Interview mit Chefket

rap.de: Du meintest ja eben jedes Projekt von dir hat ein Thema. Auf „Identitäter“ ist das offensichtlich deine Identität.

Chefket: Ja. Das was man tut, macht einen aus und darum geht’s eigentlich im gesamten Ding. Deshalb „Identitäter„. 

rap.de: Bei „Fliegen und Fallen“, der vorab veröffentlicht wurde, erzählst du aus der Beobachterperspektive. Du läufst durch nächtliches Berlin und guckst dir die Leute an.

Chefket: Ich bin an dem Abend ausgegangen mein Handy-Akku war leer. Ich wusste nicht wohin, also bin ich einfach dem Strom gefolgt. Dann war ich auf so einer Elektroparty, komplett nüchtern, hab mir ’ne Cola bestellt, Stift und Zettel ausgepackt und die Leute beobachtet. Da habe ich gesehen, irgendwie will jeder nur Liebe, weißte. Aber alle haben irgendwie gezwungen versucht, Spaß zu haben, durch die Drogen und alles drum und dran. Da ist dann die Hook entstanden. Zwei Tage später bin ich dann in die Türkei zu meinen Eltern gefahren und habe mir gedacht, ich muss erstmal ein bisschen zu mir kommen von diesem ganzen Zeitfressmonster Berlin. Meine Eltern leben am Meer und genießen ihren Lebensabend. Ich war außerhalb der Saison dort.

rap.de: Wo denn genau?

Chefket: Das ist in Didim, in der Nähe von Bodrum. Das ist ein sehr schöner Ort. Viele Leute, die Asthma haben, fahren da hin, ist eine Art Kurort. Außerhalb der Saison ist da nichts, außer Rentern, Hunde und Katzen. Ich bin jeden Tag zum Strand und da war niemand. Ich hatte die Beats von Farhot dabei und hab mir die angehört. Es kam immer ein Hund mit mir mit, den hab ich dann Putin genannt. Ey Putin, du Hundesohn! Und irgendwie habe ich mir dann gedacht, warum bin ich eigentlich hier? Was macht mich aus? Warum bin ich zu dem geworden, der ich heute bin? Dann habe ich viel nachgedacht, bin die ganze Schulzeit durchgegangen, warum ich immer dieser Antityp war. Dann stehst du auf der Terrasse, riechst das Essen deiner Mutter, gehst runter, kuckst dir deine Eltern an, die sind auch schon älter geworden, selbst bist du auch nicht mehr der Jüngste.

rap.de: Sprich, du hast dir all die klassischen Fragen zu deiner Identität gestellt. 

Chefket: Genau. Dann hab ich überlegt was passiert wäre, wenn meine Eltern nicht nach Deutschland gekommen wären. Wäre ich vielleicht nicht geboren oder was wäre, wenn ich wo anders geboren worden wäre? Wo liegt die Grenze zwischen kultureller Prägung und genetischer Veranlagung? Was macht mich aus? Was tue ich eigentlich? Alle Themen, die auf „Identitäter“ verarbeitet sind, kamen da in mir hoch. Da habe ich auch drüber nachgedacht, wie die Leute immer zu mir gesagt haben, die Großstadt ist unsicher, mach lieber ein Studium. Führ lieber ein geregeltes und sicheres Leben, es gibt schon so viele Rapper. Aber es gibt auch viele Anwälte und Ärzte, du musst halt einfach gut sein. Es war die richtige Entscheidung. Dann kam dieser Song „Keine Angst“ zustande. Ich hatte zu der Zeit auch wieder mal keine Wohnung, hatte mich gerade von meiner Freundin getrennt. Das war einfach so ein kitschiger Moment, zwischen Palmen, Strand und Meer, aber bei mir war eigentlich gar nichts geil. Ich habe versucht, einen unkitschigen Liebessong zu machen, in dieser kitschigen Atmosphäre. Habe versucht, diese drei großen Worte zu umschreiben…

rap.de: Ich liebe dich?

Chefket: Danke, das hat noch nie jemand zu mir gesagt (lacht). Ich bin dann in die Nachbarortschaft gefahren und dort rumgelaufen. Hab mir die Leute dort angeschaut, die Schmuckverkäufer, den Schuhputzer, der am heißen Boden sitzt. Da ist zwar Remmidemmi aber alle haben ein Lächeln im Gesicht. Die Leute haben fast nichts, also bestimmt weniger als ich. Da hab ich mir gedacht, ey was machst du dir eigentlich so einen Kopf um oberflächliche Scheiße? Da ist dann der Song „Was wir sind“ entstanden. Um zu schätzen, was wir haben und wer wir sind. Marteria musste da auf jeden Fall mit drauf. Bei manchen Songs hab ich einfach schon alles gesagt nach 16 Bars und ich wollte mir nichts aus den Fingern saugen. Ich wollte aber unbedingt wissen, was zum Beispiel ein MoTrip, den ich sehr schätze, einer der krassesten Texter, dazu sagt. Was ein Tua, mein Studionachbar und einer, der sein eigenes Genre gegründet hat, dazu zu sagen hat. Es ist einfach schön, einen Tisch zu decken, Leute einzuladen, die fügen auch noch ein paar Zutaten bei und das Essen schmeckt. Das ist irgendwie so passiert bei diesem Album.

rap.de: Du meinst die EP?

Chefket: Ja, EP wie auch immer, das ist mir eigentlich scheißegal. Aber man muss es ja irgendwie benennen. Ab soviel Minuten ist es das oder andersrum. Es war dann auf jeden Fall so, dass ich zurück war und dann mit Samy in der Kunstwerkstat war. Es war super, wir haben gleich drei Songs gemacht. Der eine Songs schließt dann irgendwie alles ab, der nicht zurückblickt sondern nach vorne. Der Song heißt auch „Nach vorne„, ist auf der aktuellen JUICE-CD drauf.