
BM: Trotzdem war in deinem Fall alles von langer Hand geplant…

Ana Ann: Das Ding für mich ist, dass der kommerzielle Erfolg definitiv sehr wichtig ist. Alleine schon dafür, dass so viele Menschen wie möglich in der Öffentlichkeit meine Musik hören. Mein Ziel ist es, mir selbst treu zu bleiben, mir langsam und stetig eine echte Fanbase aufzubauen und schließlich und endlich eine sehr lange Zeit im Musikbusiness zu bleiben. Ich wüsste auch ehrlich gesagt gar nicht, was ich anderes tun sollte, wenn ich nicht dass jetzt hier machen würde.

BM: Dein Video zu „Ride“ läuft gerade in der Heavy Rotation auf allen Musikkanälen, du bist auf Promotion-Tour, Konzerte werden geplant, ein Meeting jagt das nächste… Wie geht es dir mit diesem Stress?

Ana Ann: Ich fühle mich großartig. Ich habe mich ja schon eine lange Zeit darauf vorbereitet. Es ist ja nicht einfach über Nacht passiert, so dass ich in einen komplette Schock verfalle. Noch wird meine Musik zwar nicht übermäßig stark in der Öffentlichkeit angenommen, aber wie gesagt – ich bin schon eine lange Zeit auf diesen Rummel vorbereitet. Und dass ist es eigentlich auch schon wieder. Grundsätzlich bin ich sehr, sehr glücklich, jeden morgen aufzustehen und die Möglichkeit zu haben, diese Karriere zu verfolgen.
BM: Es wäre ja sicher ein leichtes gewesen, aus dir einen weiteren finanziellen Goldesel wie z.B. bei Christina Aguilera oder Britney Spears zu machen; einfach nur ein neuer Teenie-Star am Firmament zu werden. Doch du hast dich für Musikalität und Qualität und für eine klare musikalische Stilrichtung, den Soul/R’n’B entschieden.

Ana Ann: Ja, das war definitiv so gewollt. Ich habe natürlich einen Riesenrespekt vor Britney Spears und alles, was an ihr als Künstlerin dranhängt. Die Art, wie ich meine Songs schreibe und die Art, wie ich sie dann produziere ist einfach eine Art und Weise, die mich sicherstellen lässt, dass ich dem Song gebe, was am sinnvollsten ist. Vielleicht trifft es den Kern, wenn ich sage, dass ich meine Seele in die Musik gebe, wie ich es auch mit allem anderen tue.
BM: Auch nach mehrmaligem Hören scheint „Cosmopolitana“ wirklich bis ins kleinste Eck durchdacht zu sein. Nimmst du alles an deiner Musik so genau?!

Ana Ann: Wahrscheinlich bin ich 200%ig. Ich selbst bin mein größter Kritiker. Ich höre mir mein Material immer und immer wieder an, aber manchmal musst du auch einfach loslassen können. Ich denke dass ein Song dann am besten ist, wenn er mit jedem Mal, wenn du ihn hörst, wächst. Ich verbringe also Tage damit, mir meine Songs immer und immer wieder anzuhören. Tatsächlich denke ich, dass ein Song dann gut ist, wenn du ihn über Tage hinweg hören kannst, ohne gelangweilt zu sein. Wenn du es schaffst, dir einen Song sehr lange Zeit anzuhören, ohne gelangweilt zu sein, hast du einen guten Song gemacht.
BM: Was ist noch wichtig an einem guten Song?

Ana Ann: Ein Song ist sehr komplex. Bei jedem Hören entdeckst du etwas neues, einen anderen Aspekt, den du magst. Ich hoffe also, dass ich durch meine Musik eben genau das im Hörer anspreche. Denn ich möchte, dass die Menschen sich durch meine Musik gut fühlen.
BM: Was war für dich das wichtigste während des Produktionsprozesses zu „Cosmopolitana“?
 
Ana Ann: Dass ich in der Lage war, wirklich alles komplett alleine zu machen und zu bestimmen! Ich konnte in mich und meine Fähigkeiten als Künstlerin und Produzentin glauben. Ich war in der Lage, trotzdem ich das vorher schon ausprobiert hatte, das Equipment selbst zu benutzen, zu programmieren. Ich würde sogar sagen, dass ich am Ende ganz gut darin war.
BM: Hast du daraus auch etwas gelernt?

Ana Ann: Ja. Ich bin definitiv gewachsen und bin mir noch stärker als zuvor bewusst geworden, was ich beim nächsten Mal anders machen will. Ich bin froh, dass ich alles selbst machen konnte, denn genauso wie es sich heute anhört, genauso sollte es auch ursprünglich klingen. Deshalb gibt es für mich auch keinen Lieblingssong auf dem Album. Jetzt wo alle Tracks fertig sind ist jeder einzelne Song auf dem Album wie mein Baby. Jeder Song ist auf seine Art besonders.
BM: Du bist extrem Selbstbewusst…

Ana Ann: So sehr wie alle auch glauben, dass ich so stark an mich selbst glaube, so unsicher bin ich auch. Ich bin aber auch einer der Menschen die gerne glauben und wissen, dass alles mögliche versucht und gemacht wurde. Und immer, wenn du andere Menschen fragst, ob sie mit dir arbeiten wollen, hast du hinterher das Gefühl, dass es besser hätte werden können. Und dann tendierst du dazu, dem anderen die Schuld zu geben. Ich wollte also totale Verantwortung haben, denn wenn es schief läuft wüsste ich genau, dass ich nur mich selbst verantwortlich machen kann. Ich könnte mir nicht als Entschuldigung jemand anderes aussuchen und die Schuld auf ihm abladen.
BM: Was geht in dir vor, während du an einem Song arbeitest?

Ana Ann: Man kann niemandem Zweiten tatsächlich gänzlich erklären, worum es bei dem Song geht, was überhaupt dahinter steckt. Es ist etwas, dass aus dir selbst kommt. Es macht aber wie gesagt alles einfacher, wenn man im Alleingang schreibt, produziert und interpretiert.

BM: „Baby In My Life“ aus deinem Album ist eine Art Coverversion von Michael JacksonsLady In My Life“. War das deine Idee?

Ana Ann: Ich muss dazu erst mal sagen, dass ich ein großer Michael Jackson-Fan bin. Und „Lady In My Life“ war immer einer meiner Michael Jackson-Lieblingssongs. Zumindest unter seinen Balladen. Und da lag die Idee nahe, es in meinen Stil umzuschreiben…
BM: …was sicherlich hilfreich ist, aus „Cosmopolitana“ eine Riesen-Erfolg zu machen.

Ana Ann: Weißt du, für mich bedeutet „Cosmopolitana“ irgendwie schon jetzt Erfolg und den Durchbruch. Viele Menschen würden wohl sagen, dass Erfolg bedeutet, 20 Millionen Platten oder so zu verkaufen. Aber für mich ist es das Gefühl, meine Musik zu veröffentlichen, als ich sie reif dafür hielt und das ist natürlich sehr aufregend. Schließlich habe ich die ganze Musik im Alleingang gemacht, sie ist auf meinem eigenen Label LL Records erschienen… Gleichzeitig hoffe ich, dass es vielen anderen talentierten Künstlern Mut macht, das Gleiche zu tun. Denn es ist sehr schwer, heutzutage durch ein Major-Label vertreten zu werden und es ist extrem wichtig, unabhängig zu sein und zu bleiben.
BM: Ist Musik Alles für dich?

Ana Ann: Na ja. Meine Familie steht ständig an meiner Seite und wie ich schon sagte, ich wüsste wirklich nicht, was ich anderes tun würde.
BM: Auf deiner Homepage werden Loose Ends als einer der zentralen Einflüsse deiner Musik genannt. Wie kam es dazu? In der Regel werden an dieser Stelle immer Stevie Wonder oder Marvin Gaye genannt…

Ana Ann: Offensichtlich bekam ich natürlich auch Einflüsse durch meine Eltern, die all diese Musik hörten. In der Schule hörte ich all das. Aber Loose Ends war ein fester Bestandteil meines Freundschaftskreises zu dieser Zeit. Als Loose Ends rauskamen, war das ja was komplett Neues. Es war wie die Neuerfindung von Musik. Irgendwie änderte es die ganze Urban Music. Und noch heute höre ich Loose Ends.
BM: Wie siehst du dich selbst in sagen wir 20 oder 30 Jahren?

Ana Ann: Idealerweise möchte ich dann noch immer alles unter meiner eigenen Kontrolle haben. Ich könnte nicht jemand sein, die sich darauf konzentriert, berühmt zu werden und/oder zu bleiben anstatt sich auf die Musik zu konzentrieren. Persönlich würde ich gerne weiter Songs schreiben und produzieren, übrigens auch Songs für andere produzieren. Dann würde ich gerne einen bestimmten Sound entwickeln und u.a. auch dadurch mein Label, LL Records, weiter ausbauen.
BM: Und im emotionalen, im tatsächlich musikalischen Bereich?!

Ana Ann: Ich will, dass ich meine Gefühle an den Hörer weitergeben kann, das bedeutet mir sehr viel. Es gibt nichts schöneres, als Live aufzutreten und zu sehen, wie jemand lacht und glücklich ist durch deine Musik. Ich hoffe, dass ich diese Live-Erfahrung in Zukunft öfter machen kann.
BM: Was wäre die schönste Sache, die dir jemand bezüglich deines Debütalbums sagen könnte?

Ana Ann: Dein Album ist etwas, was ich hören kann, wo und wann und mit wem ich will und auf dem ich nie den Skip-Button betätigen muss.
BM: Spiegelt das auch deine Erfahrungen wieder?

Ana Ann: Ich hatte bisher die unterschiedlichsten Rückmeldungen zum Album. Einige sagen, dass ein sehr R’n’B-orientiertes Album ist, andere sagten, dass es sehr Poppig oder sogar Jazzig ist. Ich mag den Fakt, dass all diese unterschiedlichen Ansichten darüber entsehen, da es sehr eklektisch ist. Auch ist es etwas, dass ich gerne so fortführen würde, denn eines meiner weiteren Ziele ist es auch, Menschen zu verwirren. Ich will nicht unbedingt ein und dem gleichen Weg folgen. Das wäre natürlich sehr einfach für mich und noch einfacher für die Plattenfirma, dich in eine bestimmte Schublade zu stecken. Als Künstler solltest du aber immer sehr kreativ sein und du solltest dich immer in der Form ausdrücken, die dir am sinnvollsten erscheint. Das ist es also, was ich machen will – Menschen mit meiner Musik verwirren (lacht).
BM: Und was wäre das schönste Kompliment an die Künstlerin Ana Ann?

Ana Ann: Wenn du irgendwann in 20, 30 Jahren in einem Interview mal jemand nach seinem größten Einfluss fragst und er „Ana Ann“ antwortet.