rap.de: Du wolltest glaube ich gerade zur Erklärung ansetzen, warum „roh.kalt“ komplett von Hubert Daviz produziert wurde?
Morlockk Dilemma: Ja, genau. Von dem hatte ich eben auch ein Beatpaket. Da hatte ich mir schon einmal überlegt gehabt, dass es eigentlich eine gute Idee wäre, nur mit ihm eine EP zu machen. Allerdings hatte ich noch keine konkreten Ideen für eine etwaige Kooperation. Durch den Fakt, dass Spill ihn kennt und beide aus Köln kommen, quasi Kumpels sind, dachte ich dann eben: „Okay, das passt doch perfekt!“ Dann hab ich Spill eben gefragt, ob er sich das vorstellen könnte auf der gemeinsamen EP ausschließlich über Hubert Daviz Beats zu rappen. Er war dann natürlich down mit der Idee. So ist dann der erste Song („Eistorte„), der ja von mir produziert wurde und deshalb eben auf der EP fehl am Platz gewesen wäre, auf der HHV 10 Jahres-Jubiläums 7 Inch gelandet. Wenn man so etwas schon durchzieht, dann muss man es auch zu 100% machen!
Sylabil Spill: Für Hubert Daviz hat halt auch die Melodramatik gesprochen. Seine Beats geben klanglich einfach genau die Grundstimmung wieder, die wir in unseren Songs vermitteln wollten.
rap.de: Ja, das hört sich auch im Endprodukt sehr stimmig an. Diese 2 brachialen Welten die da aufeinandertreffen mit euren Rapstyles und den extrem bösartigen Beats eines Hubert Daviz.
Sylabil Spill: Ja, genau. Die Beats mögen eventuell auf Anhieb etwas lethargisch wirken, wenn man sie aber 2-3 mal gehört hat passt es eben.
rap.de: Die Lethargie der Produktionen wird ja auch durch eure Art und Weise zu rappen sehr gut aufgefangen. Eure Worte kleben die Beats regelrecht zusammen, wenn man so will..
Sylabil Spill: Eben. Das sind alles Beats, die im Endeffekt geradezu nach Raps schreien! Gibt ja auch viele Produzenten, wo ich jetzt sagen würde „Alter, du hast epische Dinger…Aber ich habe keine Lust mit dem Beat zu kämpfen!“ Wir brauchten von unseren Styles her definitiv Instrumentale, die viel Platz zur freien Entfaltung lassen. Und das war bei Hubert Daviz der Fall. Unsere sprachliche Komponente verträgt sich einfach besser mit so spartanischen Beats als mit epischen Produktionen a la Flying Lotus, ohne den jetzt dissen zu wollen natürlich!
rap.de: Das wäre jetzt auch extrem verrückt gewesen, wenn ausgerechnet du jetzt einen Flying Lotus-Diss ausgepackt hättest!
Sylabil Spill: (lacht) Nein, natürlich nicht! Klar feiere ich den…
rap.de: Du hast gerade das Sprachliche angesprochen. Wenn man euch kennt weiß man es auch davor schon, ansonsten weiß man es spätestens nach dem ersten Hören von „roh.kalt“. Eure Musik ist ja schon rein vom Linguistischen her nicht für Jedermann gemacht. Habt ihr euch schonmal gedacht: „Okay, durch die Art und Weise wie wir unsere Texte schreiben, schließen wir einen Großteil der Raphörer von vornherein aus“? Oder ist das bei euch Absicht, dass ihr bewusst den elitären Sprachgebrauch vorzieht, um gezielt nur eine spezielle Hörerschaft anzuziehen?
Sylabil Spill: Nö, an sich nicht. Also primär agiert man, also „man“ im Sinne von „ich“, besser gesagt im Sinne von „wir“ ja als Künstler. Künstler sein bedeutet für mich auf Vorgaben zu scheißen, auf gut Deutsch. Ich denke nicht so, von wegen „ich muss jetzt das und das machen oder so und so dies und jenes sagen“. Im Endeffekt spült man so seine Musik weich. Ich lasse Vorgaben bewusst hinter mir, und meiner Meinung nach sollte sich jeder Künstler diese Freiheit nehmen! Wenn Leute dann im Endeffekt sagen „Was ihr da macht ist elitäre Scheiße!“, oder „Was ihr macht ist doch nur so´n Nischending!“, dann ist das deren Sache. Ich agiere sowohl als Dienstleister, als auch als Künstler. Der Künstler als der verrückte, auf den im Prinzip eh keiner Bock hat. Der Dienstleister als der, der den Flow kickt, der von ihm erwartet und gewünscht wird. Wir haben aber glücklicherweise die Freiheit von der Arbeit zu kommen und zu sagen „Okay, ich mach jetzt worauf ICH Bock habe!“. Klar. Es gibt Leute, die sind in ganz anderen Maßen auf ihr Endprodukt angewiesen. Das hört man dann natürlich auch an der Musik. Wir müssen glücklicherweise keinerlei Kompromiss eingehen.
rap.de: Würdest du im Umkehrschluss sagen, dass du ohne einen geregelten Job neben der Arbeit völlig andere Musik machen würdest?
Sylabil Spill: Nein, das würde ich jetzt nicht sagen. So sind eben meine Umstände. Es ist ja auch nicht nur von der Arbeit abhängig. Wenn ich ein Künstler wäre, der sagt „ich verdiene nix, aber ich scheiß trotzdem drauf und mache den Vogel!“, dann mache ich eben den Vogel. Nicht, dass ich das jetzt mache….es ist nur sehr schwierig aus der realen Sichtweise, die man jetzt hat in diese „was wäre wenn“ Gedankenspielerei abzudriften. Momentan machen wir einfach das, worauf wir Bock haben, weil wir glücklicherweise die Freiheit dazu haben. Für eine gesunde künstlerische Entwicklung sollte meiner Meinung nach immer eine gewisse „scheißegal“ Haltung vorherrschen.
rap.de: Ja, die kommt bei euch auf jeden Fall extrem gut durch!
Morlockk Dilemma: Zu dem Thema „Fans vergraulen“ wollte ich auch noch etwas loswerden. Es gibt so viele Leute in der Deutschrapszene, die extremst mit Pop-Einflüssen in ihrer Musik aufwarten. Da frage ich mich dann persönlich immer: „Ja, wollt IHR denn NICHT Einfluss auf euer Publikum nehmen? Wollt ihr unbedingt JEDEN vor eurer Bühne stehen haben?“ Das ist etwas, das ich nicht verstehen kann. Ich möchte absolut kein Ballermann Publikum auf meinen Shows. Ich kann verzichten auf Abiturjahrgangs-Partybusse die kommen um auf die Kacke zu hauen. Ich brauche das nicht. Ich mag solche Menschen auch überhaupt nicht. Deshalb habe ich weniger die Angst jemanden zu verschrecken. Wir sind uns über das was wir machen schon soweit im Klaren, dass wir wissen wen wir ansprechen. Und das Publikum, das ich auf meinen Shows haben will, lässt sich auch nicht von mir verschrecken. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch immer so, dass du es nach dem Auskoppeln einiger Releases sowieso niemandem mehr wirklich recht machen kannst! Der eine will, dass du bis ans Ende der Tage so klingst wie auf deinem ersten Demo, der andere will, dass du nur verrückte Storytelling-Sachen machst, der nächste wiederum möchte, dass du nur Battlerap machst….Da wirste ja verrückt, wenn du auf alle hören würdest! Am Ende sitze ich fast schon autistisch in meinem Zimmer und mache im Endeffekt einfach das, worauf ich Bock habe. Das ist auch das einzige, was ich wirklich glaubwürdig rüberbringen kann. Wenn ich nur noch in diesen „wie kann ich es allen Recht machen“ Gedanken festhängen würde, würde ich eventuell gar keine Musik mehr rausbringen. Letztes Jahr hatte ich die EP mit Dexter, wo nur verkopfte konstruierte Geschichten drauf waren…im nächsten Atemzug mache ich dann ein reines Battleding. Das nächste Release wird dann wieder was ganz anderes werden. So langweile ich mich auch nicht selber, was mir sehr wichtig ist!