Manchmal sind die Wege des Herrn eben unergründlich… Da steht beispielsweise ein Catering, von dem man nur träumen kann, so mit Bagelhäppchen, Lachs und Donuts, und trotzdem sitzen die Künstler um elf Uhr morgens schon mit einer dicken Tüte vom Schotten Tisch. Burger und Pommes statt Deli-Food. Na gut. Oder ein anderes Beispiel: Wie kommt es, dass eine Band, die noch nie offiziell eine LP herausgebracht hat nun einen Longplayer veröffentlicht, der allerdings schon in Bootlegform um die Welt gegangen ist? Ganz davon abgesehen, dass dann sogar plötzlich zwei Alben veröffentlicht werden, eines davon aber unter anderem Namen… Fragen über Fragen. Im Dickicht von Labelpolitik, dem Lauf der Jahre und schlichtweg harter Arbeit ist es eben den Künstlern vorbehalten, ihr Business im Überblick zu halten, und das ist vielleicht auch gut so, denn vom Fragenstellen lebt der Journalist. Und Fragen an Slum Village gab´s eine Menge. Im Office in Hamburg treffen wir auf Baatin und T3, die das Interview allein bestreiten, da Jay Dee gerade dabei ist, einen Erykah Badu-Song zu produzieren… Was als gute Entschuldigung auf jeden Fall akzeptiert wird.
rap.de: Bei Euch lief ja von Anfang an alles ein bißchen seltsam… Eure ersten beiden Singles wurden nur in Japan veröffentlicht, und die LP "Fantastic Vol. II" , die ihr auf Interscope aufgenommen habt, existierte zuerst nur als Promo und dann nur als Bootleg. Was war denn da los?
T3: Es war nur eine Menge Labelpolitik. Die ganze Promotion, die wir mit Interscope gemacht haben, haben wir eigentlich selber gemacht über unser kleines Label Barak. Dort hat ein kleines Promotionteam alles gemacht. Deshalb gab es überhaupt Promotion. Interscope hat nie etwas für uns getan eigentlich, stand generell nie hinter der Gruppe, deshalb mussten wir auch weg da. Im Grunde warten wir heute noch auf ein Veröffentlichungsdatum. Gottseidank sind wir aus dem Vertrag raus. Derweil hatten die Dinge für Slum Village alles andere als ungünstig begonnen. Back in the days, in der Highschool in Detroit schon waren Baatin und T3 ein bekanntes MC-Duo. Jay Dee, damals schon dem HipHop verschworen, hörte von den beiden und wollte sie herausfordern. Man traf sich im Hause seiner Großmutter, wo im Keller ein Battle stattfinden sollte. Der Beat schepperte aus dem Tapedeck und der Wettkampf startete…
Baatin: Wir fingen an, und ich dachte mir: "Wow, James klingt fresh! Irgendwie passten unsere Flows zusammen. T3 war damals noch Trace und ich war Sandalous T(…lacht…). Nein, irgendwie passierte da etwas. Als wir einmal zusammen loslegten, gab es eine intensive Connection, Die Chemie stimmte! Und seitdem machen wir was zusammen.
T3: Das war so um ´88 oder ´89.
rap.de: Aber "Fantastic Vol. II" ist nun Eure erste LP, die richtig rauskommt…
T3: Es gab "Vol.I" eigentlich, allerdings haben wir das selber gemacht. Es gab circa 200 Tapes, die dann rumgingen. Eine Menge Leute haben dadurch von uns gehört, und wir haben eine Menge Aufmerksamkeit dadurch bekommen, auch weil es viel Feedback gab. D`Angelo und Pete Rock, auch eine Menge anderer Leute fanden unsere Aufnahmen super! Und diese Leute waren es auch, die uns halfen überhaupt einen Deal zu bekommen, denn die Labels fanden uns zwar gut, konnten aber nichts damit anfangen, dass wir aus Detroit kommen. Es hieß immer: "Oh, eure Musik ist super, aber was soll das in Detroit werden?" Und ohne die Hilfe dieser Künstler wären wir niemals gesigned worden! Und obwohl wir gesigned wurden, wusste das Label glaube ich nicht, was es mit uns anfangen sollte, weil wir zu viele verschiedene Flavours beinhalten.
rap.de: Und wie kamt Ihr zu Virgin?
T3: Das lief über Barak. Virgin Europe hat sich mit Barak zusammengetan, und so lief das Ding an.
rap.de: Den Titel "Hardest working man in showbiz" haben sich ja schon Einige auf die Fahne geschrieben, Fakt ist allerdings, dass auch die drei Slum Village-Jungs alles andere als untätig sind. Neben Jay Dee, der zusammen mit Q-Tip, Ali Shaheed Muhammed und Rafael Saadiq das Produktionsteam The Ummah gründete und damit den HipHop Sound von heute mit prägte, sind nämlich auch Baatin und T3 an diversen Musikprojekten beteiligt. Die Arbeit als Produzenten haben alle drei für sich entdeckt, und die frage liegt nahe, was denn nun für die Jungs persönlich im Vordergrund steht: Slum Village oder das Produzieren?
T3: Hmm… Ich glaube, wir arbeiten immer, auch wenn wir nicht arbeiten. Es gab eine lange Zeit, in der sich veröffentlichungsmäßig einfach nichts tat, und so mussten wir einfach was machen um zu überleben. So kommt es, dass zum Beispiel Jay Dee Versprechungen gemacht hat, bevor all das los ging, und die muss er nun halten. Deswegen ist er heute auch nicht hier. Es hat nichts damit zu tun, dass er nicht down ist mit der Gruppe… Es geht einfach um Arbeit, die getan werden muss.
Baatin: Wir sind eben alle auch noch nebenher beschäftigt. Jay Dee macht seine Projekte, ich und T3 machen Shows, machen Cameos für Künstler wie LSK in London und noch andere UK-Leute oder machen Remixes wie beispielsweise für Jamiroquai. Und wir arbeiten an unseren eigenen Projekten. Ich produziere gerade ein Album für meine Schwester, die auch bei uns auf dem Song "Climax" vertreten ist. Alles was wir machen ist eben auch irgendwie Slum Village-associated. Wir bleiben alle in Rotation, ohne gestresst zu sein, denn wir wissen, dass es sich irgendwann auszahlen wird irgendwie. And that keeps us going (lacht)! T3: Die ganzen Bootlegs und der Kram zeigen uns ja auch, dass die Leute unseren Style mögen! Irgendwie ist es also gar nicht so verkehrt gelaufen. Es ist gut, weltweit bekannt zu sein, ohne eine Platte draussen, ohne Video! Eben nur im Underground. Und dort wissen die Leute, was Sache ist. Dort richten die Zuhörer ihre Aufmerksamkeit Tag und Nacht auf die Strasse, und das ist gut! Yeah (lacht)!
rap.de: Neben gesteigerter Arbeitsmoral gibt es allerdings noch ein zweites Merkmal von Slum Village. Denn die Vielfältigkeit ihrer Sounds kommt nicht von ungefähr…
T3: Es gibt so viel Musik zu hören! Aber generell versuchen wir natürlich immer alles irgendwie zu verpacken, wenn wir unser Zeug machen. Wir mögen es, jeden Song anders zu gestalten. Und unser nächstes Album wird komplett anders sein als das Fantastic Album. Von den Beats bis zu den Lyrics wird es nicht mehr vergleichbar sein! Man uss immer auf ein neues Level kommen, und man muss seine Ohren immer offen halten. Nicht nur für Rap! Rap ist okay, aber er reicht nicht, um unsere "kreativen Säfte" zum fließen zu bringen.
rap.de: Und war es nicht ein bißchen ärgerlich für Euch, dass nun mit "Fantastic Vol II" ein Album rauskommt, das eigentlich schon relativ alt ist? Ihr müsst doch eine Menge Neues am Start haben?
T3: Ja schon, aber wir haben ja auch zwei neue Sachen auf das Album gepackt. Wir wollten es nicht ändern, sondern es rausbringen wie es ist. Ich bin nicht superbegeistert von dem Album, ich mag es. Aber es zeigt nicht, wo wir heute stehen. Auf keinen Fall. Aber es ist immer noch ein gutes Album, und es gibt sicherlich immer noch viele Leute, die es noch nicht gehört haben.
rap.de: Dafür, dass die Veröffentlichung von altem Material den Jungs nichts ausmacht, gab es auch gleich zwei Beweise. Neben dem "Fantastic Vol II" wurde auf dem deutschen Label Superrappin unter dem alten Namen von Slum Village eine Reihe unreleaseder, alter Songs zusammengefasst. Fast zeitgleich mit "Fantastic" lieferte es Slum Village Fans gleich zwei Leckerbissen auf einen Schlag. Wie der Name des "J-88" Albums schon verriet, blieben die Hintergründe der LP ein Best Kept Secret. Allein Jay Dee trat als Producer in Erscheinung, und wer noch die Bilder der drei MCs erkannt hat, war in der Lage, "J-88" als das zu identifizieren, was es war. Aber abgesehen von der Vergangenheit gibt es für Slum Village auch eine Menge Zukunftsmusik. Die Tour fungiert als Inspirationsquelle. So rechnen die Jungs damit, dass das neue Album schnell aufgenommen wird. Fragt man nach den Leuten, mit denen sie am liebsten zusammenarbeiten würden, dann kommen die Antworten schnell…
Baatin: The Artist formerly known as… Du weisst schon (lacht). Und dann noch Sergio Mendes. Wir werden ein ganzes Album machen, das ihm und Samba gewidmet ist. Sehr musikalisch und so…
rap.de: Und wenn ihr die Zeit zurückdrehen könntet, was würdet ihr anders machen?
T3: Wenn das ginge, dann würde ich von Anfang an alles mehr independent halten. Es gäbe ein Slum Village-Label, und dort würde alles passieren. Ich komme zwar mit allen Labelleuten gut aus, aber wenn ich es selber machen könnte, dann würde ich das auch tun. Es läuft soviel falsch in diesem Business. Aber ich bin froh über den Deal mit Barak. Trotzdem ist es das wichtigste, dass man die Kontrolle über das eigene Zeug behält. Und wenn man die eigenen Sachen schon nicht besitzt, dann sollten sie wenigstens jemandem gehören, mit dem man arbeiten kann.Man kann Slum Village nur die Daumen halten, doch es ist anzunehmen, dass die Zeit der Bootlegs und Durststrecken nun vorbei ist. Wünschenswert ist es in jedem Fall, denn wo Qualität am Start ist, da verdaut man auch einen Burger am Morgen…