Interview mit Shawn the Savage Kid

„Kein kleiner Fisch im Haifischbecken, denn durch mein falsches Lächeln, vergessen Omas ihre Altersflecken“. Oh Shit. Hier wird Publikum abgegraben. Shawn the Savage Kid hat jetzt auch die Helene Fischer, ich will nicht sagen, weggewichst. Als neugeborener Schlagerstar wirft er seine frische EP „Egoprobleme“ Anfang August in das Rund der Stützstrümpfe. Das bietet Anlass genug mit Shawn über Persönlichkeitsstörungen, Promo und Geld machen zu sprechen.

rap.de: Im letzten Interview haben wir mit dir u.a. über dein Studium und deine Perspektive auf Gesellschaft, Politik und Rap durch dieses gesprochen. Jetzt sind ein paar Semester vergangen. Du hast zwei EP`s rausgebracht. Hat sich deine Einstellung zum Studium bzw. deine Perspektive auf dein Leben verändert ?

Shawn the Savage Kid: Eigentlich nicht. Es ist vielleicht noch ein bisschen diffuser geworden. Ziemlich verrückt wie sich da der Kopf verändert irgendwie, wenn man während der Semester total on Point ist, und wenn dann Semesterferien sind ist es irgendwie nur im Hinterkopf. Aber der generelle Blick auf die Dinge ist gleich geblieben. Es ist schon so, dass einfach der Blick auf Abhängigkeiten und Beziehungen geschärft wird. Wenn man eine Zeitung liest, sie einfach anders verstehen kann. Zum Beispiel hatte ich ein Seminar, wo es nur um die europäische Finanzkrise ging, was irgendwie so ein riesiges aufgeblasenes Thema ist, was ich davor nie durchschaut habe und im Endeffekt nur mega gelangweilt war. Weil du halt eine Masse an Kommentatoren und Artikeln darüber hast, die die Situation analysieren und beschreiben. Jetzt bin ich zumindest so weit um die Kommentatoren und ihre Standpunkte den jeweiligen Lager zuordnen zu können.

rap.de: Ein Thema wie die Finanzkrise auf die drei bis vier Minuten eines Tracks zu komprimieren erscheint erst mal beinah unmöglich. Welche Möglichkeiten zur Umsetzung siehst du ?

Shawn the Savage Kid: Vielleicht durch das Verpacken in eine Geschichte. Um von diesem großen Politischen mehr in das Private und Alltägliche reinzugehen. Da sieht man dann halt auch wirklich die Dinge am eigenen Leib im Endeffekt.

rap.de: Ich habe gelesen, dass du früher nicht auf Deutsch gerappt hast, konnte aber nicht die alternative Sprache herausfinden. Viele Rapper teilen dieses Schicksal, sind allerding wesentlich älteren Jahrgangs als du mit 1989. Drum: welche Sprache und warum nicht gleich auf Deutsch ?

Shawn the Savage Kid: Also ich hab auf Englisch gerappt ewig. Das lag daran, dass ich mit 14 Jahren angefangen habe, mit Deutschrap echt nicht viel anfangen konnte. Was war da grad so groß ? (…) Vor 10 Jahren kamen halt die ersten Aggro-Berlin-Tapes. Da hat mich nichts geflashed. Ich war irgendwie auf diesem True-School -und New York-Film, was weiß ich Leute wie Gang Starr und Reflection Eternal und wie sie alle heißen, und habe das irgendwie nur nachgeahmt und imitiert. Ich hab schon immer auf Deutsch gefreestylet und irgendwann war dann der Punkt erreicht wo man als Nicht-Native nicht mehr genug Möglichkeiten hatte, Sachen in Texten auszudrücken in einer anderen Sprache. 2010 habe ich mich dann entschlossen, dass ganze sein zu lassen und einfach auf Deutsch zu rappen. Ich auch eigentlich erst seit vier Jahren auf Deutsch.

rap.de: Was hältst du heute allgemein von Rap, der in alternativer Sprache vorgetragen wird, hinsichtlich Verständnis für Inhalt und Reichweite ?

Shawn the Savage Kid: An sich macht das überhaupt keinen Sinn. In erster Linie rapp ich halt für mich und hab das für aus einem persönlichen Anliegen heraus entschlossen. Klar ist es auch immer so, dass alle Deutsche die das hören sagen: rapp mal auf deutsch ! Aber das hat mich dann nie interessiert. Der Achim von Demograffics z.B., ist auch ein Kumpel von mir, und der zieht das gnadenlos durch. Der sagt einfach scheiß drauf. Find ich aber auch in Ordnung, es ist jedem selbst überlassen. Und entweder man kann das halt oder kann es halt nicht.

rap.de: Wie wichtig ist dir Reichweite allgemein ? Koppelst du diese an Chartplatzierungen ?

 Shawn the Savage Kid: In erster Linie mach ich das für mich. Also ich bin auch mehr so Qualität statt Quantität. Lieber bau ich mir eine Fanbase auf, die vielleicht überschaubarer ist als eine große Hörerschaft, aber dafür auch am Start ist, und dann halt auch auf die Konzerte geht und wirklich mit dem Künstler mitwächst. So bewerte ich Musik und fände es natürlich schön, wenn andere Leute das mit meiner Musik auch machen würden.

rap.de: Kannst du dir eine ausgeweitete selbstständige Promophase, über Kanäle wie Youtube vorstellen, wie sie aktuell gut zu funktionieren scheint ?

Shawn the Savage Kid: Ich finde das schwierig, weil bei solchen Promosachen meiner Ansicht nach vieles Failes sind, dass will ich überhaupt nicht sehen. Z.B. Kollegah macht das echt gut. Das ist irgendwie entertaining, und er kommt auch echt sympathisch rüber, da macht das schon Sinn, aber bei mir ist das dann ein bisschen übergestülpt, unauthentisch und kann glaub ich eher auch etwas kaputt machen. Ich glaube Promo ist super wichtig, aber dass muss jeder Künstler für sich selbst finden, welche Ebene er da angreifen will.

rap.de: Glaubst du, man muss heute mehr als nur Rapper sein ? Vielmehr vielfälltiger Entertainer ?

Shawn the Savage Kid: Ja auf jeden Fall. Darauf läuft es zumindest hinaus, wenn man sich anguckt, was für Typen gerade erfolgreich sind, sind das in erster Linie schon mal Typen, also Charaktere. Natürlich stellst du heute irgendwas da. Die Musik ist dann im Endeffekt auch ein Teil der Selbstdarstellung. Heute ist es nicht so, dass der Rapper seine Musik produziert, sondern, dass die Musik ein Teil des Charakters ist. So empfinde ich das zumindest.

rap.de: Zurück zum Kerngeschäft: Am 1. August ist deine neue EP „Egoprobleme“ erschienen. Wie bist du mit dem musikalischen Ergebnis zufrieden, und kannst du schon was über die Resonanzen sagen ?

Shawn the Savage Kid: Ja ich bin schon sehr zufrieden mit der EP. Das war eine sehr schnelle EP im Endeffekt. Die musikalischen Arbeiten gingen echt fix. Die wirkliche Arbeitszeit zwei bis drei Wochen, es war echt schnell. Weil dann irgendwie auch alles Hand in Hand ging. Ich habe es dieses mal ja auch in Wien aufgenommen, bei mir Zuhause, habe die Hälfte der Beats beigesteuert, die andere Hälfte kamen von Kollegen die zwei, drei Straßen weiter wohnen, es war einfach schnell gemacht und wurde dann von einem anderen Kollegen von mir gemischt. Ich finde sie auf jeden Fall auch besser als die erste EP, was mir auch wichtig ist, weil ich schon von jedem Release zu Release eine Entwicklung sehen und mich auch stetig verbessern will. Bis jetzt was an Resonanz gekommen ist, war durchweg positiv. Ich habe gute Rezensionen bekomme, eben auch das sie noch mal mehr Druck nach vorne hatte, im Vergleich zur ersten EP. Das man schon sieht, dass das losgelöst von diesem erstes Showdown-Signing-Hype-Ding für sich alleine als EP auf festen Beinen steht und zumindest einen gewissen musikalischen Wert hat.

rap.de: Dein Alter Ego STSK, ich denke also Shawn the Schlager Kid, scheint ein ziemlich zerrissener Typ zu sein. Er braucht zwecks seiner Faulheit Doppelgänger (Dolly), ist gerne schlecht drauf und entdeckt die Misanthropie (Ellenbogen), und will mit dieser Persönlichkeitsstörung und Geldnot in den Schlagerhimmel (Schlagerstar). Wie stellt er sich das Level Superstarshit mit diesem Background vor ?

Shawn the Savage Kid: Er stellt sich das natürlich total easy und problemlos vor. Es geht ihm Endeffekt darum, dass man schnell und einfach, unkompliziert Geld machen kann, mit einer Musik wo nichts dazu gehört, wo einem die Tracks geschrieben werden, und blendet natürlich auch aus, wie unglaublich stressig der Alltag eines Schlagermusikers sein muss. Dieses von einem Termin zum nächsten hasten und mehrere Auftritte. Aber eigentlich ist das scheißegal, es geht eigentlich darum, dass er so befreit ist von diesem künstlerischen Aspekt, dass er sich einfach keinen Kopf machen muss. Ich bin ein sehr verkopfter Mensch und das hört man glaube ich auch in meinen Tracks. Das bricht halt alles weg beim Schlager.

rap.de: Von Eminem, über Cassidy bis zu Materia und weitere ist die multiple Musikerpersönlichkeitstörung weit verbreitet. Hattest du Vorbilder oder Künstler deren Umsetzung du gefeiert hast ?

Shawn the Savage Kid: Jetzt wo du es sagst, sind natürlich Marteria und Marsimoto das offensichtlichste Beispiel. Ich weiß aber gar nicht wie viele Rap-Alter-Ego-Image-Dinger es gibt. Gibt es das nicht auch mit RZA ? Wenn er RZA als Rapper ist, dann der Preacher, wenn er Prince Rakim ist, und was weiß ich wer noch ist. Das ist, glaube ich, ein Thema, dass sich im Rap schon mehrmals gezeigt hat.

rap.de: Wer ist näher an dem bürgerlichen Shawn, STSK oder Savage Kid?

Shawn the Savage Kid: Ich glaube, die existieren einfach gleichzeitig, die brauchen sich auch gegenseitig. Das ist auch alles komplett ich. Die bürgerliche Person ist STSK und auch Shawn the Savage Kid. Es ist halt bloß situationsabhängig, wer am meisten da ist. Nur in der Dreifaltigkeit ist bin ich komplett, um es plakativ zu sagen.

rap.de: Vor „Egoprobleme“ hattest du ein Album angekündigt. Warum die Entscheidung zur EP ?

Shawn the Savage Kid: Die EP war nicht geplant. Wir wollten ein paar Tracks auf Soundcloud hochladen. Ich habe dann ein paar Skizzen an Showdown geschickt und dann kam halt das Feedback, dass die Tracks super sind und ich noch zwei machen soll, und dann haben wir eine super EP. Also ich habe mich zwei Wochen hingesetzt und habe die gemacht. Deswegen hat die EP vielleicht auch einen gewissen Drive, weil sie halt irgendwie ungeplant entstanden ist. Das Über-Ding ist auf jeden Fall das Album, aber was auf dem Weg passieren wird, da kann schon noch was kommen. Es ist nicht so, als würden wir nur an dem großen Album arbeiten.

rap.de: Wo geht die Reise jetzt nach der EP hin ?

Shawn the Savage Kid: Also für das Album gibt es keine angepeilte Deadline. Es wird auf jeden Fall dieses Jahr noch Releases geben, aber was genau das sein wird, und ob das schon ein Album sein wird, ist noch nicht fest.

rap.de: Zwecks deiner Labelheimat würden sich auch Features innerhalb des Rosters (Mortis, Disarstar, Figub Brazlevič) anbieten. Hast du was geplant ?

Shawn the Savage Kid: Ich habe auf jeden Fall Bock mal einen Track mit Disarstar und das Mortis-Feature steht immer noch aus. Da wird auf jeden Fall irgendwas passieren, ich hab auf jeden Fall Bock.

rap.de: Vielen Dank für deine Zeit.