Das war mal ein Interview, auf das ich mich aufrichtig gefreut habe… die "Bambule"-LP der ABs hat mich dermaßen weggeblasen, und die Verwandlung von den kleinen AntiFas zu brillianten MCs hat mich so überrascht, daß ich mir unbedingt einen persönlichen Eindruck verschaffen wollte. Lest und hört selbst.
Ich kenne Euch seit der "Gotting"-Platte. Damals wart Ihr ziemlich jung und ziemlich politisch.
"Ja, damals hätten es einige Journalisten gern gesehen, wenn wir die "linken Kris Kross" gewesen wären, und so wurden wir in so ne Schublade gepackt. Wir hatten schon sozialkritische Texte, das war aber ’93 innerhalb der Szene auch einfach in. Das hatte natürlich auch seine Ursachen: Fall der Mauer, ziemlich viele Rechte und so fort. Aber es war auch ein bißchen in, daß man antifaschistische Texte macht oder gegen Rassismus, weil man versucht hat, das als politisches Sprachrohr zu benutzen wie die Ghettonigger in den USA. Heutzutage ist es eher so, daß man versucht, die Leute zu unterhalten, geile Styles zu kicken, fette Beats, und die Leute mit dem Ohr am Lied haften zu lassen. Das haben wir jetzt vorgehabt und auch ziemlich gut umgesetzt, meiner Meinung nach."
Die nächste LP "Flashnizm" war dann ja eher experimentell angelegt.
"Ja genau, das war noch ne andere Zeit. Man muß wissen, daß in Hamburg – ähnlich wie wohl auch in Berlin – viel in Richtung Dub und Dancehall und Reggae geht. Wir haben versucht, mehrere Musikstile, die uns geflasht haben, in einen Topf zu packen und mit HipHop Beats zu unterstreichen, und so haben wir uns ziemlich viel bei verschiedenen Styles bedient. (Antwort als Real Audio) Dementsprechend ist es dann im Endeffekt ne derbe verrückte Platte geworden. Wären wir auf dieser Schiene weitergegangen, wären wir jetzt alle in der Klapse. Hinterher sind wir dann ein bißchen getourt und haben versucht, das mit Kollegen live umzusetzen. Das war auch flashig, aber irgendwann haben wir dann gemerkt, daß das eigentliche – nämlich rappen – im Hintergrund war und das ganze Gedudel im Vordergrund. Darauf hatten wir keinen Bock mehr und haben uns gedacht: Okay, wir machen jetzt ne straighte Platte, zurück zur Essenz – Sampler, zwei Mikrophone, DJ. Deswegen hört sich die neue Platte jetzt straighter und rougher an, ist auch noch Beginnerstyle, aber im engeren Rahmen."
War der Richtungswechsel auch durch den Ausstieg von Martin bedingt?
"Nee, das denken viele, aber das ist rein zufällig. Der Entschluß, daß wir jetzt ne straightere Platte machen wollen und alle anderen Projekte, die wir noch so machen, aus der Gruppe raushalten, ist noch mit Martin zusammen gefallen. Der hat dann aufgehört, als ziemlich klar wurde, daß wir zu nem Major gehen, weil er meinte: Ich kann nicht auf Knopfdruck Beats und Raps machen. Wir meinten dann noch: Okay, dann mach nur das, was Du willst und was Du kannst, und den Rest machen wir, scheißegal. Aber er hat sich dann doch entschieden, ganz aus dem Rapbusiness auszusteigen. Er sitzt jetzt zu Hause und macht derbe fette Musik, ist aber ein bißchen auf dem Trip, daß er das alles nicht rausbringen will, oder erst, wenn er dreißig ist. Wahrscheinlich macht er dann echt so ne Compilation mit 500 Tracks oder sowas, weil er echt jeden Tag den ganzen Tag nur am Beats machen ist."
Wie ist der Majordeal zustandegekommen?
"Das mit dem Major ist einfach die logische Konsequenz unseres Weges. Wir haben mit "Flashnizm" – glaub ich – alles erreicht, was man indiemäßig erreichen kann. Und wenn man weiter will bzw. ne Schwelle übertreten will, um noch mehr Leute zu erreichen, braucht man halt nen Major. Ale, unser Buback-Chef, meinte: "Habt ihr da Bock drauf?" Und wir: "Klar, auf jeden Fall. Wenn wir machen können, was wir wollen." Er hat dann ein halbes Jahr mit verschiedenen Plattenfirmen verhandelt, und schließlich sind wir bei Universal gelandet. Sonst ist für uns alles gleich geblieben. Wir haben die Platte ein halbes Jahr lang aufgenommen, hatten mit den Universal-Leuten gar nichts zu tun und sind dann irgendwann mit 10 Tracks hingegangen. Die fanden das fett und habens fett rausgebracht." "Flashnizm" – glaub ich – alles erreicht, was man indiemäßig erreichen kann. Und wenn man weiter will bzw. ne Schwelle übertreten will, um noch mehr Leute zu erreichen, braucht man halt nen Major. Ale, unser Buback-Chef, meinte: "Habt ihr da Bock drauf?" Und wir: "Klar, auf jeden Fall. Wenn wir machen können, was wir wollen." Er hat dann ein halbes Jahr mit verschiedenen Plattenfirmen verhandelt, und schließlich sind wir bei Universal gelandet. Sonst ist für uns alles gleich geblieben. Wir haben die Platte ein halbes Jahr lang aufgenommen, hatten mit den Universal-Leuten gar nichts zu tun und sind dann irgendwann mit 10 Tracks hingegangen. Die fanden das fett und habens fett rausgebracht."
Ihr habt auch schon mächtig VIVA und MTV Airplay. Ist es jetzt ein anderes Gefühl, Musik zu machen oder live zu spielen?
"Nö, konzertmäßig und studiomäßig ist alles cool. Wir machen halt HipHop, weil wir Bock haben, zu rappen. HipHop ist im Moment so derbe in, daß wir deswegen auch in sind. Das Problem ist dann halt, daß du in so ne komische Grauzone gerätst, in die du garnicht reinpaßt, nämlich das Popbusiness. Und das besteht nicht nur aus geil rappen und geil Beats machen, sondern auch daraus, daß du tausend Interviews gibst und dich tausend mal repräsentieren mußt. Du mußt dann mehr Moderator und Entertainer sein als MC. Da haben wir nicht soviel Bock drauf, und wir versuchen, uns da so wenig wie möglich reinziehen zu lassen. Diese Maschinerie, in die man da hineinkatapultiert wird, ist ganz krass. Aber auftrittsmäßig ist alles fett, auch wenn da ein paar Teenies stehen, ist das cool."
Seid Ihr noch wie früher auf Jams zum Freestylen?
"Ja, auf jeden Fall. Letzens war ne flashige Jam bei uns in Hamburg, das hat ein Kollege von uns gemacht. Wir hatten halt keinen Bock, daß da "Beginner" auf dem Flyer steht. So hat er dann nur unsere einzelnen Namen auf den Flyer gepackt und wir haben da ein bißchen gefreestylet. Das ist halt cool, weil in Hamburg einige am Start sind: Sam von Dynamite Deluxe, Eins Zwo, Fünf Sterne Deluxe, Ferris MC, Doppelkopf… Die sind halt alle am freestylen und chillen, man macht Possetracks…"
Auf der neuen Platte sind ja auch einige der Jungs drauf. (Antwort als Real Audio)
Ja, das sind David P von Main Concept mit richtig fetten Lyrics, Ferris MC, Bo 2001 und Samy Deluxe. Alles große große große Emcees! So sieht das aus."
Auf "Bambule" sind auch wesentlich mehr Battlerhymes als früher.
"Auf jeden Fall. Das ist halt das Ding, daß "Bambule" ein Lifestylealbum ist. Im Gegensatz zu früher, als wir mehr sozialkritische Texte gekickt haben, ist es ein Album, das einfach aussagt, wie wir draufsind, wie wir chillen. Es präsentiert unser Lebensgefühl, und das ist flashig für Leute, die genauso drauf sind. Diese ganzen politischen Sachen sind für uns selbstverständlich geworden, die braucht man nicht mehr ausdrücken. Daß Gerhard Schröder scheiße ist, braucht man nicht sagen. Und wenn man in Stuttgart mit Sam und Eißfeldt durch die Passagen geht und man einfach so von Bullen angehalten wird, das muß man nicht mehr in nen Text reinpacken. Und wenn, dann macht man das halt in einem Vers und mit ner Metapher. So checkt das halt nur jeder dritte und nur die Leute, die’s auch checken wollen. (Antwort als Real Audio) Wir wollen nicht die Bedürfnisse der 90 Prozent Spacken in Deutschland befriedigen, mit irgendwelchen Mongo- Raps oder blöden eingängigen Refrains, sondern wir wollen unseren Lifestyle rüberbringen. Wenn man so will, ist das unsere Form von Politik. Wenn man’s nicht will, sind wir halt unpolitisch, ist auch okay."
Wer macht die Beats bei Euch?
"Wir machen alle Beats, Eißfeldt am meisten, weil der halt der fetteste Produzent ist. Ich mach zwischendurch auch ein paar Beats, zwei auf der Platte sind von mir: "Rock on" und "Nicht allein". Von MAD ist "Geh bitte", und der Rest ist von Eißfeldt."
Wie war bisher das Feedback auf die Singles – "Rock on" und "Liebes Lied"?
"Zu "Rock on" haben wir eigentlich gedacht, daß das nur so ein Statement würde für die Gemeinde, daß wir wieder am Start sind. Dementsprechend haben wir auch garnicht damit gerechnet, daß es viel Feedback kriegt. Dann war es so, daß wir schnell noch ein Video machen mußten. So haben wir also für zweifünfzig ein Video gemacht, und dann fand MTV das irgendwie flashig, irgendwie finden die uns sowieso geil. Die haben das rauf und runter gespielt, und auf einmal gabs derbe positive Resonanz. Vorher war’s auf Konzerten zwar auch so, daß die Leute das geil fanden, aber jetzt kennt jeder jeden Text und die Leute singen mit, das ist schon cool. Oder du gehst zu Footlocker, und auf einmal läuft da "Rock on". Das ist schon irgendwie abgefahren. Bei "Liebes Lied" haben wir ein bißchen Schiß gehabt, daß wir da den Kommerzvorwurf kriegen, ist aber bisher noch nicht gekommen. Das ist halt ein Style von uns, den wir auch gerne machen. Ich gebe zu, daß wir es auch genommen haben, weil es am eingängigsten ist und am ehesten auch noch Mutters Schwiegersohn erreichen kann, das ist schon klar. Wir sind noch nicht ganz sicher, welches Stück die nächste Single sein wird, aber es wird auf jeden Fall noch ein rougheres Stück."
… wie wär’s mit "Füchse"?
"Ja? Alles klar! Wir sind noch am hin- und herüberlegen. "Füchse" vielleicht, "Hammerhart" vielleicht, "Das Boot" vielleicht, mal gucken. Ich hasse Singles. Wenn wir schon Singles machen müssen, dann will ich wenigstens, daß die Singles nacheinander die ganze Platte zusammenfassen und charakterisieren können. Die Single-Charts sind mir scheißegal, die LP-Charts sind wichtig."
Was geht mit Eurem Tapelabel?
"Eißfeldt hat ein Tapelabel aufgemacht, Eimsbusch-Tapes. Als damals Dynamite Deluxe überhaupt keinen Vertrag und nichts hatten, haben die ein Demo mit acht Stücken aufgenommen und Eißfeldt meinte: Eh, das müssen wir tapemäßig rausbringen. So ging das halt los, und das Tape hat derbe Resonanzen gekriegt und wurde tausendfach verkauft, das scheißkleine Teil, immer so über Hand, und alle wollten es haben. Als zweites kam dann "La Boom", ein Projekt von Eißfeldt mit Atari-Musik-Kram, und dann noch ein Freestyle-Tape mit Sam und Bo und einigen anderen. So ist das halt immer größer geworden und demnächst kommen auch Vinylveröffentlichungen: Noch ne Maxi von Dynamite Deluxe, danach kommt ne Maxi von mir alleine, danach von Eißfeldt und was weiß ich von wem noch. Da wird einiges gehen, da ist jetzt auch ein Vertrieb gefunden, und es wird langsam wachsen. Wir versuchen, das Geld, das wir verdienen, da wieder ein bißchen reinzukicken. Das ist unser Standbein in der Underground-Szenerie. Wenn Du auf einmal ein bißchen größer wirst, mußt du halt aufpassen, daß du den Bezug zur Realität nicht verlierst und noch weißt, was es bedeutet, Styles zu kicken. Wenn ich mir dann sage "ich mach ne Maxi bei Eimsbusch", dann geht’s nur darum, daß es gut wird, dann geht’s nur darum, daß ich Styles kicke. Die Leute, die dann die Platte kaufen, sind keine Teenies sondern Leute, die was von Flows und HipHop verstehen. Und wenn Sam vorher seine Maxi rausgekickt hat, muß meine mindestens genauso gut sein. Dementsprechend hast Du halt immer den Anstoß, weiterzumachen."
Macht Ihr auch Produktionen für andere oder Remixes?
"Ja, Eißfeldt hat einen Remix gemacht für die schlimmste Band der Welt, Keilerkopf. Für Fettes Brot hat er mal nen Drum’n’Bass Remix gemacht. Ich glaub, der Ich-Zwerg hat auch mal angefragt, aber das wird man sehen. Das sind aber immer nur so Sachen nebenbei."
Was sagst Du im Moment zum deutschen HipHop? Die Hamburger, die Stuttgarter, die Frankfurter…
"Die Frankfurter sind alle whack. Die Stuttgarter sind alle cool. Die Münchner sind auch fett, die Hamburger auch. Man kann das natürlich eigentlich so nicht sagen, ich bin auch kein Lokalpatriot oder so. Aber im Moment ist es halt so, daß in Hamburg am meisten geht, das muß man so akzeptieren. Ich freu mich darüber, wenn sich das irgendwann in dem Sinne ändert, daß woanders das gleiche passiert. Berlin hat so viele Einwohner, da muß doch mal so’n Verrückter aufwachsen. Einer, der richtig derbe ist und voll krass drauf ist und alle burnt, und alle sind fasziniert, der neue kleine Messias in Sachen Rap. Der burnt alle so, daß alle versuchen, das zu toppen. Dann kommt so ein Prozeß in Gang, der nicht mehr aufzuhalten ist. Das gleiche ist in Hamburg passiert, mit Sam und vielen kleinen Verrückten, die derbe Styles gekickt haben. Und so ist dieser Prozeß da ins Laufen gekommen. Hoffentlich ist das in Berlin auch mal so, aber im Moment gibt es echt wenige Gruppen, die da am Start sind."
Aber man braucht doch auch die richtigen Labels und Leute, die das Biz im Hintergrund organisieren…
"Ja, aber du kannst auch alles selber machen und dich selber rausbringen, kein Problem. Du hast in gewisser Weise Recht, aber im Endeffekt greifen die Labels ja auf. Die Labels bilden ja keine MCs oder Produzenten aus. Die sehen ja nur die Leute und denken sich "die haben was, die mußt du rausbringen". Natürlich siehst du dann deine Sachen mit anderen Augen, nimmst es wichtiger und wirst vielleicht noch besser, aber eigentlich sind es nicht die Labels sondern die Gruppen selber. Und heutzutage ist es echt kein Problem, Labels zu gründen. CD-Brenner und Tapes, und Platten pressen ist auch nicht teuer. Wenn man einigermaßen Bock drauf hat und sich die Zeit nimmt, kann man undergroundmäßig viel machen."