Interview mit Liquit Walker

rap.de: Wie groß war der Einfluss von Freunde von Niemand, speziell von Hadi El- Dor im Organisatorischen, auf dein Album?

Liquit Walker: Vom Organisatorischen ist es natürlich ein Highlight, wenn man plötzlich einen Manager hat. Ich habe mich bis dato immer selbst gemanagt. Ich kenne einen Großteil der Szene persönlich. Aber das Anrufen und Organisieren, das ist wirklich ein Job. Da kann es schon einmal vorkommen, dass man am Tag drei oder vier Stunden telefonieren muss. Einfach auch, um gewisse Kontakte zu pflegen. Leute die mich kennen, wissen, dass ich kein Mann der großen, sondern der endlosen Worte bin. Deswegen rede ich gerne und viel mit den Leuten. Mit Hadi El- Dor als Manager kommt endlich Struktur in die Sache hinein und ich kann mich definitiv besser auf die Musik konzentrieren. Jeder hat seinen ganz persönlichen und privaten Struggle den er bewältigen muss. Ich hab es bis dato immer recht gut gehandlet bekommen, es aber trotzdem nicht geschafft, nach einem harten Zwölf-Stunden-Arbeitstag abends noch in ein Studio zu fahren, um dann kreativ Texte zu schreiben. Das habe ich einfach nicht hinbekommen.

rap.de: Worauf hast du bei den Texten für „Unter Wölfen“ geachtet? In welche Richtung sollten die gehen?

Liquit Walker: In meinen jetzigen Texten möchte ich nicht mehr nur Punchlines bringen, sondern Bilder kreieren. Ich möchte, dass der ganze Song in sich stimmig ist und durch gute Metaphern, gute Bilder und gute Aussagen gestützt wird. Früher habe ich mich einen Scheißdreck darum gekümmert, mit welcher Stimmlage ich in einen Song reingehe. Es ist jetzt nicht so, dass ich vor einem Song Stimmübungen mache und die Tonleiter hoch und runter gehe, aber ich überlege mir natürlich zweimal, ob ich eher mit einer ruhigeren Stimme rappe oder wie ich den Flow anpasse. Innerhalb eines Textes mit der Stimmlage und dem Flow variieren zu können, beeinflusst die Art und Weise des Texteschreibens. Dafür braucht man auf jeden Fall Ruhe und Zeit. Einen Battle-16er schreibe ich in 15 Minuten, manchmal vielleicht auch in 45 Minuten. Aber um einen vernünftigen Song zu schreiben, brauche ich definitiv drei oder vier Stunden.  

rap.de: Der rote Faden auf „Unter Wölfen“ ist, dass du meist aus der Position des Underdogs spricht. Ist das eine bewusste Haltung?

Liquit Walker: Definitiv. Das sind wir wieder beim Thema der Verwandlung von Battlerap zu Songs. Früher war es „Me against the world„, jetzt ist es „Unter Wölfen„. Das Prinzip ist im Endeffekt das Gleiche. Der Einzelgänger. Das ist das Prinzip, welches sich durch das Album durchzieht. Ich habe mich lange mit dem Begriff „Underdog“ identifiziert. Mein kompletter Werdegang ist der eines Underdogs. Ich wollte immer Rappen, hatte aber kein Cash und zunächst keine Kontakte und vor allem auch keinen Plan. Dazu kam noch, dass in meiner Gegend, in der ich aufwuchs, in der Hinsicht auch nicht viel ging. 

rap.de: Dieses Thema greifst du in deiner ersten Videosingle „Deutschrapkanakke“ auf. Der Titel hat ja durchaus für Kontroversen gesorgt. Was genau meinst du damit?

Liquit Walker: Es geht nicht nur darum, der einzige Deutsche in einem gewissen Zweig der Szene zu sein. Ich hätte mich auch in den Park stellen können, mit einem Rucksack auf dem Rücken, und über Politik cyphern. Aber ich hatte darauf keinen Bock. In mir war etwas eigenes, das raus wollte. Ich kann bis heute nicht sagen, wann und warum ich dafür entschieden habe, raus zu gehen und anderen Rappern zu zeigen, dass ich besser bin. Ich wollte das einfach. Andere Leute haben darüber gelacht und mich belächelt, als der kleine, klapprige, blasse Junge aus dem Osten in seinem schwarzen Fruit of the Loom-Hoodie, auf dem hinten Friedrichshain, Ostberlin drauf gedruckt war, und seinem Topfschnitt und seinen Ostler-Kreolen auf Battles ankam. Allein vom Aussehen her haben die Leute mich nicht ernst genommen. Vielleicht würde ich das heute auch nicht mehr tun.(lacht) Trotzdem bin ich auf die Bühne gegangen und habe Rapper gekillt. 

rap.de: Also hast du dich schon immer zwischen den Stühlen gesehen?

Liquit Walker: Die Glatzen wollte mich schlagen, weil ich aussah wie eine Zecke, die Punks wollten mich schlagen, weil meine Klamotten nach HipHop aussahen und die Kanaken wollten mich schlagen, weil ich aussah wie eine peinliche Kartoffel. Keiner war mit meinem Look zu frieden. Die Backpacker fand ich selber peinlich, auch wenn ich am ehesten wie einer von denen ausgesehen habe. Von den Texten und den Problemen die ich hatte, konnte ich mich aber am ehesten mit den Kanaken identifizieren, nur die wollten mich nicht bei sich haben. Rap und HipHop war immer ein Anlaufpunkt für Minderheiten. Und innerhalb dieser Szene, die für Minderheiten bestimmt ist, gibt es wiederum eine Untergruppierung von Minderheiten, zu der man sich zugehörig fühlt. Und bei den Kanaken war ich als Deutscher der Kanake.

rap.de: Dir ist aber klar, dass du mit der Verwendung solcher Begriffe durchaus das eine oder andere Missverständnis auslöst?

Liquit Walker: Ich habe eine Zeile auf dem Song „Jungs vom Hintahof„: „Scheißegal ob sich ein paar Juppies in die Szene setzten/ Currywurst und Döner machen Gangbang hier mit Käsespätzle„. Das soll einfach ausdrücken, dass noch so viel Gentrifizierung hier in Berlin passieren kann und noch so viele schwäbische Bäcker aufmachen können – am Ende ist die Berliner Kultur immer noch die vorherrschende. Natürlich werden da wieder Leute aufschreien, die sagen, dass das voll faschistisch klingt, aber die sollen alle ihre Fresse halten. Mir wird gerne der Schwabenhasser angehängt. Mir wird gerne der Ant-Gentrifizierungsführer angehängt, mir wird gerne der Faschist auf die Stirn geschrieben und es wird gerne der Nazi in mich hinein interpretiert. Ich bin hier in Berlin aufgewachsen und habe richtigen Hass gegen Rechtsextreme. Aber ich habe auch ein ganz großes Problem mit den Linksextremen. Was hier am 1. Mai passiert, dass hat weder mit Politik etwas zu tun noch mit Revolution. Ich bin ein Mensch, der sehr wenig von Politik versteht. Ich kenne die meisten Begriffe nicht, ich kann mit den meisten Parteiprogrammen nichts anfangen und ich weiß überhaupt nicht, welche Partei eigentlich was will. Ich sehe nur die gegenwärtige Situation nicht funktioniert. In meinem Bezirk brennen Autos, weil die Menschen unzufrieden sind. Ich bin auf Hass gegen Rechts und ich bin auf Hass gegen Links, auf alles, was ins Extreme neigt.