Zeichen gegen Mobbing: Lumaraa & Der Asiate im Interview

Lumaraa & Der Asiate haben vor einer Woche einen Song namens „Für die Ewigkeit“ veröffentlicht. Dieser läuft unter dem Motto „Zeichen gegen Mobbing“ und weist auf eine Initiative hin, die sich an Schulen stark gegen Mobbing macht. Wir haben die beiden Künstler getroffen und über ihre persönliche Historie, wo sich betroffene Menschen Hilfe suchen können sowie den Einfluss von Deutschrap auf die Jugend gesprochen.

Das Thema „Mobbing“ im Allgemeinen gibt es ja schon seit langem. Was war der Ansporn, dass ihr dem genau jetzt entgegensteuern oder zumindest darauf aufmerksam machen wollt?

Lumaraa: Ich wollte das Projekt schon sehr, sehr lange machen, weil ich selber in der Schule hardcore gemobbt worden bin. Da haben die Lehrer auch überhaupt nicht geguckt. Also ich bin komplett daran zerbrochen. Allerdings habe ich mich ewig lange davor gescheut, weil Mobbing ist so ein heikles Thema – da muss der Song verdammt gut werden. Deswegen habe ich mich da lange nicht ran getraut.

Der Asiate: Ich komme aus der Nähe von Bautzen. Genau an der tschechischen Grenze, so ein kleines Dorf. Die Leute dort kennen es nicht anders. Ein Berliner, der kennt einen Türken. Der kennt einen Araber. Der kennt einen Schwarzen. Das kennen die da nicht. Das ist für die alles neu. Und damals, gerade nach der Wende, bin ich dort zur Schule gegangen und das war dann schon so: „Wow, wo kommt der denn her?“ Aber das ging mehr von den Eltern als von den Kindern aus. Die Eltern haben gesagt: „Ey, spiel‘ mal nicht mit dem. Das ist so ein Fidschi-Junge.“ Später, als ich dann älter war, haben sich die Eltern bei mir entschuldigt. Drei, vier Eltern kamen zu mir und haben gesagt: „Ey, wir wussten es wirklich nicht anders. Es tut uns echt voll leid. Du bist so ein top Junge.“

L: Ich habe damals einen Suizidversuch hinter mir gehabt. Ich war deswegen beim Psychologen und alles, aber habe das nie richtig verarbeitet. Ich muss sagen, dass er mir krass dabei geholfen hat, in der Zeit, als wir zusammengekommen sind. Oder auch später. Wir haben immer darüber geredet. Ich finde es krass, dass er sich auf das Projekt eingelassen hat, obwohl er ja auch seine Story zu diesem Thema hat. Ich hätte niemals gedacht, dass es so ein schönes Projekt am Ende wird.

A: Ja, weil ich es nicht gewohnt war, über Probleme zu reden. Ich habe das immer weggelächelt. Auch auf eine Art verdrängt. Oder ich bin halt damit anders umgegangen. Ich habe dann einen Witz über den Typen gemacht, der einen Witz über mich gemacht hat. Weißte, so kontermäßig.

Bei deinem Freund war es der asiatische Hintergrund. Weswegen wurdest du gemobbt, Lumaraa?

L: Das hört sich jetzt super arrogant an. Aber, ich habe mit ein paar Leuten aus meiner ehemaligen Klasse geredet und viele haben gesagt: „Weißt du, es war halt damals so. Du warst halt einfach die Hübscheste in der Klasse. Du hattest so schöne, lange Haare.“ Die Mädels wollten mir in der fünften Klasse meine Haare abschneiden. Als die hinter mir saßen, haben sie ein Stück abgeschnitten. Lauter solche Geschichten. Oder dann wollten Jungs aus meiner Klasse was von mir, aber ich war nie mit einem Jungen aus meiner Klasse oder aus meiner Schule zusammen. Dieses Schlampen-Gerücht – das ist halt einfach sinnloses Gelaber. Eine aus der Parallelklasse hatte so eine scheiß Familie gehabt. Die konnte sich nicht anders wehren, also hat sie zugeschlagen.

Ich finde es sehr beeindruckend, dass ihr heute so reflektiert darauf zurückblicken könnt.

L: Man muss das Gesamte sehen. Man kann nicht immer nur sagen: „Die Mobber sind schuld!“ Weil da sind auch größtenteils die Eltern mit am Start, die etwas auslösen. Und so zieht sich das über Generationen hinweg und eigentlich können die Menschen alle gar nichts dafür. Man müsste wirklich dieses psychische Problem anpacken, das man das tatsächlich bei sich sucht.

Wie können PädagogInnen Mobbing am besten entgegenwirken?

Wenn ich Lehrerin wäre und ich würde sehen, dass ein Mädchen wie ich oder sonst irgendjemand gemobbt wird, würde ich hingehen und sagen „Was ist da los?“ Gegen die Mobber kannst du am Ende nichts machen. Aber ich würde bei den Leuten ansetzen, die gemobbt werden. Ich würde mit denen wirklich das Gespräch suchen. Ich finde jede Schule bräuchte einen psychologischen Beistand. Ein guten psychologischen Beistand. Nicht so einen 0815-Vertrauenslehrer-Scheiß. Sondern jemanden, der das Problem wirklich an der Wurzel packt.

Wie geht ihr auf persönliche Nachrichten ein, wenn ihr damit konfrontiert werdet?

A: Ja, das ist schon schwierig. Gerade eben hat Best Trends das Video geteilt und das hat jetzt schon 200 Teilungen. Dann schreiben uns natürlich auch dementsprechend 1000 Leute an. Da kannst du nicht auf alle eingehen.

L: Jeder der mich jetzt angeschrieben und ein Problem hat: Bitte sucht euch Hilfe! Geht mit euren Eltern zum Psychologen. Wenn eure Eltern nicht mitgehen, geht alleine zum Psychologen. Das ist scheißegal, ob ihr 10, 13, 16 oder 9 Jahre alt seid. Geht hin, lasst euch Hilfe geben. Weil alleine schaffst du das nicht. Ich weiß ja, wie das ist.

Ich glaube, dass da solche Songs genau richtig sind, um so ein Thema nach außen zu tragen. In den Kommentaren sehen ja die Leute, die sich eigentlich schämen, dass es Hunderten genau so wie ihnen geht. 

L: Genau. Die wollen wir herausfiltern. Wir wollen mit dem Song genau die Leute holen, denen es schlecht geht. Wir wollen, dass die uns anschreiben und sagen „Hey, jetzt habe ich endlich mal die Möglichkeit…“

A: Deshalb arbeiten wir ja auch mit dieser Stiftung Zeichen gegen Mobbing e.V. zusammen. Die haben wir uns auch bewusst ausgesucht. Das hat ein Junge, der Marek, gegründet. Er hat verschiedene Seminare besucht und geht jetzt an Schulen. Beziehungsweise die Schulen melden sich bei ihm: „Bei uns gibt es Mobbing.“ Und er hört erst auf, wenn die Scheiße vorbei ist und es denen besser geht. Das ist sein Glaubenssatz. Ehrenamtlich setzen die sich ein. Ihr ganzes Leben dreht sich darum, Kids zu helfen. Das ist echt krass. Eigentlich sind das Helden.

Rapmusik ist ja die Jugendkultur und hat einen enormen Einfluss. Seid ihr der Meinung, dass RapperInnen noch wesentlich mehr machen könnten, was das angeht?

A: Definitiv. Es gibt ja nichts. Das ist ja das Ding. Guck, der bekannteste Song in Deutschland ist, oder war zumindest, „Kokaina“, als Beispiel. Das ist nur noch die gleiche Scheiße. Wenn Capital wirklich einen Song mit Sinn machen würde. Wirklich gegen Krieg oder sonst was, das wäre doch mal krass. Du hast doch die Reichweite. Deine Songs gehen sowieso auf die 1. Mach‘ doch mal etwas mit Sinn. Warum rappst du denn über Koks und Bitches? Auch RAF zum Beispiel. RAF ist ein krasser Musiker. Und was der für Songs gemacht hat, so mit Herz. Es geht nur noch in die oberflächliche Sparte.

L: Und das wird dann den Kids vermittelt. Das ist einfach die Welt, die zu oberflächlich geworden ist. Da geht es nur ums Geld. Und die Kids wollen dann auch so etwas, wie die in den Videos haben. Und dann kaufen die sich von ihrem letzten Taschengeld für 500€, was sie sich zusammengekratzt haben, eine Gucci-Tasche. Wie bereits gesagt. Einige haben es nicht anders mitbekommen. Wenn sie eine Mutter hätten, die ihrem Kind Liebe und Zuneigung und Anerkennung schenkt, in den ersten, in den wichtigen Jahren, wo sich das Unterbewusstsein auch bildet. Gerade wo sich das bildet, womit man sein ganzes Leben lang lebt. Werte vermitteln. Dann würde das gar nicht passieren.

Wie seid ihr eigentlich zu der Schule aus dem Video gekommen?

A: Das ist die Gerart-Hauptmann-Schule. Das ist meine alte Schule und die Lehrerin aus dem Video ist meine alte Musiklehrerin.

L: Am Ende haben Schüler wirklich geweint, weil sie gar nicht gewusst haben, was auf sie zukommt. Ich habe angefangen, zu rappen und auf einmal haben da welche das weinen angefangen. „Das hat mich gerade so mitgenommen.“ Also wirklich ehrlich. Und wir waren auch geschockt. Niemand von denen hatte Schauspielerfahrungen. Außer Leon, der seinen Part gerappt hat und die haben alle mitgemacht. Also so richtig. Sogar die Lehrerin hat super mitgespielt. Das war echt schön.

A: Kann ja auch nach hinten losgehen. Obwohl ich sage, eigentlich kann man das nicht schlechtreden. Das Thema ist unhatebar. Einfach aus dem Grund, was bist du für ein Mensch, wenn du das schlechtredest? Egal was das für Reime sind. Ich sage einfach: „Gut, dass du das machst.“ Das ist unsere Geschichte. Wir haben uns ja nichts ausgedacht. Jeder, der die Message peilt, ist cool und der Rest soll wegschalten.

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